OGH 8Ob40/70

OGH8Ob40/7024.2.1970

SZ 43/47

Normen

ABGB §523
ZPO §226
ZPO §411
ABGB §523
ZPO §226
ZPO §411

 

Spruch:

Wird mit rechtskräftigem Urteil ein Wegerecht des Bestandgebers auf dessen Person eingeschränkt, muß der Bestandnehmer, dem im Bestandvertrag die Wegmitbenützung eingeräumt wurde, diese Benützung ab Rechtskraft des Urteils gegen den Bestandgeber unterlassen

OGH 24. Februar 1970, 8 Ob 40/70 (LG Eisenstadt R 254/69; BG Oberwart C 947/67 )

Text

Der Kläger war bis zu seinem Tode am 21. August 1968 Alleineigentümer des Grundstückes Nr 3 der EZ 23 Katastralgemeinde B, dem die Grundstücke Nr 431 und 432 (früher Nr 150) der EZ 30 Katastralgemeinde B (Haus B Hauptplatz Nr 6) benachbart sind, die im Alleineigentum der Brigitte P, der Schwester des Beklagten, stehen. Der Zugang zu diesen beiden Grundstücken ist durch einen zum Haus der Brigitte P gehörigen Arkadengang, die Zufahrt hingegen nur über das Grundstück Nr 3 möglich. Am 2. Mai 1969 erteilte der Kläger den jeweiligen Eigentümern des damaligen Grundstückes Nr 150 (nunmehr Nr 431, 432) der Katastralgemeinde B die Bewilligung, daß diese dort, wo damals die Einfahrt ersichtlich war, auf seiner Liegenschaft zu fahren und zu gehen berechtigt seien. Am 5. Februar 1968 erging ein am 25. Februar 1968 rechtskräftig gewordenes Versäumungsurteil gegen Brigitte P, wonach die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes über das Grundstück Nr 3 der EZ 23 Katastralgemeinde B ausschließlich der Brigitte P zusteht; diese wurde schuldig erkannt, alle Handlungen zu unterlassen, die über Umfang und Inhalt dieser Dienstbarkeit hinausgehen, insbesondere durch einseitige Gestattung des Geh- und Fahrrechtes über das dienende Grundstück Nr 3 an nicht dienstbarkeitsberechtigte Personen. Aber auch durch Aneiferung welcher Art immer.

Mit seiner am 6. Dezember 1967 überreichten Klage begehrte der Kläger mit der Behauptung, der Beklagte gehe und fahre über das Grundstück Nr 3. obwohl er nicht Eigentümer der Grundstücke Nr 431 und 432 Katastralgemeinde B sei, und lasse sich dies auch nicht verbieten, das Urteil, eine Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes über das Grundstück Nr 3 der Katastralgemeinde B stehe dem Beklagten nicht zu, dieser sei schuldig, alle Handlungen zu unterlassen, die sich als Ausübung einer solchen Dienstbarkeit darstellen.

Der Beklagte stellte außer Streit, daß er im eigenen Namen keine Servitut ausübte, worauf über Antrag des Klägers Anerkenntnisurteil darüber erging, daß dem Beklagten eine Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes über das Grundstück Nr 3 der Katastralgemeinde B nicht zustehe. Im übrigen behauptete der Beklagte, Mieter der Liegenschaft, die Brigitte P gehöre, zu sein und den Servitutsweg im Auftrag und mit Genehmigung der Eigentümerin der servitutsberechtigten Grundstücke zu benützen.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten für schuldig, alle Handlungen zu unterlassen, die sich als Ausübung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes über das Grundstück Nr 3 Garten der Katastralgemeinde B darstellen. Es stellte fest, daß der Beklagte seit 1961 oder 1962 Teile der Wohnung seiner Schwester Brigitte P, die normalerweise nicht in B wohne, im Hause B, Hauptplatz Nr 6, bewohne. Seine Schwester habe ihm erlaubt, über das Grundstück Nr 3 auf die Grundstücke Nr 431, 432 zuzufahren, was der Beklagte auch bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt tue. Der Kläger habe dem Beklagten im Spätherbst 1967 die Benützung des Grundstückes Nr 3 untersagt; dem Beklagten sei auch der Inhalt des Versäumungsurteils vom 5. Februar 1968, das in seiner Anwesenheit gefällt worden sei, bekannt. Rechtlich vertrat das Erstgericht dazu den Standpunkt, daß auf Grund des Versäumungsurteils vom 5. Februar 1968 das der Brigitte P eingeräumte Geh- und Fahrrecht nur mehr als höchstpersönliches Recht anzusehen sei. Der Beklagte könne auf Grund eines mit seiner Schwester abgeschlossenen Mietvertrages nicht zur Ausübung dieser seiner Schwester höchstpersönlich zugestandenen Servitut in deren Namen gegen den Willen des Klägers berechtigt sein.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Erstgerichtes keine Folge, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und vertrat die Rechtsansicht, daß nach dem Versäumungsurteil vom 5. Februar 1968 Brigitte P schon 1961 oder 1962 nicht berechtigt gewesen sei, anderen Personen die Ausübung der Dienstbarkeit zu gestatten. Wenn der Beklagte in der Berufung schikanöse Rechtsausübung behaupte, übersehe er, daß eine Schikane nur vorliege, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bilde; er habe aber Behauptungen in dieser Richtung in erster Instanz gar nicht aufgestellt. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In Ausführung der Rechtsrüge geht die Revision von der Feststellung der Untergerichte aus, daß Brigitte P dem Beklagten als ihrem Mieter bereits im Jahre 1961 oder 1962 bei der Vermietung der Wohnung im Hause B, Hauptplatz Nr 6, die Erlaubnis erteilt hatte, in Ausübung des ihr zustehenden Zufahrtsrechtes über das Grundstück des Klägers zu fahren. Das Zufahrtsrecht habe bei der Vermietung weitergegeben werden können, ohne daß der Eigentümer des dienenden Grundstückes dagegen Einspruch erheben hätte können. Die durch das Versäumungsurteil vom 5. August 1968 herbeigeführte Regelung gelte erst für die Zukunft und habe auf den bereits vorher abgeschlossenen Mietvertrag keine Wirkung. Da ihm gegenüber seitens der Vermieterin noch kein Verbot ausgesprochen worden sei, sei der Beklagte nach wie vor berechtigt, das Zufahrtsrecht der Vermieterin auszuüben.

Bei Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des von den Untergerichten festgestellten Sachverhalts ist davon auszugehen, daß der Kläger eine Eigentumsfreiheitsklage erhoben hat, die sich zwar meist gegen denjenigen, der sich eine Dienstbarkeit anmaßt, darüber hinaus aber auch gegen jeden unberechtigten Eingriff in das Eigentum richtet (EvBl 1965/197 u a, Ehrenzweig, Sachenrecht[2] 302). Das Begehren geht auf Unterlassung gleichartiger Eingriffe. Der Kläger hat im Prozeß sein Eigentum und den Eingriff, der Beklagte, der den Eingriff vorgenommen hat, hingegen die Berechtigung des Eingriffs zu beweisen (Klang in seinem Komm[2] zu § 523 ABGB bei Anm 69 II 604, Ehrenzweig, Sachenrecht[2] 302, bei Anm 11, Gschnitzer Sachenrecht 129). Diese Berechtigung kann allerdings auch darin liegen, daß er sie aus einem Recht ableitet, das einem Dritten dem Kläger gegenüber zusteht und den Eingriff deckt (vgl JBl 1969, 276, MietSlg 17018, 15008 ua). lm vorliegenden Falle ist das Eigentum des Klägers an dem Grundstück Nr 3, EZ 23 Katastralgemeinde B, ebenso unbestritten wie die Tatsache, daß der Beklagte tatsächlich über dieses Grundstück geht und fährt. Der Beklagte muß also beweisen, daß ihm daran ein Recht zusteht. Das Recht der Brigitte P, aus dem er wiederum sein Recht ableitet, wurde am 2. Mai 1959 dem jeweiligen Eigentümer des damaligen Grundstückes Nr 150 Katastralgemeinde B (also der jetzigen Grundstücke Nr 431, 432 Katastralgemeinde B) eingeräumt. Im Zweifel kann das Recht des Fahrweges auch durch dritte Personen ausgeübt werden, soweit dies dem Zweck der Dienstbarkeit entspricht (Klang[2] zu § 492 ABGB nach Anm 12 II 571, 1 Ob 102/68). Im Zweifel wird daher auch dem Bestandnehmer des Dienstbarkeitsberechtigten ein diesem eingeräumtes Geh- und Fahrrecht zu gestatten sein.

Im vorliegenden Falle liegt nun aber, wie die Untergerichte mit, Recht dargetan haben, ein rechtskräftiges, gegen die Dienstbarkeitsberechtigte Brigitte P ergangenes, gegenteiliges Versäumungsurteil vor, wonach die Ausübung des Geh- und Fahrrechtes nur ihr persönlich zusteht. Damit ist klargestellt, daß Brigitte P nicht berechtigt war, das Geh- und Fahrrecht auch durch dritte Personen und damit auch durch Bestandnehmer ausüben zu lassen. Der Auffassung des Revisionswerbers, daß das erwähnte Versäumungsurteil auf sein von Brigitte P abgeleitetes Recht keine Wirkung hatte, ist nicht beizutreten. Die Rechtskraftwirkung eines Urteiles erstreckt sich allerdings nur auf die Parteien des Prozesses; wenn die gleiche Frage, die Gegenstand dieses Prozesses war, in einem Rechtsstreit zwischen anderen Parteien als Vorfrage behandelt und gelöst werden muß, kommt ihrer Lösung im Vorprozeß, der von der Dispositionsfreiheit der dortigen Prozeßparteien beherrscht war, grundsätzlich keine Wirkung zu (JBl 1937, 477; Fasching, Komm zu den ZP-Ges zu § 411 ZPO Anm 46 III 727 f). Das gilt jedoch dann nicht, wenn die im Vorprozeß ergangene Entscheidung auch privatrechtliche Wirkungen zur Folge hatte, die das Recht betreffen, auf das sich eine Partei im nunmehrigen Prozeß beruft. Diese sogenannte Tatbestands- bzw. Reflexwirkung des rechtskräftigen Vorurteils hat mit der Rechtskraftwirkung nichts zu tun und besteht darin, daß die Tatsache, daß ein Urteil zwischen den Parteien des Vorprozesses ergangen ist, hinsichtlich des dort entschiedenen Rechtsanspruches für und gegen jeden wirkt; das Urteil und sein Inhalt müssen hingenommen werden, wie sie vorliegen, ohne daß eine neue Prüfung des Urteils auf dessen ordnungsgemäßes Zustandekommen und die Richtigkeit des Urteilsinhalts zulässig wäre. Diese Wirkung tritt insbesondere dann ein, wenn das rechtskräftige Urteil als juristische Tatsache die Grundlage für den gegen den nunmehrigen Beklagten geltend gemachten Anspruch bildet (SZ 14/13), also rechtliche Voraussetzungen geschaffen hat, sei es für die Bildung neuer Privatrechtsansprüche, sei es für deren Änderung oder deren Erlöschen (Pollak System des österr Zivilprozeßrechtes[2] 548, Rosenberg Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechtes[9] 731; vgl auch Sperl Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, 841, Fasching, Komm Anm 63 zu § 411 ZPO III 745). Hat nämlich eine gerichtliche Entscheidung festgestellt, was zwischen zwei Personen Rechtens ist, kann sich ein Dritter diesen Tatsachen und ihren Wirkungen ebensowenig widersetzen als er es vermöchte, sich der Tatsache eines zwischen denselben Parteien abgeschlossenen Rechtsgeschäftes zu entziehen (SZ 13/157).

Eine solche Reflexwirkung auf die Privatrechte des Beklagten trat dadurch ein, daß mittels Versäumungsurteils der Bestandgeberin Brigitte P gegenüber rechtskräftig festgestellt wurde, daß das Geh- und Fahrrecht über das Grundstück Nr 3 der Katastralgemeinde B nur ihr persönlich, nicht aber auch dritten Personen wie dem Beklagten, zusteht. Selbst wenn Brigitte P bis dahin das Recht zugestanden sein sollte, dritten Personen, und insbesondere Bestandnehmern, die Mitausübung des Geh- und Fahrrechtes zu gestatten, ist dieser Anspruch durch das Urteil im Vorprozeß erloschen. Damit wurde das Eigentum des Klägers, vom persönlichen Geh- und Fahrrecht der Brigitte P abgesehen, selbst wenn es früher weitergehend belastet gewesen sein sollte, befreit. Das anerkennt die Revision selbst, wenn sie darlegt, daß die im Versäumungsurteil getroffene Regelung für die Zukunft gelte. Sie übersieht aber, daß mit dem Versäumungsurteil Brigitte P auch die Möglichkeit genommen wurde, bereits Dritten eingeräumte Miteigentumsrechte aufrecht zu erhalten. Mit dem Erlöschen des allfälligen Rechtes der Brigitte P, das Geh- und Fahrrecht durch dritte Personen ausüben zu lassen, wurde nämlich die Rechtsgrundlage für das dem Beklagten obligatorisch eingeräumte Recht beseitigt. Der Beklagte kann sich somit auf ein Recht der Brigitte P dem Kläger gegenüber, diesem die Ausübung des Geh- und Fahrrechtes zu gestatten, nicht mehr berufen. Einer Prüfung, ob Brigitte P vor dem Versäumungsurteil berechtigt gewesen war, dem Beklagten die Mitausübung des Geh- und Fahrrechtes zu gestatten, bedarf es daher nicht. Sollte Brigitte P dadurch, daß sie sich gegen die gegen sie erhobene Klage nicht zur Wehr setzte, Rechte des Beklagten verletzt haben, kann sich der Beklagte mit Schadenersatzansprüchen nur an sie halten.

Abschließend ist noch zu der von der Revision nicht aufgeworfenen Frage Stellung zu nehmen, ob der Kläger berechtigt war, ein Klagebegehren in der von ihm gewählten Form zu stellen, das die Anmaßung einer dem Beklagten zustehenden Servitut, die dieser nie behauptete, unterstellt. Zweckmäßig wäre es sicher gewesen, das Klagebegehren so zu formulieren, daß der Beklagte das Gehen und Fahren über das Grundstück Nr 3 der Katastralgemeinde B zu unterlassen habe. Ein Kläger, der die Freiheit seines Eigentums schützen will, ist aber nicht verpflichtet zu erforschen, welchen Titel der Beklagte für die Ausübung seines angemaßten Rechtes, das der Kläger ja nicht anerkennt, in Anspruch nimmt. Der Kläger konnte daher, da sich das Verhalten des Beklagten ihm gegenüber auch so darstellte, die Anmaßung eines Geh- und Fahrrechtes als Dienstbarkeit annehmen. Mit dem urteilsmäßig ausgesprochenen Verbot ist auch das Verbot, aus einem von einem Dritten abgeleiteten Recht über das Grundstück zu gehen und zu fahren, mitumfaßt. Es kann daher auch bei dem vom Kläger gewählten Urteilstenor bleiben.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

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