OGH 1Ob13/94

OGH1Ob13/9430.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Dr. Walter Lattenmayer, Dr. Andreas Luks, Dr. Michael Enzinger und Dr. Georg Diwok, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Josef P*****, vertreten durch Dr. Hermann Geissler, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13.Oktober 1993, GZ 16 R 158/93-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 30.April 1993, GZ 1 Cg 127/92-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 19.069,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.978,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der klagende Verein ist zu zwei Sechstel Eigentümer eines Grundstücks, in dem eine zur Zuleitung der Abwässer nahe gelegener Badeseen zu der einige 100 m entfernten Kläranlage des Beklagten bestimmte Druckleitung verlegt ist. Der nordöstliche Teil des Grundstücks der klagenden Partei ist in der Natur eine Straße mit einer rund 5 m breiten asphaltierten Fahrbahn, an die ein etwa 1 m breites, gleichzeitig die Grundgrenze bildendes Bankett anschließt. In diesem Bereich des Grundstücks ist die Abwasserdruckleitung über eine Länge von rund 250 m und in einer Tiefe von etwa 80 cm verlegt.

Mit der Planung der Kläranlage samt den dazugehörigen Kanalsträngen und damit auch der soeben beschriebenen Druckleitung wurde bereits 1979 begonnen. Eigentümer des Grundstücks, auf dem die Kläranlage errichtet ist, war damals der Ehegatte der früheren Eigentümerin des nun der klagenden Partei gehörenden Grundstücks. Zwischen den beiden bestand Einigkeit über die Durchführung des Projekts, insbesondere auch darüber, daß der Kläranlage die Abwässer der anderen Badeseen mittels einer Druckleitung über das betroffene Grundstück zugeführt werden sollte.

Das von ihnen eingereichte Projekt wurde samt den dazugehörigen Wassernutzungsrechten von der Wasserrechtsbehörde mit Bescheid vom 30.4.1981 bewilligt. Die Baubewilligung zur Errichtung der Kläranlage wurde am 3.8.1982 und jene zur Herstellung der zur Kläranlage gehörigen Kanalanlagen auf dem betroffenen Grundstück am 19.4.1985 erteilt.

Letzterer Bewilligung lagen die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung am 18.4.1985 zugrunde, an der der Obmann des seit 1976 bestehenden klagenden Vereins zwar teilnahm, sich aber noch vor deren Schluß, ohne eine Erklärung abzugeben, entfernte. Im Zeitraum zwischen der Bauverhandlung und der Fertigstellung der Anlage Ende März 1986 wurde die Druckleitung verlegt. Der Obmann des klagenden Vereins hatte von den Bauarbeiten Kenntnis und wußte auch, daß die Leitung im betroffenen Grundstück verlegt wurde und daß deren Eigentümerin mit diesen Arbeiten unter Nutzung der Leitung für die Kläranlage einverstanden war. Das wasserrechtliche Kollaudierungsverfahren endete am 23.2.1989 in zweiter Instanz mit der Feststellung der projekts- und auflagengemäßen Errichtung der Anlage samt den dazugehörigen Kanalsträngen; die wasserrechtliche Bewilligung wurde seither nicht zurückgenommen.

Die klagende Partei und andere Ersteher erwarben das Grundstück in dem die Druckleitung verlegt ist bei einer Zwangsversteigerung. In den Versteigerungsbedingungen, aber auch im Schätzungsgutachten war auf die im Grundstück verlegte Leitung nicht hingewiesen worden. Auch beim Versteigerungstermin am 2.5.1988 wurde dieser Umstand nicht erörtert. Aus dem Meistbot wurden zunächst zwei Vorzugsrechte befriedigt; der verbleibende Meistbotsrest wurde der betreibenden Partei im Rang ihres Pfandrechts vom 9.6.1982 zugewiesen. Die Kläranlage samt ihren Zuleitungen wurde bis 2.5.1988 vom Errichter bzw einem Zwangsverwalter betrieben; seither betreibt sie der Beklagte als Ersteher dieser Liegenschaft. Auf dem betroffenen Grundstück ist weder für den Beklagten noch zugunsten der diesem zugeschriebenen Liegenschaft mit der Kläranlage eine Servitut verbüchert.

Die klagende Partei begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung der Nutzung der Abwasserdruckleitung im betroffenen Grundstück, deren Miteigentümerin sie sei und die der Beklagte titellos benütze.

Der Beklagte wendete vor allem ein, die klagende Partei sei zwar Miteigentümerin der Liegenschaft, nicht aber Eigentümerin der Abwasserleitung, so daß sie zur Klage nicht legitimiert sei. Der Errichter der Anlage habe mit seiner Ehegattin, der damaligen Eigentümerin des nunmehr der klagenden Partei gehörenden Grundstücks, eine Vereinbarung getroffen, mit der diese die Verlegung der Leitung gestattet habe. Mit der wasserrechtlichen Bewilligung der Anlagen seien dem Bewilligungswerber gemäß § 111 Abs 4 WRG 1959 Dienstbarkeiten für die Verwendung von fremdem Grund eingeräumt worden. Das gelte auch für die Verlegung der Abwasserleitung im betroffenen Grundstück. Diese Dienstbarkeit sei offenkundig.

Die klagende Partei erwiderte darauf, eine Dienstbarkeit habe nach § 111 Abs 4 WRG nur dann als eingeräumt zu gelten, wenn die bewilligte Anlage fremden Grund in nur unerheblichem Ausmaß in Anspruch nehme, was hier nicht zutreffe. Im übrigen wäre ein allfälliges Wasserbenutzungsrecht des Beklagten gemäß § 27 Abs 1 lit f WRG erloschen, weil dieser bzw seine Rechtsvorgänger die im Bewilligungsbescheid angeordneten Auflagen nicht oder nicht fristgerecht eingehalten hätten. Die frühere Eigentümerin habe ihrem Ehegatten keine Dienstbarkeit eingeräumt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Durch die Zustimmung der früheren Eigentümerin des betroffenen Grundstücks zur Verlegung der Druckleitung sei vertraglich eine allerdings nicht verbücherte Dienstbarkeit zustande gekommen. Diese der klagenden Partei bekannt gewesene Servitut sei von der klagenden Partei beim exekutiven Erwerb des Grundstücks übernommen worden, weil die schon 1981 erfolgte Zustimmung zur Verlegung dem Rang des im besten Rang befindlichen Pfandgläubigers vorangegangen sei. § 111 Abs 4 WRG komme bloß dann zum Tragen, wenn fremder Grund nur geringfügig beeinträchtigt werde: Die Druckleitung sei aber nicht als geringfügige Grundinanspruchnahme anzusehen.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte aus, dem Urteil liege offenbar die Annahme einer Dienstbarkeit zugrunde, weil die erstinstanzlichen Erörterungen über die Bindung des Erstehers sonst nicht verständlich wären. Die erstgerichtlichen Feststellungen erschöpften sich soweit im wesentlichen darin, zwischen dem Hersteller der Kläranlage und der Grundeigentümerin habe Einigkeit über die Nutzung des betroffenen Grundstücks für die Druckleitung geherrscht, letztere sei mit der Nutzung der Leitung für diesen Zweck einverstanden gewesen und sei beiden die wasserrechtliche Bewilligung der Anlage erteilt worden. Mehr hat der Beklagte, der sich in erster Instanz niemals ausdrücklich auf eine vertragliche Dienstbarkeit berufen habe, auch gar nicht vorgebracht. Grundlage der Einräumung einer Dienstbarkeit könnte daher nur die Feststellung sein, die Grundeigentümerin sei mit der Nutzung ihres Grundstücks für die Druckleitung einverstanden gewesen und habe deren Verlegung gestattet. Ob das für die Annahme ausreiche, die Grundeigentümerin habe damit ihrem Ehegatten eine Dienstbarkeit bzw ein einer solchen entsprechendes obligatorisches Recht eingeräumt, müsse aber letztlich nicht geklärt werden, weil die klagende Partei als Ersteherin der Liegenschaft an eine solche nicht verbücherte Servitut nicht gebunden wäre. Die Frage, ob der Ersteher eine nicht verbücherte Dienstbarkeit übernehmen müsse, werde in Lehre und Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt: So sei wiederholt die Auffassung vertreten worden, solchen Dienstbarkeiten komme dem Ersteher gegenüber keine Wirkung zu. Andererseits habe der Oberste Gerichtshof auch ausgesprochen, der Ersteher habe ersessene, jedoch nicht verbücherte Servituten nach den Rangverhältnissen im Sinne des § 150 Abs 1 EO zu übernehmen. Nach SZ 56/105 seien offenkundige, nicht verbücherte Dienstbarkeiten vom Ersteher dann zu übernehmen, wenn sie dem bestbetreibenden Gläubiger infolge vorher vollendeter Ersitzung im Range vorgehen. In dieser Entscheidung habe es der Oberste Gerichtshof trotz deutlicher Einschränkung auf ersessene Servituten doch auch für denkbar gehalten, durch das Auseinanderfallen des bisher gleichen Eigentums am herrschenden und am dienenden Gut entstandene Dienstbarkeiten in diesem Rang zu berücksichtigen. Die Frage, ob auch die „frühere Offenkundigkeit“ einer vertraglich begründeten Dienstbarkeit den Ersteher binde, sei im Sinne der aus der Entscheidung JBl 1987, 733, erkennbaren Tendenz zu verneinen. Die Bindung des Erstehers sei - wenn überhaupt - nur bei offenkundigen Dienstbarkeiten bejaht worden, es fehlten aber Feststellungen, aus denen die Offenkundigkeit einer gegebenenfalls dem Hersteller der Kläranlage eingeräumten Dienstbarkeit abgeleitet werden könnte. Bei der Bindung des rechtsgeschäftlichen Erwerbers an außerbücherlichen Dienstbarkeiten würden zwar dem Erwerber bekannte Dienstbarkeiten offenkundigen Servituten gleichgehalten, die Frage, ob diese Gleichstellung auch beim exekutiven Erwerb zulässig sei, werde vom Berufungsgericht indessen verneint. Außerdem habe der Oberste Gerichtshof mehrfach klargestellt, der Ersteher habe nicht verbücherte, aber offenkundige Dienstbarkeiten nur nach Maßgabe des durch die vollendete Ersitzung bzw die Schaffung der Offenkundigkeit bewirkten Rangs ohne bzw in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen. Die dazu erforderliche Behauptung, die dem Hersteller der Kläranlage eingeräumte Dienstbarkeit gehe dem in bester Priorität stehenden betreibenden oder dem in noch besserem Rang befindlichen Pfandgläubiger vor oder folge diesem zwar im Rang nach, habe aber im Meistbot Deckung gefunden, habe der Beklagte aber nicht aufgestellt. Aus den trotzdem vom Erstgericht getroffenen Feststellungen sei für den Beklagten nichts zu gewinnen. Es komme nämlich für den Rang der Dienstbarkeit nicht auf den Zeitpunkt ihrer Bestellung an, sondern - wenn überhaupt - auf den Zeitpunkt der Begründung ihrer Offenkundigkeit, bzw den Zeitpunkt, in dem sie dem Beklagten zur Kenntnis gelangt sei. Daß das vor dem 9.6.1992 - dem Rang des Pfandrechtes bestbetreibenden Pfandgläubigers - erfolgt sei, könne den erstinstanzlichen Feststellungen ebensowenig entnommen werden wie die Tatsache, daß die Dienstbarkeit im Meistbot Deckung gefunden habe.

Zu prüfen sei noch, ob die behauptete Dienstbarkeit nach dem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid als eingeräumt anzusehen sei. Eine solche Dienstbarkeit wäre daher vom Ersteher jedenfalls ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen. Nach dem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid seien die zur Durchführung des bewilligten Vorhabens erforderlichen Dienstbarkeiten (Duldung der Inanspruchnahme fremder Grundstücke für die projektsgemäßen Anlagen gemäß § 111 Abs 4 WRG) als eingeräumt anzusehen, soweit die Einräumung nicht ausdrücklich durch freie Vereinbarung erfolgt sei. Sonstige Hinweise auf die Einräumung von Dienstbarkeiten fänden sich in diesem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid nicht. § 111 Abs 4 WRG ordne die Fiktion einer kraft Gesetzes als eingeräumt anzusehenden Dienstbarkeit an. Diese Fiktion komme aber nur dann zum Tragen, wenn die als eingeräumt anzusehende Dienstbarkeit im Bescheid ausdrücklich genannt sei. Bei dessen Fehlen könne eine Verpflichtung des betroffenen Grundeigentümers, den Eingriff zu dulden, aus diesem Bescheid nicht abgeleitet werden. Der hier maßgebliche Bescheid sei demnach keine taugliche Grundlage für die Bejahung einer Duldungspflicht des betroffenen Grundeigentümers - nunmehr unter anderem der klagenden Partei - , weil darin die vom Beklagten behauptete Dienstbarkeit nicht genannt werde. Nach dem Wortlaut des Bescheids erstrecke sich der Ausspruch nach § 111 Abs 4 WRG nur auf die nicht durch freie Vereinbarung eingeräumten Servituten. Welche diese seien, könne dem Bescheid nicht entnommen werden, so daß ihm insofern keine normative Wirkung zukomme.

Die vom Beklagten dagegen erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach wie vor beharrt der Rechtsmittelwerber auf seinem Standpunkt, die Ersteher hätten die zwischen dem Hersteller der Kläranlage und der (früheren) Grundeigentümerin begründete und der klagenden Partei auch bekanntgewesene, jedoch nicht verbücherte Servitut der Duldung der Grundinanspruchnahme gemäß § 150 EO übernehmen müssen; überdies sei diese Dienstbarkeit gemäß § 111 Abs 4 WRG als eingeräumt anzusehen. Keines der beiden Argumente hält einer näheren Prüfung stand:

Der erkennende Senat führte in seiner Entscheidung vom 10.6.1985, 1 Ob 611/85 (= JBl 1986,461 = EvBl 1985/174), nach Wiedergabe des Meinungsstandes aus, nach der Entscheidung SZ 56/105 seien offenkundige, nicht verbücherte Dienstbarkeiten vom Ersteher dann zu übernehmen, wenn sie bereits ersessen seien; wegen des Erfordernisses des besseren Rangs werde in der Regel eine schon längere Zeit zurückliegende Vollendung der Ersitzung geboten sein. Diese Entscheidung halte es trotz ihrer unmißverständlichen Einschränkung auf ersessene Servituten jedoch auch noch für denkbar, daß Dienstbarkeiten, die durch das Auseinanderfallen des bisher gleichen Eigentums am herrschenden und am dienenden Gut entstanden sind, in diesem Rang berücksichtigt werden. Keine Frage könne es indessen sein, daß der Ersteher im Zwangsversteigerungsverfahren nicht verbücherte, jedoch offenkundige Dienstbarkeiten jedenfalls nur nach Maßgabe ihres durch den Begründungsakt - also die vollendete Ersitzung, die Schaffung der Offenkundigkeit, nicht hingegen auch wegen § 480 ABGB durch Vertrag - geschaffenen Rangs ohne oder in Anrechnung auf das Meistbot (§ 150 Abs 1 EO) zu übernehmen hat. Es wäre ein Wertungswiderspruch, würden nicht verbücherte dingliche Rechte im Zwangsversteigerungsverfahren besser gestellt als verbücherte Rechte. An dieser Auffassung, die der Oberste Gerichtshof auch in der Entscheidung JBl 1987, 733, fortgeschrieben hat, ist festzuhalten.

Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß der Beklagte im Verfahren erster Instanz Behauptungen, die von ihm eingewendete Dienstbarkeit ginge nach dem für sie geforderten Rang dem in bester Priorität stehenden betreibender Gläubiger bzw (vgl Gutachten des OGH in JMVBl 1902, 155 f) einem in noch besserem Rang befindlichen Pfandgläubiger vor oder folge diesem im Rang zwar nach, habe aber doch im Meistbot Deckung gefunden (JBl 1986, 461), vermissen ließ. Soweit dem der Beklagte in seiner Revision entgegenhält, das Erstgericht habe ohnedies festgestellt, daß die - schlüssige - Zustimmung der Grundeigentümerin zur Verlegung des Kanalstrangs in ihrem Grundstück bereits 1981 erfolgt sei, wogegen sich der Rang des bestrangigen Pfandgläubigers nach dem 9.6.1982 richte, mißdeutet er ebenso wie das Erstgericht die sich darauf beziehenden Ausführungen in JBl 1986, 461, und 1987, 733, nach welchen der Rang einer nicht verbücherten Dienstbarkeit durch den Zeitpunkt des Begründungsaktes - also die Ersitzungsvollendung oder die Schaffung der Offenkundigkeit - bestimmt werde, nicht dagegen durch den Zeitpunkt des Dienstbarkeitsbestellungsvertrags, als solchen. Aus diesem Zeitpunkt ist deshalb für den Rang einer nicht verbücherten Liegenschaft nichts zu gewinnen.

War es deshalb Sache des Beklagten, Behauptungen aufzustellen und zu beweisen, daß der von ihm in Anspruch genommenen Dienstbarkeit ein Rang zukomme, vermöge dessen die Ersteher des betroffenen Grundstücks die Servitut ohne oder in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen hätten, und hat der Beklagte schon eine solche Behauptung unterlassen, so kann sich dieser auf die Übernahme der - wenn überhaupt entstandenen - Servitut durch die Ersteher nicht mit Erfolg berufen. Die behauptete Dienstbarkeit kann dem Unterlassungsbegehren, zu dem auch der (Minderheits-)Eigentümer legitimiert ist (EvBl 1979/124 ua; Petrasch in Rummel, ABGB2 § 523 Rz 4), daher nicht erfolgreich entgegengesetzt werden. Auf die Fragen, ob das dem Erwerber bekannte, nicht verbücherte Recht einer offenkundigen Dienstbarkeit gleichzuhalten sei bzw ob der Beklagte nicht ohnedies schon in der Anmeldung seiner Dienstbarkeit zum Versteigerungstermin (§ 170 Z 5 EO) einen bestimmten Rang in Anspruch hätte nehmen oder gar schon die Aufnahme seines nicht verbücherten Rechts in die Versteigerungsbedingungen hätte erwirken müssen, muß bei dieser Verfahrenslage deshalb nicht mehr geprüft werden.

Aber auch auf § 111 Abs 4 WRG 1959 (jetzt 1991) kann der Erwerb einer dem Unterlassungsbegehren entgegenstehenden Servitut nicht erfolgreich gestützt werden. Danach ist mit der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung, hat sich im Verfahren ergeben, daß die bewilligte Anlage fremden Grund in einem für den Betroffenen unerheblichen Ausmaß in Anspruch nimmt, und weder vom Grundeigentümer eine Einwendung erhoben noch von diesem oder dem Bewilligungswerber ein Antrag auf ausdrückliche Einräumung einer Dienstbarkeit nach § 63 lit b WRG gestellt noch eine ausdrückliche Vereinbarung über die Einräumung einer solchen getroffen worden ist, die erforderliche Dienstbarkeit im Sinne der soeben zitierten gesetzlichen Bestimmung als eingeräumt anzusehen ist. Diese gesetzliche Fiktion (VwSlg 10.021/A = ZfV 1980/5/1801 = ÖJZ 1981, 110) berechtigt zwar zur Annahme des Bestands einer Dienstbarkeit, aber selbstverständlich nur, wenn die von § 111 Abs 4 WRG geforderten Voraussetzungen vorliegen: Nur unter diesen Voraussetzungen gilt - was der Erstrichter soweit richtig erkannt hat - die Inanspruchnahme des Grunds, aber nur, wenn sie das „unerhebliche Ausmaß“ nicht übersteigt, als „kleine Dienstbarkeit“ kraft Gesetzes als eingeräumt; sie kann im Bewilligungsbescheid mit Feststellungswirkung festgehalten werden (vgl Raschauer, Wasserrecht-Kommentar § 111 WRG Rz 15). Das hat dann zur Folge, daß erforderlichenfalls unmittelbar eine Vollstreckungsverfügung erlassen werden kann, sofern die nach § 111 Abs 4 WRG als schon kraft Gesetzes eingeräumt anzusehenden „kleinen Dienstbarkeiten“ im wasserrechtlichen Bescheid eindeutig bestimmt sind; andernfalls müßte von der Wasserrechtsbehörde ein eigener Bescheid erlassen werden, mit dem festgestellt wird, daß für die bewilligte Anlage Grundflächen in einem für den Betroffenen unerheblichen Ausmaß, das dort bestimmt zu bezeichnen ist, in Anspruch genommen werden (VwSlg 10.021/A).

Dem vom Gericht zweiter Instanz festgestellten wesentlichen Inhalt des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheids vom 30.4.1981 kann aber nur der völlig allgemein gehaltene Hinweis entnommen werden, daß die „zur Durchführung des bewilligten Vorhabens erforderlichen Dienstbarkeiten (Duldung der Inanspruchnahme fremder Grundstücke für die projektsgemäße Anlage) gemäß § 111 Abs 4 WRG als eingeräumt anzusehen“ seien, „soweit die Einräumung nicht ausdrücklich durch freie Vereinbarung erfolgt“ sei. Dieser Bescheidinhalt gibt bei richtigem Verständnis lediglich den Inhalt des § 111 Abs 4 WRG - die im Gesetz verankerte Fiktion einer Dienstbarkeitsbestellung - wieder, ohne daß die hier konkret als eingeräumt anzusehenden „kleinen“ Dienstbarkeiten ausreichend determiniert worden wären. Überdies ist diese Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmung, der bei dieser allgemein gehaltenen Fassung bloß das Wesen einer Rechtsbelehrung zugebilligt werden kann, auch unvollständig, weil nicht jede Duldung der Grundinanspruchnahme, sondern nur eine solche in unerheblichem Ausmaß unter den weiteren Voraussetzungen als Dienstbarkeitsbestellung fingiert wird.

Die Gerichte haben daher die Frage, ob die hier strittige Grundinanspruchnahme als Einräumung einer Servitut im Sinne des § 111 Abs 4 WRG anzusehen ist, daher schon mangels eines wirksamen Feststellungsbescheids ohne jede Bindung von sich aus als Vorfrage zu prüfen. Der erkennende Senat hat bereits ausgesprochen (JBl 1993,721), daß die Bestimmung des § 111 Abs 4 WRG den Zweck verfolgt, in Fällen geringfügiger Beeinträchtigung fremder Rechte auch dann Rechtssicherheit zu schaffen, wenn bei der wasserrechtlichen Verhandlung über die Beeinträchtigung hinweggegangen worden ist; der Gesetzgeber wollte damit vermeiden, daß geringfügige Verletzungen des Grundeigentums die Nichtigkeit des Bescheids zur Folge haben oder zu einem im Rechtsweg zu verfolgenden Schadenersatzanspruch führen. Von einer geringfügigen Beeinträchtigung des Grundeigentums kann aber - wie schon der Erstrichter zutreffend erkannte - bei der Verlegung einer Druckleitung, die in einer Länge von 250 m durch das Grundstück der klagenden Partei führt, keine Rede sein.

Die in Anspruch genommene Dienstbarkeit kann daher auch nicht erfolgreich auf § 111 Abs 4 WRG gestützt werden. Ob die Gerichte an einen auch in Rechtskraft erwachsenen Feststellungsbescheid einer Verwaltungsbehörde gebunden sind, was im Schrifttum überwiegend verneint wird (vgl die Nachweise in SZ 64/98), kann mit Rücksicht auf die konkrete Verfahrenslage ungeprüft bleiben.

Das Gericht zweiter Instanz hat daher das Unterlassungsbegehren des klagenden Vereins im Ergebnis zutreffend als berechtigt erkannt, so daß der Revision ein Erfolg zu versagen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 51 ZPO.

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