OGH 1Ob97/01y

OGH1Ob97/01y17.8.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Peter S*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Anton S*****, vertreten durch Dr. Hans Otto Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 5. Dezember 2000, GZ 44 R 563/00w-22, womit der Rekurs des Vaters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 9. Oktober 2000, GZ 3 P 149/00d-10, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Gericht zweiter Instanz die Entscheidung über den Rekurs des Vaters unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Die Obsorge für ihren seit 10. Mai 2001 volljährigen, zum Zeitpunkt der Stellung des Unterhaltsfestsetzungsantrags aber noch minderjährigen Sohn stand den ehelichen Eltern gemeinsam zu (§ 144 ABGB), die mit ihrem Kind in aufrechter häuslicher Gemeinschaft leben; ein Ehescheidungsverfahren ist anhängig. Die Mutter beantragte, sie zur besonderen Kuratorin für ihren Sohn zur Durchsetzung von dessen Unterhaltsanspruch gegen den Vater zu bestellen und diesen rückwirkend ab 1. Juli 1997 zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von 11.000 S monatlich zu verpflichten; der Vater verdiene im Schnitt rund 62.000 - 65.000 S monatlich netto und erbringe für seinen Sohn nur unzureichende Geld- und Naturalleistungen. Der Vater trat diesem Antrag entgegen.

Das Erstgericht bestellte die Mutter zur besonderen Kuratorin zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des minderjährigen Sohnes gegen den Vater (Punkt 1.) und wies einen dessen Obsorge anstrebenden Antrag des Vaters - unangefochten - ab (Punkt 2.). Es vertrat die Auffassung, nach überwiegender Rechtsprechung setze die Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs eines minderjährigen Kindes bei gemeinsamer Obsorge und aufrechter häuslicher Gemeinschaft der Eltern nicht die Entziehung der Obsorge des Unterhaltspflichtigen voraus, sondern es könne ein besonderer Sachwalter zur Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs bestellt werden. Dies könne auch ein Elternteil sein.

Das Gericht zweiter Instanz wies den Rekurs des Vaters gegen Punkt 1. des erstinstanzlichen Beschlusses als unzulässig zurück und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig. Auch im außerstreitigen Verfahren sei ein Rechtsschutzinteresse (materielle Beschwer) allgemeine Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels. Ein Rekursrecht stehe einer Partei nur zu, wenn der angefochtene Beschluss in ihre rechtlich geschützten Interessen eingreife. In der Rechtsprechung sei bereits wiederholt die Ansicht vertreten worden, dass einem unterhaltspflichtigen Elternteil gegen die Bestellung eines Unterhaltssachwalters für das minderjährige Kind kein Rekursrecht zukomme. Die bloße Bestellung eines Unterhaltssachwalters bedeute keinerlei Präjudiz für die spätere Entscheidung über einen Unterhaltsantrag. Für die Bestellung eines besonderen Sachwalters genüge die bloße Behauptung einer Unterhaltsverletzung. Ein Beschluss auf Bestellung eines Unterhaltssachwalters greife daher nicht in die Rechtssphäre des Unterhaltspflichtigen ein, weshalb ihm kein Rekursrecht zustehe. Die bloße Bestellung eines Vertreters in Unterhaltsangelegenheiten ändere nichts an der materiell-rechtlichen Unterhaltsverpflichtung des Vaters gegenüber dem Minderjährigen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist iSd § 14 Abs 1 AußStrG zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Zur Beurteilung der Frage, ob über den Unterhalt eines Kindes im Verfahren außer Streitsachen oder im streitigen Verfahren zu entscheiden ist, kommt es allein darauf an, ob das Kind im Zeitpunkt der Anspruchserhebung noch minderjährig oder bereits volljährig ist (EFSlg 37.101 = ÖA 1981, 49; 1 Ob 2233/96f = ÖA 1997, 125 U 178 = EFSlg 82.558 u.a.; Stabentheiner in Rummel3, § 140 ABGB Rz 16). Der Grundsatz der perpetuatio fori gilt auch im Verhältnis streitiges - außerstreitiges Verfahren (4 Ob 2227/96w = EvBl 1997/110 mwN). Da im vorliegenden Fall der Unterhaltsantrag zur Zeit der Minderjährigkeit des inzwischen volljährig gewordenen Unterhaltsberechtigten gestellt wurde, ist darüber sowie über die in diesem Zusammenhang gestellten Anträge im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden.

b) Nach der auf der Entscheidung 1 Ob 528/84 (SZ 57/84 = JBl 1985, 162 = ÖA 1984, 100 = EFSlg XXI/1) basierenden Rechtsprechung wird das minderjährige Kind im Unterhaltsverfahren gegen einen Elternteil vom anderen Elternteil vertreten, wenn dieser - anders als hier - allein obsorgeberechtigt ist oder wenn er bei Haushaltsgemeinschaft mit dem gemeinsam obsorgeberechtigten Verpflichteten zum Unterhaltskurator bestellt ("ermächtigt") wird (7 Ob 533/91 = RZ 1991/87; JBl 1996, 651; 6 Ob 2286/96m = ÖA 1997, 196 U 188 u.a.; RIS-Justiz RS0086838; Schwimann, Unterhaltsrecht2, 101 mwN und in Schwimann2 § 140 ABGB Rz 115; Gitschthaler, Kindesunterhalt im Licht der jüngsten Rechtsprechung des OGH in ÖJZ 1992, 529 ff, 535). Den Vorinstanzen ist beizupflichten, dass gleichfalls nach ständiger Rechtsprechung für die Ermächtigung der Mutter, den Unterhaltsanspruch gegen den noch im gemeinsamen Haushalt lebenden Vater geltend zu machen, die Behauptung der Mutter ausreicht, der Vater habe seine Unterhaltspflicht verletzt, und der Nachweis einer Unterhaltsverletzung nicht erforderlich ist (RZ 1991/87; 6 Ob 164/97d = EFSlg 83.777; RIS-Justiz RS0047459; Gitschthaler aaO), weil dies der rascheren Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs dient.

Die Auffassung des Rekursgerichts, dem Vater komme mangels Beschwer kein Rekursrecht zu, übersieht, dass in dem Rahmen, in dem die Rechtsvertretung des Kindes der Mutter eingeräumt wird, dem Vater iSd § 176 ABGB die Obsorge teilweise entzogen wird (ÖA 1997, 196 U 188 mwN; 10 Ob 517, 520/95 = ÖA 1996, 120 U 153), weil mit dem Antrag auf Bemessung des Unterhalts der Antrag auf Aberkennung der entsprechenden elterlichen Rechte und Pflichten notwendig verbunden ist (Gitschthaler aaO). Der Oberste Gerichtshof verkennt nicht, dass dem Prozessgegner des Kuranden grundsätzlich kein Rechtsmittelrecht gegen die Bestellung eines Kurators zugestanden wird (RIS-Justiz RS0006247), um ihm nicht mittelbar Einfluss auf die Einleitung des Verfahrens einzuräumen. Die Entscheidung des Erstgerichts im vorliegenden Fall hat aber den zumindest zeitlich begrenzten Entzug der Vertretungsbefugnis des Vaters in Unterhaltssachen zur Folge (ÖA 1997, 196 U 188; 7 Ob 526/93 = ZfRV 1993, 255 [Hoyer]; Gitschthaler aaO). Durch diese partielle Übertragung der mit der vollen Betreuung des Kindes zusammenhängenden Rechte und Pflichten auf die Mutter ist der Vater in seinen rechtlichen Interessen beeinträchtigt. Anderes gilt, wenn der Unterhaltspflichtige nicht zugleich - wie hier - Obsorgeberechtigter ist. Die von der zweiten Instanz zur Stützung ihres Standpunkts herangezogenen rekursinstanzlichen Entscheidungen EFSlg 64.515, 85.596, 88.504 betrafen jeweils das Rekursrecht des Unterhaltspflichtigen gegen die Bestellung des Jugendwohlfahrtsträgers, ohne dass aus den Entscheidungen hervorginge, dass der Unterhaltspflichtige auch obsorgeberechtigt gewesen wäre. Dem obsorgeberechtigten Vater steht daher im vorliegenden Fall - dem Grundsatz folgend, dass im Verfahren außer Streitsachen derjenige ein Rechtsmittel erheben kann, in dessen Rechtssphäre durch den Beschluss nachteilig eingegriffen wird (RIS-Justiz RS0006641) - jedenfalls ein Rekursrecht gegen den Beschluss auf Bestellung der Mutter zur besonderen Kuratorin für ihren Sohn zur Durchsetzung von dessen Unterhaltsanspruch gegen den Vater zu, auch wenn dieser Beschluss für die spätere Entscheidung über den Unterhaltsantrag kein Präjudiz darstellen mag.

Die zweite Instanz hat somit das Rechtsmittel des Vaters zu Unrecht aus prozessualen Erwägungen zurückgewiesen. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und dem Gericht zweiter Instanz die Entscheidung in der Sache aufzutragen.

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