OGH 1Ob1649/95

OGH1Ob1649/955.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Ingrid E*****, 2) Elisabeth W*****, 3) Friedrich W*****, 4) Eduard L*****, 5) Anna L*****, 6) Britta G*****, 7) Brigitte B*****, 8) Josefine R*****, 9) Kurt T*****, 10) Liselotte T*****, 11) Hermine P*****, 12) Dr.Heinz M*****, 13) Christian P*****, 14) Gerald B*****, 15) Winfried S*****, 16) Annemarie L*****, 17) Dipl.Ing. Wolfdieter S*****, 18) Ingeborg R*****, 19) Marina O*****, 20) Albin R*****, 21) Ilse T*****, 22) Erna D*****, 23) Josef V*****, 24) Gottfriede V*****, 25) Josefine M*****, 26) Gert S*****, 27) Helmut U*****, 28) Elisabeth U*****, 29) Friedrich Z*****, 30) Dr.Martha B*****, 31) Dr.Ingrid P*****, 32) Nadja P*****, 33) Serge M*****, 34) Mireille M*****, 35) Ing. Erwin B*****, 36) Richard S*****, 37) Elfriede M***** und 38) Karl S*****, alle vertreten durch Dr.Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Friedrich W***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Entfernung bzw Duldung (Streitwert 100.000 S), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichts vom 22.Juni 1995, GZ 15 R 76/95-37, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Den Klägern wird mit einem in der faktischen Verfügungsmacht der beklagten Pächterin einer Kfz-Werkstätte stehenden Schranken die Zufahrt zu einem großen Innenhof (auch Werkstättenhof), der von der beklagten Partei als Parkplatz benützt wird, zumindestens seit 1984 verwehrt. Die Gattin des Geschäftsführers der beklagten Partei ist Mit-und Wohnungseigentümerin und Verpächterin der Werkstättenräumlichkeiten samt Werkstättenhof, die 38 Kläger sind Wohnungseigentümer im hinteren, an den Werkstättenhof angrenzenden Trakt einer größeren Wohnungseigentumsanlage. Noch vor deren Errichtung vereinbarten der Wohnungseigentumsorganisator und der Schwiegervater des Geschäftsführers der beklagten Partei als damalige Miteigentümer im Nutzungsregelungsverrag vom 29.Juni 1961 ua, daß die Nutzung des Werkstättenhofs im wesentlichen dem Schwiegervater des Geschäftsführer beklagten Partei zukommt, dem Wohnungseigentumsorganisator aber dort die Herstellung eines Gehsteigs samt Geländer, um die Zufuhr von Möbeln, Waren etc zu ermöglichen, das Einfahren derartiger Zubringerfahrzeuge zu Ladezwecken und der Zugang zur nördlichen „rückwärtigen“ Stiege gestattet ist. Die Vertragsteile konnten die ihnen eingeräumten Rechte an dritte ganz oder teilweise übertragen und verpflichteten sich zur Überbindung im vollen Ausmaß auf ihre Rechtsnachfolger. Der Wohnungseigentumsorganisator trat seine Rechte an die Wohnungseigentümer ab. Derzeit haben die Kläger keine Möglichkeit, ohne Rücksprache mit der beklagten Partei oder ohne Entfernung der vor den Eingängen des Hintertrakts abgestellten Kundenfahrzeugen der beklagten Partei in den Werkstättenhof zu Möbel- und Warentransporten im Sinn der vereinbarten Nutzungsregelung zuzufahren.

Die Vorinstanzen verhielten die beklagte Partei dazu, den aus dem Lageplan ersichtlichen Werkstättenhof durch Entfernen der ebenfalls aus dem Lageplan zu ersehenden Schrankenanlage zugänglich zu machen oder den Klägern in geeigneter Weise, etwa durch Schaffung eines für die Kläger zugänglichen Öffnungsmechanismus, an der genannten Schrankenanlage die Einfahrt in den Werkstättenhof der Liegenschaft zu Ladezwecken zu ermöglichen und das Abstellen von Kfz im Zufahrtsbereich zu den angebrachten Türen, die ebenfalls aus dem Lageplan ersichtlich sind, zu unterlassen.

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Jeder auch nur die Minderheit der Anteile repräsentierende Mit- oder Wohnungseigentümer ist berechtigt, eigenmächtige und somit rechtswidrige Eingriffe in das gemeinsame Eigentum selbst solche eines anderen Miteigentümers - hier wegen Anmaßung des alleinigen Gebrauchsrechts und Störung des den Klägern zustehenden Gebrauchsrechts - mit Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB gegen den Störer - gerichtet auf Beseitigung und Wiederherstellung des vorigen Zustands - abzuwehren (5 Ob 1049/93 = WoBl 1994, 26 mwN mit Anm von Call; 1 Ob 13/94 = JBl 1994, 748 mit Anm von Diwok; EvBl 1979/124 ua; Petrasch in Rummel 2, § 523 Rz 4, 10; Gamerith in Rummel 2, § 828 ABGB Rz 6, jeweils mwN; Pimmer in Schwimann, § 523 ABGB Rz 4). Da die zwischen Miteigentümern geschlossene Benützungsvereinbarung nur obligatorische Rechte (SZ 54/163 = JBl 1982, 599 = MietSlg. 33.075/22 mwN; Gamerith aaO § 834 ABGB Rz 4; Hofmeister in Schwimann, § 834 ABGB Rz 20) begründet und nur zwischen denjenigen Miteigentümern, die sie getroffen haben, gilt, verlangt die herrschende Judikatur für den Eintritt in eine Benützungsvereinbarung eine Vertragsübernahme (SZ 54/163; 6 Ob 581/93; zuletzt 5 Ob 3/95 = WoBl 1995, 135 mit Anm von Dirnbacher). Gesamtrechtsnachfolge wirkt bei der Benützungsvereinbarung wie eine Vertragsübernahme, sofern nicht das Benützungsrecht, was hier aber weder behauptet noch festgestellt wurde, als höchstpersönliches Recht begründet war (MietSlg 38.053, 36.066, 32.075 ua; Hofmeister aaO Rz 24). Der Nutzungsregelungsvertrag hatte für den Wohnungseigentumsorganisator die eingeschränkte Nutzung des Werkstättenhofs zum Gegenstand. Die Bindung der beklagten Partei an die Vereinbarung vom 29.Juni 1961 ergibt sich aus der Alleingesamtrechtnachfolge der Ehegattin des Geschäftsführers der beklagten Partei nach ihrem Vater als Miteigentümer und aus der von ihr mit der beklagten Partei am 1.Februar 1985 geschlossenen Vereinbarung. Passiv legitimiert ist bei der Eigentumsfreiheitsklage im übrigen jeder Störer (Petrasch aaO § 523 Rz 9; Pimmer aaO Rz 36). Die Vorinstanzen haben demnach sowohl die Aktiv- wie auch die Passivlegitmation zutreffend bejaht.

Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerberin ist der Verlust eines Anspruchs durch „Verwirkung“ dergestalt, daß der Berechtigte durch Untätigkeit beim Verpflichteten die Erwartung hervorruft, er werde sein recht nicht mehr geltend machen, so daß nach den Umständen des Falls die spätere Geltendmachung den Grundsätzen von Treu und Glauben widerspräche, dem österr. Recht fremd. Ein Rechtsverlust setzt vielmehr eine ausdrückliche oder schlüssige Erklärung des Berechtigten iS des § 863 ABGB voraus (Harrer in Schwimann, § 1444 ABGB Rz 25; Mader in Schwimann, § 1451 ABGB Rz 14, jeweils mwN; Koziol-Welser, Grundriß10 I 183 f). Ob eine solche schlüssige Erklärung, bei deren Erwägung das nur sehr eingeschränkte Benützungsrecht der Kläger nicht außer Acht gelassen werden könnte, anzunehmen ist, betrifft aber wegen der Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO. Von schikanöser Rechtsausübung kann keine Rede sein. Wenngleich nach neuerer, auf Lehrmeinungen Koziols (Österr. Haftpflichtrecht2 II 99) und F. Bydlinskis (Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff 497 FN 244) gestützte Rechtsprechung Schikane nicht nur - wie der Oberste Gerichtshof vorher in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hatte (SZ 56/46 uva) - dann vorliegt, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet, sondern schon dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen Teils ein ganz krasses Mißverhältnis besteht (EvBl 1993/101; zuletzt 4 Ob 519/95 = JBl 1995, 584 = EvBl 1995/155), können die Interessen der Kläger, in dem im Nutzungsregelungsvertrag genannten Fällen zur Zustellung von Möbeln etc auch in den Werkstättenhof einfahren zu dürfen, gewiß nicht vernachlässigt werden. Warum den Klägern ein unlauteres Motiv vorgeworfen werden könnte, wird auch jetzt im Rechtsmittel nicht deutlich gemacht.

Die Behauptung, das streitige Verfahren sei unzulässig, ist schon deshalb nicht weiter zu prüfen, weil die zweite Instanz die darauf gestützte Nichtigkeitsberufung der beklagten Partei spruchmäßig verworfen hat. Die Kläger streben im übrigen keine rechtsgestaltende Änderung der bestehenden Benützungsregelung an, sondern die Durchsetzung des im Nutzungsregelungsvertrag vereinbarten, somit vertraglichen Anspruchs auf Mitbenützung (5 Ob 1026/92 = WoBl 1993, 28 mit Anm von Call und weiteren Nachweisen; Gamerith aaO § 835 ABGB Rz 13).

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 4.Mai 1964 wurde zwar der beklagten Partei aufgetragen, den dem Betrieb zustehenden Hofteil abzuschranken, doch kann sowohl diesem behördlichen Auftrag als auch dem gerichtlichen Auftrag durch Übergabe eines Schlüssels zur Schrankenanlage Rechnung getragen werden.

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