OGH 6Ob702/79

OGH6Ob702/7929.8.1979

SZ 52/124

Normen

ABGB §154 Abs1
ABGB §154a
ABGB §271
ZPO §477 Abs1 Z5
ABGB §154 Abs1
ABGB §154a
ABGB §271
ZPO §477 Abs1 Z5

 

Spruch:

Im Ehelichkeitsbestreitungsprozeß kann die Mutter ihr Kind nicht vertreten; es muß wegen der Interessenkollision für das Kind ein Kollisionskurator bestellt werden

Ein ohne Mitwirkung eines Kollisionskurators zustande gekommenes Urteil ist mit dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs. 1 Z. 5 ZPO behaftet

OGH 29. August 1979, 6 Ob 702/79 (OLG Innsbruck 5 R 133/79; LG Innsbruck 8 Cg 604/77)

Text

Die vorliegende, gegen den am 22. November 1960 geborenen minderjährigen Beklagten gerichtete Klage auf Bestreitung der ehelichen Geburt wurde antragsgemäß der ehelichen Mutter zugestellt, welche auch die Vollmacht des Beklagtenvertreters unterfertigte. Ein Kollisionskurator wurde für den beklagten Minderjährigen nicht bestellt.

Die Unterinstanzen gaben dem Klagebegehren statt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes hat der Beklagte fristgerecht Revision erhoben.

Der Oberste Gerichtshof stellte den Akt dem Erstgericht mit folgenden Aufträgen zurück:

1. Beim zuständigen Pflegschaftsgericht ist die Bestellung eines Kollisionskurators für die beklagte Partei anzuregen. Gleichzeitig ist auch den Parteien unter Setzung einer Frist Gelegenheit zu geben, die Behebung des Mangels der gesetzlichen Vertretung der beklagten Partei durch einen Antrag auf Bestellung eines Kollisionskurators in die Wege zu leiten.

2. Der bestellte Kollisionskurator oder für den Fall, daß der Beklagte inzwischen großjährig geworden ist, dieser selbst ist unter Setzung einer angemessenen Frist aufzufordern, eine Erklärung darüber abzugeben, ob er die bisherige Prozeßführung genehmigt.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Vor Erledigung des Rechtsmittels war von Amts wegen zu prüfen, ob der Beklagte im Verfahren ordnungsgemäß vertreten war.

Dies ist zu verneinen.

Wohl ist nach § 154 Abs. 1 ABGB i. d. F. des Kindschaftsgesetzes, BGBl. 403/1977, - abgesehen von den Fällen der Abs. 2 und 3 - jeder Elternteil für sich allein berechtigt und verpflichtet, das Kind zu vertreten. Weder durch diese Bestimmung noch durch § 154a neu ABGB, worin allgemein die Vertretung des Kindes im zivilgerichtlichen Verfahren geregelt ist, wurde jedoch § 271 ABGB berührt. Es ist daher auch nach der neuen Rechtslage immer zu prüfen, ob zwischen dem Kind und dem Elternteil, welcher zu seiner Vertretung berufen ist, eine Interessenkollision besteht.

Eine Interessenkollision muß jedoch in einem gegen das Kind geführten Ehelichkeitsbestreitungsprozeß auch zwischen dem Kind und seiner ehelichen Mutter angenommen werden. Denn einerseits hat das Kind ein auch im § 158 ABGB anerkanntes Interesse an der Klärung seiner natürlichen Abstammung, andererseits liegt es aber im Interesse der Mutter, nicht des Ehebruchs überführt zu werden. Die Mutter würde darüber hinaus im Falle einer erfolgreichen Bestreitung der ehelichen Geburt bis zur Feststellung des natürlichen Vaters allein unterhaftspflichtig werden, so daß sie auch aus diesem Grund ein Interesse an einem bestimmten Prozeßausgang besitzt, der den Interessen des Kindes widerstreiten kann. Daher wurde bereits zu 6 Ob 707/78 ausgesprochen, daß im Ehelichkeitsbestreitungsprozeß eine Interessenkollision zwischen dem beklagten Kind und seiner Mutter besteht und letztere für dieses Verfahren ihre gesetzliche Vertretungsbefugnis und das Recht verliert, einen Anwalt ihres Vertrauens zur Vertretung des beklagten Kindes zu bestellen. Auch Gschnitzer - Faistenberger, Österreichisches Familienrecht[2], welche das Kindschaftsgesetz bereits behandeln, sagen ganz allgemein (a. a. O., 97, daß im Ehelichkeitsbestreitungsprozeß wegen der Interessenkollision für das minderjährige Kind ein Kurator bestellt werden muß.

Da auch der erkennende Senat diese Auffassung teilt, ein ohne Mitwirkung eines Kollisionskurators zustande gekommenes Urteil aber mit dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs. 1 Z. 5 ZPO behaftet ist (Wentzel - Piegler in Klang[2] I/2, 499; vgl. auch SZ 23/132), müßte, falls der Mangel nicht saniert werden könnte, das bisherige Verfahren einschließlich der Klagszustellung für nichtig erklärt werden. Es war daher im Sinne des § 6 Abs. 2 ZPO.

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