OGH 7Ob67/99z

OGH7Ob67/99z30.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Aufteilungssache des Antragstellers Herbert V*****, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die Antragsgegnerin Irma V*****, vertreten durch Winkler‑Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in Bregenz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, infolge „ordentlichen Revisionsrekurses“ (richtig: Rekurses) der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 10. Dezember 1998, GZ 1 R 584/98k‑42, womit infolge Rekurses des Antragstellers der Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 14. Oktober 1998, GZ 12 F 33/97s‑38, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die am 13. 10. 1952 geschlossene Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 18. 11. 1996 rechtskräftig geschieden. Bereits am 8. 1. 1993 ist der Antragsteller aus der häuslichen Gemeinschaft ausgezogen.

Mit dem am 21. 7. 1997 eingebrachten Antrag stellte der Antragsteller das Begehren auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse „nach den Grundsätzen der Billigkeit“. In der Tagsatzung vom 1. 10. 1998 brachte er ergänzend vor, daß ihm eine Ausgleichszahlung in Höhe von zumindest S 1,5 Mio samt 4 % Zinsen ab dem Tage der Zustellung des Aufteilungsantrages zustehe.

Die Antragsgegnerin bestritt das Aufteilungsbegehren mit der wesentlichen Begründung, daß zwischen den Parteien eine Vereinbarung gemäß § 97 Abs 2 EheG rechtswirksam zustande gekommen sei.

Das Erstgericht wies den Aufteilungsantrag kostenpflichtig ab, weil es vom rechtswirksamen Bestand einer derartigen Vereinbarung ausging.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers gegen diese Entscheidung Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück; es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, da ‑ soweit ersichtlich ‑ keine ständige Rechtsprechung dazu vorliege, unter welchen Voraussetzungen eine Vereinbarung gemäß § 97 Abs 2 EheG wirksam zustande kommt. Abweichend vom Erstgericht kam das Rekursgericht zum Ergebnis, daß zwischen den Streitteilen mangels vorbehaltloser Annahme des schriftlichen Anbotschreibens des Antragstellers durch die Antragsgegnerin eine Vereinbarung gemäß § 97 Abs 2 leg cit nicht wirksam zustande gekommen sei, sodaß der Aufteilungsantrag zu Unrecht abgewiesen worden sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte „ordentliche Revisionsrekurs“ (richtig: Rekurs [§ 14b Abs 1 AußStrG]) der Antragsgegnerin mit dem Antrag, in Stattgebung des Rechtsmittels den angefochtenen Beschluß des Rekursgerichtes dahingehend abzuändern, daß der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt wird. Der Antragsteller hat keine Rekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist unzulässig. Die Zurückweisung eines solchen Rekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 14 Abs 1 AußStrG) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO). Der Oberste Gerichtshof hat nämlich zu der vom Rekursgericht für wesentlich erachteten Rechtsfrage bereits vielfach Stellung genommen und hat sich das Rekursgericht auch an diese ständige Rechtsprechung des Höchstgerichtes gehalten:

Aus den §§ 85 ff, § 97 Abs 2 EheG und § 230 Abs 1 letzter Satz AußStrG ergibt sich, daß der Gesetzgeber der gütlichen Einigung der Ehegatten über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse den Vorrang gegenüber einer gerichtlichen Aufteilung einräumt; der Außerstreitrichter hat daher nur dann und insoweit zu entscheiden, als eine Einigung nicht erfolgte (RV 916 BlgNR 14. GP, 20 [zu § 97 EheG]; 6 Ob 154/97h, 7 Ob 99/98b; RIS‑Justiz RS0046057). Trotz Einigung der Eheleute über die wesentlichen Folgen der Scheidung ihrer Ehe kann innerhalb der gesetzlichen Fristen dennoch ein Aufteilungsverfahren nach §§ 81 ff EheG iVm §§ 229 ff AußStrG eingeleitet werden, wenn eine solche Aufteilung ua unvollständig geblieben und hierüber kein Einvernehmen zu erzielen ist, weil es dem Zweck der gesetzlichen Aufteilungsanordnung widerspräche, dem betroffenen Ehegatten die Durchsetzung des restlichen Aufteilungsanspruches zu verweigern; in einem solchen Fall sind aber nur jene Vermögensgegenstände aufzuteilen, bezüglich deren Aufteilung das Gericht angerufen wurde (7 Ob 99/98d). Ein Vergleich über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse schließt daher eine Antragstellung nach §§ 81 ff EheG nur insoweit aus, als die Vereinbarung reicht (RS0057614); der übereinstimmend erklärte Parteiwille entscheidet, was die Streitteile als Gegenstand der Streitbereinigung angenommen haben (7 Ob 99/98d). Auch Vereinbarungen über die gerichtliche Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögen und der ehelichen Ersparnisse, die schon vor der Einleitung eines Verfahrens auf Scheidung der Ehe zustande kommen, stehen mit einem solchen Verfahren „im Zusammenhang“ (§ 97 Abs 2 EheG), wenn damit die Regelung der Scheidungsfolgen der § 81 ff leg cit beabsichtigt war (Hopf/Kathrein, Eherecht, 360 f; RS0057618, RS0057619, RS0057710; 10 Ob 2402/96z bei ähnlicher zeitlicher Abfolge wie hier: Dort hatten die Eheleute eine schriftliche Vereinbarung geschlossen, wobei zwischen dieser und dem Datum des Auszuges aus der Ehewohnung durch den Mann ohne Rückkehrwille zur Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft bis zur nachfolgenden Scheidung nach § 55 Abs 3 EheG mangels Erzielung einer Scheidungseinigung nach § 55a EheG mehrere Jahre verstrichen sind, ohne daß der Oberste Gerichtshof diesen Zusammenhang für gelöst ansah).

Ob zwischen den (vormaligen) Eheleuten aufgrund der von ihnen wechselseitig abgegebenen Willenserklärungen auch eine „wahre Einwilligung“ zustande gekommen ist (§ 861 ABGB; Koziol/Welser I10 107), ist grundsätzlich eine von Fall zu Fall unterschiedlich zu beurteilende, also rein einzelfallabhängige Frage, welche aufgrund der von den Tatsacheninstanzen im Einzelfall getroffenen Feststellungen anhand der zugrundegelegten Beweiswürdigung zu beantworten ist. Behauptet - wie hier ‑ nur die Antragsgegnerin das Zustandekommen einer Vereinbarung und hält der Antragsteller seinen Antrag aufrecht, weil er das Zustandekommen einer außergerichtlichen Vereinbarung bestreitet, bleibt der Außerstreitrichter zur Fortsetzung des Verfahrens zuständig; dieser hat dann zu prüfen, ob die außergerichtliche Vereinbarung zustande gekommen ist; gelangt er zu dieser Überzeugung, hat er sodann das Aufteilungsbegehren abzuweisen, weil aufgrund der Vereinbarung nichts mehr aufzuteilen geblieben ist; sonst aber hat er die Aufteilung durchzuführen (10 Ob 507/93; RS0008474).

Für das Zustandekommen eines Vertrages ist die Einigung der Vertragsteile über den Vertragsinhalt und die ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Abschlußwillens erforderlich; eine Einigung der Parteien über den Vertragsinhalt ist erst anzunehmen, wenn über sämtliche Vertragsbestimmungen Einigkeit besteht (SZ 54/112, 61/136, 68/178; RS0013973, RS0013984); war eine Vereinbarung über offengebliebene Punkte ‑ unter Umständen auch bloß unwesentliche - vorbehalten, dann kommt der Vertrag erst zustande, wenn sich die Parteien auch darüber geeinigt haben (SZ 44/73, SZ 54/112, SZ 61/136, SZ 68/178; MGA ABGB34 E 39 zu § 861), weil in einem solchen Fall davon auszugehen ist, daß die Parteien den Antrag ohne die Einigung über die Nebenpunkte nicht schließen wollten (SZ 68/178 mwN auch zum damit im Einklang stehenden Schrifttum). Liegt noch keine Einigung über alle wesentlichen Vertragspunkte vor, so besteht auch keine Bindung der Parteien an allfällige von ihnen bisher gemachte Konzessionen (RS0013949).

Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, daß eine Annahme des Anbotes des Antragstellers vom 27. 1. 1996 (Beilage B) durch die Antragsgegnerin schon wegen der im Antwortschreiben ihres Vertreters vom 1. 2. 1996 (Beilage 5) gemachten Vorbehalte zur Bewertung der seinerzeit in Punkt III der Vereinbarung aus dem Jahre 1993 erfaßten Vermögenswerte (Einrichtung, Hausumbauten, Lebensversicherungen, Kraftfahrzeuge etc) sowie Bewertung und Bezeichnung der gemeinsamen „Hausanteilsscheine“ ‑ also keineswegs bloß nebensächlicher („geringfügiger“), sondern für das Aufteilungsverfahren ganz wesentlicher Teile des Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse ‑ nicht unterstellt werden kann und damit zu keinem gültigen Vertrag (Überschrift vor § 97 EheG) geführt hat; demgemäß heißt es auch in diesem (vom Antragsteller nunmehr als „Annahme“ seines Anbotes aufgefaßten) Schreiben bloß, daß die „vorgeschlagene Vorgangsweise“ nur „prinzipiell zu akzeptieren“ sei und eine „Scheidungsvereinbarung“ erst dann dem Antragsteller zur Unterfertigung zugehen werde (und könne), „sobald die ausständigen Informationen einlangen“. Daß sich die Parteien danach auch noch über diese besonderen und offenen Punkte geeinigt, also eine Vereinbarung im Sinne des § 97 Abs 2 EheG getroffen hätten, kann füglich auch nicht dem erst Monate später fortgesetzten anwaltlichen Schriftverkehr der Parteienvertreter (wie er bereits in erster Instanz vorgelegt und dem Rekurs an den Obersten Gerichtshof erneut in Ablichtung angeschlossen wurde) entnommen werden.

Wenn das Rekursgericht ‑ ausgehend von der ermittelten Feststellungsgrundlage nach allgemeinen Auslegungsregeln ‑ zum Ergebnis eines mangelnden Bindungswillens der Antragsgegnerin (und damit zum Nichtvorliegen einer Aufteilungsvereinbarung im Sinne des § 97 Abs 2 EheG) gelangte, so ist dies durch den Obersten Gerichtshof ‑ soweit es sich nicht ohnedies bloß um seiner Überprüfung gänzlich entzogene Beweiswürdigungsüberlegungen handelt ‑ auch rechtlich nicht zu beanstanden. Das Rekursgericht geht vielmehr mit der wiedergegebenen Rechtsprechung konform, daß eine Vereinbarung vor erfolgter Einigung auch über die vorbehaltenen (nur „prinzipiell“ zustimmend beantworteten) Punkte eben nicht zustandekam. Für die im Rekurs der Rechtsmittelwerberin gewünschte Interpretation eines bloßen „Vorschlages“ seines Gegners, „im übrigen“ jedoch „vollinhaltlicher“ Einigung bleibt damit kein Platz; insoweit setzt sie sich überhaupt über die von den Vorinstanzen getroffenen (und insbesondere mit den wiedergegebenen Urkundeninhalten der Korrespondenzen in Einklang stehenden) Feststellungen hinweg. Schon in der Entscheidung MietSlg 35.131 hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß auch niemand verpflichtet ist, einen bestimmten Vertrag zu schließen, weil er schon Verhandlungen über den Vertragsinhalt führte und der andere Teil meinen konnte, es werde ein Vertrag (in seinem Sinne) zustandekommen. Von einer insoweit „überraschenden Rechtsansicht“ (hiezu ausführlich RS0037300) kann keine Rede sein. Mangels Einigung der Parteien über die Aufteilung ihres ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse kann auch keine Rede davon sein, daß der Antragsteller durch Einbringung seiner Scheidungsklage (entgegen einer durch die Antragsgegnerin erwarteten Antragstellung auf einvernehmliche Scheidung im Sinne des § 55a EheG, der sie ja selbst jahrelang widersprochen hatte) „kraß gegen Treu und Glauben verstoßen“ habe.

Die im Rechtsmittel zum Schluß relevierte Frage eines Unterhaltsanspruches aufgrund dieses Scheidungsurteiles stellt sich nicht, weil ausschließlicher Gegenstand dieses Verfahrens nicht ein Unterhalts‑, sondern ein Aufteilungsbegehren ist.

Der Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes steht damit mit der wiedergegebenen Gesetzes‑ und Rechtslage in Einklang. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 (§ 14b Abs 1) AußStrG war dabei nicht zu beantworten.

Die Ausführungen des Rekursgerichtes zu den Bewertungsgrundsätzen der seinerzeitigen Ehewohnung werden im Rechtsmittel nicht in Zweifel gezogen. Auch diesbezüglich ist eine nach § 14 Abs 1 AußStrG als erheblich zu qualifizierende Rechtsfrage weder gegeben noch auch releviert.

Das Rechtsmittel war daher aus allen diesen Erwägungen als unzulässig zurückzuweisen.

Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Kosten beruht auf der sinngemäßen Anwendung des § 52 Abs 1 ZPO iVm § 234 AußStrG (10 Ob 507/93).

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