OGH 8Ob14/94

OGH8Ob14/9413.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz E*****, vertreten durch Dr.Josef Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr.Peter Graus, Rechtsanwalt in 6130 Schwaz, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Maria G*****, wegen Feststellung einer Konkursforderung (Streitwert S 141.366,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 1.März 1994, GZ 4 R 45/94-48, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 22.Dezember 1993, GZ 14 Cg 220/93-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.370,-- (darin S 1.395,-- USt.) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Kaufvertrag vom 11.4.1989 kaufte die Gemeinschuldnerin vom Kläger ein Grundstück. Vom vereinbarten Kaufpreis blieb ein Restbetrag von S 2,494.700,-- unbeglichen. Im Mai 1990 kam es zu einer Einigung zwischen dem Kläger und der Gemeinschuldnerin dahin, daß der Restkaufpreis bis zum 31.12.1990 zu bezahlen und mit 8 % seit 9.8.1989 zu verzinsen sei. Dieser Vereinbarung waren längere Verhandlungen vorausgegangen, in deren Verlauf vom Kläger ins Treffen geführt worden war, daß er selbst bei seiner Bank wesentlich höhere Zinsen zu bezahlen habe. Tatsächlich nahm und nimmt der Kläger seit 9.8.1989 Bankkredit in einer zumindest dem Kaufpreisrest entsprechenden Höhe in Anspruch, den er jährlich mit 10 % zu verzinsen hat.

Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 10.11.1992 zu ***** der Konkurs eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Die vom Kläger im Konkurs angemeldete Forderung anerkannte der Masseverwalter in der Höhe des offenen Kaufschillings zur Gänze sowie hinsichtlich 8 % Zinsen daraus vom 9.8.1989 bis 9.11.1992 im Betrag von S 648.622,--. Die darüber hinaus begehrten restlichen 2 % Zinsen sowie Kosten wurden bestritten.

Mit seiner am 1.3.1991 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger in dem nach Unterbrechung als Prüfungsprozeß fortgeführten Verfahren zuletzt die Feststellung seiner Konkursforderung mit weiteren S 233.489,--, beinhaltend einen Betrag von S 92.123,-- an Kosten und S 141.366,-- an Zinsen. Sein Zinsenbegehren begründete er damit, daß er infolge des Zahlungsverzuges der Gemeinschuldnerin genötigt gewesen sei, einen mit 10 % p.a. zu verzinsenden Bankkredit in Anspruch zu nehmen. Er begehre die Verzinsung seiner Forderung in diesem Umfang aus dem Titel des Schadenersatzes und aus sonstiger jeglicher Rechtsgrundlage.

Der Beklagte, der im Zuge des Verfahrens den auf Prozeßkosten entfallenden Betrag außer Streit stellte, bestritt darüber hinaus das Klagebegehren und wendete ein, daß zwischen den Parteien des Kaufvertrages eine Verzinsung von 8 % vereinbart gewesen sei.

Das Erstgericht stellte die Konkursforderung des Klägers mit S 92.123,-- fest und wies das Mehrbegehren ab. Zur Begründung der Abweisung führte es in rechtlicher Hinsicht aus, daß die Geltendmachung eines Zinsennachteils, der vertraglich vereinbarte Verzugszinsen übersteige, grundsätzlich möglich sei. Nach herrschender Auffassung handle es sich dabei um die Geltendmachung eines positiven Schadens, der nur leichte Fahrlässigkeit voraussetze. Im gegenständlichen Fall sei aber der Beklagte trotzdem nicht verpflichtet, mehr als die vereinbarten 8 % Verzugszinsen zu bezahlen, da der Kläger durch die Vereinbarung zumindest konkludent auf die Geltendmachung seines weiteren jährlichen Zinsennachteiles in Höhe von 2 % verzichtet habe. In Anbetracht der Anerkennung der sich bei 8 %iger Verzinsung ergebenden Forderung des Klägers im Konkurs stehe ihm kein weiterer Anspruch aus dem Titel Verzugszinsen zu.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es erklärte die ordentliche Revision für zulässig und führte in seiner Entscheidungsbegründung aus:

Die Frage, ob die zwischen den Parteien des Kaufvertrages geschlossene Vereinbarung als unbedingter Verzicht auf höhere Verzinsung auszulegen sei oder ob zumindest ab 1.1.1991 die Geltendmachung eines höheren Verzugsschadens möglich wäre, müsse nicht entschieden werden. Nach ständiger Rechtsprechung würden nämlich höhere als die gesetzlichen Zinsen - mit Ausnahme des Falles der vertraglichen Vereinbarung - vom säumigen Schuldner einer Geldforderung nach bürgerlichem Recht nur dann geschuldet, wenn der Verzug auf - vom Gläubiger zu beweisende - böse Absicht oder auffallende Sorglosigkeit des Schuldners zurückzuführen sei. Der Kläger habe aber derartiges weder behauptet noch unter Beweis gestellt. Da auch kein einseitiges Handelsgeschäft vorliege, stehe der Anspruch bereits aus diesem Grunde nicht zu. Die ordentliche Revision sei zulässig, da der Oberste Gerichtshof in zwei jüngeren Entscheidungen im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung erkannt habe, daß der Vermögensschade infolge schuldhaft rechtswidriger Verzögerung der Erfüllung einer Verpflichtung positiver Schade sei, der somit schon bei leichter Fahrlässigkeit nach bürgerlichem Recht zu ersetzen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision des Klägers kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß § 1333 ABGB wird der Schade, welchen der Schuldner seinem Gläubiger durch Verzögerung der bedungenen Zahlung des schuldigen Kapitals zugefügt hat, durch die vom Gesetz bestimmten Zinsen vergütet. Diese Vorschrift findet gemäß HfD JGS 1842/592 (abgedruckt in MGA ABGB33 zu § 1333) auf alle Forderungen in Geld, sie mögen aus einem Darlehen oder aus einem anderen Rechtstitel herrühren, Anwendung (SZ 60/213). Die Höhe der gesetzlichen Zinsen beträgt gemäß § 2 des Gesetzes RGBl. 1868/62 idF gemäß Art.14 der 4.EVHGB (abgedruckt in MGA ABGB33 zu § 1000) 4 v.H. auf ein Jahr, wenn nicht für bestimmte Fälle besondere Zinssätze festgesetzt sind.

Der Oberste Gerichtshof hat in seinem Gutachten vom 8.März 1923 (PBl SZ 5/53) die an ihn über den Verzögerungsschaden gerichteten Fragen wie folgt beantwortet: "I. Der Gläubiger einer fälligen nicht bezahlten Geldschuld hat nach Handelsrecht Anspruch auf den Ersatz jenes die gesetzlichen Verzugszinsen übersteigenden wirklichen Schadens und entgangenen Gewinnes, der aus dem Verschulden des säumigen Schuldners entstanden ist (Art.283 HGB, § 1295 ABGB). Dem säumigen Schuldner, welcher vorgibt, an der Erfüllung einer vertragsmäßigen oder gesetzlichen Verbindlichkeit ohne Verschulden verhindert worden zu sein, obliegt der Beweis (§ 1298 ABGB). II. Nach bürgerlichem Recht hat der Gläubiger diesen Anspruch nur im Falle der von ihm zu beweisenden bösen Absicht oder auffallenden Sorglosigkeit des Schuldners (§ 1324 ABGB), insbesondere auch im Falle einer auf Verzögerungsabsicht zurückgehenden Prozeßführung (siehe auch § 408 ZPO). III. Bei Forderungen auf eine Summe von Währungsgeld steht dem Gläubiger aus der Minderung der wirtschaftlichen Kaufkraft dieser Summe ein Rechtsanspruch auf Ersatzleistung ("abstrakter Schaden") nicht zu; ein Schadenersatzanspruch kann nur aus dem besonderen Tatbestande des einzelnen Falles (konkret) abgeleitet werden."

Seit diesem Erkenntnis judiziert der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, daß ein über die gesetzlichen Verzugszinsen hinausgehender Schaden nach bürgerlichem Recht nur im Falle einer vom Kläger zu behauptenden und beweisenden bösen Absicht oder einer auffallenden Sorglosigkeit an der Nichtzahlung der Verbindlichkeit oder bei einer auf eine Verzögerungsabsicht zurückgehenden Prozeßführung geltend gemacht werden kann (EvBl. 1957/415; RZ 1963, 156; JBl. 1976, 473; SZ 41/166; SZ 63/114; ZVR 1978/162; RdW 1984, 85; JBl. 1990, 321; HS 6248; 8231; 8235; 13.211; 9 ObA 143/88; 9 ObA 146/92; 9 ObA 37/93; 9 ObA 134/93). Allerdings ist dieser Judikaturkette - entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz - nicht zwingend zu entnehmen, daß der die gesetzlichen Zinsen übersteigende Nutzungsausfall nicht positiver Schaden wäre. Positiver Schade ist die Vernichtung oder Minderung einer Erwerbschance, wenn diese im Zeitpunkt ihrer Schädigung einen gegenwärtigen selbständigen Vermögenswert bildete. Das ist immer dann anzunehmen, wenn der Geschädigte eine rechtlich gesicherte Position hatte, den Gewinn zu erzielen (SZ 58/104; JBl. 1992, 392, 1 Ob 538/93). Eine solche Möglichkeit, Erträge zu erzielen, ist auch dann anzunehmen, wenn der Gläubiger mit dem ihm bei rechtzeitiger Erfüllung vertraglicher Pflichten zu Gebote gestandenen Geldbetrag die marktübliche Verzinsung von Bankkrediten erzielen kann (Jud in FS Ostheim 130; SZ 46/22, SZ 46/81, 1 Ob 538/93). Gleiches gilt für Zinsbelastungen aufgrund von Krediten, die wegen des Verzuges nicht zurückgezahlt werden konnten. Auch diese Zinsnachteile sind positiver Schaden (JBl. 1993, 394). Auch der Plenarbeschluß SZ 5/53 geht nicht davon aus, daß der über die gesetzlichen Verzugszinsen hinausgehende Schade in jedem Falle entgangener Gewinn wäre wie offenkundig Reischauer in Rummel2 Rdz 5 zu § 1333 unterstellt. Dies ergibt sich schon aus Punkt I. des Gutachtens, welcher den nach Handelsrecht gegebenen Anspruch "auf den Ersatz jenes die gesetzlichen Verzugszinsen übersteigenden wirklichen Schadens und entgangenen Gewinnes" regelt sowie den Hinweis auf "diesen Anspruch" in Punkt II. Auch in der Begündung selbst (S.151) wird zwischen "konkretem Schaden" und entgangenem Gewinn unterschieden. In diesem Sinne besteht daher der vom Berufungsgericht aufgezeigte Widerspruch zwischen der eingangs dargestellten ständigen Rechtsprechung und den Entscheidungen JBl. 1993, 399 und 1 Ob 538/93 nicht. Vielmehr kann der Plenarbeschluß und die daran anknüpfende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nur dahin verstanden werden, daß der durch den Zahlungsverzug bewirkte Nutzungsentgang in Form aufgewendeter oder entgangener höherer Zinsen sich bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen als positiver Schade darstellt, dessen Zuspruch jedoch durch § 1333 ABGB für den Fall bloß leichter Fahrlässigkeit mit der Höhe der gesetzlichen Zinsen begrenzt wird. Nur bei böser Absicht oder auffallender Sorglosigkeit steht der darüber hinaus entstandene positive Schaden und allenfalls entgangener Gewinn zu.

Diese Rechtsprechung wurde von der Lehre wiederholt heftig kritisiert. Wolff in Klang2 VI 179 lehnte "die Ansicht eines oberstgerichtlichen Gutachtens, wonach ein die Verzugszinsen übersteigender Ersatz nur bei wenigstens grobem Verschulden des Säumigen verlangt werden" könne, ab, da es willkürlich sei, zu behaupten "Schade" im § 1333 ABGB bedeute soviel wie "Schadloshaltung" im § 1324 ABGB. Apathy, Schadensbeseitigung 67 ff und Koziol/Welser9 I 224 lehren ebenfalls, daß Kreditkosten als positiver Schaden auch bei leichter Fahrlässigkeit begehrt werden könne. Die gleiche Ansicht vertritt Reischauer, Entlassungsbeweis 141 FN 42 und derselbe in Rummel2 Rdz 5 zu § 1333. Der Ausgangspunkt der zitierten Lehrmeinungen liegt darin, daß § 1333 ABGB trotz seiner Einordnung im 30.Hauptstück über den Schadenersatz in Wahrheit auf bereicherungsrechtlichen Gedanken beruhe (Koziol/Welser9 I 224; JBl. 1982, 431) und nur Aussagen über den objektiven Verzug treffe (Wolff in Klang2 178; Reischauer in Rummel2 Rdz 5 zu § 1333). Hinsichtlich des subjektiven Verzuges hätten die allgemeinen Vorschriften des Schadenersatzrechtes zu gelten, in deren Bereich positiver Schaden eben auch bei leichter Fahrlässigkeit zu ersetzen sei.

Der am 1.Jänner 1995 in Kraft tretende § 49a ASGG idF ASGG-Nov. 1994 BGBl. 1994/624 lautet: "Die gesetzlichen Zinsen für Forderungen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis (§ 50 Abs.1) betragen 2 v.H. pro Jahr über dem am Tag nach dem Eintritt der Fälligkeit geltenden Diskontsatz der Österreichischen Nationalbank (§ 48 Abs.2 NBG 1984 BGBl. Nr.50 in der jeweils geltenden Fassung). Beruht aber die Verzögerung der Zahlung auf einer vertretbaren Rechtsansicht des Schuldners, so sind nur die sonstigen Bestimmungen über die gesetzlichen Zinsen anzuwenden." Nach den Intentionen der Regierungsvorlage (654 BlgNR 18.GP 34) soll durch diese Bestimmung an die Stelle des sonst nach dem bürgerlichen Recht geltenden gesetzlichen Zinssatzes von 4 % p.a. ein jährlicher Zinssatz treten, der sich nach dem jeweiligen Diskontsatz der Österreichischen Nationalbank richtet. Der Justizausschuß, der die Bestimmung abweichend von der Regierungsvorlage nicht ins ABGB, sondern ins ASGG aufnahm, führte in seinem Bericht (1849 BlgNR 18.GP 3) unter anderem aus, daß die Anhebung und Dynamisierung der gesetzlichen Zinsen auch für andere Rechtsbereiche zu erwägen sein werde, wenn sich die vorgeschlagene Regelung im arbeitsrechtlichen Bereich bewährt.

Durch diese gesetzliche Bestimmung wurden somit vorerst für den Bereich des Arbeitsrechtes die gesetzlichen Zinsen angehoben, und zwar in dem den verschuldeten Verzug betreffenden Bereich. Die bisher geltende Zinshöhe soll nur dort weiter Bestand haben, wo die Verzögerung der Zahlung auf eine vertretbare Rechtsansicht zurückzuführen ist, was nach der zum Amtshaftungsgesetz (vgl. die Erl.Bem. zur RV aaO, 35) ergangenen Judikatur den Mangel von Rechtswidrigkeit oder Verschulden bedeutet (Schragel, AHG2 Rdz 147 zu § 1). Durch die ASGG-Nov. 1994 wurde daher die Rechtsprechung, wonach § 1333 ABGB auch den subjektiven Verzug umfaßt, festgeschrieben. In Anbetracht dieser Tatsache sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt, den vorgetragenen Argumenten der Lehre zu folgen. Ist aber auch der subjektive Verzug von der Bestimmung des § 1333 ABGB umfaßt, kann die Bestimmung des § 1333 ABGB nur dahin verstanden werden, daß sie die Geltendmachung positiven Schadens zumindest für den Fall leichter Fahrlässigkeit begrenzt.

Die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB umfaßt nach ständiger Rechtsprechung nur das leichte Verschulden (SZ 44/87; JBl. 1977, 648; EvBl. 1983/72). Die Beweislast für das Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit trifft den Kläger (SZ 5/53; EvBl. 1983/72; WBl. 1989, 350).

Da der Kläger das Vorliegen groben Verschuldens im Verfahren nicht behauptet hat, wurde sein Begehren auf Zuspruch höherer Verzugszinsen von den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen, weshalb der Revision ein Erfolg zu versagen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

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