OGH 2Ob215/79 (2Ob216/79)

OGH2Ob215/79 (2Ob216/79)15.4.1980

SZ 53/58

Normen

ABGB §1295
ABGB §1325
ABGB §1327
ABGB §1295
ABGB §1325
ABGB §1327

 

Spruch:

Durch das schädigende Ereignis ausgelöste Leistungen Dritter muß sich der Geschädigte als Vorteil anrechnen lassen, wenn dies dem Zweck des Schadenersatzes entspricht und nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führt. Es kommt dabei auf die Art des erlangten Vorteiles und den Zweck der Leistung des Dritten an

OGH 15. April 1980, 2 Ob 215, 216/79 (OLG Graz 6 R 89/79; LG Klagenfurt 23 Cg 344/78)

Text

Am 3. September 1977 wurde Dr. P H, Ehegatte der Erstklägerin und Vater des Zweit- und des Drittklägers, bei einem Verkehrsunfall getötet, den der Erstbeklagte als Lenker eines bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW verschuldet hatte. Die Kläger begehrten u. a. aus dem Rechtsgrund des Unterhaltsentganges die Zahlung von Renten, wobei sie ihre Rentenbegehren jeweils ohne Bedachtnahme auf die seit dem Tod des Dr. P H von dessen Dienstgeber bezahlten Firmenpension errechneten.

Nachdem die Beklagten die Einrechnung dieser Leistungen begehrt hatten, wiesen die Kläger darauf hin, daß es sich um eine freiwillige Zahlung des Dienstgebers handle, die jederzeit widerrufen werden könne.

Die Beklagten vertraten demgegenüber den Standpunkt, die Kläger müßten sich die Ruhegeldzahlungen des Dienstgebers anrechnen lassen, weil diese Leistungen vertraglich festgehalten und durch das schädigende Ereignis automatisch angefallen seien.

Das Erstgericht stellte fest, daß Dr. P H als Angestellter der P GesmbH mit seinem Dienstgeber eine Ruhegeldvereinbarung geschlossen hatte, nach der ihm und seinen Hinterbliebenen ein Anspruch auf Pensionsleistungen nach der Pensionsordnung der P GesmbH 1972 zustunden. In dieser Pensionsordnung sei vorgesehen, daß die Pension mit dem auf den Eintritt des Pensionsfalles folgenden Monat beginne. Gemäß § 9 der Pensionsordnung behalte sich die P GesmbH vor, ihre Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn sich die Belastung der P GesmbH auf Grund einer Änderung der sozialrechtlichen Bestimmungen oder Steuergesetzgebung wesentlich ändern würde oder wenn der Dienstnehmer im Dienste untreu gewesen wäre oder einen Entlassungstatbestand nach § 27 AngG verwirklicht hätte.

Auf Grund dieser Feststellungen war das Erstgericht der Auffassung, daß es sich nicht um freiwillig und jederzeit widerrufliche, sondern um automatisch anfallende Leistungen des Dienstgebers handle, die sich die Kläger anrechnen lassen müßten.

Das Berufungsgericht übernahm die angeführten Feststellungen und billigte auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Nur freiwillige Zuwendungen eines Dritten, auf die weder ein gesetzlicher noch ein vertraglicher Anspruch bestehe, seien zur Vorteilsausgleichung nicht heranzuziehen. Leistungen Dritter seien aber dann zu berücksichtigen, wenn sie durch das schädigende Ereignis automatisch ausgelöst würden, weil sie auf dem Gesetz oder auf einem Vertrag beruhen. Wenn diese Auffassung in der Literatur auch nicht unbestritten sei, entspreche sie doch dem Prinzip des Schadenersatzrechtes, daß der geschädigte Unterhaltsberechtigte durch das schädigende Ereignis weder besser noch schlechter gestellt werden solle. Der Anspruch der Kläger aus der Pensionsordnung könnte unter den in ihr enthaltenen Bedingungen auch klageweise geltend gemacht werden. Sollte entsprechend diesen Vertragsbestimmungen der Anspruch der Kläger auf Witwen- und Waisenpension in Zukunft einmal wegfallen, würde damit auch der Vorteil der Kläger wegfallen und ein Vorteilsausgleich nicht mehr in Frage kommen. Auf diese möglicherweise in der Zukunft eintretenden Umstände könne aber jetzt noch nicht Bedacht genommen werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger, soweit sie sich gegen die Anrechnung der vom Dienstgeber des Getöteten bezahlten Pension richtete, nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Im Meinungsstreit um die sogenannte Vorteilsausgleichung bei Zuwendungen von dritter Seite hat sich in letzter Zeit als herrschende Auffassung eine teleologische Betrachtungsweise durchgesetzt. Die Anrechnung eines Vorteils muß dem Zweck des Schadenersatzes entsprechen und soll nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führen. Es ist also nicht schlechthin jeder Vorteil anzurechnen, der dem Geschädigten aus dem vom Schädiger verursachten Ereignis zufließt (zu weitgehend hier z. B. noch Wolff in Klang[2] VI, 6), sondern es kommt immer auf die ganz besondere Art des erlangten Vorteiles und den Zweck der Leistung des Dritten an (Koziol, Haftpflichtrecht I, 155 ff.; Koziol - Welser[5], Grundriß des bürgerlichen Rechts I, 359, Larenz[12], Lehrbuch des Schuldrechtes I, 430 ff.).

Im Sinne dieser Lehre sind daher z. B. freiwillige Zuwendungen von dritter Seite, die zu dem Zweck gemacht werden, dem Geschädigten eine erste Hilfe zuteil werden zu lassen, das Unglück, das ihn betroffen hat, zu mildern oder ihm - etwa im Fall einer Sammlung unter Arbeitskollegen - Solidarität zu bezeugen, nicht anzurechnen (ZVR 1967/161 bezüglich Spenden von Berufskollegen und des Dienstgebers; SZ 28/46 und ZVR 1965/283 bezüglich freiwilliger Leistungen der Ärztekammer; ZVR 1975/199 bezüglich freiwilliger Hilfeleistungen von Angehörigen). In allen diesen Fällen ist davon auszugehen, daß der Dritte seine Leistungen dem Geschädigten unabhängig vom Ausmaß seines Schadenersatzanspruches und zusätzlich zu diesem zuwenden will, weshalb die Anrechnung unbillig wäre.

Ähnlich verhält es sich mit gewissen Sozialleistungen, die im Hinblick auf eine ganz bestimmte durch das schädigende Ereignis ausgelöste soziale Situation gewährt werden (ZVR 1961/169 und SZ 42/161 bezüglich der Zusatzrente zur Grundrente aus der Kriegsopferversorgung oder ZVR 1966/124 bezüglich einer Blindenbeihilfe).

Wiederholt wurde ausgesprochen, daß sich ein ersatzpflichtiger Schädiger gegenüber dem Geschädigten nicht auf die Unterhalts- bzw. Sorgepflicht eines Dritten berufen kann (SZ 26/67; ZVR 1973/194; 1974/245; 1975/166; 1977/9; 1978/16). Hier wird davon ausgegangen, daß durch das schädigende Ereignis entstehende Unterhaltsansprüche gegenüber dem Schadenersatzanspruch nachrangig sind, wie dies übrigens § 843 Abs. 4 BGB für den deutschen Rechtsbereich ausdrücklich formuliert (vgl. besonders deutlich ZVR 1974/112).

Schließlich ist auch auf Leistungen nicht Bedacht zu nehmen, die wohl aus Anlaß des vorzeitigen Todes angefallen sind, aber nicht die Beseitigung von Folgen des schädigenden Ereignisses, sondern die Abgeltung anderer Umstände betreffen (SZ 34/115; JBl. 1967, 484; ZVR 1972/173; ZVR 1975/16 bezüglich der Abfertigung; JBl. 1962, 262 bezüglich einer Urlaubsabfindung oder kürzlich 8 Ob 42/79 bezüglich der Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Lebensversicherung). Hier steht also wiederum der ganz bestimmte Zweck der Zuwendung einer Vorteilsausgleichung entgegen (vgl. besonders ZVR 1975/16 hinsichtlich der Zwecke der Abfertigung).

Allen diesen Fallgruppen läßt sich jedoch das vorliegende Anrechnungsproblem nicht einordnen. Der Geschädigte erhält hier nicht eine Leistung, die ihm nur wegen der durch das schädigende Ereignis ausgelösten Notlage, Hilfsbedürftigkeit usw. gewährt wird, sondern die Kläger haben auf Grund eines schon vor dem schädigenden Ereignisses abgeschlossenen Dienstvertrages zwischen dem Getöteten und seinem Dienstgeber einen Anspruch auf die fragliche Firmenpension. Der Zweck dieser Firmenpension wird in der Präambel der Pensionsordnung genau umrissen; Den Angestellten und ihren Hinterbliebenen soll, wenn die Bezüge bei Eintritt des Pensionsfalles die Höchstbeitragsgrundlage der gesetzlichen Pensionsversicherung übersteigen, für die Zeit nach der Pensionierung ein entsprechendes Einkommen gesichert werden (vgl. auch Punkt 3 Abs. 6 der Pensionsordnung, wonach eine Kürzung der Firmenpension eintritt, wenn der Berechtigte zusammen mit der Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung mehr als 85% des letzten Einkommens erhielte). Für die in der Revision unterstellten Absichten des Dienstgebers (Gewährung einer Art Abfertigung oder Erbschaft, Prämie für besondere Verdienste, Ausgleich für bestimmte Entbehrungen der Familienangehörigen des Dienstnehmers während des aufrechten Dienstverhältnisses) gibt es demgegenüber keine Anhaltspunkte. Nichts spricht dafür, daß der Dienstgeber des Getöteten durch die Leistung der Firmenpension den Klägern ein Einkommen verschaffen möchte, das höher wäre als das zu Lebzeiten des Getöteten gegebene. Der Dienstgeber hat sich vielmehr nur verpflichtet, ihnen ganz unabhängig von den Ursachen des Todes des Dienstnehmers eine den bisherigen Einkommensverhältnissen entsprechende Versorgung zu sichern. Der Zweck der Zuwendung des Dritten widerspricht daher hier einer Vorteilsausgleichung nicht.

Im Ergebnis ist damit an der vom Berufungsgericht angeführten Rechtsprechung festzuhalten.

Die in der Revision geäußerte Befürchtung, eine Anrechnung solcher Firmenpensionen müßte in Zukunft zu einer unsozialeren Vorgangsweise der Dienstgeber führen, ist nicht berechtigt. Der Dienstgeber des Getöteten hätte es nämlich in der Hand gehabt, die Pensionsleistungen für den Fall der Verursachung des Pensionsfalles durch die schädigende Handlung eines Dritten von der Abtretung der Schadenersatzansprüche des Pensionsberechtigten abhängig zu machen (vgl. SZ 40/150; SZ 43/70). Im Hinblick auf diese Möglichkeit kann auch nicht gesagt werden, daß es durch die Vorteilsausgleichung zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers kommt (vgl. dazu Geigel, Der Haftpflichtprozeß[17], 292).

Der Hinweis der Revision auf § 4 RHG ist schon deshalb verfehlt, weil sich diese Bestimmung nur auf eine Beschränkung einer gesetzlich bestimmten Haftpflicht, nicht aber auf vertraglich vereinbarte Leistungen bezieht.

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