OGH 10ObS117/01f

OGH10ObS117/01f12.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter OLWR Dr. Peter Hübner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Johann Holper (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Wilhelm J*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Stefan Zöhrer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19, wegen Kostenerstattung (Revisionsinteresse S 138,50), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Jänner 2001, GZ 10 Rs 342/00p-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 23. Mai 2000, GZ 27 Cgs 130/99a-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen.

Der Antrag der Revisionsgegnerin auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Da das hier zu beurteilende Klagebegehren auf Kostenerstattung keine wiederkehrenden Leistungen in Sozialrechtssachen betrifft, ist nach § 46 Abs 1 ASGG die Revision nur bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig. Eine solche wird in der außerordentlichen Revision jedoch nicht dargetan.

Obwohl die Zurückweisung einer außerordentlichen Revision nach § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO keiner Begründung bedarf, sei den Revisionsausführungen folgendes entgegengehalten:

Strittig ist im vorliegenden Verfahren der Umfang der Leistungspflicht des Krankenversicherungsträgers im Rahmen einer Kostenerstattung unter den konkreten Umständen des Einzelfalles.

Nach § 133 Abs 2 ASVG muss die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Wie der erkennende Senat bereits wiederholt dargelegt hat, bestimmt sich das Maß des Notwendigen (als grundsätzliches Ziel einer Krankenbehandlung) zwar aus dem Zweck der Leistung; notwendig ist jedoch nur jene Maßnahme, die zur Erreichung des Zweckes unentbehrlich oder unvermeidbar ist. Es sollen mit dieser Einschränkung unnötige Maßnahmen vermieden und damit die finanzielle Belastung in Grenzen gehalten und andererseits die zur medizinisch notwendigen Versorgung erforderlichen Maßnahmen gewährleistet werden. Die Beschränkung des Leistungsumfanges auf das Maß des Notwendigen beinhaltet auch das Gebot der Wirtschaftlichkeit der Krankenbehandlung (SSV-NF 11/96; 7/112 mwN ua). Bezogen auf den Anspruch des Versicherten auf Kostenerstattung für ein Heilmittel bedeutet dies, dass der Versicherte keinen Anspruch auf Beistellung eines jeden (von ihm gewünschten oder ihm vom Arzt verschriebenen) Heilmittels hat, sondern ihm nur das im konkreten Fall notwendige und wirtschaftlichste Heilmittel zusteht (Binder in Tomandl, SV-System 11. Erg-Lfg 222). Nach § 31 Abs 5 Z 13 ASVG obliegt es dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen aufzustellen. In diesen Richtlinien soll insbesondere auch unter Bedachtnahme auf die Art und Dauer der Erkrankung bestimmt werden, inwieweit Arzneispezialitäten für Rechnung der Sozialversicherungsträger abgegeben werden können. Durch die Richtlinien darf der Heilzweck nicht gefährdet werden. Nach § 1 Abs 1 dieser Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen (vgl Teschner/Widlar, MGA, ASVG 60. Erg-Lfg Anh 6) haben die Krankenversicherungsträger nach Maßgabe dieser Richtlinien die Kosten ärztlich verschriebener Heilmittel zu tragen, soweit sie für eine ausreichende und zweckmäßige, das Maß des Notwendigen nicht überschreitende Krankenbehandlung erforderlich sind. Wesentlicher Grundsatz dieser Richtlinien sind Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit von Verschreibungen. Nach der Definition des § 2 ist die Verschreibung von Heilmitteln oder Heilbehelfen durch den behandelnden Arzt zweckmäßig und wirtschaftlich, wenn die Verschreibung geeignet ist, den größtmöglichen therapeutischen Nutzen zu erzielen und die Behandlungskosten im Verhältnis zum Erfolg und zur Dauer der Behandlung möglichst gering zu halten. Bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit ist insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, ob im Einzelfall eine Wiederholung der Verschreibung auf Grund der Art und Menge der vom Patienten bereits verbrauchten Mittel erforderlich ist (Abs 2 Z 4).

Nach den Feststellungen hätte die am 30. 4. 1998 von einem Arzt für den Sohn des Klägers verordnete und vom Kläger in einer Apotheke besorgte Menge an Medikamenten für den Verordnungszeitraum von 8 Tagen ausgereicht, sodass in der von den Vorinstanzen vorgenommenen Beurteilung, der neuerliche Bezug einer gleich großen Menge dieser Medikamente am 2. 5. 1998 durch den Kläger habe das Maß des Notwendigen überschritten, keine Fehlbeurteilung erblickt werden kann. Dem Einwand des Klägers, diese Medikamente seien von einem Arzt nochmals verschrieben worden, ist entgegenzuhalten, dass nicht jede ärztliche Verschreibung einen gesetzlichen Anspruch auf die Gewährung des verordneten Heilmittels entstehen lässt, sondern ein Leistungsanspruch nur dann gegeben ist, wenn die ärztliche Verschreibung auch den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht, dh im konkreten Fall zweckmäßig und ausreichend ist, aber das Maß des Notwendigen nicht überschreitet.

Nach § 16 Abs 1 der Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen sind für Heilmittel, die während der gesetzlichen Sperrzeit einer Apotheke abgegeben wurden, die zusätzlichen Kosten zu übernehmen, wenn auf dem Krankenkassenrezept vom Arzt der Vermerk "expeditio nocturna" oder ein anderer Vermerk, der auf die Dringlichkeit der Abgabe während der Sperrzeit hinweist, angebracht wurde, das Heilmittel innerhalb der am Ausstellungstag begonnenen oder noch nicht beendeten Sperrzeit abgegeben wurde und die Zeit der Inanspruchnahme der Apotheke auf dem Rezept vermerkt und vom abgebenden Apotheker die Unterschrift oder Paraphe beigesetzt worden ist. Handelt es sich um ein besonders gekennzeichnetes Krankenkassenrezept eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes, ist ein Vermerk nicht erforderlich (Abs 2). Nach § 20 Abs 2 der Krankenordnung der beklagten Partei (vgl SozSi 1997, 55 ff - Amtliche Verlautbarung Nr 4/1997) können Heilmittel auf Rechnung der Kasse auch außerhalb der festgesetzten Öffnungszeiten einer Apotheke bezogen werden. Die Kasse übernimmt die Zusatzgebühr aber nur dann, wenn dies nach den Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen vorgesehen ist.

Nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen ist davon auszugehen, dass auf dem am 30. 4. 1998 von einem Arzt ausgestellten Rezept ein Vermerk über die Dringlichkeit der Abgabe während der Sperrzeit der Apotheke nicht angebracht war und daher die Inanspruchnahme des Apothekennachtdienstes durch den Klägers nicht notwendig war. In der Abweisung des Kostenerstattungsbegehrens des Klägers für die von ihm dafür bezahlte Zusatzgebühr in Höhe von S 48,-- durch die Vorinstanzen kann daher ebenfalls kein Rechtsirrtum erblickt werden.

Die Vorinstanzen haben somit im Rahmen der Grundsätze der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Kostenerstattungspflicht des Krankenversicherungsträgers entschieden. Die außerordentliche Revision erweist sich daher mangels erheblicher Rechtsfrage als unzulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revisionsgegnerin die Beantwortung der vom Kläger erhobenen außerordentlichen Revision nicht im Sinne des § 508a Abs 2 Satz 1 ZPO freigestellt. Die dennoch erstattete Revisionsbeantwortung gilt daher gemäß § 508a Abs 2 Satz 3 ZPO nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Im Übrigen ist das Kostenersatzbegehren der beklagten Partei schon deshalb verfehlt, weil der Versicherungsträger die Kosten, die ihm durch das Verfahren erwachsen sind, ohne Rücksicht auf dessen Ausgang selbst zu tragen hat (§ 77 Abs 1 Z 1 ASGG) und ein Ausnahmefall nach § 77 Abs 3 ASGG, nämlich dass der Versicherte dem Träger durch Mutwillen, Verschleppung oder Irreführung Verfahrenskosten verursacht habe, nicht vorliegt.

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