OGH 6Ob582/90

OGH6Ob582/9012.7.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Anna Maria S***, Beamtin, Nordbahnstraße 5/2/4, 1020 Wien, vertreten durch Dr. Rose-Marie Rath, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Heinrich S***, Beamter, Arndtstraße 40/5/5, 1120 Wien, vertreten durch Dr. Raimund Mittag, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung ehelicher Ersparnisse, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 13.Februar 1990, GZ 43 R 68/90-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 4.September 1989, GZ 4 F 4/89-9, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Ehe der Antragstellerin mit dem Antragsgegner wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 23.November 1988, 4 Sch 134/88-4, gemäß § 55 a EheG rechtskräftig geschieden. Der von den Parteien gemäß § 55 a Abs 2 EheG am selben Tage abgeschlossene Vergleich über die Scheidungsfolgen hat unter Punkt 6. nachstehenden Wortlaut:

"Durch diese Vereinbarung sind sämtliche ehelichen Ersparnisse und sämtliches eheliches Gebrauchsvermögen aufgeteilt, weitere Ansprüche haben die Ehegatten gegeneinander nicht, es verzichten daher beide auf eine Antragstellung gemäß den §§ 81 ff EheG."

Mit dem am 10.Februar 1989 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrte die Antragstellerin, den Antragsgegner zur Zahlung eines Betrages von S 575.000 samt Anhang zu verpflichten, und brachte vor, sie sei anläßlich des Abschlusses der Scheidungsfolgenvereinbarung davon ausgegangen, daß der Antragsgegner ebensowenig wie sie über eheliche Ersparnisse verfüge. Nunmehr habe sie durch Zufall feststellen können, daß ihr der Antragsteller der Aufteilung unterliegende Ersparnisse im Ausmaß von zumindest 1,150.000 S verheimlicht habe. Durch das arglistige und sittenwidrige Vorgehen des Antragsgegners sei die Aufteilungsvereinbarung unvollständig geblieben.

Der Antragsgegner wandte die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges ein, weil die Parteien auf eine Antragstellung nach den §§ 81 ff EheG verzichtet hätten. Im übrigen könne keine Rede davon sein, daß der Antragstellerin die bedeutenden Ersparnisse nicht bekannt gewesen seien.

Das Erstgericht sprach aus, daß zur Entscheidung über den Aufteilungsantrag der außerstreitige Rechtsweg unzulässig sei und wies den Aufteilungsantrag zurück. Es führte aus, ein Verzicht auf die Antragstellung nach den §§ 81 ff EheG sei zulässig und verwehre den Parteien jede weitere Antragstellung nach den genannten Bestimmungen. Die Anfechtung einer vertraglichen Einigung wegen Irreführung oder Irrtumes könne nur im streitigen Verfahren erfolgen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge, hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über den Aufteilungsantrag auf. Es führte aus, die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über die Frage der Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges bei behaupteten Willensmängeln anläßlich des Abschlusses einer Scheidungsfolgenvereinbarung sei nicht einheitlich. Es entspreche herrschender Lehre und Rechtsprechung, daß ein anläßlich der Auflösung der Ehe abgeschlossener Vergleich im Zweifel alle mit dem Eheverhältnis im Zusammenhang stehenden vermögensrechtlichen Streitigkeiten zwischen den Ehegatten, selbst Ansprüche, an die eine Partei nicht gedacht habe, aber hätte denken können und von denen der andere Teil habe annehmen dürfen, daß sie mitbereinigt worden seien, erledige. Diese Bereinigungswirkung des Vergleiches trete selbst dann ein, wenn er keine Generalklausel enthalte. Es werde aber auch die Möglichkeit der Anfechtung eines solchen Vergleiches wegen Willensmängeln bejaht. Während jedoch in der Entscheidung SZ 53/150 eine Anfechtung einer abgeschlossenen Vereinbarung auf den Rechtsweg verwiesen worden sei, sei den Entscheidungen SZ 57/139 und EFSlg 48.991 zu entnehmen, daß trotz Einigung der Ehepartner über die wesentlichen Folgen der Scheidung ihrer Ehe nach § 55 a EheG innerhalb der gesetzlichen Frist ein Verfahren nach den §§ 229 ff AußStrG über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gemäß den §§ 81 ff EheG einzuleiten sei, wenn eine solche Aufteilung wegen Irrtumes oder Unkenntnis eines Teiles oder beider Teile unvollständig geblieben und hierüber kein Einvernehmen zu erzielen sei. Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, daß bei Irrtum oder Unkenntnis eines Ehepartners über die Unvollständigkeit einer getroffenen Aufteilungsvereinbarung weiterhin der außerstreitige Rechtsweg zulässig sei, soferne der Aufteilungsanspruch noch nicht durch Zeitablauf erloschen sei.

Da eine Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 in Verbindung mit Abs 4 AußStrG vorliege, sei der Revisionsrekurs zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist aus den zutreffenden Gründen des Rekursgerichtes zulässig, er ist aber nicht berechtigt. Ein gemäß § 1389 ABGB abgeschlossener Vergleich hat Bereinigungswirkung für alle aus einem Schuldverhältnis entspringenden wechselseitigen Rechte und Verbindlichkeiten. Auch ein anläßlich der Scheidung einer Ehe geschlossener Vergleich über die vermögensrechtlichen Ansprüche erledigt im Zweifel alle mit dem Eheverhältnis im Zusammenhang stehenden vermögensrechtlichen Streitigkeiten zwischen den Ehegatten, selbst Ansprüche, an die eine Partei zwar nicht gedacht hat aber denken konnte und von denen der andere Teil annehmen durfte, daß sie mitbereinigt wurden. Ein in einem solchen Vergleich abgegebener Verzicht der Ehegatten auf Antragstellung im Sinne der §§ 81 ff EheG ist zulässig und hindert eine weitere Antragstellung im außerstreitigen Verfahren. Verträge, die durch List oder Irrtum zustandegekommen sind, also mit Willensmängeln behaftet sind, sind nur relativ nichtig und bleiben aufrecht, wenn sie nicht angefochten werden. Das Begehren auf Nichtigerklärung eines Vertrages aus einem solchen Grund ist ein Rechtsgestaltungsbegehren (SZ 42/25 uva), über das mangels einer gegenteiligen Bestimmung nur durch den Streitrichter im Prozeß entschieden werden kann.

Während § 2 Abs 1 Z 7 AußStrG die Verweisung auf den Rechtsweg anordnet, wenn Verfügungen über Gegenstände der freiwilligen Gerichtsbarkeit von der Erörterung streitiger Rechtsfragen oder von Tatumständen abhängen, die sich nur durch ein förmliches Beweisverfahren ins klare setzen lassen, normiert § 230 Abs 3 AußStrG eine Ausnahme von diesem Grundsatz, schließt eine Verweisung auf den Rechtsweg aus und regelt das Verfahren entsprechend den strengen Bestimmungen der Zivilprozeßordnung. Der Gesetzgeber ging also davon aus, daß nicht nur die einvernehmliche Scheidung nach § 55 a EheG, die eine Einigung der Partner über die wesentlichen Scheidungsfolgen voraussetzt, sondern auch alle sich in der Folge ergebenden Streitigkeiten innerhalb der gesetzlichen Jahresfrist in der Hand des Außerstreitrichters vereinigt werden sollten. Der erkennende Senat teilt die in den Entscheidungen

SZ 57/139 (= RZ 1985/21 = JBl. 1985/287 = EvBl 1985/57),

EvBl 1986/13 und 6 Ob 664/85 (= EFSlg 48.991) sowie auch in der Entscheidung 7 Ob 510/89 vertretene Ansicht, daß es dem Zweck der gesetzlichen Aufteilungsanordnung widerspräche, einem betroffenen geschiedenen Ehegatten die Durchsetzung des restlichen, noch nicht durch Zeitablauf erloschenen Aufteilungsanspruches vor dem Außerstreitrichter nach dieser gesetzlichen Aufteilungsordnung zu verweigern, wenn die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und/oder der ehelichen Ersparnisse aus einem Irrtum oder der Unkenntnis eines Teiles in bezug auf einzelne Vermögensbestandteile unvollständig geblieben oder der abgeschlossene Vergleich mit Willensmängeln behaftet ist, die der andere Partner zu vertreten hat. Eine erfolgreiche Vergleichsanfechtung im Prozeßwege könnte das angestrebte Ziel keineswegs herbeiführen, da die nach Nichtigerklärung des Vergleiches sodann noch notwendige Aufteilung zwingend in das Außerstreitverfahren verwiesen ist und eine Antragstellung dort wegen Ablaufes der kurzen gesetzlichen Frist nicht mehr möglich wäre.

Zutreffend hat das Rekursgericht dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über den Sachantrag gemäß den Vorschriften der §§ 81 ff EheG und der §§ 229 ff AußStrG aufgetragen. Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Der Ausspruch über den Vorbehalt der Revisionsrekurskosten beruht auf § 234 AußStrG in Verbindung mit § 52 ZPO.

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