OGH 5Ob587/84

OGH5Ob587/842.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schubert, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Georg O*****, 2. Rosalia O*****, beide vertreten durch Dr. Heinz Napetschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1. Adolf S*****, 2. Maria S*****, beide vertreten durch Dr. Siegfried Rack, Rechtsanwalt in Völkermarkt, wegen Unterlassung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 5. April 1984, GZ 2 R 120/84‑18, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Völkermarkt vom 6. Dezember 1983, GZ 2 C 312/83‑11, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0050OB00587.840.1002.000

 

Spruch:

Es wird der Revision Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagten Parteien sind schuldig, den klagenden Parteien die mit 4.885,66 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 360 S an Barauslagen und 411,42 S an USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 3.320,05 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 720 S an Barauslagen und 236,37 S an USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer des Grundstücks 75 Wald KG *****. Daran grenzt im Osten das Grundstück 53 Acker KG ***** an, dessen Eigentümer je zur Hälfte die Beklagten sind.

Mit der am 14. 4. 1983 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrten die Kläger die Verurteilung der Beklagten, alle Bewirtschaftungsmaßnahmen auf dem Grundstück 75 Wald KG ***** im Bereich seiner Ostgrenze gegenüber dem Grundstück 53 Acker KG ***** zu unterlassen. Sie brachten vor, der Erstbeklagte habe – auch im Interesse der Zweitbeklagten als Miteigentümerin des Grundstücks 53 – im Bereich der Ostgrenze des Grundstücks 75 auf einer Länge von 30 m vom nordöstlichen Grenzpunkt in Richtung Süden auf einem sich von 5 m Tiefe auf 3 m Tiefe verringernden Streifen Jungbäume ausgerissen und überhängende Äste abgeschnitten, somit auf ihrem Grundstück Bewirtschaftungsmaßnahmen vorgenommen, zu denen er nicht berechtigt sei. Um vorzubeugen, dass nicht späterhin weitergehende Rechte in Anspruch genommen würden, werde die gegenständliche Klage erhoben.

Die Beklagten bestritten das Klagevorbringen, beantragten Klageabweisung und wendeten ein: Die Zweitbeklagte sei passiv nicht legitimiert, weil sie mit den Waldarbeiten überhaupt nichts zu tun habe. Der Erstbeklagte habe lediglich im Oktober 1982 von einem auf dem Grundstück 53 befindlichen Baum Äste abgesägt und auf diesem Grundstück wachsende Haselnussstauden beseitigt. Er habe daher für eine Unterlassungsklage keine Veranlassung gegeben. Das Begehren sei überdies nicht hinreichend bestimmt.

Während die Kläger auf dem Standpunkt stehen, dass der in der Natur vorhandene Zaun ein Grenzzaun sei, behaupten die Beklagten, dass die Grenze nicht entlang des Zaunes, sondern weiter westlich davon verlaufe.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Im Schnittpunkt der Grenzen der (den Klägern gehörenden) Grundstücke 74 und 75 sowie des (den Beklagten gehörenden) Grundstücks 53 befindet sich ein mit roter Lackfarbe angestrichener Grenzstein. Unmittelbar oberhalb dieses Grenzsteins steht ein Lärchenbaum mit einer Stärke von etwa 60 bis 70 cm und einer Höhe von 20 m. An diesem Lärchenbaum beginnt ein Weidezaun in Richtung Süden, dessen oberes Ende am Lärchenbaum angenagelt ist. Dieser Weidezaun besteht aus Pflöcken, welche ins Erdreich eingelassen sind, und aus Ranten, welche die Verbindung zwischen den einzelnen Pflöcken darstellen, wobei sich oberhalb und unterhalb dieser Ranten ein Stacheldrahtzaun befindet. Ca 10 m südlich dieses Lärchenbaums steht ein Fichtenbaum. Der Weidezaun stellt die Verbindung zwischen diesen beiden Bäumen dar. Die unteren Äste des Lärchenbaums haben eine Ausladung von 6 bis 7 m. An mehreren Stellen in Richtung Südwesten sind die untersten Äste bis zu einer Höhe von 3 m abgehackt. Der ca 10 m südlich des Lärchenbaums stehende Fichtenbaum weist an 11 Stellen frische Sägespuren auf, welche den Schluss zulassen, dass an diesen Stellen Äste abgesägt wurden. Diese Äste wurden unmittelbar am Stamm des Fichtenbaumes abgeschnitten. Die frischen Sägestellen sind verharzt. Die frisch abgeschnittenen Äste dürften vor dem Beschneiden des Baumes in das Grundstück 75 (nach Westen hin) geragt haben. Am Stamm des Fichtenbaumes befinden sich ferner mehrere ältere Narben, welchen den Schluss zulassen, dass vor mehreren Jahren an diesen Stellen Äste abgesägt wurden. Diese älteren Narben lassen erkennen, dass die Äste zum Teil in Richtung Norden, zum Teil aber auch in Richtung Westen geragt haben. An dem Fichtenbaum wurde in Richtung Osten der Weidezaun befestigt. Die Holzlatten wurden angenagelt. Oberhalb befindet sich der Stacheldrahtzaun, welcher in den Fichtenbaum einige Zentimeter eingewachsen ist. Im Bereich des Fichtenbaumes, und zwar in einem Umkreis von ca 2 bis 3 m nördlich davon, befinden sich sowohl östlich als auch westlich des Weidezaunes mehrere Steine. Die Steine dürften einen Durchmesser von 20 bis 80 cm haben und weisen verschiedene Größen auf. Ca 50 m südlich des Fichtenbaumes hangabwärts befindet sich unter dem Weidezaun ein eingelassener Markierungsstein, welcher zum Teil mit einer blau‑grünen Farbe gestrichen ist. Östlich des Weidezaunes liegen mehrere, zum Teil vermoderte Fichtenäste. In einem Abstand von ca 2 bis 3 m westlich des Weidezaunes stehen mehrere Bäume. Ca 10 bis 15 m südlich des oben beschriebenen Fichtenbaumes befinden sich westlich des Weidezaunes 3 oder 4 Wacholderstauden. Westlich des Weidezaunes ist im wesentlichen Wald, östlich davon Wiese. Im Bereich südlich des Lärchenbaumes, entlang des Zaunes links und rechts auf eine Breite von ca 3 bis 4 m, befinden sich in Richtung Süden ca 5 m Brennessel. Anschließend daran sind links und rechts des Weidezaunes Steine in verschiedenen Größen erkennbar. Auf einer Breite bis zu 3 m westlich des Fichtenbaumes befinden sich Nadelstreu und leicht aufgelockerter Boden. Vom Lärchenbaum in Richtung Süden fällt der Hang, auf dem der Weidezaun steht, in einem Winkel von ca 30 bis 30 Grad ab. Westlich des Zaunes, welcher zwischen dem Lärchenbaum und dem Fichtenbaum liegt, stehen in einer Entfernung von ca 5 bis 6 m junge Fichtenbäume mit einer Höhe von ca 3 bis 4 m. In einer Entfernung von ca 5 bis 7 m westlich des Weidezaunes befinden sich kleinere Fichtenbäume von 0,5 bis 1 m Höhe. Ca 2 m südlich des Fichtenbaumes unterhalb des Weidezaunes kann man frisch abgeschnittene Haselstauden erkennen. Diese Haselstaudenstöcke lassen den Schluss zu, dass sie vor ca 1 bis 2 Jahren abgesägt wurden.

Mitte März 1983 war Simon O***** im zuvor angeführten Bereich und konnte feststellen, dass westlich des zwischen den Grundstücken 75 und 53 befindlichen Zaunes Äste abgelagert waren. Ca 2 Tage danach traf er den Erstkläger, der auf seine Frage, ob er dort Holz mache, dies verneinte. Am 15. 3. 1983 begab sich der Erstkläger zur Ostgrenze seines Grundstücks 75 und konnte feststellen, dass auf seinem Grundstück Jungbäume ausgerissen und Äste von größeren Bäumen abgesägt waren. Noch am selben Tag gingen beide Kläger zur Ostgrenze ihres Grundstücks 75 und es konnte auch die Zweitklägerin feststellen, dass auf ihrem Grundstück 75 Bewirtschaftungsmaßnahmen durchgeführt worden waren. Sowohl sie als auch ihr Gatte haben gesehen, dass von ihren Bäumen Äste abgehackt und kleinere Bäume ausgerissen waren und alles auf einem Haufen auf dem Grundstück 75 zusammengeworfen war. Am 20. 3. 1983 sah Gregor O*****, ein Cousin des Erstklägers, von seinem Haus aus, dass der Erstbeklagte Äste vom Grundstück der Kläger über den Zaun auf sein Grundstück 53 schaffte und dort verbrannte. Die Grenze zwischen den Grundstücken 75 der Kläger und 53 der Beklagten wird durch den zuvor beschriebenen Weidezaun gebildet, welcher bereits seit Jahrzehnten an derselben Stelle verläuft. Georg O*****, der Sohn der Kläger, sah, dass der Erstbeklagte auf seinem Grundstück 53 Schlägerungsarbeiten durchführte und die Äste verbrannte sowie dass von Bäumen das Grundstücks 75 Äste abgeschnitten waren. Ende März 1983 begab sich der Klagevertreter mit dem Erstkläger in den prozessgegenständlichen Bereich. Es kam auch der Erstbeklagte hinzu. Er erklärte sich gegenüber dem Erstkläger ausdrücklich zur Schadloshaltung bereit und warf dem Kläger einen 1.000 S‑Schein vor die Füße. Der Erstbeklagte erklärte auch gegenüber dem Erstkläger und dem Klagevertreter, dass es hinsichtlich des Grenzverlaufs keine Differenzen gebe und der an Ort und Stelle durch den Zaun wiedergegebene Grenzverlauf die Mappen‑ und Nutzungsgrenze darstelle.

Es muss daher der zwingende Schluss gezogen werden, dass der Erstbeklagte westlich des Zaunes auf dem Grundstück der Kläger Bewirtschaftungsmaßnahmen gesetzt und dass die Zweitbeklagte davon Kenntnis gehabt hat.

Aus diesem Sachverhalt folgerte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht, dass die Unterlassungsklage als zumindest für die Zukunft vorbeugend berechtigt sei, weil der Erstbeklagte mit Wissen der Zweitbeklagten westlich des Weidezaunes auf dem Grundstück der Kläger Bewirtschaftungsmaßnahmen vorgenommen habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte die erstgerichtliche Verurteilung des Erstbeklagten zur Unterlassung aller Bewirtschaftungsmaßnahmen, wies das Unterlassungsbe-gehren der Kläger in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung gegenüber der Zweitbeklagten ab und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 15.000 S, nicht aber 60.000 S übersteige und die Revision nicht nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Das Berufungsgericht führte aus: Die vorliegende Klage auf Unterlassung von Bewirtschaftungsmaßnahmen auf dem Grundstück 75 KG ***** der Kläger stelle sich als Eigentumsfreiheitsklage iSd § 523 ABGB dar. Dabei hätten die Kläger ihr Eigentum und den Eingriff nachzuweisen, während es grundsätzlich den Beklagten obliege, die Berechtigung ihres Eingriffs darzutun (vgl Klang in Klang 2 II 602 und 604). Die Kläger hätten daher zu beweisen, dass jene Grundfläche, auf welcher der Erstbeklagte die Handlungen vorgenommen habe, in ihrem Eigentum stehe. Entscheidend sei dafür die Eigentumsgrenze, die aber mit der Mappengrenze keineswegs identisch sein müsse. Durch die bücherliche Einverleibung werde das Eigentumsrecht an den Grundstücken erworben, die den Gutsbestand eines Grundbuchskörpers bildeten (§ 432 ABGB, §§ 4 und 5 Allgemeines Grundbuchsanlegungsgesetz). Die Begrenzung der einzelnen Grundstücke solle durch deren Vermarkung festgesetzt sein. Bei Teilungen sei diese Vermarkung zwingend vorgeschrieben. Das Grundbuch selbst gebe über die Begrenzung der Grundstücke keinen Aufschluss. Die rechtliche Bedeutung der Grundbuchsmappe sei darauf beschränkt, dass sie lediglich zur Veranschaulichung der Lage und Gestalt der einzelnen Grundstücke bestimmt sei. Sie gebe jedoch keine Auskunft über die Größe des Grundstücks und mache insbesondere keinen Beweis über die Richtigkeit der Grenzen. Sie solle nur der Feststellung dienen, an welche Grundstücke das in Rede stehende Grundstück angrenze (§ 3 Allgemeines Grundbuchsanlegungsgesetz und Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage dieses Gesetzes). Die Grundbuchsmappe sei also ein Lageplan, ein Bild der Wirklichkeit, und zwar ein unvollkommenes und häufig fehlerhaftes. Da die Grundbuchsmappe ein Abdruck der Katastralmappe und der Stand der letzteren für erstere maßgebend sei (§ 43 GV), gelte das oben Gesagte auch für die Katastralmappe, soweit es sich nicht bereits um einen Grenzkataster handle. Bei der Eigentumsklage habe der Kläger schon in der Klage die Grenzen der beanspruchten Fläche zu bezeichnen und sie im Prozess als richtig zu erweisen ( Ehrenzweig 2 I/2, 144). Für den Umfang des Eigentumsrechts an einer Liegenschaft sei grundsätzlich nicht die Grundbuchsmappe, sondern der Umstand maßgebend, in welchem Umfang der Besitz tatsächlich erworben worden sei. Die Grundbuchsmappe unterliege wie jedes andere Beweismittel der richterlichen Beweiswürdigung (vgl RZ 1959, 194). Allerdings werde die Berufung auf die Mappengrenzen allein kaum zielführend sein, wenn das Grundstück nicht auch in dem behaupteten Umfang in der Natur vermarkt sei (vgl SZ 7/377).

Im vorliegenden Falle stehe fest, dass von dem unbestrittenen Grenzstein, der im Norden die Eigentumsgrenze zwischen den Grundstücken 75 der Kläger und 53 der Beklagten markiere, ein Zaun in Richtung Süden verlaufe. Das Erstgericht habe festgestellt, dass sich ca 50 m südlich des Fichtenbaumes, der seinerseits etwa 10 m südlich dieses Grenzsteins stehe, unter dem Zaun ein sogenannter Markierungsstein befinde. Alle Beweisergebnisse sprächen dafür, dass es sich dabei ebenfalls um einen Grenzstein handle. Dagegen werde im Übrigen von den Beklagten in der Berufung auch nichts vorgebracht. Es könne nun aber auch gar keine Frage mehr sein, dass der Zaun, der vom nördlichen Grenzstein zum erwähnten Fichtenbaum und von dort weiter nach Süden genau auf den sogenannten Markierungsstein zu laufe, die Eigentumsgrenze zwischen den beiden Grundstücken der Streitteile bilde (vom Erstgericht unpräzis mit „tatsächliche Grenze“ bezeichnet). Dafür spreche nicht nur die unterschiedliche Kulturgattung der beiden Grundstücke und die Tatsache, dass der Zaun schon jahrzehntelang so verlaufe, sondern auch die Aussage der beiden Kläger und die damit übereinstimmenden Aussagen der Zeugen Simon O***** und Georg O*****. Selbst Georg S*****, ein Bruder des Erstbeklagten, habe erklärt, dass östlich des Zaunes S*****grund und westlich davon O*****grund sei.

Da der Verlauf der Mappengrenze für die Entscheidung im gegenständlichen Rechtsstreit nicht von Bedeutung sei, habe das Erstgericht mit Recht von der Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Vermessungswesen zur Ermittlung der Mappengrenze Abstand genommen. Der gerügte Verfahrensmangel liege demnach nicht vor. Im Übrigen sei der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt unbedenklich, weshalb er vom Berufungsgericht übernommen und der rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt werde.

Da davon auszugehen sei, dass der vorhandene Zaun die Eigentumsgrenze bilde, sei den Klägern der Nachweis gelungen, dass die im Westen an diesen Zaun anschließende Grundfläche in ihrem Eigentum stehe. Sie könnten daher auf Grund ihres Eigentumsrechts jedem unberechtigten Eingriff in ihr Eigentum mit einer Klage auf Unterlassung begegnen, wenn die Wiederholung eines solchen Eingriffs zu besorgen sei. Allerdings bestehe kein Grund für die Annahme, es handle sich beim vorliegenden Begehren um ein „vorbeugendes Unterlassungsbegehren“. Von einem solchen könne nämlich nur dann gesprochen werden, wenn ein Unterlassungsbegehren gestellt werde, um unmittelbar bevorstehendes rechtswidriges Verhalten zu verhindern (SZ 33/130, SZ 42/184, SZ 47/62). Dass hier ein Eingriff des Erstbeklagten in das Eigentumsrecht der Kläger vorliege, stehe fest. Der Erstbeklagte habe auf einem Streifen westlich des Zaunes Jungbäume ausgerissen, die sich also auf dem im Eigentum der Kläger stehenden Grundstück 75 KG ***** befunden hätte. Da der die Grenze bildende Zaun an der Ostseite des Stammes des Fichtenbaums angebracht sei, stehe der Stamm dieses Baumes auf dem Grundstück der Kläger und daher in ihrem Eigentum (§ 421 ABGB). Die geringfügige Einwachsung des zusätzlich angebrachten Stacheldrahtes in die Rinde dieses Baums vermöge nicht zu bewirken, dass allein dadurch schon der Baum im gemeinsamen Eigentum der Nachbarn stünde. Schließlich stehe fest, dass der Erstbeklagte von dem Fichtenbaum auch solche Äste abgeschnitten habe, die nicht in sein Grundstück 53 KG ***** hineingeragt hätten. Nach § 422 ABGB sei der Grundeigentümer aber nur berechtigt, die über seinem Luftraum hängenden Äste abzuschneiden. Soweit der Erstbeklagte Äste von der Fichte abgeschnitten habe, die nicht in den Luftraum seines Grundstücks hineingeragt hätten, seien die Kläger daher auch zur Abwehr dieser Eingriffe berechtigt. Aber selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Fichte als Grenzbaum – nach der herrschenden Lehre – im Miteigentum (wohl je zur Hälfte) der Streitteile stehe, wäre die Benützung des Grenzbaumes nach den Regeln der Gemeinschaft des Eigentums beschränkt ( Klang in Klang 2 II 294; Spielbüchler in Rummel , ABGB, Rdz 1 zu § 421). Bei Störung des Gebrauchs durch einen Miteigentümer könne ein Unterlassungsbegehren gestellt werden (vgl MietSlg 28.050). Im Hinblick darauf, dass der Erstbeklagte bestritten habe, dass seine Handlungen einen Eingriff in das Eigentumsrecht der Kläger darstellten, liege auch die Wiederholungsgefahr auf der Hand (vgl EvBl 1972/20; MietSlg 29.613), sodass dem Unterlassungsbegehren, das hinreichend bestimmt sei, gegenüber dem Erstbeklagten mit Recht stattgegeben worden sei.

Der Berufung sei aber insoweit Folge zu geben, als die Passivlegitimation der Zweitbeklagten verneint werde:

Die Eigentumsfreiheitsklage richte sich gegen denjenigen, der störend in das Eigentum eingreife. Ein Unterlassungsanspruch könne daher nur gegen demjenigen gerichtet werden, der selbst in die nachbarlichen Rechte des Untersagenden eingegriffen habe. Selbst bei einer Haftung für das Verhalten fremder Personen könne niemand verurteilt werden, das Verhalten jener Personen zu unterlassen (vgl MietSlg 18.179, 22.135; EvBl 1959/1). Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Zweitbeklagten wäre es, dass sie selbst oder ein anderer in ihrem Auftrag diesen Eingriff in das Eigentum der Kläger vorgenommen hätte (vgl JBl 1978, 592; SZ 34/156, SZ 42/116, SZ 43/47; Klang in Klang 2 II 603; KoziolWelser 6 II 77).

Das Erstgericht habe lediglich festgestellt, die Zweitbeklagte habe von den Eingriffshandlungen des Erstbeklagten Kenntnis gehabt. Dies allein reiche aber nicht aus, Fest stehe, dass die Zweitbeklagte selbst einen solchen Eingriff nicht unternommen habe. Dass der Erstbeklagte im Auftrag der Zweitbeklagten gehandelt hätte, sei weder festgestellt worden noch lägen dafür Beweisergebnisse vor. Das Klagebegehren sei daher gegenüber der Zweitbeklagten abzuweisen gewesen.

Da den hier zu lösenden Rechtsfragen keine erhebliche Bedeutung zukomme, zumal sie in der Judikatur wiederholt behandelt und – wie oben dargestellt – einheitlich gelöst worden seien, lägen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (gegen den abändernden Teil der berufungsgerichtlichen Entscheidung) nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht vor.

Gegen den abändernden Teil der berufungsgerichtlichen Entscheidung richtet sich die auf § 503 Abs 1 Z 4 und Abs 2 ZPO gestützte außerordentliche Revision der Kläger mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Zweitbeklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Rechtsfrage der Passivlegitimation der Beklagten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – wie sich aus den folgenden Ausführungen ergeben wird – eine solche des materiellen Rechts von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO ist, von deren Lösung die Entscheidung des Berufungsgerichts im angefochtenen Umfang abhängt. Die Revision ist auch aus nachstehenden Erwägungen berechtigt:

Dem Berufungsgericht ist zunächst darin beizupflichten, dass es sich bei der vorliegenden Unterlassungsklage um eine Eigentumsfreiheitsklage iSd § 523 ABGB handelt, die nicht nur dem Schutz des Eigentümers vor der Anmaßung doer unberechtigten Erweiterung einer Dienstbarkeit, sondern auch der Abwehr jeder sonstigen Störung des Eigentums durch unberechtigte Eingriffe dient ( Petrasch in Rummel , ABGB, Rdz 1 und 9 zu § 523). Der Rechtsansicht des Berufungsgerichts jedoch, Voraussetzung der Inanspruchnahme der Zweitbeklagten wäre es, dass (auch) sie selbst oder dass der Erstbeklagte (auch) in ihrem Auftrag den festgestellten unberechtigten Eingriff in das Eigentum der Kläger vorgenommen hätte, die Kenntnis der Zweitbeklagten von der Eingriffshandlung des Erstbeklagten allein genüge nicht, kann nicht gefolgt werden.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrmals entschieden, dass die bloße mündliche Anmaßung eines Rechts die Erhebung der Eigentumsfreiheitsklage dann rechtfertigt, wenn diese Anmaßung im Zusammenhang mit Störungshandlungen Dritter erfolgt (SZ 23/395 ua; vgl Petrasch aaO Rdz 9 aE zu § 523). Hier hat (auch) die Zweitbeklagte im Zusammenhang mit den Störungshandlungen des Erstbeklagten noch im Prozess den Standpunkt eingenommen, der Zaun zwischen den Grundstücken der Streitteile stelle nicht die Mappengrenze (gemeint: die Eigentumsgrenze) dar (AS 31), die Mappengrenze (gemeint: die Eigentumsgrenze) verlaufe 2 m westlich des südlich des Lärchenbaumes stehenden Fichtenbaums (AS 47), wobei der Zaun nach den erstgerichtlichen Feststellungen die Verbindung zwischen den beiden Bäumen herstellt (AS 55) Die Passivlegitimation der Zweitbeklagten ist daher schon unter diesem Gesichtspunkt zu bejahen.

Der Oberste Gerichtshof hat ferner in zahlreichen Entscheidungen ausgesprochen, dass Miteigentümer, die eine Grunddienstbarkeit in Anspruch nehmen, bei einer gegen sie gerichteten Eigentumsfreiheitsklage eine notwendige und einheitliche Streitgenossenschaft bilden (SZ 27/101; JBl 1965, 89; MietSlg 27.063; JBl 1983, 645 ua; vgl Petrasch aaO Rdz 4 zu § 523). Selbst wenn man die Annahme einer notwendigen und einheitlichen Streitgenossenschaft nicht überzeugend findet und es Sache des Klägers sein lässt, in Beurteilung seiner Durchsetzungsinteressen zu entscheiden, ob er alle Miteigentümer oder nur die störenden belangt (so Spielbüchler in Rummel , ABGB, Rdz 8 zu § 354), ist jedenfalls die Passivlegitimation des belangten Miteigentümers gegeben. Dieser Grundsatz gilt auch in dem Fall, in dem sich der die unberechtigte Eingriffshandlung setzende Miteigentümer nicht auf eine Grunddienstbarkeit, sondern auf sein Eigentumsrecht an dem von der Eingriffshandlung betroffenen Grundstücksteil beruft. Die Passivlegitimation der Zweitbeklagten ist demnach auch unter diesem weiteren Gesichtspunkt gegeben.

Die Passivlegitimation des nicht unmittelbar selbst die Eingriffshandlung setzenden (Mit‑)Eigentümers wurde schließlich bei Eigentumsfreiheitsklagen auch dann anerkannt, wenn von diesem Abhilfe zu erwarten ist, weil er den Eingriff zu hindern befugt und imstande wäre ( Petrasch aaO Rdz 9 zu § 523 mwN; vgl auch Spielbüchler aaO Rdz 7 zu § 354 unter Hinweis insb auf die Entscheidung JBl 1977, 201). Eine Unterlassungsklage wurde in diesem Zusammenhang insbesondere deswegen zugelassen, um den Belangten dazu zu bringen, dass er seiner Pflicht, das rechtsverletzende Tun des Störers zu hindern, entsprechend nachkomme (MietSlg 33.048; 5 Ob 559/84). Hier kann davon ausgegangen werden, dass die beklagten Landwirtsehegatten ihre Landwirtschaft gemeinsam betreiben und gemeinsam der Auffassung sind, der Erstbeklagte habe die ihm von den Klägern vorgeworfenen Eingriffshandlungen auf dem je zur Hälfte im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstück 53 gesetzt. Auch nach diesen Grundsätzen wäre daher ungeachtet des Umstands, dass die Waldarbeiten (nach der zwischen den Beklagten intern vereinbarten Arbeitsteilung) ausschließlich der Erstbeklagte verrichtet, die Passivlegitimation auch der Zweitbeklagten gegenüber dem Unterlassungsbegehren der Kläger anzunehmen.

Es war demnach der Revision Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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