OGH 7Ob99/98d

OGH7Ob99/98d10.8.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Elfriede S*****, vertreten durch Dr.Andrea Wukovits, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Kurt S*****, vertreten durch Dr.Margit Kaufmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 81 ff EheG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 26. November 1997, GZ 45 R 796, 797/97-31, mit dem der Beschluß des Bezirksgerichtes Purkersdorf vom 20.September 1996, GZ 1 F 93/94g-24, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekurswerberin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Streitteile schlossen anläßlich der Scheidung ihrer Ehe am 3.12.1992 gemäß § 55a EheG, einen Vergleich, in dem der Antragstellerin vom Antragsgegner u.a. das Alleineigentum an der ehelichen Liegenschaft EZ *****, GB ***** P***** mit Wohnhaus übertragen wurde. Laut Punkt IX) des Scheidungsvergleiches wurde vereinbart, daß damit alle wechselseitigen Ansprüche auf Aufteilung verglichen und bereinigt sind und das beide Streitteile auf eine Antragstellung nach den §§ 81 ff EheG verzichten. Der Antragsgegner war aber damals auch Vierteleigentümer der Liegenschaft ***** des gleichen Grundbuches. Mit seinem Miteigentum war das Recht auf die alleinige Benützung einer Garagenbox verbunden, während die anderen Viertelanteile, die ebenfalls mit der alleinigen Benützung einer Garagenbox verbunden waren, den Eigentümern von drei weiteren Häusern gehören. Dieser Viertelanteil samt dem Recht auf alleinige Benützung einer Garagenbox durch den Antragsgegner wurde nicht in die vermögensrechtliche Auseinandersetzung anläßlich der Scheidung aufgenommen. Die Antragstellerin wußte gar nicht, daß die Garage (nicht auf der ihr zu übertragenden) sondern auf einer anderen Liegenschaft steht, sie war vielmehr der Auffassung, daß diese zu dem in ihr Eigentum zu übertragenden Hause dazugehöre. Dem Antragsgegner war bei Abschluß des Scheidungsvergleiches diese unrichtige Vorstellung der Antragstellerin bekannt, er hat sie nicht auf diesen Irrtum aufmerksam gemacht. Seit Jänner 1993 kann die Antragstellerin die Garage nicht mehr öffnen, weil der Antragsgegner das Schloß dazu ausgetauscht und dazu erklärt hat, daß die Garage in seinem Alleineigentum stehe.

Mit ihrem am 1.12.1993 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrte die Antragstellerin, die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse durch Übertragung des Viertelanteiles des Antragsgegners an der Liegenschaft EZ *****, GB ***** P*****, bestehend aus dem Grundstück Nr. ***** Baufläche, samt dem damit verbundenen Recht auf Benützung der Garagenbox d laut dem beiliegenden Grundrißplan in das Eigentum der Antragstellerin zu vervollständigen. Die rechtsunkundige Antragstellerin sei entsprechend der Absprache mit dem Antragsgegner, wonach ihr das eheliche Wohnhaus ausdrücklich samt Garage eigentümlich übertragen werden sollte, der Ansicht gewesen, daß diese Garagenbox dem Wohnhaus und damit der Liegenschaft EZ ***** eigentümlich zugeordnet und somit von der Übertragung der ehelichen Liegenschaft laut Scheidungsvergleich umfaßt gewesen sei. Nach der Scheidung habe der Antragsgegner der Antragstellerin erklärt, daß sie nicht berechtigt sei, die Garage zu benützen. Für sie habe sich erst dann herausgestellt, daß die Garage Bestandteil einer anderen Liegenschaft sei. Der Antragstellerin seien die Vorgänge über den seinerzeitigen Garagenerwerb nicht bekannt gewesen. Sie habe damals die jeweiligen Unterlagen bzw Verträge nicht gesehen. Das gleiche gelte für die Unterlagen und den Ankauf betreffend das eheliche Wohnhaus. Der Antragsgegner habe es unterlassen, die Antragstellerin über die tatsächliche und rechtliche Situation des Wohnhauses bzw der damit im Zusammenhang stehenden Garage aufzuklären, obwohl klar abgesprochen gewesen sei, daß die Übernahme des Wohnhauses auch die Übernahme der Garage zu umfassen habe. Der Antragsgegner habe daher die Antragstellerin nicht nur treuwidrig über die Sachlage nicht aufgeklärt, er habe vielmehr den Irrtum der Antragstellerin verursacht und verstärkt, indem er lediglich fallweise um Überlassung der Box gebeten habe, ohne die Antragstellerin trotz eingehender Besprechung des Vergleichstextes darauf hinzuweisen, daß die Garagenbox mit den Miteigentumsanteilen an einer anderen Liegenschaft verbunden sei. Bei Kenntnis dieses Sachverhaltes durch die Antragstellerin wäre der Miteigentumsanteil an der Liegenschaft EZ ***** in den Scheidungsvergleich einbezogen worden. Keinesfalls hätte die Antragstellerin bei Kenntnis der Sachlage die Zahlungsverpflichtung laut Vergleich übernommen und keinesfalls hätte sie unter diesen Umständen der Generalklausel des Scheidungsvergleiches Punkt IX) zugestimmt.

Der Antragsgegner beantragte, dem Antrag der Antragstellerin nicht stattzugeben, weil im Scheidungsvergleich rechtswirksam auf eine Antragstellung gemäß den §§ 81 ff EheG verzichtet worden sei. Im übrigen sei der Antragstellerin stets bewußt gewesen, daß es sich bei der Garage um ein vom Wohnobjekt getrenntes Objekt und um zwei verschiedene Einlagezahlen handle. Es sei neben dem Wohnhaus ein Autoabstellplatz geschaffen worden, sodaß hier ein weiterer Bedarf hinsichtlich der Garage für die Antragstellerin nicht existiere. Ergänzend wandte er noch ein, daß im Hinblick auf die Regelung des Punktes IX) des Scheidungsvergleiches nicht mehr der außerstreitige Rechtsweg zu beschreiten sei.

Das Erstgericht beschloß im zweiten Rechtsgang mit dem Aufteilungsverfahren hinsichtlich des Viertelanteils des Antragsgegners an der Liegenschaft EZ ***** des GB ***** P***** innezuhalten, falls die Antragstellerin innerhalb von sechs Wochen nach Rechtskraft dieser Entscheidung eine Klage gegen den Antragsgegner auf Teilanfechtung des Scheidungsvergleiches einbringt und deren Einbringung nachweist.

Das Rekursgericht gab den von beiden Streitteilen gegen diese Entscheidung erhobenen Rekursen keine Folge, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und daß der Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung zulässig ist. Wie bereits in der Vorentscheidung 45 R 588/96w vom 3.7.1996 ausgesprochen worden sei, schließe sich das Rekursgericht im Gegensatz zu den in den Entscheidungen 7 Ob 510/89 und 6 Ob 582/90 vertretenen Auffassungen der in der Entscheidung 1 Ob 568/92 vertretenen Meinung an, wonach die Anfechtung eines Scheidungsvergleiches wegen Irreführung dem streitigen Verfahren vorbehalten sei und das außerstreitige Verfahren bis zu einer rechtskräftigen Erledigung darüber innezuhalten sei.

Der gegen diese Entscheidung von der Antragstellerin erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der bisherige Stand der Lehre und Rechtsprechung zur Frage der Anfechtung eines eine Generalklausel unter gleichzeitigem Verzicht auf die Durchführung eines Aufteilungsverfahrens enthaltenden Scheidungsvergleiches wegen Irrtums im Zusammenhang mit einem dennoch gestellten Aufteilungsantrag nach den §§ 81 ff EheG kann wie folgt zusammengefaßt werden: Ein im Scheidungsvergleich - auch beidseitig - abgegebener Verzicht auf ein Aufteilungsverfahren ist wegen der schon aus Art 6 Abs 1 erster Satz MRK abzuleitenden generellen Unzulässigkeit eines Rechtsschutzverzichtsvertrages (pactum de non petendo) unwirksam.

Aus §§ 85, 97 Abs 2 EheG und § 230 Abs 1 letzter Satz AußStrG ergibt sich, daß der Gesetzgeber der gütlichen Einigung der Ehegatten über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse den Vorrang gegenüber einer gerichtlichen Aufteilung einräumt; der Außerstreitrichter hat daher nur dann und insoweit zu entscheiden, als eine Einigung nicht erfolgte. Trotz Einigung der Eheleute über die wesentlichen Folgen der Scheidung ihrer Ehe (nach § 55a EheG) kann innerhalb der gesetzlichen Fristen ein Aufteilungsverfahren nach §§ 81 ff EheG und §§ 229 ff AußStrG aber eingeleitet werden, wenn eine solche - vergleichsweise - Aufteilung wegen Irrtums oder Unkenntnis eines Teiles oder beider Teile unvollständig geblieben ist und hierüber - wie hier - kein Einvernehmen zu erzielen ist. Es widerspräche dem Zweck der gesetzlichen Aufteilsanordnung, dem betroffenen Ehegatten die Durchsetzung des restlichen Aufteilungsanspruches zu verweigern. In einem solchen Fall sind nur jene Vermögensgegenstände aufzuteilen, bezüglich deren Aufteilung das Gericht angerufen wurde.

Ein Vergleich über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse schließt daher eine Antragstellung nach §§ 81 ff EheG nur insoweit aus, als die Vereinbarung reicht. Der übereinstimmend erklärte Parteiwille entscheidet, was die Streitteile als Gegenstand der Streitbereinigung angenommen haben.

Das Rekursgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die Frage, ob über den Vorwurf der Irreführung eines Teiles durch den anderen bei Abschluß des Scheidungsvergleiches im Rahmen des Aufteilungsverfahrens als Vorfrage zu erkennen ist, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes unterschiedlich beantwortet worden ist. Während diese Auffassung in den Entscheidungen 7 Ob 510/89 (= EFSlg 60.076, 60.068, 60.070 und 60.071 - allerdings wird dieses Ergebnis in diesen Veröffentlichungen nicht zitiert -) und 6

Ob 582/90 (= EFSlg 64.860) vertreten wurde, kam die Entscheidung 1 Ob

568/92 (= SZ 65/65) - allerdings ohne Erwähnung der zitierten

Vorjudikatur - zum Ergebnis, daß nach eingeleitetem Aufteilungsverfahren Ansprüche auf Durchsetzung oder Anfechtung von nach § 97 Abs 2 EheG zulässig getroffenen Vereinbarungen über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse im Streitverfahren zu verfolgen sind. Dies bewirke bei einer wie hier vorliegenden Generalklausel, daß es dem Außerstreitrichter verwehrt sei, vor erfolgreicher Anfechtung des Scheidungs(teil-)vergleiches materiell eine Aufteilung vorzunehmen. Dieser Auffassung sind alle folgenden dieses Rechtsproblem betreffenden Entscheidungen wie 10 Ob 507/93 (= EFSlg 75.641 = EFSlg XXXI/7) sowie bei einer etwas anders gelagerten Sachverhaltsgrundlage 4 Ob 512/95 (= EFSlg 79.080 und 79.084) und letztlich 7 Ob 2199/96 ohne Rückkehr zur früheren Judikaturlinie beigetreten. In der letztzitierten Entscheidung wurde ausgesprochen, daß wenn die Eigenschaft eines Vermögenswertes als Teil des ehelichen Gebrauchsvermögens aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen strittig ist, sowohl der mit einem zulässigen Begehren angerufene Streitrichter als auch der Außerstreitrichter bei Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen die erforderlichen Erhebungen zu pflegen und über die Zulässigkeit dieses Rechtsweges zu entscheiden habe. Es bestehe grundsätzlich ein Vorrang des Außerstreitverfahrens. Soweit aufzuteilendes Vermögen der Ehegatten betroffen sei, solle zuerst dessen Rechtszuständigkeit geklärt werden, erst danach seien Rechtsstreitigkeiten der Ehegatten untereinander fortzuführen. Damit solle verhindert werden, daß das in einem Rechtsstreit gewonnene Ergebnis durch eine noch mögliche Rechtsgestaltung im Außerstreitverfahren umgestoßen oder überholt werden würde. An dieser jüngeren Entscheidungslinie ist festzuhalten, dementsprechend besteht (nach der Verfestigung der Rechtsprechung) kein Anlaß auf Anrufung des verstärkten Senates.

Da die Vorinstanzen die letztzitierte Rechtsprechung zutreffend angewendet haben, war dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 234 AußStrG.

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