OGH 3Ob140/99f

OGH3Ob140/99f25.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin Marion S*****, vertreten durch Gruböck & Gruböck Rechtsanwälte OEG in Baden, wider den Antragsgegner DI Heinrich S*****, vertreten durch Dr. Herbert Grün, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse, infolge Rekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 2. März 1999, GZ 17 R 107/98a-10, womit über Rekurs der Antragstellerin der Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 6. April 1998, GZ 7 F 23/98d-2, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit S 21.645 (darin enthalten S 3.607,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das auf Ehescheidung gemäß § 49 EheG (aus dem Verschulden des nunmehrigen Antragsgegners) lautende Urteil des Erstgerichtes wurde in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 24. 2. 1997 mündlich verkündet, wobei die Richterin die Kostenentscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehielt. Die Parteien erklärten sogleich, auf Rechtsmittel zu verzichten. In Form eines Beschlusses vom 1. 9. 1997 hielt diese Richterin fest: "Scheidungsurteil rechtskräftig seit 3. 4. 1997". Sie verfügte auch die Rückmittlung einer Ausfertigung des Scheidungsurteils mit einer entsprechenden Rechtskraftbestätigung an den Vertreter der nunmehrigen Antragstellerin.

Am 3. 4. 1998 langte der mit dem Datum des Vortages datierte Aufteilungsantrag der Antragstellerin beim Erstgericht ein. Darin führt sie aus, daß das Scheidungsurteil am 3. 4. 1997 in Rechtskraft erwachsen sei und kein Vergleich über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse geschlossen worden sei. Die bisherigen Bemühungen der Antragstellerin, einen außergerichtlichen Vergleich herbeizuführen, seien erfolglos geblieben.

Das Erstgericht wies mit Beschluß vom 6. 4. 1998 (ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung und ohne Beteiligung des Antragsgegners) den Aufteilungsantrag ab. Seine Entscheidung begründete es im wesentlichen damit, daß das Scheidungsurteil mit der in der Tagsatzung vom 24. 2. 1997 von beiden Parteien abgegebenen Erklärung des Rechtsmittelverzichtes nicht mehr anfechtbar gewesen und daher formell rechtskräftig und damit die Frist des § 95 EheG in Lauf gesetzt worden sei. Der am 3. 4. 1998 eingelangte Aufteilungsantrag sei daher verspätet. Die Nichteinhaltung der materiellrechtlichen Fallfrist führe zum Anspruchsverlust.

Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem Rekurs der Antragstellerin dahin Folge, daß es die erstinstanzliche Entscheidung aufhob und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach mündlicher Verhandlung auftrug. Es billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, daß die Frist des § 95 EheG mit Eintritt der formellen Rechtskraft des Ehescheidungsurteils, welche durch die Abgabe des Rechtsmittelverzichtes am 24. 2. 1997 eingetreten sei, zu laufen begonnen habe. Daran könne auch die unrichtige anderslautende Rechtskraftbestätigung nichts ändern, weil gemäß § 292 Abs 2 ZPO der wirkliche Vorgang und nicht der in der Urkunde unrichtig bezeugte Vorgang (vgl 1 Ob 281/97y mwN) gelte.

Das Rekursgericht sah aber das im Rekurs erhobene neue Vorbringen, der Aufteilungsantrag sei infolge geführter Vergleichsverhandlungen rechtzeitig, als gemäß § 10 AußStrG zulässige Neuerung an. Die Rekurswerberin habe bereits in erster Instanz auf die außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen hingewiesen, deren Scheitern sie zur Einbringung des Aufteilungsantrages veranlaßt habe. Sie sei - nicht zuletzt aufgrund der unrichtigen Rechtskraftbestätigung und der unrichtigen Vorstellung (ihres Rechtsvertreters) über den Eintritt der Rechtskraft der Scheidung - nicht verhalten gewesen, nähere Behauptungen zur Dauer dieser Vergleichsverhandlungen aufzustellen. Diese Notwendigkeit habe sich erst durch die Begründung der Abweisung des Aufteilungsantrages ergeben.

Nach herrschender Auffassung sei die einjährige Antragsfrist des § 95 EheG eine materiellrechtliche Ausschlußfrist, deren Nichtbeachtung zum Anspruchsverlust führe. Auf die Fallfristen würden die Verjährungsvorschriften von Lehre und Rechtsprechung weitgehend sinngemäß angewendet. Die Motive, die den Gesetzgeber zur Anordnung der einjährigen Antragsfrist im Aufteilungsverfahren bewogen hätten, nämlich das Interesse der Eheleute, aber auch Dritter an der raschen Klärung der Vermögensverhältnisse sowie die Vermeidung von Beweisschwierigkeiten, bestimmten auch das Verjährungsrecht. Deshalb habe der 1. Senat des Obersten Gerichtshofes in EvBl 1991/123 ausgesprochen, daß § 1497 ABGB auf die Fallfrist des § 95 EheG analog anzuwenden sei: Der Gesetzgeber ziehe die einvernehmliche Aufteilung des Vermögens der gerichtlichen Entscheidung vor; unter diesem Gesichtspunkt bestünden gegen die Vereinbarung der Parteien über einen Verfahrensstillstand zwecks außergerichtlicher Regelung des Aufteilungsanspruches keine Bedenken. An diesen Erwägungen sei festzuhalten. Gleiches müsse auch für außergerichtliche Vergleichsgespräche vor Einleitung des Aufteilungsverfahrens gelten, sofern nur der Aufteilungsantrag nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen ohne unnötigen Aufschub eingebracht werde. Auf eine Veranlassung durch den Antragsgegner, wie in der Rekursbeantwortung vermeint, komme es nicht an (vgl 1 Ob 536/92 mwN). Das Erstgericht werde nach Abhaltung einer Tagsatzung, in der dem Antragsgegner Gelegenheit zur Äußerung zum Rekursvorbringen zu geben sei, die Richtigkeit der im Rekurs zulässigerweise aufgestellten Behauptungen über die Vergleichsverhandlungen vor Antragseinbringung zu prüfen und entsprechende Feststellungen darüber zu treffen haben. Erst danach werde beurteilt werden können, ob der geltend gemachte Anspruch verfristet sei.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteigt und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Dies begründete es damit, daß der erkennende Senat in der Frage des (eingeschränkten) Neuerungsrechtes des § 10 AußStrG eine erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechts im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG erblicke.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs des Antragsgegners ist nicht berechtigt; vielmehr ist die Rekursentscheidung - im Ergebnis - zu bestätigen.

Zutreffend haben die Vorinstanzen ausgeführt, daß nach ständiger Rechtsprechung die Frist des § 95 EheG eine materiellrechtliche Fallfrist ist, deren Nichteinhaltung zum Anspruchsverlust führt (SZ 55/192 = JBl 1983, 648; EvBl 1991/123 = EFSlg 66.560/2; 1 Ob 536/92 uwz E zu RIS-Justiz RS0057726). Dementsprechend hat die ständige Rechtsprechung daraus abgeleitet, daß bei Nichteinhaltung der Einjahresfrist des § 95 EheG der Antrag sachlich abzuweisen, nicht aber zurückzuweisen ist (SZ 54/166 = MietSlg 33.706 und die weiteren E zu RIS-Justiz RS0057717).

Bei seiner den Antrag abweisenden Entscheidung hat das Erstgericht aber die Bestimmung des § 230 Abs 1 AußStrG mißachtet, wonach über einen Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse mündlich zu verhandeln ist, wobei zu den Tagsatzungen die Beteiligten und ihre Vertreter zu laden sind. Wie sich aus der Formulierung ("hat") ergibt, ist diese Verfahrensvorschrift zwingend (so auch Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren**2 Rz 42). Damit wurde aber (auch) das rechtliche Gehör der Antragstellerin, deren Antrag ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung und ohne weitere Erörterung abgewiesen wurde, verletzt. Diese Verletzung begründet den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO, welcher auch im Außerstreitverfahren maßgebend ist, weil das Außerstreitgesetz zwar die Nichtigkeit als Revisionsrekursgrund nennt (§ 15 Z 1 AußStrG), aber keine eigenständige Definition der Nichtigkeitsgründe enthält. Diese Nichtigkeit hätte vom Rekursgericht auch ohne Geltendmachung durch die Rekurswerberin von Amts wegen aufgegriffen werden müssen. Sein Aufhebungsbeschluß war daher jedenfalls zu bestätigen, ohne daß auf die Frage eingegangen werden muß, ob das Rekursgericht zu Recht die im Rekurs enthaltenen Neuerungen beachtet hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 234 AußStrG und auf die Erwägung, daß auch unter Billigkeitsgesichtspunkten keine Bedenken dagegen bestehen, dem Antragsgegner die durch seinen nicht berechtigten Rekurs verursachten Kosten des Rekursverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof ersetzen zu lassen.

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