OGH 6Ob2/92

OGH6Ob2/9227.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Firmenbuchsache betreffend die Firma Herbert D***** jun. ***** infolge Revisionsrekurses des Herbert D***** jun., *****, vertreten durch Dr. Ernst Fasan, Dr. Wolfgang Weinwurm, Dr. Manfred Moser und Dr. Alois M. Leeb, Rechtsanwälte in Neunkirchen, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 9. Dezember 1991, GZ 6 R 101/91-5, womit der Beschluß des Landes- als Handelsgerichtes Eisenstadt vom 3. September 1991, GZ 4 FN 299s-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Erstgerichtes, der in Ansehung der Eintragung der Firma Herbert D***** jun. im Firmenbuch als unangefochten unberührt geblieben ist, werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Herbert D***** sen. war Inhaber des nichtprotokollierten Einzelunternehmens "Herbert D***** sen." und betrieb in I***** das freie Gewerbe "Abpressen von Obst aller Art, einschließlich Weintrauben sowie Lohnpressen". Sein Sohn Herbert D***** jun. (im folgenden auch Antragsteller) beantragte mit der Behauptung, das Unternehmen seines Vaters gepachtet zu haben und unter Vorlage einer Bestätigung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für das Burgenland, wonach das Unternehmen über den Umfang des Kleingewerbes hinausgehe, die Eintragung seines Einzelunternehmens unter der Firma Herbert D***** jun. mit dem Sitz in I***** und dem Geschäftszweig "Handelsgewerbe, insbesondere Weinhandel und Pressen von Obst, insbesondere Weintrauben", dann "Handelsgewerbe, insbesondere Weinhandel" sowie unter Hinweis auf eine entsprechende Klausel im Pachtvertrag die Eintragung einer die Erwerberhaftung nach § 25 Abs 1 HGB abändernden Vereinbarung nach § 25 Abs 2 HGB im Firmenbuch.

Das Erstgericht ordnete unangefochten die Eintragung der Firma Herbert D***** jun. im Firmenbuch an und lehnte den Antrag auf Eintragung des Haftungsausschlusses nach § 25 Abs 2 HGB mit der Begründung ab, es liege keine Firmenfortführung, sondern eine Firmenneugründung vor. Eine Haftung des neu eingetragenen Unternehmens bestehe auch nicht bei Annahme einer Firmenfortführung, weil das Handelsgeschäft unter einer neuen Firma (erkennbar gemeint: Herbert D***** jun. statt wie bisher Herbert D***** sen. oder Herbert D*****) betrieben werde.

Das Rekursgericht bestätigte die in Ansehung des ablehnenden Teils angefochtene Entscheidung des Erstgerichtes; den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es zu. Nach der Rechtsauffassung der zweiten Instanz handle es sich tatsächlich nicht um eine Firmenfortführung, sondern eine Firmenneugründung. Wenn der Antragsteller von seinem Vater das Unternehmen gepachtet hätte, würde es sich nicht um eine Firmenneueintragung nach § 29 HGB, sondern um eine Firmenänderung nach § 31 HGB handeln, weil als Inhaber des Unternehmens nun nicht mehr der Verpächter, sondern der Antragsteller als Pächter anzusehen wäre. Im Text der begehrten Eintragung bezüglich der Einzelkaufmannschaft komme dies aber nicht zum Ausdruck. Lediglich zum Begehren nach § 25 Abs 2 HGB werde vorgebracht, der Antragsteller habe das Unternehmen seines Vaters gepachtet, ohne daß hiezu allerdings eine urkundliche Bestätigung vorgelegt worden wäre. Es komme auf die Richtigkeit der erstgerichtlichen Ansicht, daß die Neueintragung der Firma Herbert D***** jun. diesen vor einer Haftung nach § 25 Abs 1 HGB schütze, nicht an, weil dies die hier nicht relevante materiellrechtliche Frage der Haftung betreffe. Da der Verpächter, obwohl er offenbar Vollkaufmann gewesen sei, im Firmenbuch nicht als "bücherlich Berechtigter" eingetragen gewesen sei, könne auch zu seinen Lasten nicht in der beantragten Weise ein Umstand, der nach § 15 HGB gegen ihn wirke, dahin eingetragen werden, daß er trotz Begebung seines Unternehmens dennoch allein für dessen Schulden weiterhafte. Eine Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses, um dem Antragsteller eine sachrichtige Änderung seines Eintragungsbegehrens samt entsprechenden urkundlichen Nachweises zu ermöglichen, könne nicht erfolgen, weil in Firmenbuchsachen vom Eintragungsbegehren eine Eintragung nur zur Gänze bewilligt oder abgewiesen werden könne und vorliegend eine Verbesserung schon deshalb nicht in Frage komme, weil die Firmeneintragung selbst bereits rechtskräftig sei; ein Haftungsausschluß gemäß § 25 Abs 2 HGB sei aber nur möglich, wenn im Firmenbuch die Firmenfortführung bei der Eintragung des Nachfolgers zum Ausdruck komme, was indes aus der rechtskräftig gewordenen Eintragung gerade nicht zu ersehen werden könne. Dem Antragsteller müsse anheimgestellt bleiben, etwa unter gleichzeitigem Begehren der Löschung der neu eingetragenen Firma Herbert D***** jun. anzustreben, daß er das vollkaufmännische aber nicht eingetragene Unternehmen des Herbert D***** als Pächter fortführe, womit er dann überlegen könnte, auch in seiner Stellung bloß als Pächter überdies den Antrag auf Eintragung des Haftungsausschlusses zu stellen; zu dieser Eintragung müßte allerdings der Verpächter seine Zustimmung geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 25 Abs 2 HGB ist eine abweichende Vereinbarung über die Erwerberhaftung bei Firmenfortführung für alle im Betrieb des Geschäftes begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Firmenbuch (früher Handelsregister) eingetragen und bekannt gemacht oder dem Dritten mitgeteilt wurde. Die §§ 25 bis 28 enthalten im Grunde den Kern eines allgemeinen Unternehmensverkehrsrechts und unterscheiden sich dadurch grundlegend von den ausgesprochen firmenrechtlichen Vorschriften der §§ 17 bis 24 und 29 bis 37 HGB (Emmerich in Heymann, § 25 HGB Rz 1). Die Anwendung des § 25 HGB kann nur in Betracht kommen, wenn ein bestehendes vollkaufmännisches, wenn auch nicht notwendig im Firmenbuch eingetragenes (JBl. 1989, 256

mit Anm von Thiery = RdW 1989, 130; RdW 1987, 255; SZ 56/6

= JBl 1984, 436 mit Anm von Koziol = GesRZ 1983, 99 = HS 14.037;

SZ 42/42 ua; Schuhmacher in Straube, § 25 HGB Rz 4; Emmerich aaO Rz 10 mwN aus deutscher Rechtsprechung in FN 16; Hüffer in GroßKomm4 § 25 HGB Rz 34; Schlegelberger, HGB5, § 25 Rz 5;

Glanegger-Niedner-Renkl-Ruß, HGB, § 25 Rz 3) Handelsgeschäft als Ganzes - wobei der den Schwerpunkt des Unternehmens bildende wesentliche Kern des Unternehmens mit den zur Betriebsfähigkeit notwendigen Zubehörstücken und sachlichen Ausstattungen ausreicht, sofern damit die Fortführung des Betriebes nach allgemeiner Verkehrsauffassung möglich ist (JBl 1989, 256;

RdW 1987, 255; SZ 56/6; Schuhmacher aaO Rz 9; Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht4 1 187 mwN in FN 21; Emmerich aaO Rz 16;

Schlegelberger aaO, Rz 7; Hüffer aaO Rz 48; Karsten Schmidt, Handelsrecht3 215) - vom Erwerber, sei es auch durch Pachtung (3 Ob 549/91 = RdW 1991, 356 = ecelox 1992, 28; SZ 56/6;

SZ 42/42; Schuhmacher aaO Rz 5 mwN; Emmerich aaO Rz 13; Karsten Schmidt aaO 213 mwN in FN 93), übernommen worden ist.

Eine Firmenfortführung liegt immer dann vor, wenn für das fortgeführte Unternehmen keine deutlich abweichende Firma angenommen und tatsächlich geführt wird, wobei auch hier die Verkehrsauffassung maßgebend ist und jedenfalls der Firmenkern fortgeführt werden muß (RdW 1989, 190; JBl. 1989, 256; RdW 1987, 255; 6 Ob 526/91; Schuhmacher aaO Rz 9; Hämmerle-Wünsch aaO 191; Emmerich aaO Rz 24; Schlegelberger aaO Rz 7). Das Weglassen, Ändern oder Hinzufügen eines Gesellschaftszusatzes ist ebenso bedeutungslos (RdW 1991, 356; SZ 56/6; 6 Ob 526/91; Schuhmacher aaO Rz 9 mwN) wie das Beifügen eines Nachfolgezusatzes (Hüffer aaO Rz 45 und die Beispiele bei Rz 48 f). Die Beifügung des Zusatzes "jun." für junior ist nach Auffassung des erkennenden Senates als zulässiger, auf ein Nachfolgeverhältnis hinweisender Zusatz bei Beurteilung der Frage der Firmenfortführung ohne Bedeutung.

Die Ausschlußvereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber allein genügt nicht für die Unanwendbarkeit des § 25 Abs 1 HGB; zum Schutz des Geschäftsverkehrs muß vielmehr noch eine besondere Kundmachung der Vereinbarung durch Eintragung im Firmenbuch und Bekanntmachung oder durch besondere Mitteilung der Vereinbarung seitens des Erwerbers oder des Veräußerers hinzukommen. Der erkennende Senat hat in seinen Entscheidungen 6 Ob 23/85 = NZ 1986, 112 und 6 Ob 14/85 = GesRZ 1985, 146 = NZ 1986, 111 die Ansicht vertreten, die durch Auslegung gewonnene Auffassung, die Eintragung eines Haftungsausschlusses oder einer Haftungsbeschränkung nach § 25 Abs 2 HGB in das (damalige) Handelsregister sei nicht möglich, wenn ein Handelsgeschäft der Verpächterin im (damaligen) Handelsregister nicht eingetragen sei und die Eintragung der Haftungsbeschränkung nicht bei dieser Firma, sondern bei der Firma der Pächterin vorgenommen werden solle, sei nicht offenbar gesetzwidrig iS des § 16 AußStrG aF. Nach dem hier relevanten Teil der nicht veröffentlichten Entscheidung 6 Ob 13/85 "unternehmen die Rechtsmittelausführungen zum Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit nicht einmal den Versuch, die keinesfalls mit dem Gesetzeswortlaut in Widerspruch geratende Ansicht zu widerlegen, daß eine Eintragung nach § 25 Abs 2 HGB in dem Registerblatt erfolgen müsse, in dem die fortgeführte Firma eingetragen ist". Die Entscheidung 6 Ob 24/85 = NZ 1986, 213 betraf einen Sachverhalt, bei dem eine Gesellschaft mbH ein nicht registriertes Einzelunternehmen gepachtet hatte. Das Oberlandesgericht Graz hat in seiner Entscheidung EvBl 1986/45 unter Hinweis auf § 40 HRV und deutsche Literatur die Auffassung vertreten, daß eine Eintragung nach § 25 Abs 2 HGB im Blatt jener Firma zu erfolgen habe, die verkauft oder verpachtet werde.

Die in den genannten, unter dem Aspekt des § 16 AußStrG aF ergangenen oberstgerichtlichen Entscheidungen vertretene Auffassung, daß die Eintragung des Haftungsausschlusses gemäß § 25 Abs 2 HGB bei Pachtung eines nicht prot. Einzelunternehmens nicht zulässig sei, wird jedenfalls für den Fall nicht aufrecht erhalten, daß ein Einzelunternehmer ein nicht prot. Einzelunternehmen pachtet. Wenn der Pachtung eines Einzelunternehmens die Haftung nach § 25 Abs 2 HGB stattfinden kann, muß es auch zulässig sein, eben diese Haftung vertraglich auszuschließen und der erforderlichen Publizität dieses Haftungsausschlusses nicht bloß durch Mitteilung von Veräußerer und Erwerber an den Dritten, sondern auch durch "Eintragung im Firmenbuch und Bekanntmachung" Rechnung zu tragen. Daß das Unternehmen des Verpächters und Vaters des nun antragstellenden Pächters nicht im Firmenbuch eingetragen war, ist daher kein Hindernis für die Eintragung der die Rechtsfolgen nach § 25 Abs 1 HGB abändernden Vereinbarung nach § 25 Abs 2 HGB, soferne nur das Unternehmen des Verpächters vollkaufmännisch war, was im fortgesetzten Verfahren vom Erstgericht noch festzustellen sein wird.

Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung 6 Ob 11/89 = WBl 1990, 218 (mit Anm von Thiery) die Auffassung vertreten, daß das Gesetz keine ausdrückliche Regelung darüber enthält, wer zur Anmeldung einer die Rechtsfolgen nach § 25 Abs 1 HGB abändernden Vereinbarung berechtigt ist und daß er sich der Ansicht, die Anmeldung müsse vom Veräußerer und Erwerber gemeinsam erfolgen (so Emmerich aaO Rz 51; Hüffer aaO Rz 98; Schlegelberger aaO Rz 18), nicht anschließe, weil die Mitwirkung des Firmenveräußerers als Vertragspartei diesen nicht zum Interessenten an der Bekanntmachung dieser Vereinbarung mache und ihm deshalb nach § 9 AußStrG keine Einschreiterbefugnis zukomme. Die Anmeldung einer die Rechtsfolgen nach § 25 Abs 1 HGB abändernden Vereinbarung obliegt demgemäß dem Erwerber. Es ist daher auch sachgemäß, jedenfalls dann, wenn die Firma des Veräußerers nicht im Firmenbuch eingetragen ist, die Beschränkung nach § 25 Abs 2 HGB bei der Firma des fortführenden Unternehmens einzutragen.

Dem Revisionsrekurs ist demgemäß Folge zu geben.

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