OGH 2Ob73/55

OGH2Ob73/5516.2.1955

SZ 28/46

Normen

ABGB §1293
ABGB §1312
ABGB §1325
ABGB §1293
ABGB §1312
ABGB §1325

 

Spruch:

Im Sinne einer Vorteilsausgleichung kommen zu Lasten des Verletzten Beträge nicht in Betracht, die er an Krankengeld vom Versorgungsfonds der Ärztekammer erhält.

Entscheidung vom 16. Februar 1955, 2 Ob 73/55.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die beiden Beklagten werden von dem Kläger wegen Ersatzes des ihm durch einen Kraftwagenunfall erwachsenen Schadens in Anspruch genommen. Der Zweitbeklagte haftet für die Ersatzansprüche auf Grund seines Verschuldens als der an dem Unfall schuldtragende Lenker, der Erstbeklagte als der Halter des Kraftfahrzeuges. Strittig ist, ob sich der Kläger bei seinem Schaden das Krankengeld im Betrage von 2280 S, das ihm vom Versorgungsfonds der Ärztekammer für Wien ausbezahlt wurde, anrechnen lassen muß.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zum Ersatz des Verdienstentganges des Klägers ohne Berücksichtigung dieses Krankengeldes. Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil in Ansehung des Betrages von 2280 S s. A. mit Rechtskraftvorbehalt auf. Das Krankengeld sei dem Kläger bei seinem Schaden anzurechnen, wenn es sich nicht um einen rein zufälligen, nach den Erfahrungen des Lebens nicht zu erwartenden Vorteil handle. Nach Ergänzung des Verfahrens sprach das Erstgericht dem Kläger neuerlich einen Betrag von 2280 S s. A. zu. Auf Grund des Vorstandsbeschlusses der Ärztekammer für Wien vom 12. Oktober 1954 habe die Leistung des Versorgungsfonds der Ärztekammer nur dem durch einen Unfallgeschädigten Arzte zugute zu kommen und keinesfalls dem Schädiger. Die Ärztekammer habe sich auch mit ihrem Schreiben vom 21. Oktober 1954 dahin ausgesprochen, daß sie von den Beklagten den Ersatz des Betrages von 2280 S nicht begehren werde, wenn dieser Betrag von der Schadenersatzforderung des Klägers abgezogen werde. Eine Anrechnungspflicht für den Kläger bestehe ähnlich wie bei Spenden aus einer Sammlung nicht.

Das Berufungsgericht wies das Begehren auf Bezahlung eines restlichen Betrages von 2280 S s. A. ab. Aus dem Beweisverfahren ergebe sich, daß jedem bedürftigen Arzt, ebenso wie dem Kläger, aus dem Versorgungsfonds der Ärztekammer das Krankengeld ausbezahlt werde. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger im Zeitpunkte des Unfalles keinen Rechtsanspruch auf das Krankengeld gehabt habe. Der Kläger habe mit der Gewährung des Krankengeldes rechnen müssen. Das Krankengeld habe seinen Unfallsschaden vermindert.

Der Oberste Gerichtshof stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Frage der Vorteilsausgleichung im Falle von Leistungen Dritter an den Geschädigten wurde in der Rechtslehre widerspruchsvoll behandelt. Ehrenzweig (System 2. Aufl. II/1 § 301 Z. 6) erklärt Versicherungsansprüche für nicht anrechenbar, wenn die Versicherung nicht gerade dazu bestimmt gewesen sei, den Haftpflichtigen zu entlasten. Von Wolff (in Klang 2. Aufl. VI 6 zu § 1293 ABGB.) wird die Auffassung vertreten, daß sich der Geschädigte anrechnen lassen müsse, was er mit Rücksicht auf die Beschädigung von dritter Seite erhalte, auch wenn es sich um freiwillige Spenden oder Leistungen aus einer Privatversicherung handle. Der Schädiger werde aber in Anlehnung an § 1042 ABGB. dem Dritten gegenüber ersatzpflichtig. Die deutsche Rechtslehre hat die Abgrenzung der anzurechnenden und der dem Gläubiger verbleibenden Vorteile nach der Theorie der adäquaten Verursachung versucht und die Verursachungslehre dahin ergänzt, daß auch ein adäquat verursachter Vorteil nicht auszugleichen ist, wenn er den Schädiger auf Kosten Dritter oder besonderer Leistungen des Geschädigten begünstige oder der Schuldner vorsätzlich gehandelt habe. Der Tendenz der Gewinnabwehr des Gläubigers müsse mit eben soviel Recht der Gedanke der Abwehr der Schuldnerbegünstigung auf Kosten Dritter entgegengestellt werden (Stoll, Vertrag und Unrecht, S. 200; vgl. auch RGZ. 153, 267: "Es liegt in der Richtung der obigen Entscheidungen, daß die Schädiger sich nicht die Früchte zunutze machen dürfen, die aus den Mitteln erwachsen, welche die Notare für ihre Fürsorgezwecke zusammenbringen"). Der Oberste Gerichtshof hat sowohl Leistungen auf Grund freiwilliger Spenden als auch Bezüge auf Grund privater Versicherung nicht als anrechenbar erklärt (GlUNF. 4221; 3 Ob 104/53). In der Entscheidung 2 Ob 20/53 wird ausgesprochen, daß der Schädiger nicht verlangen könne, daß die den Hinterbliebenen zufließenden Pensionsbezüge als zur Entlastung des Schädigers gewährt angesehen würden, und daß sich der Schädiger nicht deswegen beschwert erachten könne, weil die Pensionsbezüge vom Gesamtschaden abgezogen und erst von dem sich ergebenden Unterschiedsbetrag die dem Mitverschuldensanteil entsprechende Quote gebildet worden sei. An der tatsächlichen Schadensminderung nehme der Schädiger auch schon dann teil, wenn man sich der von den Untergerichten gewählten Berechnungsart anschließe, denn er habe im Ergebnis jedenfalls weniger zu bezahlen als das, was die Hinterbliebenen verlangen könnten, wenn ihr Pensionseinkommen ausfiele.

Die von Wolff vertretene Auffassung würde nur dann nicht zur einer ungerechtfertigten Begünstigung des Schädigers führen, wenn der Schädiger dem Dritten gegenüber ersatzpflichtig wäre. Eine solche Ersatzpflicht wurde jedoch in der Entscheidung ZBl. 1917 Nr. 61 verneint (hiezu ablehnend die Bemerkung des Herausgebers a. a. O. S. 255 ff.). Die Problemstellung wird jedoch vereinfacht, wenn der Dritte von vornherein nicht beabsichtigt, Ersatzansprüche gegen den Schädiger zu stellen, sei es, daß ihm solche tatsächlich nicht zustehen oder daß er ihre Durchsetzung für zweifelhaft an sieht oder daß er dem Geschädigten eine zusätzliche Leistung gewähren will. Würde man in einem solchen Falle die Leistungen Dritter bei der Berechnung des Schadens berücksichtigen, so käme dies einer Begünstigung des Schädigers auf Kosten Dritter gleich. Im vorliegenden Fall beabsichtigt die Ärztekammer nicht, Ersatzansprüche gegen die Beklagten geltend zu machen. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Vorteilsausgleichung liefe im Ergebnis darauf hinaus, daß der Versorgungsfonds der Ärztekammer einer Haftpflichtversicherung nahekäme, bei der andere, ohne es zu wollen, die Prämien für den Schädiger bezahlt hätten (vgl. Machleid, zur Vorteilsausgleichung im Schadenersatzrecht, Süddeutsche Juristenzeitung 1952 S. 644). Das Krankengeld ist nach den Feststellungen der Unterinstanzen als zusätzliche Leistung neben der dem Geschädigten zustehenden Ersatzforderung gedacht. Eine Vorteilsausgleichung würde jedoch solche Zuwendungen für den Geschädigten unwirksam machen, obwohl zusätzliche Leistungen Dritter an den Geschädigten anläßlich eines Schadenfalles nicht verboten sind. Sie stunde mit dem Grundsatze der Freiheit der Handlungen, denen keine gesetzliche Vorschrift entgegensteht, im Widerspruch.

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