OGH 8Ob50/69

OGH8Ob50/6918.3.1969

SZ 42/42

Normen

HGB §25 (1)
HGB §25 (1)

 

Spruch:

Die Bestimmung des § 25 (1) HGB. findet auch auf die Verpachtung eines Handelsgeschäftes Anwendung. Vollkaufmannseigenschaff ist Voraussetzung, Eintragung ins Handelsregister nicht.

Entscheidung vom 18. März 1969, 8 Ob 50/69.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Heribert K. betrieb das im Handelsregister nicht protokollierte Unternehmen "Kleider-K.", das den Handel mit Herrenkonfektion und Wäsche zum Gegenstand hatte. Die klagsgegenständlichen Warenbestellungen stammen vom 21. August 1965, 5. Oktober 1965 und 12. November 1965. Sie wurden von Heribert K. getätigt, der im Hinblick darauf, daß er wegen der Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen selber keine Waren mehr erhalten hätte, vorgab, er sei vom Beklagten hiezu ermächtigt. In Wahrheit bestand aber ein solches Vollmachtsverhältnis nicht. Der Beklagte erfuhr erst nachträglich von diesen Warenbestellungen. Als Heribert K. zu Beginn des Jahres 1966 dem Beklagten die Rechnung für diese Waren übergab und vom Beklagten verlangte, der Beklagte solle die Waren bezahlen, schrieb der Beklagte, der im Zwangsausgleich des Heribert K. die Bürgschaft für eine Teilquote von 20% übernommen hatte, der Klägerin am 28. Jänner 1966, daß er für die Warenbestellungen, die Heribert K. in Auftrag gebe, ab sofort nicht mehr als Bürge und Zahler in Erscheinung trete. Am 1. Juni 1966 schloß Heribert K. mit dem Beklagten und dessen Gattin einen Pachtvertrag, betreffend das gegenständliche Unternehmen. Der Beginn des Pachtverhältnisses wurde mit 1. April 1966 festgesetzt. Als Pachtdauer war ein Zeitraum bis 31. Dezember 1971 vorgesehen. Nach Punkt 6 des Pachtvertrages hat der Pächter sämtliche offenen, aus den vorgelegten Büchern ersichtlichen Warenschulden zu begleichen. In der im Pachtvertrag enthaltenen Aufstellung der Passiven sind allerdings die gegenständlichen Forderungen der Klägerin nicht enthalten.

Die Klägerin fordert vom Beklagten die Bezahlung des Betrages von 17.411.40 S als Entgelt für gelieferte Ware.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Erstgericht war der Ansicht, den Beklagten treffe keine Haftung für die gegenständlichen Warenschulden des Heribert K. Die Klägerin habe es unterlassen, die unzutreffende Behauptung des Heribert K., er sei vom Beklagten zu den gegenständlichen Warenbestellungen ermächtigt worden, zu überprüfen. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte die Klägerin den Mangel eines Vollmachtsverhältnisses erkennen können. Einen äußeren Tatbestand, demzufolge die Klägerin auf eine Bevollmächtigung des Heribert K. durch den Beklagten hätte vertrauen dürfen, habe der Beklagte nicht gesetzt. Auf die Bestimmungen der §§ 25 HGB. und 1409 ABGB. könne eine Haftung des Beklagten nicht gestützt werden, weil diese Gesetzesstellen einen Erwerb zu Eigentum zur Voraussetzung hätten, der Beklagte aber lediglich Pächter sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge. Es hob das Urteil der ersten Instanz unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es war der Ansicht, daß auf die Beweisrüge der Klägerin hinsichtlich der die Frage einer Bevollmächtigung des Heribert K. durch den Beklagten und die Setzung des äußeren Tatbestandes einer solchen Bevollmächtigung betreffenden Tatumstände vorerst nicht eingegangen werden brauche. Denn eine Haftung des Beklagten sei schon dann gegeben, wenn dieser - was allerdings noch zu klären sei - das von ihm gepachtete Unternehmen unter der von Heribert K. gebrauchten Firma "Kleider-K."

fortgeführt habe. In diesem Falle komme die Bestimmung des § 25 (1) HGB. zur Anwendung. Daß die Firma nicht im Handelsregister eingetragen sei, sei nicht entscheidend. Die Ansicht des Erstgerichtes, die angeführte Gesetzesstelle habe einen Erwerb zu Eigentum zur Voraussetzung, sei unzutreffend. Als Erwerb im Sinne der angeführten Gesetzesstelle sei auch ein Erwerb auf Zeit, wie sie eine Pachtung darstelle, zu verstehen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten Folge, hob den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes auf und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei nach allfälliger neuerlicher Verhandlung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Beklagte ist nicht im Recht, soweit er sich dagegen wendet, daß

§ 25 HGB. auf die Verpachtung von Handelsgeschäften Anwendung finde.

§ 25 HGB. setzt nicht einen Erwerb zu Eigentum voraus. Rechtsgrund

der Haftung ist nicht, wie der Beklagte meint, die Übernahme eines Handelsunternehmens, also einer Gesamtsache, ins Eigentum, sondern die in der Fortführung des Geschäftes unter der bisherigen Firma gelegene, an die Öffentlichkeit gerichtete Erklärung des neuen Inhabers, für die bisherigen Geschäftsschulden zu haften. Es handelt sich, wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, um eine Rechtsscheinwirkung, die aus der formellen Tatsache der Geschäftsübernahme und der Weiterführung des Geschäftes unter der bisherigen Firma folgt. Daß als Erwerb im Sinne des § 25 HGB. auch ein Erwerb bloß auf Zeit gilt, wie er bei einer Pachtung vorliegt, entspricht nahezu einhelliger Ansicht (vgl. RGR-Komm.[3], S. 357, Anm. 1. S. 359, Anm. 5 und S. 370, Anm. 31. Schlegelberger, Komm.[4], I, S. 187 f. insbesondere Anm. 5. Baumbach - Duden, Handelsgesetzbuch[18] S. 106, oben unter 2 A). Selbst Hämmerle hat die von ihm in Handelsrecht[1] S. 154, ohne nähere Begründung vertretene gegenteilige Ansicht in der zweiten neubearbeiteten Auflage nicht mehr aufrecht erhalten; in den die Art des Erwerbes betreffenden Ausführungen S. 115 Punkt 2 ist von dem Erfordernis eines Erwerbes zu Eigentum nicht mehr die Rede. Zu bemerken ist allerdings, daß die Bestimmung des § 25 (1) HGB. nur auf Vollkaufleute Anwendung findet, wobei es freilich keinen Unterschied macht, ob das Unternehmen im Handelsregister eingetragen ist oder nicht (vgl. Hämmerle Handelsrecht[2] S. 115, Punkt 6, RGR-Komm.[3], S 358, Anm. 4, Baumbach - Duden, Handelsgesetzbuch[18], S. 106 unter 2 B).

Dem Berufungsgericht kann auch darin gefolgt werden, daß mit dem Schreiben des Beklagten vom 28. Jänner 1966 eine allfällige auf Grund des § 25 (1) HGB. gegebene Haftung des Beklagten nicht nach § 25 (2) HGB. wirksam ausgeschlossen wurde. Fehlt es doch jedenfalls an dem nach § 25 (2) HGB. erforderlichen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem in der Pachtung gelegenen Erwerb des Unternehmens und der Absendung des Schreibens (vgl. RGR-Komm.[3], S. 368 Anm. 24).

Dennoch erscheint die Aufhebung des Urteils der ersten Instanz zum Zwecke der Ergänzung des Verfahrens und der Sachverhaltsfeststellungen hinsichtlich der Frage, ob eine Haftung des Beklagten nach § 25 (1) HGB. gegeben ist, im derzeitigen Prozeßstadium nicht gerechtfertigt.

So lange offen ist, ob der vom Erstgericht abschließend behandelte Rechtsgrund der Haftung des Beklagten auf Grund einer Bevollmächtigung des Heribert K, durch den Beklagten zu den gegenständlichen Bestellungen, bzw. auf Grund der Setzung des äußeren Tatbestandes einer solchen Bevollmächtigung durch den Beklagten gegeben ist, kann nicht das erstgerichtliche Urteil zur Vervollständigung des Verfahrens und der Feststellungen hinsichtlich des vom Erstgericht aus einer unzutreffenden Rechtsansicht heraus nicht abschließend behandelten Rechtsgrundes der Haftung nach § 25

(1) HGB. aufgehoben werden. Könnte es sich doch im Falle einer solchen Aufhebung ergeben, daß das Erstgericht, wenn die noch offenen Voraussetzungen der Haftung nach § 25 (1) HGB. nicht vorliegen sollten, die bereits einmal gefällte Entscheidung wiederholen müßte und daß auch die Klägerin ihre Berufung gegen ein solches Urteil nochmals erheben müßte.

Wenn es also das Berufungsgericht nicht vorzieht, die für die Beurteilung der Haftung nach § 25 (1) HGB. noch erforderlichen Feststellungen auf Grund einer neuerlichen mündlichen Verhandlung selber zu treffen, wird das Berufungsgericht zunächst die Beweisrüge der Klägerin erledigen müssen.

Aus diesen Gründen mußte dem Rekurs des Beklagten Folge gegeben, der angefochtene Aufhebungsbeschluß aufgehoben und dem Berufungsgerichte die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Klägerin gegen das erstgerichtliche Urteil aufgetragen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte