OGH 2Ob15/70

OGH2Ob15/709.4.1970

SZ 43/70

Normen

ABGB §37
ABGB §1295
Bürgerliches Gesetzbuch §616
ABGB §37
ABGB §1295
Bürgerliches Gesetzbuch §616

 

Spruch:

Wird bei einem Verkehrsunfall in Österreich ein Ausländer verletzt, sind seine Ansprüche nach österreichischem Recht, die Frage, ob er Anspruch auf Fortzahlung des Entgeltes während der Arbeitsunfähigkeit hatte, aber nach dem für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen (ausländischen) Recht zu beurteilen

OGH 9. April 1970, 2 Ob 15/70 (OLG Graz 3 R 115/69; KG Leoben 4 Cg 119/68)

Text

Am 29. Jänner 1966 wurde Ernst F bei einem Verkehrsunfall in L (Steiermark) verletzt. Das Alleinverschulden am Unfall trifft den Beklagten. Ernst F war bei der Klägerin als Jugendwart beschäftigt. Die Klägerin behauptet, sie habe während der unfallsbedingten Arbeitsunfähigkeit Fs diesem die Bezüge weiter bezahlt. Dazu sei sie nur unter der Bedingung verpflichtet gewesen, daß ihr F seine entsprechenden Ansprüche gegen den Beklagten abtrete. Das habe er getan. Sie verlange daher den Ersatz des Betrages von 4543.51 DM s A, wovon 3961.27 DM als "Bezüge" und 582.24 DM als "Versicherungskosten (Arbeitgeberanteil)" bezeichnet werden.

Der Beklagte behauptet, daß die Klägerin den Ersatz ihrer Leistungen nicht verlangen könne, weil es sich hiebei um einen nach österreichischem Recht nicht ersatzfähigen mittelbaren Schaden handle; ein Teil der Ersatzansprüche Fs gegen den Beklagten könne wegen Leistungen der Barmer Ersatzkasse nicht mehr geltend gemacht werden.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Es war der Meinung, daß die Klägerin nur einen mittelbaren Schaden erlitten habe, dessen Ersatz nach österreichischem Recht nicht zustehe. Der geltend gemachte Ersatzanspruch sei aber nach österreichischem Recht zu beurteilen.

Über Berufung der Klägerin hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es teilte die Ansicht, daß nach österreichischem Recht der Ersatz eines mittelbaren Schadens nicht zustehe. Die Klägerin habe aber eine Abtretung der Ersatzansprüche Fs gegen den Beklagten an sie behauptet und machte diesen - abgetretenen - Ersatzanspruch geltend. Die Abtretung, die im Rahmen des Dienstverhältnisses zwischen der Klägerin und F erfolgt sei, sei nach deutschem Recht zu beurteilen. Darnach sei sie zulässig gewesen. Ihre Beachtung verstoße auch nicht gegen den ordre public in Österreich. Es müsse daher geprüft werden, ob die behauptete Zession und der Bestand der abgetretenen Forderung richtig sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Da der Beklagte Bediensteter der Österreichischen Bundesbahnen mit Wohnsitz in L ist, kann - mangels anderer Anhaltspunkte im Verfahren

Als Vorfrage für die Bestimmung des Umfanges des Verdienstentganges und damit des Schadens des Verletzten ist daher zu prüfen, wie weit die Klägerin als Dienstgeberin des Verletzten trotz dessen Arbeitsunfähigkeit das Entgelt weiter zu zahlen hatte.

Die Beurteilung dieser Vorfrage muß nach den zwischen dem Verletzten und seinem Dienstgeber bestandenen Rechtsbeziehungen erfolgen. Diese Rechtsbeziehungen bestanden unabhängig von Ort und Art der schädigenden Handlung, sodaß ein sachlicher Grund zur Anwendung des Rechtes des Tatortes nicht gegeben ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß sich der Inhalt dieser Rechtsbeziehungen auf den Umfang der Ansprüche des Verletzten auswirken kann. Es ist zwischen dem Recht, das für die Beurteilung der Frage, welche Ansprüche aus dem schädigenden Ereignis zustehen, maßgebend ist, und jenem zu unterscheiden, nach dem andere in diesem Zusammenhang zu lösende Rechtsfragen zu beantworten sind. So wurde zu 2 Ob 227/67 ausgesprochen, daß bei der Beurteilung des Entganges des Ehemannes wegen Tötung seiner (deutschen) Ehefrau durch einen Unfall in Österreich die Höhe des bis zum Tod der Gattin an sie zu leistenden Unterhaltes nach deutschem Recht zu beurteilen sei. Auch bei der Beurteilung der Legalzession einer Ersatzforderung wird zwischen dem für den Anspruch maßgeblichen Schuldstatut (Recht des Tatortes) und dem für den Eintritt der Zession maßgeblichen Recht unterschieden (Schwind, ZVR 1965, 293; SZ 33/43, EvBl 1967/20; RZ 1969, 69 u a). Ebenso ist die Frage, wie weit der zu ersetzende Schaden durch die Versicherung gedeckt ist, nicht nach dem Recht des Tatortes, sondern nach dem für den Versicherungsvertrag maßgeblichen Recht zu beurteilen. Da im vorliegenden Fall der Dienstvertrag offenbar zwischen Deutschen in der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen und erfüllt wurde, war er nach deutschem Recht zu beurteilen (§ 37 ABGB).

Darnach ist aber,der Dienstnehmer bei Lohnfortzahlung im Fall der Arbeitsverhinderung verpflichtet, den entsprechenden Anspruch gegen den Dritten dem Dienstgeber abzutreten. Der Dienstgeber erwirbt dabei keinen Anspruch aus eigenem Recht, sondern nur vom Dienstnehmer abgeleitete Rechte. Diese umfassenden Bruttolohn einschließlich des Arbeitgeberanteiles an Abgaben, weil auch diese im Interesse des Dienstnehmers erbracht werden, damit er in den Genuß der entsprechenden Leistungen kommen kann. Wegen dieser Verpflichtung des Dienstnehmers kann die Gewährung der Leistungen des Dienstgebens von der Abtretung der entsprechenden Ansprüche gegen den Schädiger abhängig gemacht werden (Soergel - Mühl, BGB § 616 Bem 47 bis 49; NJW 1964, 2008; NJW 1954, 1153 u a). Waren daher die Ansprüche des verletzten F gegen die Klägerin von der Abtretung seiner Ansprüche gegen den Beklagten abhängig gemacht worden, so hatte der Verletzte keinen unbedingten Anspruch auf Fortzahlung seines Entgeltes während der unfallsbedingten Arbeitsverhinderung. Er hatte daher einen Anspruch gegen den schuldigen Beklagten auf Ersatz des Verdienstes, den er ohne die unfallsbedingte Arbeitsverhinderung gehabt hätte. Er war berechtigt, diesen Ersatzanspruch seinem Dienstgeber abzutreten, um die Weiterzahlung der Bezüge durch diesen trotz der Arbeitsverhinderung zu erreichen.

Die Möglichkeit der Abtretung der Ansprüche an den Dienstgeber des Verletzten verstößt nicht gegen den ordre public in Österreich. Dieser dient dem Schutz der inländischen Rechtsordnung, nicht so sehr der inländischen Rechtssubjekte. Er ist nicht verletzt, wenn ein Anspruch nach dem anzuwendenden ausländischen Recht höher ist, als er es bei Anwendung des inländischen Rechtes wäre (SZ 37/68; RZ 1968, 69; JBl 1960, 604 Bydlinski). Es wurde überhaupt in der österreichischen Rechtsprechung die Möglichkeit bejaht, daß der Dienstgeber bei Dienstunfähigkeit des Dienstnehmers Leistungen nur vorschußweise erbringt und der Dienstnehmer verpflichtet ist, den Vorschuß als Schadenersatz vom Schädiger einzufordern und die dadurch erlangten Beträge dem Dienstgeber abzuführen (2 Ob 103/69). Dasselbe Ergebnis wird herbeigeführt, wenn der Dienstgeber die Leistung nur gegen Abtretung der Ansprüche des Dienstnehmers gegen den Schädiger, erbringt und den abgetretenen Anspruch selbst geltend macht. Daß nach dem diesbezüglich maßgeblichen deutschen Recht zwingende gesetzliche Vorschriften dabei nicht verletzt werden, wurde bereits dargelegt.

Es bedarf noch der Klärung, ob die Zession erfolgte, die zedierten Ansprüche bestanden und wie weit sie wegen Leistungen der Barmer Kasse nicht mehr geltend gemacht werden können.

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