OGH 10ObS20/97g

OGH10ObS20/97g11.2.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Erwin Blazek und MR Dr.Walter Kraft (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Alois G*****, vertreten durch Dr.Kurt Klein und Dr.Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, gegen die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Erwerbsunfähigkeitspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17.Oktober 1996, GZ 8 Rs 203/96a-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 22.März 1996, GZ 30 Cgs 240/94g-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 29.5.1939 geborene Kläger war zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate als selbständiger Autospengler- und Lackierermeister tätig. Nach einem Herzhinterwandinfarkt im November 1991 hat sich der Kläger, der bis dahin in seinem Betrieb in den genannten Berufen auch selbst mitgearbeitet hatte, hiezu gesundheitsbedingt jedoch nicht mehr in der Lage ist, auf die reine Betriebsführung beschränkt. Auch auf Grund dieser Umstrukturierung arbeitet der Betrieb noch rentabel, wenngleich die (wirtschaftliche) Situation schwieriger wird. Derzeit beschäftigt der Kläger in seinem Betrieb einen Gesellen. Er selbst berät Kunden, führt Materialbestellungen und den Telefonverkehr durch, arbeitet aber nicht mehr manuell mit.

Dem Kläger sind keine schweren, sondern nur mehr leichte und bis zur Hälfte des Arbeitstages (gleichmäßig über diesen verteilt) auch mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen, sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen, unter Einhaltung der üblichen Ruhepausen zumutbar, wobei auch Tätigkeiten mit Fingergeschicklichkeit eingeschlossen sind. Überkopf- sowie Bück- und Hebearbeiten sind um ein Drittel des Arbeitstages zu verkürzen und gleichmäßig auf diesen zu verteilen. Arbeiten an exponierten Stellen sowie solche, welche in ihrer zeitlichen und psychischen Belastung Akkord- und Fließbandarbeiten entsprechen, sind nicht zumutbar. Dauernde Streßsituationen sind ebenfalls nicht zumutbar, gelegentliche Streßsituationen jedoch schon. Arbeiten in forciertem Arbeitstempo sind nur bis zur Hälfte des Arbeitstages, gleichmäßig über diesen verteilt, zumutbar. Die Benützung von Steighilfen ist möglich, auf einen Fußanmarschweg zur Arbeitsstätte ist nicht Bedacht zu nehmen. Eine Umschul- und Anlernbarkeit ist nicht mehr gegeben. Der Kläger ist den üblichen Arbeitsanweisungen gewachsen, wobei bei den Verweisungstätigkeiten jedoch darauf zu achten ist, daß sie den bisher geleisteten Tätigkeiten ähnlich bzw verwandt sind. In diesem Rahmen sind auch verbale Kontaktberufe möglich. Im Falle eines Ortswechsels bzw Pendelverkehrs ist mit maßgeblichen Anpassungsschwierigkeiten nicht zu rechnen. Unter Berücksichtigung einer allfälligen optimalen Behandelbarkeit der (vom Erstgericht im einzelnen dargestellten) Leidenszustände sowie aufgrund von Erfahrungswerten ist aus orthopädischer Sicht festzustellen, daß bei Einhalten des Leistungskalküls mit vorhersehbaren "Krankenständen" (richtig: krankheitsbedingten Arbeitsausfällen bei Verrichtung der selbständigen Tätigkeit: 10 ObS 47/96) im Ausmaß von zwei Wochen pro Jahr zu rechnen ist.

Es gibt keine ähnliche Tätigkeit selbständiger Art, in der der Kläger seine Kenntnisse als Autospengler- und Lackierermeister verwerten könnte und die mit dem Leistungskalkül in Einklang zu bringen wäre, insbesondere weil eine Umschul- und Anlernbarkeit nicht mehr gegeben ist.

Mit dem bekämpften Bescheid vom 23.8.1994 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 22.2.1994 auf Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitspension gemäß § 132 GSVG ab. In der Klage stellte der anwaltlich vertretene Kläger zunächst das Begehren, daß "gegenüber der beklagten Partei festgestellt (wird), daß die klagende Partei erwerbsunfähig im Sinne der Bestimmungen des § 133 Abs 1 GSVG ist". In der letzten Tagsatzung der mündlichen Streitverhandlung wurde dieses Begehren dahingehend "präzisiert", "daß die beklagte Partei schuldig erkannt werden möge, dem Kläger die Erwerbsunfähigkeitspension in der gesetzlichen Höhe ab 1.3.1994 zu gewähren".

Das Erstgericht wies dieses Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs - zusammengefaßt - wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahingehend, daß beim Kläger - nachdem es ihm nach dem Herzinfarkt gelungen sei, durch Umorganisation den Betrieb weiterhin rentabel zu erhalten - Erwerbsunfähigkeit nach § 133 GSVG nicht vorliege; eine vorzeitige Alterspension nach § 131 c GSVG sei nicht begehrt worden und habe der Kläger zum Stichtag 1.3.1994 auch das dafür erforderliche 55. Lebensjahr noch nicht vollendet.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und schloß sich auch dessen rechtlicher Beurteilung an.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene, auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte, gemäß § 46 Abs 3 ASGG auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässige und von der beklagten Partei nicht beantwortete Revision des Klägers ist nicht berechtigt. Dies aus folgenden Erwägungen:

1. Soweit zwar unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, jedoch - inhaltlich - als selbständige Mangelhaftigkeit gerügt wird, das Berufungsgericht habe eine Ergänzung des berufskundlichen Sachverständigengutachtens für entbehrlich gehalten, handelt es sich einerseits um eine in dritter Instanz nicht mehr zulässige (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 503) Beweisrüge (soweit nämlich angebliche Widersprüche zwischen dem Gutachten und der Parteienvernehmung des Klägers aufgezeigt werden); andererseits können nach ständiger Rechtsprechung Verfahrensmängel erster Instanz, deren Vorliegen das Berufungsgericht bereits verneint hat (hier: eine ergänzende Einvernahme dieses Sachverständigen betreffend) im Revisionsverfahren ebenfalls nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (SSV-NF 7/74, RZ 1989/16, 10 ObS 2367/96b uva).

2. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend. Der von Anfang an anwaltlich vertretene Kläger hat stets und ausschließlich eine Erwerbsunfähigkeitspension (nach den §§ 132, 133 GSVG) und keine vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit nach (§ 131 c GSVG) begehrt. Insoweit handelt es sich - so wie etwa zwischen einer Invaliditätspension im Sinne des § 254 ASVG und einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (im Sinne des § 253 d ASVG) - um ein Aliudbegehren; diesbezügliche Verfahrensvoraussetzung wäre, daß der Versicherungsträger über einen solchen Antrag des Klägers (auf vorzeitige Alterspension) bereits mit Bescheid entschieden oder den Bescheid nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Eingang des Antrags auf Zuerkennung der Leistung erlassen hätte (§ 67 Abs 1 ASGG; SSV-NF 9/31 = SZ 68/68; vgl auch 10 ObS 23/96). Die vom Revisionswerber gewünschten ergänzenden Feststellungen sind damit entbehrlich.

3. Der erkennende Senat hat sich mit der Frage, nach welchen Kriterien zu prüfen sei, ob die persönliche Arbeitsleistung eines Versicherten zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war, bereits in mehreren Entscheidungen befaßt (SSV-NF 9/22, SSV-NF 9/56, 10 ObS 99/95, 10 ObS 2206/96a, 10 ObS 2275/96y, 10 ObS 2359/96a, 10 ObS 2395/96w). Die hiezu jeweils formulierten Rechtssätze lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß bei der Beurteilung, ob Erwerbsfähigkeit nach § 133 Abs 2 GSVG vorliegt, von der Notwendigkeit der persönlichen Arbeitsleistung im Rahmen einer wirtschaftlich vertretbaren Betriebsführung auszugehen ist. Hiebei ist unter Umständen auch die Notwendigkeit und Möglichkeit einer Umstrukturierung des Betriebes sowie die Rentabilität und Zumutbarkeit der Weiterführung bei einer solchen Umorganisation zu prüfen, etwa im Sinne einer Delegierung einzelner Arbeitsgänge an Mitarbeiter, Aufnahme von Hilfs- und Ersatzkräften, eventuelle Adaptierung der Geschäftszeiten uam, um festzustellen, ob trotz des eingeschränkten medizinischen Leistungskalküls bei solchen Maßnahmen noch eine wirtschaftlich vertretbare Betriebsführung möglich ist.

Nach den für die rechtliche Beurteilung des Obersten Gerichtshofes allein maßgeblichen Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen steht fest, daß es dem Kläger tatsächlich gelungen ist, durch eine solche Umorganisation (nämlich Einschränkung seines Tätigkeitsfeldes ausschließlich auf die Betriebsorganisation und damit den Wegfall der aufgrund des medizinischen Zustandsbildes nicht mehr zumutbaren Doppelbelastung durch Verrichtung auch jener manuellen Tätigkeiten, die er zuvor als Autospengler- und Lackierermeister mitgetragen hatte) seinen Betrieb rentabel weiterzuführen. In der (ebenfalls einen selbständigen Autolackierermeister im selben Bundesland betreffenden) Entscheidung 10 ObS 2395/96w hat der Senat hiezu erst jüngst ausgeführt, so wie einem Unselbständigen unter Umständen (§ 255 Abs 3 ASVG) ein Herabsinken seines Einkommens bis zur "Lohnhälfte" vom Gesetzgeber zugemutet wird, müsse auch bei einem selbständig Erwerbstätigen jedenfalls eine gewisse Verschmälerung seiner Einkommenssituation vor Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen zur Erwerbsunfähigkeitspension billigerweise in Kauf genommen werden. Soweit der Betrieb daher auch nach diesen betrieblich geäußerten Verhältnissen wirtschaftlich "rentabel", also gewinnabwerfend ("positiv") - wie schon in den letzten Jahren seit seinem Herzinfarkt Ende 1991 - geführt werden kann, muß der Kläger somit eine gewisse Einkommensminderung im oben dargestellten Sinne im Sinne des vorzitierten Judikates - entgegen der Rechtsauffassung in der Revision - durchaus hinnehmen, sodaß die Vorinstanzen (alle diese Aspekte berücksichtigend) die Voraussetzungen der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 133 Abs 1 und 2 GSVG zutreffend verneint haben.

Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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