OGH 10ObS2168/96p

OGH10ObS2168/96p30.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Hübner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmuth Prenner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei mj. Kurt S*****, geboren am 13.11.1985, ***** vertreten durch seine Großmutter Gertrude B*****, ebendort, diese vertreten durch Dr.Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr.Alfred Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage, aus Anlaß des Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6.März 1996, GZ 7 Rs 52/96p-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 28.September 1995, GZ 21 Cgs 156/95d-6, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Akt 21 Cgs 156/95d des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht und der diesem angeschlossene Akt 021167 1410 der Pensions- versicherungsanstalt der Angestellten werden dem Bezirksgericht Knittelfeld, bei dem hinsichtlich des am 13.11.1985 geborenen mj. Kurt S***** zu P 252/85 ein Pflegschaftsakt anhängig ist, mit dem Ersuchen übermittelt, eine von der Mutter und der Großmutter (Gertrude B*****) des Genannten verschiedene Person als in diesem zivilgerichtlichen Verfahren auftretenden Vertreter zu bestimmen (§ 154a Abs 1 ABGB).

Der bestellte Vertreter möge befragt werden, ob er die bisherige Prozeßführung durch die Großmutter genehmigt.

Die übersendeten Akten mögen dem Obersten Gerichtshof unter Anschluß einer mit Rechtskraftbestätigung versehenen Ausfertigung des Bestellungsbeschlusses und der allfälligen Genehmigung der Prozeßführung durch den neuen Vertreter zurückgestellt werden.

Text

Begründung

Der am 13.11.1985 geborene minderjährige Kläger ist Halbwaise nach seinem am 6.11.1985 verstorbenen Vater. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen kommt die Obsorge der Großmutter G***** B***** zu, in deren Haushalt er sich seit Geburt an befindet.

Mit der vorliegenden (und pflegschaftsgerichtlich genehmigten: ON 3 iVm Beil B) Klage stellte der durch seine Großmutter, diese wiederum durch zwei Bedienstete der Arbeiterkammer Leoben gemäß § 40 Abs 1 Z 2 ASGG vertretene Kläger das Begehren, die beklagte Partei zu verpflichten, ihm ab 1.7.1994 eine Ausgleichszulage in der gesetzlichen Höhe zu bezahlen und bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung in der Höhe von S 2.086,80 zu erbringen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sozialrechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung zurück.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, in der Sache selbst in Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Klagsabweisung zu entscheiden, also das Ersturteil zu bestätigen.

Der Kläger hat durch einen sich auf die Bevollmächtigung durch die genannten Vertreter der Arbeiterkammer berufenden Rechtsanwalt eine Rekursbeantwortung erstattet.

Nach § 154 Abs 1 ABGB ist jeder (eheliche) Elternteil für sich allein berechtigt und verpflichtet, das Kind zu vertreten. In zivilgerichtlichen Verfahren ist gemäß § 154 a Abs 1 ABGB nur ein Elternteil allein zur Vertretung des Kindes berechtigt; solange sich die Eltern nicht auf den anderen Elternteil einigen oder das Gericht nach § 176 ABGB diesen oder einen Dritten als Vertreter bestimmt, ist Vertreter derjenige Elternteil, der die erste Verfahrenshandlung setzt.

Im vorliegenden Fall wurde bereits die erste Verfahrenshandlung, nämlich die Einbringung der Klage, von der - nach der Außerstreitstellung beider Parteien in der Streitverhandlung vom 28.9.1995 (S 1 in ON 5 = AS 27) - obsorgeberechtigten (§ 144 ABGB) Großmutter gesetzt. Wann und aus welchen Gründen der (ehelichen) Mutter des Klägers diese Obsorge entzogen und der Großmutter übertragen wurde, ist allerdings nicht bekannt und kann aus dem vorliegenden Akteninhalt auch nicht entnommen werden. Durch die aktenkundige (nachträgliche) pflegschafts- gerichtliche Genehmigung der Klagsführung durch das BG Knittelfeld mit Beschluß vom 30.11.1995, P 252/85-16, ist zwar abzuleiten, daß das Pflegschaftsgericht damit auch (zumindest implizit) die Vertretung des Minderjährigen durch seine Großmutter nicht beanstandete, allerdings blieb hierin (und auch im gesamten bisherigen sozialgerichtlichen Verfahren erster und zweiter Instanz) unberücksichtigt, daß auch deren Vertretung (selbst bei rechtskräftiger Obsorgeübertragung und damit Wegfall der Berechtigungsbefugnis der Mutter nach § 154 a Abs 1 ABGB) dann nicht Platz greifen kann, wenn ein Interessenkollisionsfall zum vertretenen Kind vorliegt. In einem solchen Fall muß vielmehr das Gericht gemäß § 271 ABGB "angegangen werden, für den Minderjährigen einen besonderen Kurator zu ernennen" (siehe hiezu auch ausführlich jüngst SSV-NF 9/8). Wird vom gesetzlichen Vertreter trotz Kollision ein Verfahren (namens des Kindes) geführt, sind seine Prozeßhandlungen mit Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 5 ZPO behaftet (Pichler in Rummel, ABGB I2, Rz 8 zu §§ 271, 272; SZ 52/124, SSV-NF 9/8).

In der gegenständlichen Sozialrechtssache besteht tatsächlich ein solcher Widerspruch zwischen den Interessen des Klägers einerseits und jenen seiner Großmutter andererseits. Entscheidungserheblich ist nämlich die Frage, ob und bejahendenfalls in welchem Ausmaß der Kläger einen Unterhaltsanspruch gegenüber der Mutter sowie auch zu seiner Großmutter, in deren Haushalt er sich seit Geburt an befindet, hat. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf die mit der vorliegenden Klage begehrte Ausgleichszulage sind im Abschnitt V des ASVG (§§ 292 ff) im einzelnen geregelt. Nur dann, wenn ua die (hier: Waisen-)Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes (§ 293 ASVG) erreicht, besteht Anspruch auf Ausgleichszulage zur Pension. Nach der Definition des § 292 Abs 3 ASVG gelten ua Unterhaltsansprüche jeglicher Art als Einkünfte, die dem Nettoeinkommen zuzurechnen sind. Nur soweit solche Ansprüche nach § 294 ASVG berücksichtigt werden, bleiben sie gemäß § 292 Abs 4 lit e ASVG bei Anwendung der Abs 1 bis 3 des § 292 ASVG außer Betracht. Andere als im § 294 Abs 1 lit a bis c ASVG genannte Unterhaltsansprüche, daher auch solche subsidiärer Art gegenüber Großeltern, sind mit der vollen (tatsächlichen) Höhe zu berücksichtigen (Teschner/Widlar, MGA ASVG, 1447 Anm 1 zu § 294). Schon allein aus dieser Erwägung ist der Umstand als entscheidungswesentlich abzuleiten, ob und wenn ja in welcher Höhe dem minderjährigen Kläger nach § 141 ABGB ein solcher subsidiärer Unterhaltsanspruch gegenüber seiner Großmutter zukommt oder nicht.

Nach dem Wortlaut des § 141 erster Satz ABGB führt nur gänzliche oder teilweise Leistungsunfähigkeit der Eltern subsidiär zur Unterhaltspflicht der Großeltern (Pichler in Rummel, aaO Rz 1 zu § 141; Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 60; Schwimann, Unterhaltsrecht 90). Im Falle teilweiser Leistungsunfähigkeit der Eltern tritt die sekundäre Unterhaltspflicht der Großeltern neben die primäre. Bloße Schwierigkeiten, sei es bei der Unterhaltsbemessung oder bei der Unterhaltshereinbringung, rechtfertigen die Inanspruchnahme der Großeltern nicht (EFSlg 48.268, 1 Ob 531/95). Solange über die Unterhaltspflicht der primär Unterhaltspflichtigen nicht entschieden ist, kann noch nicht über die subsidiäre Unterhaltspflicht der Großeltern abgesprochen werden. Vor Heranziehung der Großeltern sind die Eltern erforderlichenfalls anzuspannen (Purtscheller/Salzmann, aaO; Schwimann aaO). Darüber hinaus ist die Leistungspflicht der Großeltern noch in einer weiteren Weise beschränkt: Einerseits ist nämlich die Unterhaltspflicht der Großeltern der Höhe nach auf die Lebensverhältnisse der (primär unterhaltspflichtigen) Eltern abgestimmt, auch wenn der von den Eltern zu erwartende Unterhalt möglicherweise gering ist; andererseits steht den Großeltern der Vorbehalt des eigenen angemessenen Unterhalts zu, weshalb die finanzielle Leistungskraft der Großeltern nicht bis zur möglichen Höchstgrenze ausgeschöpft werden darf (Purtscheller/Salzmann, aaO Rz 61; Schwimann, aaO 92; Pichler, aaO Rz 5).

Daraus folgt, daß sowohl Unterhaltsansprüche des Klägers gegenüber seiner (unstrittig nicht im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebenden und damit auch nicht von § 294 Abs 1 lit c ASVG erfaßten) Mutter als auch (neben oder anstelle der Mutter subsidiär eintretenden) Großmutter für einen allfälligen Ausgleichszulagenanspruch des Klägers Berücksichtigung zu finden haben, und zwar gegenüber beiden gemäß § 292 Abs 3 ASVG in ihrer jeweils vollen und tatsächlichen Höhe. Dies wiederum hat zur Folge, daß eine Interessenkollision zwischen dem Kläger und seiner Großmutter einerseits, aber auch seiner Mutter andererseits bezüglich der maßgeblichen und wie vor zusammengefaßt dargestellten unterhaltsrechtlichen Fragen zu- und gegeneinander deren jeweilige gesetzliche Vertretung im vorliegenden Rechtsstreit jedenfalls verhindert; dies allein schon deshalb, weil im Falle einer Bestätigung des klagsabweisenden Ersturteils den begehrten Ausgleichszulagenanspruch kompensierende unterhaltsrecht- liche Direktansprüche gegen eine der beiden vorgenannten Personen (Mutter oder Großmutter) keineswegs von vorneherein ausgeschlossen werden können. Dieser aufgezeigte Kollisionsfall und daraus erfließende Mangel der gesetzlichen Vertretung ist, wie sich auch aus § 6 Abs 1 ZPO ergibt, in jeder Lage des Rechtsstreites, also auch noch im Revisionsverfahren, von Amts wegen zu berücksichtigen (SSV-NF 9/8). Da dieser Mangel beseitigt werden kann, hat das Revisionsgericht nach Abs 2 Satz 1 leg cit die hiezu erforderlichen, aus dem Spruch ersichtlichen Aufträge zu erteilen; das bezeichnete Pflegschaftsgericht wird zu ihrer Erfüllung von Amts wegen eine angemessene Frist zu bestimmen haben, bis zu deren fruchtlosem Ablauf der Ausspruch über die Rechtsfolgen des Mangels aufgeschoben bleibt (Fasching, LB2 Rz 353; Fucik in Rechberger, ZPO Rz 1 und 3 zu § 6; SSV-NF 9/8). Im Hinblick auf die gegebene Kollision sowohl zur Mutter als auch zur Großmutter war demgemäß auch sogleich auszusprechen, daß nur eine von beiden Genannten verschiedene dritte Person als in diesem zivilgerichtlichen Verfahren aufzutretender Vertreter bestimmt werden kann.

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