OGH 7Ob662/82

OGH7Ob662/8216.12.1982

SZ 55/192

Normen

EheG §83
EheG §94
EheG §95
EheG §83
EheG §94
EheG §95

 

Spruch:

Für die Bemessung einer Ausgleichszahlung bei der Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse sind in der Regel die Wertverhältnisse erst im Zeitpunkt der Aufteilung maßgebend

Die Nichteinhaltung der Fallfrist des § 95 EheG führt zum Anspruchsverlust

OGH 16. Dezember 1982, 7 Ob 662/82 (LG Feldkirch R 166/82; BG Bregenz F 18/79)

Text

Die von den Parteien am 10. 2. 1951 geschlossene Ehe wurde mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 30. 10. 1978 gemäß § 55 EheG mit dem Ausspruch geschieden, daß den Antragsgegner das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft. Die eheliche Lebensgemeinschaft der Parteien war bereits seit Jänner 1970 aufgelöst. Zwei minderjährige Kinder befinden sich nach der Ehescheidung im Haushalt der Antragstellerin. Sie benützt die ehemalige Ehewohnung in ihrem Elternhaus, das ihr zu 3/8 gehört. Die Antragstellerin hat rechtzeitig einen zunächst unbezifferten Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gestellt und diesen Antrag im Lauf des Verfahrens beziffert und später erweitert. Im Rechtsmittelverfahren ist noch strittig, ob der Antragstellerin für das Grundstück 2305/5 der EZ 942 KG T, das der Antragsgegner im Juni 1965 auf seinen Namen um 65 715 S erworben und im März 1979 um 353 850 S verkauft hat, eine höhere Ausgleichszahlung als die vom Rekursgericht festgesetzte von S 17 692.50 gebührt und ob ihr eine weitere Ausgleichszahlung für eine Eigentumswohnung zusteht, die der Antragsgegner im Jahre 1969 um 337 623 S mittels Kreditfinanzierung gekauft hat. Eine solche Ausgleichszahlung haben beide Vorinstanzen nicht zugesprochen; das Rekursgericht hat den Rekurs an den OGH für zulässig erklärt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragstellerin teilweise Folge und änderte den Beschluß des Rekursgerichtes dahin ab, daß der Antragsgegner der Antragstellerin insgesamt eine Ausgleichszahlung von 170 000 S binnen zwei Monaten zu leisten hat, das Mehrbegehren abgewiesen wird und die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben werden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Bei der Bemessung der Ausgleichszahlung für das Grundstück in T ist das Rekursgericht davon ausgegangen, daß der Kaufpreis dieser Liegenschaft im Jahre 1965 65 715 S und der Schätzwert zum Jänner 1970, dem Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft, 101 100 S betrug. Die zweite Instanz hat der Antragstellerin nur die Hälfte der bis dahin eingetretenen Wertsteigerung zuerkannt, weil es sich bei der späteren weiteren Wertsteigerung um Ersparnisse handle, die der Antragsgegner erst nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft angesammelt habe; eine Abgeltung der Geldentwertung könne nicht stattfinden, sondern es seien die aufzuteilenden Sachen für den Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu bewerten.

Dieser Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden. Die Rekurswerberin verweist zunächst mit Recht darauf, daß selbst nach dem Standpunkt der zweiten Instanz nicht bloß die Wertsteigerung zwischen 1965 und Jänner 1970 zuerkannt werden müßte, sondern - infolge der auch vom Rekursgericht nicht bezweifelten Gleichwertigkeit des Beitrages beider geschiedenen Ehegatten für die Ansammlung der ehelichen Ersparnisse - die Hälfte des gesamten Schätzwertes dieser Liegenschaft im Jänner 1970. Darüber hinaus ist aber der Ansicht des Rekursgerichtes im Grundsätzlichen nicht zu folgen. Wohl vertreten auch Koziol - Welser (Grundriß[6] II 191) die Ansicht, daß die aufzuteilenden Sachen für den Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft und nicht für jenen der Auflösung der Ehe zu bewerten seien. Sie geben aber dafür keine Begründung. Andererseits hat der OGH in den Entscheidungen RZ 1981/76 und 5 Ob 589/81 das Gegenteil als billig angesehen, aber auch seine Ansicht nicht näher begrundet. Das Gesetz gibt zu der strittigen Frage keine klare Auskunft (vgl. Bydlinski, Zur Neuordnung des Ehegüterrechts, FS Schwind 38 f.).

Bei Prüfung der strittigen Rechtsfrage kann für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob eine Bewertung nach dem Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft unter besonderen Umständen angebracht sein kann, wie etwa bei der Gegenüberstellung mehrerer damals real geteilter Ersparnisse oder beim Wertausgleich mit nachher gemachten Aufwendungen auf eine vorher gemeinsam angeschaffte Sache. Für den Regelfall ist davon auszugehen, daß alle jene Wertanlagen dem Aufteilungsverfahren unterliegen, die bis zum Stichtag der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eheliche Ersparnisse (oder eheliches Gebrauchsvermögen) angeschafft wurden. Sind solche Werte noch real vorhanden, so wird ihre Aufteilung nach dem Verhältnis des zu ihrer Anschaffung geleisteten Beitrages der geschiedenen Eheleute keine Schwierigkeit bieten. Hätten etwa seinerzeit beide Ehegatten zu gleichen Teilen Eigentum erworben und dazu auch gleichteilig beigetragen, so bestunde kein Zweifel, daß diese ehelichen Ersparnisse billigerweise im gleichen Verhältnis aufzuteilen, den Ehegatten also ihre Anteile zu belassen wären. Schon daraus ergibt sich, daß auch Wertsteigerungen, die ein während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft gemeinsam erworbenes Vermögen nachher ohne besonderes Zutun eines der Ehegatten erfahren hat, am Zuweisungsanteil nichts ändern können. Insbesondere kann die bloße Verzögerung der Ehescheidung (hier Abwarten der Voraussetzungen des § 55 EheG) oder die Dauer des Aufteilungsverfahrens keiner Partei zum Nachteil gereichen, wenn nicht das Leitgebot der Billigkeit (§ 83 Abs. 1, § 94 Abs. 1 EheG) verletzt werden soll. Auch im Falle einer schon seinerzeit vorgenommenen realen Teilung käme beiden Parteien die inzwischen eingetretene Wertsteigerung auf dem Realitätenmarkt zu gleichen Anteilen zugute. Der bloßen Zufälligkeit, auf wessen Namen eheliche Ersparnisse angesammelt wurden, soll aber nach § 81 EheG keine Bedeutung zukommen. Das Gegenteil ergibt sich auch nicht aus der Vorschrift des § 90 Abs. 1 EheG, wonach bei ehelichen Ersparnissen die Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen nur angeordnet werden darf, wenn eine billige Regelung in anderer Weise nicht erzielt werden kann. Die billige andere Regelung besteht dann eben in der Auferlegung einer billigen Ausgleichszahlung an den anderen geschiedenen Ehegatten nach § 94 Abs. 1 EheG. Umgekehrt dürfte die Übertragung eines Eigentumsanteils an den ehelichen Ersparnissen stattfinden, wenn etwa der Antragsgegner die billige Ausgleichszahlung nicht leisten könnte. Eine solche Übertragung des Eigentums wäre billigerweise wieder nach dem Maß der Beteiligung an der seinerzeitigen gemeinsamen Anschaffung vorzunehmen.

Dazu kommt, daß hier der besondere Fall des § 91 Abs. 1 EheG vorliegt. Nach dieser Bestimmung ist der Wert des Fehlenden in die Aufteilung einzubeziehen, wenn ein Ehegatte ohne ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des anderen frühestens zwei Jahre vor (hier:) der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft eheliche Ersparnisse in einer Weise verringert, die der Gestaltung der Lebensverhältnisse der Ehegatten während der ehelichen Lebensgemeinschaft widerspricht. Diese Bestimmung ist auch auf Vermögensverringerungen nach der Ehescheidung oder der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft anzuwenden, weil das Gesetz nur den frühesten Termin bestimmt, ab dem Vermögensverringerungen erfahrungsgemäß bedenklich erscheinen (JAB 916 BlgNR, XIV. GP 18 f.; 3 Ob 657/81). Aus den Worten "Wert des Fehlenden" folgt nach der ausdrücklichen Erklärung des Justizausschusses (aaO), daß der gemeine Wert maßgebend sein soll, den der Vermögensgegenstand zum Zeitpunkt der Aufteilung hätte, weil er ja in diesem Zeitpunkt fehlt (ebenso Schwind, Eherecht[2] 336; JBl. 1981, 429). Warum der nicht "angeschriebene" Ehegatte dann aber beim Vorhandensein des Vermögens schlechter gestellt sein sollte als bei einer zwischenweiligen Veräußerung, für die § 91 Abs. 1 EheG den Ausgleich der "Benachteiligungen" vorsieht, wäre nicht einzusehen. Im vorliegenden Fall sind, wie gesagt, sogar die Voraussetzungen der letztgenannten Gesetzesbestimmung gegeben, sodaß jedenfalls der gegenwärtige Wert des nun fehlenden Grundstückes in die Aufteilung einzubeziehen ist.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen entsprach der Verkaufspreis der Liegenschaft dem tatsächlichen Wert. Diese Feststellungen können nach § 232 Abs. 2 AußStrG nicht bekämpft werden, weil danach nur der Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zulässig ist. Eine Wertsteigerung in der Zeit zwischen dem Verkauf und der erstinstanzlichen Entscheidung hat die Antragstellerin nicht einmal behauptet; sie könnte erfahrungsgemäß auch nicht erheblich ins Gewicht fallen.

Der Antragsgegner hat daher für das während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft erworbene und nach der Ehescheidung verkaufte Grundstück eine billige Ausgleichszahlung grundsätzlich in der Höhe des halben Wertes (= Verkaufspreises dieser Liegenschaft) zu leisten. Entgegen seiner Meinung kann nicht darauf Rücksicht genommen werden, daß gerade dieses Grundstück angeblich aus dem Entgelt der von ihm geleisteten Überstunden angeschafft worden ist, weil ungeachtet solcher Überstunden die Führung des gemeinsamen Haushaltes und die Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder durch die Antragstellerin gemäß § 83 Abs. 2 EheG als ihr gleichteiliger Beitrag zur Ansammlung der ehelichen Ersparnisse nach fast fünfzehnjähriger Ehe anzusehen ist.

Zugunsten des Antragsgegners ist bloß zu berücksichtigen, daß nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen im Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Jänner 1970 die Restschuld für diese Liegenschaft, deren Wert damals 101 100 S betrug, noch S 10 272.59 ausmachte. Diese Schuld, die im folgenden der Antragsgegner allein abstattete, ist nach § 81 Abs. 1 EheG zu berücksichtigen, sodaß nur ein Wert von rund 9/10 der Liegenschaft der Aufteilung unterliegt. Daraus ergibt sich eine Ausgleichszahlung in der Höhe der Hälfte des um 10% verminderten jetzigen Wertes (Verkaufspreises) der Liegenschaft mit dem Ergebnis von rund 160 000 S. Dazu kommen die vom Rekursgericht rechtskräftig festgesetzten 10 000 S für eheliches Gebrauchsvermögen, das der Antragsgegner bei Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft mitgenommen hat.

Zu Unrecht beschwert sich die Rekurswerberin hingegen darüber, daß ihr nicht eine weitere Ausgleichszahlung für jene Eigentumswohnung zugesprochen wurde, die der Antragsgegner im März 1969 erwarb. Allerdings ist hier ein Feststellungsmangel möglich, weil nach den Feststellungen der Vorinstanzen - Kaufpreis der Eigentumswohnung 337 623 S, aushaftende Kredite hierauf im Jänner 1970 insgesamt 229 056 S - die Möglichkeit offen und ungeprüft blieb, daß ein Teil des Kaufpreises der Eigentumswohnung mit während der aufrechten Ehegemeinschaft angesparten Mitteln finanziert oder noch vor Auflösung der Ehegemeinschaft ein entsprechender Teil der aufgenommenen Kredite zurückbezahlt wurde. Diese Frage kann aber im Ergebnis deshalb unerörtert bleiben, weil die Antragstellerin ihren zunächst gestellten Antrag, ihr für die Eigentumswohnung eine Ausgleichszahlung von nur 1500 S zuzusprechen, erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG unter Rückziehung des ersten Begehrens auf eine Zahlung von 77 500 S erweitert hat. Die Frist des § 95 EheG ist aber eine materiellrechtliche Fallfrist, deren Nichteinhaltung zum Anspruchsverlust führt (JAB aaO 20; Schwind aaO 339). Der begehrte Betrag ist deshalb der Rahmen, innerhalb dessen allein das Gericht zu entscheiden befugt ist. Die Ausdehnung eines bereits bezifferten Begehrens auf Leistung einer Ausgleichszahlung ist somit nach Ablauf der Jahresfrist ausgeschlossen. Der darüber hinausgehende neue Anspruch war im Zeitpunkt seiner Geltendmachung bereits erloschen (ebenso 1 Ob 643/82 = SZ 55/163).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte