OGH 2Ob248/69

OGH2Ob248/6923.10.1969

SZ 42/161

Normen

Gewerbliches Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz §109
Kriegsopferversorgungsgesetz §36 (3)
Kriegsopferversorgungsgesetz §43 (3)
ZPO §228
Gewerbliches Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz §109
Kriegsopferversorgungsgesetz §36 (3)
Kriegsopferversorgungsgesetz §43 (3)
ZPO §228

 

Spruch:

Der Anspruchsübergang nach § 332 ASVG. ist davon unabhängig, ob der

Sozialversicherer infolge des Versicherungsfalles mehr oder weniger

Leistungen als bisher zu erbringen hat (so schon JBl. 1957 S. 479 =

Vers. 1957 S. 298 = ZVR. 1958 Nr. 18).

Die bloße Möglichkeit weiterer Regreßansprüche des Sozialversicherungsträgers rechtfertigt sein Feststellungsbegehren. Witwen- und Waisenbeihilfen nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz sind auf den Deckungsfonds nicht anzurechnen.

Entscheidung vom 23. Oktober 1969, 2 Ob 248/69.

I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Josef L. wurde am 26. Mai 1963 bei einem Verkehrsunfall verletzt und verstarb einige Tage später. Es ist nicht mehr strittig, daß diesen Unfall der Beklagte zu drei Viertel, Josef L. zu einem Viertel verschuldet hat. Dieser war bei der Klägerin sozialversichert. Sie begehrte, gestützt auf die Legalzession des § 109 GSPVG., Ersatz von Rentenleistungen, die sie für die Hinterbliebenen ihres Versicherungsnehmers, nämlich die Witwe Maria L. und die minderjährigen Waisen Gerlinde L. und Josef L., erbrachte. Ihre Forderung errechnete sie zuletzt mit 23.837 S. Mit dem Leistungsverband sie ein Feststellungsbegehren, betreffend die Ersatzpflicht des Beklagten für künftige Regreßansprüche nach Maßgabe des auf der Grundlage der bereits genannten Verschuldensteilung zu errechnenden Deckungsfonds.

Das Erstgericht sprach der Klägerin 7587.52 S samt stufenweisen Zinsen zu und wies das auf Zahlung weiterer 16.249.48 s gerichtete sowie ein weitergehendes Zinsenbegehren ab. Dem Feststellungsbegehren gab es lediglich bezüglich der Regreßansprüche für Maria L. und Gerlinde L. statt, bezüglich der Regreßansprüche für den minderjährigen Josef L. wurde das Feststellungsbegehren abgewiesen.

Infolge Berufung der Klägerin erkannte das Berufungsgericht in teilweiser Abänderung des Ersturteils unter Abweisung des Mehrbegehrens von 6770.62 S den Beklagten schuldig, der Klägerin 17.066.38 S samt Stufenzinsen zu bezahlen. Es gab auch dem Feststellungsbegehren im vollen Umfang statt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach den Ausführungen der Revision ist Gegenstand des Verfahrens in dritter Instanz 1. die vom Erstgericht bejahte, von der Berufungsinstanz verneinte Frage der Minderung des Deckungsfonds der Klägerin bei allen Hinterbliebenen durch Anrechnung der an diese vom Landesinvalidenamt erbrachten Leistungen an Witwenbeihilfe und Waisenbeihilfe; 1. die Berechtigung des Feststellungsausspruches, soweit er die Regreßansprüche hinsichtlich künftiger Leistungen für den minderjährigen Josef L. betrifft.

Zu 1.:

Ausgehend von den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen in bezug auf die Anrechnung von Leistungen Dritter auf die Ersatzansprüche des Geschädigten vertrat das Berufungsgericht in Anlehnung an die in ZVR. 1961 Nr. 169 = SZ. XXXIII 140 veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 16. Dezember 1960, 2 Ob 349/60, den Standpunkt, daß die vom Landesinvalidenamt den Hinterbliebenen auf Grund des Gesetzes geleisteten Witwen- und Waisenbeihilfen zwar durch das schädigende Ereignis ausgelöst worden seien und die Hinterbliebenen darauf einen gesetzlichen Anspruch hätten, eine Anrechnung dieser Leistungen auf den fiktiven Unterhaltsanspruch der Hinterbliebenen und damit eine Minderung des Deckungsfonds der Klägerin jedoch wegen ihres unbilligen Ergebnisses abzulehnen sei. Da das Kriegsopferversorgungsgesetz bezüglich der nach ihm zu erbringenden Leistungen eine Legalzession nicht vorsehe, wäre der schadenersatzpflichtige Beklagte im Falle der Anrechnung grundlos bereichert. Die hier in Rede stehenden Leistungen seien ebenso zu behandeln wie die Unterhaltsleistungen eines gegenüber dem Beschädigten Unterhaltspflichtigen, bezüglich deren sich der Ersatzpflichtige gegenüber dem Beschädigten nicht auf die Unterhaltspflicht berufen könne.

Die Revision bestreitet die Anwendbarkeit der in der erwähnten Entscheidung angestellten Erwägungen, weil dort lediglich die Anrechenbarkeit einer dem Versicherten gewährten Zusatzrente zur Grundrente verneint worden sei. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes sei der Beklagte im Fall der Anrechnung der Witwen- und Waisenbeihilfen nicht bereichert, weil bei Berechnung des Deckungsfonds die Beschädigtenrente, die Josef L. sen. bis zu seinem Tod bezog, berücksichtigt worden sei. Da die Klägerin mit Rücksicht auf die Leistungen des Landesinvalidenamtes die von ihr gewährten Ausgleichszulagen herabgesetzt bzw. eingestellt habe, würde ihr die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes den doppelten Vorteil eines erhöhten Deckungsfonds einerseits und einer Kürzung der Ausgleichszulage anderseits verschaffen. Wären aber die Leistungen des Landesinvalidenamtes nicht als schadensmindernd zu berücksichtigen, dann dürften diese Leistungen auch nicht bei Errechnung des fiktiven Einkommens des Josef L. herangezogen werden.

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig.

Zunächst ist es für die hier zu beantwortende Frage der Berechnung des Deckungsfonds nicht von Belang, ob der Regreß nehmende Sozialversicherungsträger einen Vorteil erlangt oder nicht, denn der Anspruchsübergang ist davon unabhängig, ob der Sozialversicherer infolge des Versicherungsfalles mehr oder weniger Leistungen als bisher zu erbringen hat (JBl. 1957 S. 479). Maßgeblich ist vielmehr, daß seine Regreßansprüche in dem auf ihn übergegangenen Direktanspruch der anspruchsberechtigten Hinterbliebenen Deckung finden. Es zwingt aber auch der Umstand, daß die Beschädigtenrente, die Josef L. gemäß dem Kriegsopferversorgungsgesetz bezog, bei Berechnung seines fiktiven Einkommens berücksichtigt wurde, keineswegs dazu, bei Berechnung des Entganges der Hinterbliebenen die vom Landesinvalidenamt geleisteten Witwen- und Waisenbeihilfen als Abzugspost zu berücksichtigen. Josef L. bezog lediglich eine Grundrente gemäß § 11 KOVG. 1957. Einzige Voraussetzung für den Bezug der Grundrente ist nach der zitierten Gesetzesstelle eine - mindestens 30%ige - Minderung der Erwerbsfähigkeit, mit anderen Worten, sie wird unabhängig von der sozialen Lage der nach § 1 KOVG. 1957 anspruchsberechtigten Person gewährt. Ganz anders die Witwen- und Waisenbeihilfen: Diese sind nur insoweit zu zahlen, als das Einkommen der Witwe bzw. Waise eine gesetzlich näher fixierte Obergrenze nicht erreicht (vgl. §§ 36 (3), 43 (3) KOVG. 1957). Der Unterschied liegt auf der Hand: Ebenso wie die Zusatzrente zur Grundrente nach § 12 KOVG. 1957, deren Zweck es ist, die Lebenshaltung eines Schwerbeschädigten zu sichern (vgl. VwGH. v. 23. September 1953, Slg. NF. 3102/A), stellt auch die Witwen- und Waisenbeihilfe eine vor allem aus sozialen Gründen an Bedürftige gewährte Leistung dar. Der Gedanke, daß Leistungen dieser Art den Deckungsfonds auch dann nicht mindern sollen, wenn auf sie wie in den vorerwähnten Fällen ein gesetzlicher Anspruch besteht, findet seinen Niederschlag in der in ZVR. 1966 Nr. 124 veröffentlichten Entscheidung, wonach eine auf Grund des Blindenbeihilfengesetzes, LGBl. für Wien Nr. 2/1957, gewährte Blindenbeihilfe keine Abzugspost bei Berechnung des Entganges bildet. Hiebei ist auf die in § 5 dieses Gesetzes enthaltenen Ruhensbestimmungen zu verweisen, aus denen sich der soziale Charakter der nach diesem Gesetz gewährten Leistungen ergibt. Es erscheint berechtigt, derartige aus öffentlichen Mitteln erbrachte Leistungen den freiwilligen Leistungen Dritter und den Leistungen auf Grund privater Unfall-, Lebens- und Krankenversicherungen gleichzustellen, bezüglich deren Lehre und Rechtsprechung einhellig den Standpunkt vertreten, daß sie den Ersatzanspruch des Geschädigten gegenüber dem Schädiger nicht mindern. Der Oberste Gerichtshof hat aber immer wieder auch als Kriterium für die Anrechenbarkeit die Berechtigung des Leistenden, Regreß zu nehmen, betont. Das Kriegsopferversorgungsgesetz kennt diese Möglichkeit nicht. Zwar soll nicht bestritten werden, daß die Frage nach der Ersatzpflicht des Schädigers immer vom Schaden des Geschädigten ihren Ausgang nehmen muß. Ungeachtet der im Schrifttum (vgl. Geigel, Der Haftpflichtprozeß[13], 3, 30) geäußerten gegenteiligen Ansicht hält der Oberste Gerichtshof jedoch daran fest, daß Billigkeitserwägungen bei der Frage der Anrechenbarkeit der Leistungen Dritter nicht außer Betracht bleiben können. Diese führen aber dazu, daß es dem Ersatzpflichtigen verwehrt sein muß, mit Erfolg geltend zu machen, eine dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen aus öffentlichen Mitteln zugekommene Sozialleistung, für die der Ersatzpflichtige dem Dritten gegenüber nicht aufzukommen hat, sei von seiner Ersatzpflicht abzurechnen.

Das Berufungsgericht hat daher ohne Rechtsirrtum die Witwen- und Waisenbeihilfen bei Berechnung des Entganges der Hinterbliebenen und des sich daraus für die Klägerin ergebenden Deckungsfonds außer Betracht gelassen.

Zu 2.:

Das Erstgericht verneinte ein Feststellungsinteresse in bezug auf künftige Regreßansprüche der Klägerin hinsichtlich des minderjährigen Josef L. mangels Bestehens eines Deckungsfonds ab 1. August 1968. Das Berufungsgericht war gegenteiliger Ansicht, weil nach dem Gesetz Ansprüche auf Waisenpension über das vollendete 18. Lebensjahr hinaus bestunden und es nicht ausgeschlossen sei, daß der derzeit selbsterhaltungsfähige minderjährige Josef L. in der Zukunft wieder einen fiktiven Unterhaltsanspruch gegen seinen Vater erwirbt, was einen Regreßanspruch der Klägerin zur Folge hätte. Der Feststellungsausspruch sei daher erforderlich, um eine Verjährung hintanzuhalten.

Nach Ansicht der Revision hat sich das Berufungsgericht nicht damit auseinandergesetzt, ob bezüglich des minderjährigen Josef L. die gesetzlichen Voraussetzungen zur Weitergewährung der Waisenrente tatsächlich vorliegen.

Einer über die oben wiedergegebenen Erwägungen des Berufungsgerichtes hinausgehenden Auseinandersetzung bedurfte es nicht. Denn nach ständiger Rechtsprechung rechtfertigt bereits die bloße Möglichkeit weiterer Regreßansprüche des Sozialversicherungsträgers sein Feststellungsinteresse im Sinn des § 228 ZPO. (vgl. ZVR. 1969 Nr. 156 u. a.). Diese Möglichkeit hat aber das Berufungsgericht überzeugend dargetan.

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