OGH 10ObS297/01a

OGH10ObS297/01a25.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Scheuch (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Aloisia R*****, vertreten durch Dipl. Ing. Dr. Peter Benda, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Josefstädterstraße 80, 1081 Wien, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 7.392 sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Juni 2001, AZ 7 Rs 202/00f, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit Bescheid vom 15. Jänner 1998 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin, ihr für die Präparate Lactrase und Laluk-Kautabletten Kostenersatz zu gewähren, gemäß §§ 62 Abs 2 und 64 Abs 1 B-KUVG mit der Begründung ab, diese Präparate überschritten das im Rahmen der Krankenbehandlung geforderte Maß des Notwendigen.

Mit der dagegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin - neben einem bereits rechtskräftig zurückgewiesenen Feststellungsbegehren - die Beklagte schuldig zu erkennen, der Klägerin S 7.474 samt 4 % Zinsen ab 16. 12. 1999 zu bezahlen (ON 24 und 37).

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Es unterließ einen Ausspruch nach § 45 Abs 1 ASGG, ob die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 45 Abs 3 ASGG hat ein solcher Ausspruch unter anderem dann zu unterbleiben, wenn es sich um ein Verfahren über wiederkehrende Leistungen in Sozialrechtssachen (oder über vertragliche Ruhegenüsse) handelt (§ 46 Abs 3 Z 3 ASGG). Das hier zu beurteilende Klagebegehren auf Kostenerstattung von S 7.392 sA für die Verwendung bestimmter Medikamente betrifft aber keine wiederkehrende Leistung in Sozialrechtssachen (vgl RIS-Justiz RS0085773 [T14] zuletzt: 10 ObS 117/01f).

Nachdem die gegen die Berufungsentscheidung erhobene "außerordentliche" Revision zunächst unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vorgelegt worden war, wurden die Akten daher zur Ergänzung der Berufungsentscheidung durch den Ausspruch nach § 45 Abs 1 ASGG (und allfälliger Ermöglichung einer Ergänzung der Revisionsausführungen) an das Berufungsgericht zurückgestellt. Dieses berichtigte seine Entscheidung dahin, dass der (kurz begründete) Ausspruch der Unzulässigkeit der ordentlichen Revision angefügt und die Klägerin "eingeladen" wurde, ihre Revision iSd § 506 Abs 1 Z 5 ZPO iVm § 45 Abs 1 zweiter Halbsatz ASGG durch Anführung der Gründe, weshalb, entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes, die Revision für zulässig erachtet werde, zu ergänzen.

Daraufhin beantragte die Klägerin (mit dem als "Antrag auf Zulässigerklärung der ordentlichen Revision und Ergänzung der bereits eingebrachten und hiemit wieder vorgelegten Revision" bezeichneten Schriftsatz vom 19. 6. 2001), das Berufungsgericht möge den Berichtigungsbeschluss dahin abändern, dass es die Revision doch für zulässig erkläre; sollte das Berufungsgericht der Auffassung sein, über diesen Antrag nicht entscheiden zu müssen, möge der Schriftsatz als Ergänzung der Revision mit dieser vorgelegt werden.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht den Antrag der Klägerin auf Zulässigerklärung der ordentlichen Revision mit der Begründung zurück, dass die mit der WGN 1997 geschaffene Möglichkeit eines derartigen Antrages (§ 508 ZPO idF WGN 1997) nach der gleichzeitig erfolgten Novellierung des § 44 Abs 1 ASGG in Arbeits- und Sozialgerichtssachen nicht gelte.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag die angefochtene Zurückweisung dahin abzuändern, dass sie "den genannten Antrag nur im Umfange der Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Graz betrifft, nicht aber das Ersatzbegehren auf Vorlage dieses Antrages zusammen mit der Revision als Ergänzung derselben an den Obersten Gerichtshof in Wien".

Zwar betrifft der im § 508 Abs 4 ZPO normierte Rechtsmittelausschluss nur Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz, mit denen das Berufungsgericht die Argumente des Antragstellers, es lägen doch erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vor, prüft, sie aber für nicht stichhältig hält und deshalb den Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO und die damit verbundene Revision zurückweist (6 Ob 93/99s; 3 Ob 337/99a; zuletzt: 7 Ob 140/01s = RIS-Justiz RS0115271). Der hier vorliegende Fall der Zurückweisung eines Antrages nach § 508 ZPO, ohne gleichzeitige Zurückweisung der damit verbundenen Revision (weil diese auch ohne einen Beschluss nach § 508 ZPO zulässig ist) wird hingegen vom Rechtsmittelausschluss des § 508 Abs 4 ZPO nicht erfasst (3 Ob 337/99a = RIS-Justiz RS0113122), weil sich eine extensive Auslegung dieser Gesetzesstelle aus Gründen des Rechtsschutzes verbietet (RIS-Justiz RS0111234 [T2] = 6 Ob 118/99t; 6 Ob 93/99s).

Der Rekurs ist aber dennoch nicht zulässig.

Der an das Berufungsgericht gerichtete Antrag der Beklagten, den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision gemäß § 508 Abs 3 ZPO in eine Zulassung der ordentlichen Revision abzuändern, ist verfehlt, weil § 508 ZPO idF WGN 1997 - wie bereits das Berufungsgericht zutreffend festhält - in Arbeits- und Sozialrechtssachen nicht anzuwenden ist (§ 44 Abs 1 ASGG idF WGN 1997). Sofern nicht ein "privilegierter" Streitgegenstand gemäß § 46 Abs 3 ASGG vorliegt, hat das Berufungsgericht - wie bereits ausgeführt - in seinem Urteil auszusprechen, ob die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig ist, und diesen Ausspruch kurz zu begründen; die Unrichtigkeit dieses Ausspruchs kann nur in einer außerordentlichen Revision (bzw in der Beantwortung einer ordentlichen Revision) geltend gemacht werden (§ 45 Abs 1 ASGG). Verneint das Berufungsgericht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und nimmt es demgemäß einen negativen Ausspruch in sein Urteil auf, so steht dem durch die Entscheidung Beschwerten die außerordentliche Revision offen. Diese vereint in sich die Funktion der Zulassungsbeschwerde und jene des Rechtsmittels gegen das bekämpfte Berufungsurteil (9 ObA 182/99a mwN). Eine außerordentliche Revision kann daher im vorliegenden Fall erhoben werden, ohne dass es einer Abänderung des Ausspruches über die Zulässigkeit der Revision durch das Berufungsgericht bedarf.

Wie sich insbesondere auch aus dem Rechtsmittelantrag ergibt, bekämpft die Rekurswerberin aber ohnehin nicht die Zurückweisung ihres (unzulässigen) Antrages auf Zulässigerklärung der (ordentlichen) Revision (durch das Berufungsgericht). Sie wendet sich vielmehr dagegen, dass der angefochtene Beschluss ihr "Ersatzbegehren" (gemeint: Eventualbegehren), "diesen Schriftsatz" zusammen mit der Revision als Ergänzung derselben an den Obersten Gerichtshof vorzulegen, weder im Spruch noch in der Begründung des angefochtenen Beschlusses "von dieser Zurückweisung ausnimmt". Der angefochtene Beschluss entscheide "nicht materiell" über das Begehren der Klägerin, sondern über eine Eingabe, die im Auftrag des Obersten Gerichtshofes "erfolgte".

Dabei wird zunächst übersehen, dass die Rekurswerberin ihren Eventualantrag, den gegenständlichen Schriftsatz als Ergänzung ihrer (außerordentlichen) Revision dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, ausdrücklich nur für den Fall gestellt hat, dass das Berufungsgericht der Auffassung sein sollte, über den vorliegenden Antrag "nicht entscheiden zu müssen". Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil das Berufungsgericht - wenn auch formal - über den Zulassungsantrag entschieden hat. Der "Ersatzantrag" der Klägerin musste daher schon aus diesem Grund nicht von der Zurückweisung ausgenommen werden.

Davon abgesehen wurde im angefochtenen Beschluss - wie der Rekurs selbst festhält - lediglich der (an das Berufungsgericht gerichtete, im vorliegenden Verfahren aber nicht zulässige) Antrag auf Zulassung der Revision (richtig: auf Abänderung der Zulässigkeitssauspruches [Kodek in Rechberger2 Rz 1 zu § 508 ZPO]) zurückgewiesen, während die (ergänzte) außerordentliche Revision (zusammen mit dem Schriftsatz der Klägerin vom 19. 6. 2001 [und der darin enthaltenen, iSd Auftrages des Obersten Gerichtshofes verfassten Ergänzung]) ohnehin neuerlich an den Obersten Gerichtshof vorgelegt wurde und bei der Entscheidung über die außerordentliche Revision der Klägerin berücksichtigt werden konnte.

Der Rekurs war daher mangels Beschwer zurückzuweisen.

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