OGH 1Ob99/99m

OGH1Ob99/99m5.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter J. G*****, vertreten durch Dr. Erich Hermann und Dr. Markus Görlich, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. Erwin S*****, vertreten durch Dr. Gottfried Korn und Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 150.000 S) über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. November 1998, GZ 13 R 170/98k-7, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24. Februar 1999, GZ 13 R 170/98k-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Versäumungsurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 17. August 1998, GZ 10 Cg 120/98k-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der erste Absatz des erstinstanzlichen Urteilsspruchs unter Aufrechterhaltung der Kostenentscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Festgestellt wird, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle Schäden und Nachteile zu ersetzen, die ihm dadurch entstehen, daß er auf Grund eines am 19. Juni 1995 erteilten Auftrags Malerarbeiten für das Bauvorhaben Dr. S*****, im Betrag von 146.193,60 S ausgeführt hat und dafür von der R***** GmbH keine Zahlung erlangt.

Das Mehrbegehren des Inhalts, der Beklagte sei auch verpflichtet, dem Kläger alle Schäden und Nachteile zu ersetzen, die ihm auch dadurch entstehen, daß er auf Grund eines am 19. Juni 1995 erteilten Auftrags Malerarbeiten für das Bauvorhaben Dr. S*****, im Betrag von 146.193,60 S ausgeführt hat und dafür von der M***** Baugesellschaft mbH keine Zahlung erlangt, wird abgewiesen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 8.370 S (darin 1.395 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte die Feststellung, der Beklagte sei verpflichtet, ihm alle Schäden und Nachteile zu ersetzen, die ihm dadurch entstünden, daß er auf Grund eines am 19. Juni 1995 erteilten Auftrags Malerarbeiten für das Bauvorhaben Dr. S***** (im folgenden nur Bauherr) im Betrag von 146.193,60 S ausgeführt habe und dafür weder von der M***** Baugesellschaft mbH (im folgenden nur Baugesellschaft) noch von der R***** GmbH (im folgenden nur Leasinggesellschaft) Zahlung erlange.

Dazu brachte der Kläger im wesentlichen vor, die Leasinggesellschaft, bei der der Beklagte als Bautechniker und Projektmanager beschäftigt sei, sei als Generalunternehmer vom Bauherrn mit der Errichtung eines Einfamilienhauses beauftragt worden und habe den Generalunternehmerauftrag an die inzwischen im Konkurs befindliche Baugesellschaft übertragen. Bei einer Baubesprechung am 19. Juni 1995, bei der sich der Beklagte als Bauleiter für das Bauvorhaben vorgestellt habe, sei dem Kläger mündlich der Auftrag zur Herstellung der Fassadenbeschichtung angeboten worden. Der Kläger habe dazu erklärt, er sei nicht bereit, diesen Auftrag anzunehmen, weil er grundsätzlich ohne weitere Besicherung für einen Generalunternehmer, dessen Bonität er nicht kenne, nicht tätig werde. Daraufhin habe der Beklagte ausdrücklich erklärt, er garantiere als Vertreter der Leasinggesellschaft für die ordnungsgemäße Abwicklung und Bezahlung der vom Kläger auszuführenden Arbeiten. Nachdem der Kläger den ihm erteilten Auftrag ordnungsgemäß ausgeführt habe, habe er am 13. November 1995 Rechnung an die Leasinggesellschaft gelegt. Deren Ersuchen entsprechend habe der Kläger die Rechnungslegung an die Baugesellschaft vorgenommen. Die Rechnung über 146.193,60 S hafte noch unberichtigt aus. Die Baugesellschaft sei insolvent. "Eine Einbringlichmachung auch nur von Teilbeträgen" der Rechnung sei nicht möglich.

Der Kläger habe zunächst beim Handelsgericht Wien zu AZ 34 Cg 232/96s (im folgenden nur Vorverfahren) die Leasinggesellschaft auf Zahlung seines Werklohns geklagt und seinen Anspruch auf jeden erdenklichen Rechtsgrund gestützt, insbesondere auf die Garantieerklärung des als Bauleiter eingesetzten Beklagten, dessen Erklärung sich die Leasinggesellschaft zurechnen lassen müsse. Hilfsweise habe der Kläger seinen Anspruch auch auf den Titel des Schadenersatzes gegründet, weil er den Auftrag nicht angenommen hätte, wenn der Beklagte als Vertreter der Leasinggesellschaft die geschilderten Zusagen nicht erteilt hätte. Die Leasinggesellschaft habe gegen den Anspruch des Klägers eingewendet, der Beklagte habe überhaupt keinen Auftrag erteilt, im übrigen wäre er dazu auch nicht berechtigt gewesen, weil ihm für die Leasinggesellschaft keine Vertretungsmacht zukomme. Im Vorverfahren sei die Verhandlung am 13. Februar 1998 geschlossen und die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten worden. Im Fall des Unterliegens des Klägers im Vorverfahren stehe ihm gegen den hier Beklagten, insbesondere aus dem Titel der Vollmachtsanmaßung bzw Vollmachtsüberschreitung (§ 1016 ABGB), ein Schadenersatzanspruch in der Höhe des zur Gänze uneinbringlichen Werklohns und der im Vorverfahren aufgewendeten Kosten zu. Aus Gründen der drohenden Verjährung dieses Anspruchs habe der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Schadenersatzpflicht des Beklagten.

Da der Beklagte innerhalb der ihm eingeräumten Frist keine Klagebeantwortung erstattete, erließ das Erstgericht antragsgemäß ein klagestattgebendes Versäumungsurteil.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und ließ im Verfahren nach § 508a ZPO die ordentliche Revision nachträglich zu. Die zweite Instanz bejahte das Feststellungsinteresse des Klägers im wesentlichen mit der Begründung, daß Ungewißheit über seinen Anspruch gegen den Beklagten auf Ersatz aller aus der Ausführung des Auftrags vom 19. Juni 1995 resultierenden Schäden und Nachteile bestehe und jedenfalls in Ansehung der Kosten des noch nicht abgeschlossenen Vorverfahrens von ihm noch keine Leistungsklage erhoben werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig und im Ergebnis teilweise berechtigt.

a) Gemäß § 396 ZPO ist bei der Erlassung eines Versäumungsurteils das auf den Gegenstand des Rechtsstreits bezügliche tatsächliche Vorbringen der erschienenen Partei, soweit dasselbe nicht durch die vorliegenden Beweise widerlegt wird, für wahr zu halten und auf dieser Grundlage auf Antrag der erschienenen Partei über das Klagebegehren zu erkennen. Das Gericht muß bei der ihm nach § 396 ZPO obliegenden Schlüssigkeitsprüfung selbständig beurteilen, ob die nach der angeführten Gesetzesstelle für wahr zu haltenden Tatsachenbehauptungen des Klägers ausreichen, um das Klagebegehren als berechtigt zu erkennen. Soll das auf Antrag des Klägers zu fällende Versäumungsurteil dem Klagebegehren stattgeben, dann muß schon die Klage alle für das Begehren notwendigen rechtserzeugenden Tatsachen enthalten. Ist das Vorbringen und damit in der Folge auch die Sachgrundlage gemäß § 396 ZPO unvollständig, dann ist das Klagebegehren mangels Schlüssigkeit abzuweisen (SZ 57/69; 1 Ob 16/93 ua; Fasching III 621 f; vgl dazu auch Rechberger, Das Unschlüssigkeitsurteil im Versäumnisfall in JBl 1974, 562 ff, 571). Dies gilt nicht nur für Leistungs-, sondern auch für Feststellungsklagen. Bei diesen kann das Gericht ein klagestattgebendes Versäumungsurteil erst dann fällen, wenn das in allen Instanzen von Amts wegen zu prüfende Feststellungsinteresse (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1102) - als Voraussetzung für die Begründetheit des Feststellungsanspruchs (SZ 54/126; 1 Ob 16/93 ua) - nach § 228 ZPO vorliegt. Das gemäß § 228 ZPO erforderlich rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung iSd § 406 ZPO muß zum Zeitpunkt der Klageeinbringung bestehen, aber auch noch im Zeitpunkte des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz gegeben sein (SZ 40/3, SZ 51/124; 2 Ob 524/93 = RdW 1993, 335 uva). Dieses Feststellungsinteresse liegt hier aus folgenden Erwägungen, auf die die Rechtsmittelschriften freilich nicht eingehen, vor:

Im vorliegenden Fall nimmt der Kläger den Beklagten mit seiner Feststellungsklage für den Fall, daß er von der Leasinggesellschaft, für die der Beklagte nach den Klagebehauptungen im Vorverfahren auftrat, seinen Werklohn nicht einbringlich machen kann, aus dem Titel des Schadenersatzes wegen Vollmachtsanmaßung bzw -überschreitung für seinen Werklohn und seine eigenen und gegnerischen Verfahrenskosten im Vorverfahren in Anspruch. Unabhängig davon, daß die Verfahrenskosten des Vorverfahrens, für die nach dem maßgeblichen Klagevorbringen der Beklagte als falsus procurator haftet, jedenfalls bei Urteilsfällung in diesem Verfahren noch gar nicht feststanden und daher auch nicht mit Leistungsklage verfolgt werden konnten, ist der Anspruch des Klägers dadurch bedingt, daß er im Vorverfahren mit seiner Leistungsklage gegen die Leasinggesellschaft nicht durchdringt. Der Lehre Ehrenzweigs (System2 I/1, 332) folgend hält die neuere Rspr zur Vermeidung der Verjährung sowie künftiger Beweisschwierigkeiten und zwecks Klarstellung der Haftungsfragen auch bedingte und betagte Rechte schon vor Eintritt der Bedingung oder des Termins unter der Voraussetzung für feststellungsfähig, daß schon der ganze rechtserzeugende Sachverhalt vorliegt, die Bedingung festgesetzt und beides erweislich ist und nur mehr der Eintritt der Bedingung offensteht (SZ 41/153; ZVR 1974/252, SZ 62/80 uva; RIS-Justiz RS0039225, RS0047957; Fasching III 57 und Lehrbuch2 Rz 1090; Rechberger in Rechberger, § 228 ZPO Rz 4). Dem steht der Fall gleich, daß die Bedingung zwar nicht ausdrücklich vereinbart wurde, aber der Eintritt eines Schadens und damit die Ersatzpflicht des Beklagten von einem noch ungewissen Ereignis (hier: Ausgang des Vorverfahrens mit der Frage der Haftung der Leasinggesellschaft) abhängig ist (SZ 41/153; 7 Ob 691/76). Das gilt auch für die Regreßfrage (SZ 42/172) und sonstige vom Eintritt einer Bedingung abhängige Ersatzpflichten (1 Ob 561-563/80). In der letztgenannten Entscheidung war, wie hier, Bedingung das Unterliegen der klagenden Partei in einem anderen von ihr eingeleiteten Rechtsstreit. Das Bestehen einer Schadenersatzpflicht ist als Rechtsverhältnis iSd § 228 ZPO anerkannt (NZ 1989, 95; SZ 60/180 ua, zuletzt 6 Ob 288/98s). Die vorliegende Feststellungsklage ist somit ein geeignetes Mittel zur Beseitigung der durch die Ungewißheit der Rechtslage hervorgerufenen Gefährdung der Rechtsstellung des Klägers. Die zweite Instanz hat somit im Ergebnis zu Recht das Feststellungsinteresse des Klägers bejaht.

In der Entscheidung 4 Ob 183/97h (= WBl 1998, 47), auf die sich der Beklagte in seiner Revision beruft, wurde ausgesprochen, das Feststellungsinteresse sei zu verneinen, wenn der Kläger bereits eine Leistungsklage erheben könne, deren Erfolg die begehrte Feststellung erübrige. Soweit nun der Kläger die Feststellung der Haftung des Beklagten für bereits entstandene Schäden (nach dem Vorbringen für schon eingetretene Umsatzrückgänge) anstrebe, fehle ihm somit das rechtliche Interesse; er hätte auf Leistung klagen müssen. Die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden sei nach stRspr nur zulässig, soweit bereits ein Schaden eingetreten ist und die Möglichkeit zukünftiger weiterer Schäden bestehe. Diese Entscheidung hat mit dem vorliegenden Sachverhalt (Ausgang eines Vorverfahrens als Bedingung für einen Schadenersatzanspruch) nichts zu tun.

b) Allerdings erweist sich die Revision als Folge der allseitigen Prüfung der Rechtslage durch den Obersten Gerichtshof aus einem anderen Grund im Ergebnis als teilweise berechtigt: Auch das Feststellungsbegehren unterliegt dem Bestimmtheitserfordernis des § 226 ZPO. Wird die Feststellung eines bedingten Rechtsverhältnisses begehrt, so muß das Klagebegehren dahin lauten, daß ein bestimmtes Rechtsverhältnis unter der im einzelnen genau zu bezeichnenden Bedingung zu Recht bestehe (7 Ob 691/76 = MietSlg 29.617 ua; RIS-Justiz RS0037549). Diese Voraussetzung ist in Ansehung des für den Kläger ungünstigen Ausgangs des Vorverfahrens mit der Leasinggesellschaft - als Bedingung - erfüllt, nicht aber in Ansehung des weiteren in den Spruch aufgenommenen Umstands, daß Zahlung von der Baugesellschaft nicht erlangt werden könne. Insoweit fehlt das Ungewisse als das Typische einer Bedingung, weil nach den maßgeblichen Klagebehauptungen die Baugesellschaft insolvent und eine Einbringlichmachung auch nur von Teilbeträgen der Rechnung nicht möglich sei. Was von vornherein bestimmt ist, kann aber den für die Bedingung bildenden Zustand der Ungewißheit nicht hervorrufen (EvBl 1970/284).

Der Revision ist demnach teilweise Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 43 Abs 2 und 50 ZPO. Das Teilobsiegen des Beklagten betraf nur einen verhältnismäßig geringfügigen Teil des insgesamt als gerechtfertigt angesehenen Feststellungsbegehrens, weshalb es bei den Kostenentscheidungen der Vorinstanzen zu verbleiben hat und der Kläger Anspruch auf vollen Kostenersatz im Revisionsverfahren hat.

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