OGH 2Ob38/64

OGH2Ob38/6430.4.1964

SZ 37/68

Normen

ABGB §§33 ff
ABGB §1327
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332
ABGB §§33 ff
ABGB §1327
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332

 

Spruch:

Das österreichische Bundesbeamtenrecht kennt zwar keine der allgemeinen Regelung des deutschen Bundesbeamtengesetzes entsprechende Legalzession hinsichtlich der Ansprüche der Hinterbliebenen gegen den Schädiger nach § 1327 ABGB. auf den Dienstgeber. Die Anwendung der ausländischen (deutschen) Legalzessionsregelung als des Statutes des Rechtsgrundes der Zession verstößt aber keineswegs gegen den ordre public, da eine ähnliche Regelung der österreichischen Rechtsordnung in anderen Belangen nicht unbekannt ist und die Funktion des ordre public richtigerweise als Schutz der inländischen Rechtsordnung und nicht so sehr inländischer Rechtssubjekte zu verstehen ist.

Entscheidung vom 30. April 1964, 2 Ob 38/64. I. Instanz:

Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Gottfried W. ist am 16. August 1958 auf der Drautaler Bundesstraße von Töplitsch durch den Zusammenstoß des von ihm gelenkten Personenkraftwagens mit dem infolge eines Dienstauftrages vom Zweitbeklagten gelenkten Lastkraftwagen des Erstbeklagten tödlich verunglückt. Gottfried W. war deutscher Staatsangehöriger und aktiver Offizier beim Deutschen Bundesheer im Range eines Generalmajors gewesen. Der Zweitbeklagte ist vom Strafgericht rechtskräftig schuldig erkannt worden, den Verkehrsunfall vom 16. August 1958 zufolge verkehrswidrigen Verhaltens verschuldet zu haben. Im vorliegenden Prozeß macht die Klägerin - die Deutsche Bundesrepublik - geltend, daß den Zweitbeklagten das Alleinverschulden am Unfall des Gottfried W. treffe und der Erstbeklagte als Kraftfahrzeughalter für das Verschulden des Zweitbeklagten gemäß Art. IV EinfV. z. KraftfVerkG. hafte; den Hinterbliebenen des Gottfried W. nämlich seiner Witwe Ursula und seinen beiden Kindern Wolfgang und Heike, seien Ersatzansprüche gegen die beiden Beklagten gemäß § 1327 ABGB. zugestanden; die Klägerin habe an diese Hinterbliebenen im Zusammenhange mit dem Ableben des Gottfried W. verschiedene Leistungen erbringen müssen und nehme nunmehr die beiden Beklagten auf Ersatz zufolge der Legalzession des § 51 des deutschen Soldatenversorgungsgesetzes in Anspruch. Nach dem letzten Stande des erstgerichtlichen Verfahrens verlangt die Klägerin die Zahlung von 41.258.10 DM s. A. sowie die Feststellung, daß die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig seien, der Klägerin für alle jene Versorgungsleistungen, welche diese an die Hinterbliebenen des Gottfried W. bis zum 31. März 1964 noch zu erbringen habe, insoweit Regreß zu leisten, als im Ersatzanspruch dieser Hinterbliebenen an die Beklagten wegen des Unfalls vom 16. August 1958 gemäß § 1327 ABGB. unter Berücksichtigung der Leistungen der Klägerin ein Deckungsfonds vorhanden sei. Die beklagten Parteien haben den Anspruch bestritten.

Das Erstgericht hat das bezeichnete Leistungs- und Feststellungsbegehren mit der Begründung abgewiesen, daß im Dienstrechte der österreichischen Bundesbediensteten eine den Bestimmungen des § 51 des deutschen Soldatenversorgungsgesetzes beziehungsweise § 1542 RVO. entsprechende Legalzession fehle; Pensionsleistungen an Hinterbliebene nach Bundesbediensteten würden in Österreich nur vom Dienstgeber, also dem Bunde, erbracht, ohne daß dieser mangels einer darauf bezughabenden gesetzlichen Zessionsbestimmung die Möglichkeit hätte, sich am schuldtragenden Dritten zu regressieren; bei dieser Rechtslage im Inlande ergebe sich unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der inländischen Rechtsordnung vor dem Eindringen von mit ihr unvereinbaren Rechtsgedanken (ordre public) die Unwirksamkeit der durch das deutsche Beamtenrecht angeordneten Legalzession an den öffentlichen Dienstgeber für den inländischen Rechtsbereich, sodaß dem Klagebegehren der Erfolg versagt bleiben müsse.

Der Berufung der klagenden Partei hat das Berufungsgericht Folge gegeben und in Abänderung des Ersturteils ausgesprochen, daß der auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtete Anspruch der klagenden Partei dem Gründe nach zu Recht bestehe; die Gegenforderung der beklagten Parteien "auf Aufrechnung von 248.000 S" bestehe dem Gründe nach nicht zu Recht; es werde festgestellt, daß die beklagten Parteien der Klägerin zur ungeteilten Hand für alle jene Versorgungsleistungen, welche die Klägerin an die Hinterbliebenen, Ursula W., Wolfgang W. und Heike W., bis zum 31. März 1964 noch zu erbringen haben werde, soweit Regreß zu leisten haben, als im Ersatzanspruch dieser Hinterbliebenen an die beklagten Parteien wegen des Unfalls vom 16. August 1958 gemäß § 1327 ABGB. unter Berücksichtigung der Leistungen der Klägerin ein Deckungsfonds vorhanden sei.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte den Feststellungsbeschluß des Berufungsgerichtes, hob jedoch das vom Berufungsgericht gefällte Zwischenerkenntnis und im Umfang dieser Aufhebung auch das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Streitsache insoweit zur Fortsetzung der Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zunächst ist die Frage der Weitergeltung der bezeichneten Legalzession im ausländischen Rechtsbereiche zu erörtern. In dieser Hinsicht führt der Erstbeklagte zwar richtig aus, daß die Vorschrift des § 51 des bezeichneten Soldatenversorgungsgesetzes derzeit nicht mehr aufrecht besteht. Denn durch die Anordnung des Art. I Nr. 15 des Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes vom 28. Juli 1961, DRGBl. I S. 1085, sind die §§ 51 und 52 des Soldatenversorgungsgesetzes vom 26. Juli 1957 (in seiner letzten Fassung) gestrichen worden. Mit Recht hat aber die Klägerin als Revisionsgegnerin darauf verwiesen, daß es sich bei dieser Anordnung nur um einen gesetzestechnisch bedingten Vorgang gehandelt hat, weil der Grundsatz des im vorliegenden Prozeß zur Erörterung stehenden Forderungsüberganges vom Gesetzgeber der Deutschen Bundesrepublik bereits vor der genannten Novelle vom 28. Juli 1961 ganz allgemein (auch für das Gebiet der Soldatenversorgung) verwirklicht worden war. In dieser Hinsicht ist auf die Schaffung des § 87a des Bundesbeamtengesetzes und die durch das 3. Gesetz zur Änderung des Soldatengesetzes vom 28. März 1960, DRGBl. I S. 206, verfügte Einfügung des § 87a des Bundesbeamtengesetzes in § 30 (2) des Soldatengesetzes vom 19. März 1956, DRGBl. I S. 114, zu verweisen (vgl. die derzeit gültigen Texte in der im Verlag August Lutzeyer herausgegebenen Sammlung "Das Deutsche Bundesrecht" - Heilemann zu I

H 10 und I P 29 - sowie Geigel, Haftpflichtprozeß[11], 1963, S. 27

f. und 752 ff.). Es ist daher von der Weitergeltung des von der Klägerin für sich in Anspruch genommenen Instituts der Legalzession für den ausländischen (deutschen) Rechtsbereich auszugehen.

Bei dieser Rechtslage ist mit Lehre und Rechtsprechung (vgl. z. B. SZ. XXXIII 43, und die Anmerkung zu dieser Entscheidung von Bydlinski in den JBl. 1960, S. 605) zwischen dem Statut der abzutretenden Forderung und dem Statut des Rechtsgrundes der Zession zu unterscheiden. Die Anwendung des § 51 des deutschen Soldatenversorgungsgesetzes, bzw. der an seine Stelle getretenen nunmehrigen Regelung als des für den vorliegenden Fall bestehenden Rechtsgrundes der Legalzession könnte nur bei Verstoß gegen den ordre public im Inlande unterbleiben. Von einem derartigen Verstoß kann aber nicht die Rede sein, wie die Berufungsinstanz - im Gegensatz zur Auffassung des Erstgerichtes - überzeugend dargelegt hat. Die breiten Ausführungen der Revisionswerber sind nicht geeignet, einen Rechtsirrtum der Berufungsinstanz zu diesem streitentscheidenden Umstande darzutun. Gewiß kennt das österreichische Bundesbeamtenrecht keine der allgemeinen Regelung des deutschen Bundesbeamtengesetzes entsprechende Legalzession hinsichtlich der Ansprüche der Hinterbliebenen gegen den Schädiger nach § 1327 ABGB. auf den Dienstgeber. Das Institut einer Legalzession zugunsten des öffentlichen Dienstgebers bei Schädigung eines Beamten ist aber dem österreichischen Rechte seit der Erlassung der Dienstpragmatik der Landesbeamten in Niederösterreich (§ 53 (1) Satz 2 des Landesgesetzes vom 24. März 1955, LGBl. für das Land Niederösterreich Nr. 51 aus 1955) nicht mehr fremd (vgl. die grundsätzlichen Ausführungen zu der dortselbst vorgesehenen Legalzession in 2 Ob 513, 514/60 vom 5. Jänner 1961), sodaß schon unter diesem Gesichtspunkte die Ansicht der Revisionswerber abzulehnen ist, der Schutz der inländischen Rechtsordnung verbiete die Anwendung der im Ausland vorgesehenen bezeichneten Legalzession im vorliegenden inländischen Schadenersatzprozeß, ganz abgesehen davon, daß das Institut der Legalzession bei Schädigung eines Sozialversicherten zugunsten des Sozialversicherungsträgers in der österreichischen Rechtsordnung immer bekannt war (vgl. die nunmehrige Regelung des § 332 ASVG.). Die vom Erstbeklagten in der Rechtsrüge zu diesem Problem vorgenommene Unterscheidung zwischen der Legalzession zugunsten eines Versicherungsträgers und jener zugunsten eines öffentlichen Dienstgebers vermag nicht zu überzeugen; von einem bloß mittelbaren Schaden im Sinne dieser Revisionsausführungen kann nicht die Rede sein. In allen Fällen ist doch die Grundlage der Ersatzpflicht die Regelung des § 1327 ABGB. Erfolgt aus einer körperlichen Verletzung der Tod, so muß - unter anderem - den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetze zu sorgen hatte, das, was ihnen dadurch entgangen ist, ersetzt werden. Das Ausmaß der Leistungen des Schädigers oder des sonstigen Ersatzpflichtigen ist allerdings von zufälligen Umständen abhängig und in dem Falle, daß die Hinterbliebenen von dritter Seite Versorgungsleistungen erhalten, kann sich der Umfang der Ersatzpflicht des Schädigers beträchtlich verringern. Durch die Normierung der Legalzession soll verhindert werden, daß der Ersatzpflichtige auf Kosten eines Dritten weniger zu leisten hat als in dem Falle, daß den Hinterbliebenen Leistungen eines Dritten aus dem Tode ihres Ernährers nicht zukommen. Auf keinen Fall muß der Schädiger mehr leisten, als der Regelung des § 1327 ABGB. entspricht. Er darf nicht mit einer Vorteilausgleichung aus dem Vermögen eines Dritten rechnen; erbringt aber der Dritte Leistungen an die Hinterbliebenen, ohne Ersatz vom Schädiger zu fordern, dann kann dies nicht die Richtschnur des Umfanges der Ersatzpflicht des Schädigers für jene Fälle sein, in denen der Übergang der Ersatzansprüche auf den Dritten nach Maßgabe seiner Leistungsverpflichtung vorgesehen ist. Die Funktion des ordre public ist richtigerweise (vgl. Bydlinski, a. a. O.) als Schutz der inländischen Rechtsordnung und nicht so sehr inländischer Rechtssubjekte zu verstehen; was die Revisionswerber gegen die Beurteilung der Berufungsinstanz in diesem Punkte vorbringen, ist aber im Ergebnis nichts anderes als die Geltendmachung der Ablehnung der nach der ausländischen Rechtsordnung zugunsten der Klägerin vorgesehenen Legalzession aus dem bloßen Interesse der Beklagten heraus, die Ersatzleistung wegen der Folgen des Unfalls vom 16. August 1958 möglichst gering zu halten. Insoweit ist die Rechtsrüge der Revisionswerber unbegrundet.

Hinsichtlich des von der Berufungsinstanz gefällten Zwischenurteils sind aber die Revisionen im Sinne der folgenden Ausführungen begrundet. Es ist festgestellt, daß der Erstbeklagte an die Hinterbliebenen des Gottfried W. auf Grund des Vergleichs vom 19. Juni 1959 den Betrag von 248.000 S ersetzt hat, nachdem die klagende Partei erklärt hatte, den von der Witwe Ursula W. (namens der Hinterbliebenen) persönlich erhobenen Ansprüchen den Vorrang vor den von der Klägerin geltend gemachten Forderungen einzuräumen. Während nun das Feststellungserkenntnis die künftige Ersatzpflicht der beklagten Parteien in bezug auf den Forderungsübergang unter Bedachtnahme auf den Deckungsfonds (die Ansprüche der Hinterbliebenen gegen die beiden Beklagten ohne Rücksicht auf den Forderungsübergang) eindeutig formuliert hat, muß das gefällte Zwischenurteil als nicht eindeutig zu verstehende Grundlage des weiteren Verfahrens über die Höhe der Ansprüche der Klägerin bezeichnet werden. Auszugehen ist doch vom Deckungsfonds und dieser ist nach den obigen Ausführungen über die Zahlung von 248.000 S an die Hinterbliebenen und die von der Klägerin erklärte Vorrangseinräumung um die gezahlten 248.000 S nach dem Grundsatz der zeitlichen Kongruenz anteilsmäßig zu kürzen. Das Zwischenurteil der Berufungsinstanz sagt nicht ausdrücklich das Gegenteil; dies gilt aber nur bei der Annahme, daß der Leistungsanspruch der Klägerin punkto 41.258.10 DM s. A. bereits um die an die Hinterbliebenen vom Erstbeklagten gezahlten 248.000 S anteilsmäßig gekürzt ist. Gerade dies läßt sich aber dem Vorbringen der Klägerin nicht eindeutig entnehmen. Denn nach dem Klagsvorbringen sind in den erwähnten

41.258.10 DM - unter anderem - Hinterbliebenenbezüge für die Zeit vom 1. Dezember 1958 bis 31. Mai 1960 in der Höhe von 27.545.40 DM enthalten, des weiteren Hinterbliebenenbezüge für die Zeit vom 1. Juni bis 31. August 1960 in der Höhe von 4905.87 DM, später aber hat die Klägerin nur den Zeitraum vom 1. Dezember 1958 bis 31. März 1964 (dieser Zeitraum deckt sich also zum Teil mit der in der Klage angegebenen Zeitspanne vom 1. Dezember 1958 bis 31. August 1960) den Deckungsfonds mit 1486 DM brutto monatlich beziffert. Wenn auch davon der Betrag von 1125 DM monatlich (als Pension) abgezogen und zugleich auf die Leistungen des Erstbeklagten an die Hinterbliebenen laut Vergleich vom 19. Juni 1959 hingewiesen worden ist, bleibt doch das Verhältnis der bezeichneten Beträge zueinander nicht restlos geklärt und es besteht die Gefahr, daß im Verfahren über die Höhe des Leistungsanspruchs (laut Zwischenurteil der Berufungsinstanz) Differenzen hinsichtlich der Abzugsposten auftreten könnten. Dieser Gefahr kann bei der ungewöhnlichen und komplizierten Verrechnungsart nur dadurch wirksam begegnet werden, daß die Fällung eines für die konkrete Erledigung nicht brauchbaren Zwischenurteils nach § 393 (1) ZPO. vermieden wird. Aus dieser Erwägung war mit der Aufhebung und Rückverweisung laut Spruch im bezeichneten Umfange vorzugehen. Im kommenden Verfahren wird das Erstgericht den Deckungsfonds zu ermitteln und davon laut anteilsmäßiger Zahlung an die Hinterbliebenen bei der Vorrangseinräumung der Klägerin die entsprechenden Abzüge vorzunehmen haben; nur innerhalb des restlichen Deckungsfonds gebührt der Klägerin der Ersatz ihrer Aufwendungen.

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