OGH 7Ob102/71

OGH7Ob102/719.6.1971

SZ 44/87

Normen

ABGB §335
ABGB §430
ABGB §921
ABGB §1324
ABGB §1331
ABGB §§1431 ff
EO §368
ABGB §335
ABGB §430
ABGB §921
ABGB §1324
ABGB §1331
ABGB §§1431 ff
EO §368

 

Spruch:

Schadenersatzanspruch des "verletzten Teils" (§ 430 ABGB) bei Doppelveräußerung einer Liegenschaft

OGH 9. 6. 1971, 7 Ob 102/71 (OLG Linz 1 R 38/71; LG Salzburg 4 Cg 251/70)

Text

Der Kläger begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 200.200.- sA zur ungeteilten Hand, weil die Beklagten eine dem Kläger im Jahre 1963 veräußerte, grundbücherlich jedoch nicht auf ihn übertragene Grundfläche im Ausmaß von 1500 m2 vertragswidrig an einen Dritten veräußert hätten und er dadurch einen Vermögensschaden in Höhe des tatsächlichen Wertes der Grundfläche erlitten habe, wobei dem Klagebegehren der angemessene, tatsächlich von den Beklagten beim Weiterverkauf erzielte Preis zugrunde gelegt sei.

Die Beklagten beantragten Klageabweisung mit der Begründung, daß der vom Kläger angeführte Kaufvertrag, den übrigens nur der Erstbeklagte abgeschlossen habe, im Jänner 1970 einverständlich storniert worden sei. Außerdem sei die erhobene Forderung weit überhöht, weil der nunmehrige Erwerber einen Preis der besonderen Vorliebe bezahlt habe.

Auf letzteren Einwand erwiderte der Kläger, daß ihm bei der hier vorliegenden Doppelveräußerung mindestens die Differenz zwischen dem mit ihm vereinbarten und dem durch Weiterveräußerung erzielten Preis zustehe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen wesentlichen Feststellungen war der Kläger im Jahre 1962 Inhaber eines in der KG T gelegenen Gewerbebetriebes und wollte diesen vergrößern. Die Beklagten waren damals je zur Hälfte Eigentümer einer an diesen Betrieb anschließenden Grundfläche. Am 28. 2. 1962 vereinbarte der Erstbeklagte mit dem Kläger den Verkauf einer den Beklagten gehörenden Fläche im Ausmaß von 3035 m2 zum Preis von S 60.- pro m2 an den Kläger. Der Kläger zahlte auf Grund dieser Vereinbarung einen Betrag von S 90.000.-, geriet jedoch anschließend in finanzielle Schwierigkeiten. Der Kläger und der Erstbeklagte änderten daher am 18. 2. 1963 die ursprüngliche Vereinbarung dahin ab, daß der Kläger lediglich (näher beschriebene) 1500 m2 Grund gekauft habe, die in diesem Zeitpunkt schon bezahlt waren, daß hingegen der Kaufvertrag hinsichtlich der weiteren Grundfläche von 1535 m2 als aufgehoben gelte. Die Zweitbeklagte war mit dieser Vereinbarung und dem Kaufpreis von S 60.- pro m2 "nachträglich einverstanden". Eine verbücherungsfähige Urkunde wurde nicht errichtet. Der Kläger rodete in der Folge die an ihn verkaufte, damals großteils mit Erlen bewachsene Grundfläche und gestattete anschließend dem Erstbeklagten, die durch die Rodung entstandene Wiese abzumähen.

Im Jahre 1964 veräußerte der Kläger die Liegenschaft, auf der sich sein Gewerbebetrieb befand, an die Firma B, nicht jedoch die von den Beklagten erworbene Grundfläche. Ab 1967 fanden zwischen den Parteien Verhandlungen wegen eines Rückkaufes bzw einer Stornierung des seinerzeitigen Kaufvertrages statt, doch kam es zu keiner diesbezüglichen Vereinbarung. Trotzdem veräußerten die Beklagten - nach der Aktenlage im Jänner oder Februar 1970 - die gegenständliche Grundfläche (nach der Zeugenaussage des Pius A darüber hinaus weitere 582 m2) zum Preis von 200.- pro m2 an die Firma B. Sie erhielten somit für die gegenständliche Grundfläche einen Betrag von S 300.000.-; dem Kläger wurden bisher S 99.800.- ausgefolgt.

Bei diesem Sachverhalt vertrat das Erstgericht die Auffassung, die Beklagten seien aus dem Titel des Schadenersatzes zur Zahlung des Betrages von S 200.200.- sA an den Kläger verpflichtet (warum diese Verpflichtung zur ungeteilten Hand ausgesprochen wurde, ist dem erstgerichtlichen Urteil nicht zu entnehmen).

Mit dem angefochtenen Beschluß hob das Berufungsgericht infolge Berufung der Beklagten das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es übernahm zwar die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, sah jedoch auf Grund dieses Sachverhaltes die Rechtssache als noch nicht spruchreif an, hauptsächlich aus der Erwägung, daß für die Beurteilung der Berechtigung des bisher aus dem Titel des Schadenersatzes gestellten Begehrens die bloße Feststellung des bei der Weiterveräußerung erzielten, nach der Behauptung der Beklagten besonders günstigen Preises nicht ausreiche, vielmehr der dem Kläger erwachsene Schaden - bzw je nach dem Verschuldensgrad der Beklagten der entgangene Gewinn oder der Wert der besonderen Vorliebe - zu ersetzen und daher festzustellen sei. Außerdem nahm das Berufungsgericht zu einer allfälligen Anspruchsberechtigung zufolge der Bestimmung des § 368 EO oder des § 335 ABGB, zur behaupteten Verpflichtung der Beklagten zur ungeteilten Hand sowie zum erstmals in der Berufung erhobenen Einwand des Fehlens einer grundverkehrsbehördlichen Bewilligung für den seinerzeit abgeschlossenen Kaufvertrag Stellung.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In der Sache selbst ist dem Kläger zwar beizupflichten, daß er sein Klagebegehren nicht ausdrücklich auf eine bestimmte Gesetzesstelle gestützt hat und daß daher schon auf Grund seines bisherigen Vorbringens die Beurteilung dieses Begehrens unter dem Gesichtspunkt des § 368 EO sowie auch unter dem Gesichtspunkt der §§ 430 bzw 440 ABGB sowie einer "Bereicherung" der Beklagten zulässig ist. Damit ist für den Kläger jedoch aus nachstehenden Gründen nichts gewonnen:

Die für eine Doppelveräußerung beweglicher Sachen geltende Bestimmung des § 430 ABGB regelt ebenso wie die für eine Doppelveräußerung unbeweglicher Sachen geltende Bestimmung des § 440 ABGB in erster Linie den Eigentumserwerb. Mit der Formulierung, daß der Eigentümer bei Doppelveräußerung "dem verletzten Teil zu haften" habe (§ 430 ABGB letzter Halbsatz), wurde kein besonderer Anspruch eines bestimmten Inhaltes normiert, sondern vielmehr lediglich auf das Fortbestehen der vertraglichen Beziehungen mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen - grundsätzliche Leistungspflicht und damit Möglichkeit einer Leistungsklage, andererseits Schadenersatzpflicht und damit Schadenersatz- oder Interessenklage - hingewiesen (vgl Klang[2] II 328; SpR 48 neu = SZ 30/33; JBl 1958, 471 ua).

Die vom Kläger vertretene Meinung, daß bei Doppelveräußerung dem ersten Käufer zumindest die Differenz zwischen dem mit ihm vereinbarten und dem vom zweiten Käufer bezahlten Preis zu ersetzen sei, wurde zwar von der zweiten Instanz in der in GlU 15.940 veröffentlichten Entscheidung aus der Erwägung vertreten, daß der Verkäufer insoweit ungerechtfertigt bereichert sei und andernfalls für den Vertragsbruch geradezu prämiiert würde; ihr kann jedoch in dieser allgemeinen Form aus nachstehenden Erwägungen nicht beigetreten werden:

Das österreichische Recht kennt keine allgemeine Verpflichtung zur Herausgabe jeder Bereicherung, sondern lediglich Verpflichtungen dieser Art auf Grund bestimmter einzelner Tatbestände (ebenso SZ 31/150 ua). Weder aus dem 2. Satz des § 921 ABGB, der lediglich einen Anwendungsfall des § 1435 ABGB darstellt (ebenso EvBl 1967/13 ua), noch aus den Bestimmungen der §§ 1431 ff ABGB läßt sich der hier erhobene Anspruch ableiten. Damit geht auch die Berufung des Klägers auf die Entscheidung SZ 24/170 ins Leere; denn wenn es auch richtig ist, daß mit der Interessenklage auch die Herausgabe der Bereicherung verlangt werden kann (in diesem Sinn die angeführte Entscheidung), so hat dies naturgemäß zur Voraussetzung, daß ein Bereicherungsanspruch besteht.

Ferner könnte selbst bei Ergänzung des Klagevorbringens in der Richtung, daß die Beklagten unredlich gehandelt hätten, ein Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes hier aus der Bestimmung des § 335 ABGB nicht abgeleitet werden. Die genannte Bestimmung bezieht sich nämlich auf den unredlichen Besitzer einer fremden Sache, während hier die Beklagten bei Veräußerung des gegenständlichen Grundstückes an die Firma B über ihr eigene Sache verfügten, außerdem der obligatorisch zur Herausgabe einer Sache verpflichtete Eigentümer regelmäßig als deren redlicher Besitzer anzusehen ist (ebenso EvBl 1971/138 ua).

Hingegen kann die gegenständliche Klage angesichts des bereits wiedergegebenen Klagevorbringens, der Kläger habe durch die vertragswidrige Veräußerung einen Vermögensschaden in Höhe des tatsächlichen Wertes der Grundfläche erlitten, durchaus auch als vorweggenommene Interessenklage iS des § 368 ABGB aufgefaßt werden (vgl EvBl 1967/311 ua), wenngleich das Klagebegehren auch aus der Bestimmung des § 920 bzw allenfalls - bei Rücktritt des Klägers vom Vertrag - § 921 ABGB abgeleitet werden kann.

Nach allen diesen Gesetzesstellen handelt es sich um ein Schadenersatzbegehren (Leistung des Interesses), wobei unter der Voraussetzung, daß dem Kläger der Nachweis gelingt, daß auch er das gegenständliche Grundstück zu einem Preis von S 200.- pro m2 hätte veräußern können, dieser von ihm erzielbare Preis als wirklicher Schaden anzusehen wäre, weil eine derartige Möglichkeit im Geschäftsverkehr regelmäßig bereits als entsprechender Vermögenswert angesehen wird (vgl hiezu ZVR 1964/133; SZ 40/2 ua). Falls es hingegen lediglich den Beklagten gelungen sein sollte, einen besonders günstigen Preis zu erzielen, so kann dieser entgegen der Meinung des Klägers nicht in jedem Fall der Schadensberechnung zugrunde gelegt werden, vielmehr hängt dann das Ausmaß des von den Beklagten zu ersetzenden Schadens von dem ihnen anzulastenden Verschuldensgrad ab, wie bereits das Berufungsgericht richtig erkannte (§§ 1323, 1324, 1331 ABGB; allerdings hat der Kläger nie behauptet, daß das Grundstück für ihn einen Liebhaberwert - Wert der besonderen Vorliebe - besessen habe). Dabei obliegt es dem Kläger, jene Umstände unter Beweis zu stellen, aus denen sich ein über leichte Fahrlässigkeit hinausgehendes Verschulden der Beklagten - ebenso die von ihm in erster Instanz nicht behauptete etwaige Haftung der Zweitbeklagten für das Verschulden des Erstbeklagten - ergibt (ebenso JBl 1954, 226 ua). Desgleichen ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß nach dem bisherigen Prozeßvorbringen des Klägers bzw nach den bisher getroffenen Feststellungen eine Solidarverpflichtung der Beklagten zu verneinen wäre (vgl JBl 1969, 213 ua).

Die Frage der Notwendigkeit grundverkehrsbehördlicher Genehmigung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrages wurde in erster Instanz nicht aufgeworfen. Im Hinblick auf die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichtes ist jedoch festzuhalten, daß die Beklagten bis zur Entscheidung der Grundverkehrsbehörde an den mit dem Kläger abgeschlossenen Kaufvertrag gebunden gewesen wären (ebenso RZ 1966, 88; MietSlg 21.142 ua) und daher infolge ihres vertragswidrigen Verhaltens grundsätzlich schadenersatzpflichtig sind. Aus dieser Überlegung ergibt sich, daß die Schadenersatzpflicht der Beklagten nur dann zu verneinen wäre, wenn festgestellt werden könnte, daß dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Rechtsgeschäft die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt worden wäre (damit obliegt praktisch den Beklagten in diesem Punkt die Beweislast).

Aus allen diesen Erwägungen ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, daß die Rechtssache noch nicht spruchreif ist.

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