OGH 2Ob349/60

OGH2Ob349/6016.12.1960

SZ 33/140

Normen

ABGB §1325
ABGB §1325

 

Spruch:

Keine Schadensminderung durch Anrechnung des Arbeitslosengeldes, der Notstandshilfe und der Zusatzrente aus der Kriegsopferversorgung.

Entscheidung vom 16. Dezember 1960, 2 Ob 349/60.

I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der bei der Klägerin pflichtversicherte Johann L. hat am 12. Dezember 1955 einen Verkehrsunfall erlitten. Die Klägerin erbringt dem Genannten aus diesem Unfall Pflichtleistungen aus der Unfallversicherung und nimmt in diesem Rechtsstreit auf Grund der Legalzession des § 1542 RVO. den Erstbeklagten als schuldigen Kraftwagenlenker und den Zweitbeklagten gemäß Art. IV EVzKraftfVerkG., beide zur ungeteilten Hand, auf Ersatz dieser Leistungen und Feststellung der künftigen Ersatzpflicht in Anspruch.

Das Erstgericht erkannte die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin den Betrag von 10.695 S 60 g S. A. zu zahlen, und stellte überdies fest, daß die Beklagten zur ungeteilten Hand verpflichtet seien, der Klägerin im Rahmen des § 1542 RVO. alle jene Leistungen zu ersetzen, welche diese auf Grund des Unfalls des Johann L. vom 12. Dezember 1955 nach den jeweils in Geltung stehenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften über die Unfallversicherung zu erbringen habe. Die beiden Beklagten seien gegenüber Johann L. aus dem Verkehrsunfall schadenersatzpflichtig. Johann L. habe vor dem Unfall durchschnittlich rund 1067 S monatlich verdient, nachher sei er ohne Arbeitseinkommen gewesen; infolge der durch den Unfall verursachten Verschlechterung seines Gesamtgesundheitszustandes sei er nicht mehr in der Lage gewesen, seine Arbeit wiederaufzunehmen oder eine andere, seiner eingeschränkten Arbeitsfähigkeit entsprechende Stellung zu finden. Der Anspruch auf Ersatz des Heilungsaufwandes und des Verdienstentgangs sei auf die Klägerin im Rahmen der an Johann L. erbrachten Leistungen gemäß der Legalzession nach § 1542 RVO. übergegangen. Die Johann L. zukommende Arbeitslosenunterstützung (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe vom 5. März bis 5. April 1956 und ab 13. August 1956 in der im einzelnen festgestellten Höhe) sowie seine Zusatzrente aus der Kriegsopferversorgung (ab 1. Februar 1956) seien auf diesen Schadenersatzanspruch nicht anzurechnen. Diese Leistungen würden an den Geschädigten auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Staates erbracht, die zwar durch den Unfall ausgelöst worden sei, sonst aber mit dem schädigenden Ereignis in keinem rechtlich-ursächlichen Zusammenhang stehe. Der Staat leiste zur Sicherung der Existenz auf Grund der Arbeitsleistung und Beitragszahlung bzw. Bedürftigkeit der Bezugsberechtigten, nicht aber auf Grund eines Unfalles zum Ersatz von durch Dritte verursachten Schäden. Die Leistungen des Staates würden nur so lange gewährt, bis diese dritten Personen ihrer Schadenersatzpflicht nachkämen. Da nicht vorgesehen sei, daß sich der Staat seinerseits für die erbrachten Leistungen an dem Beschädiger schadlos halte, könne sich der Beschädiger - ebenso wie bei Leistungen aus einem privaten Versicherungsverhältnis oder bei Unterhaltsleistungen oder freiwilligen Leistungen Dritter - nicht auf die Leistungen des Staates zur Abdeckung seiner Schadenersatzpflicht berufen. Eine gegenteilige Annahme würde zu einer durch nichts gerechtfertigten Begünstigung des Beschädigers durch den Staat führen. Bei Johann L. sei ein Schaden in der Höhe der von der Klägerin erbrachten Leistungen eingetreten; die Beklagten seien zum Ersatz dieses Schadens verpflichtet.

Der Berufung der beklagten Parteien gab das Berufungsgericht nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revisionswerber machen aus dem Revisionsgrunde des § 503 Z. 4 ZPO. geltend, daß Johann L. zufolge der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und wegen des Bezuges der Zusatzrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz durch den Verkehrsunfall vom 12. Dezember 1955 einen Verdienstausfall nicht erleide; somit sei dem Verletzten aus dem genannten Unfall ein Schaden nicht erwachsen und ein Anspruch des Johann L. auf die Klägerin als Sozialversicherungsträgerin überhaupt nicht übergegangen; unter diesem Gesichtspunkt sei also sowohl das Leistungsbegehren (entsprechend den Heilbehandlungskosten der Klägerin für Johann L. und den an den Genannten aus der gesetzlichen Unfallversicherung bis 30. November 1958 erbrachten Geldleistungen) wie auch das Feststellungsbegehren hinsichtlich der künftigen Pflichtleistungen der Klägerin für ihren Versicherten nicht begrundet.

Damit weisen nun zwar die Revisionswerber theoretisch zutreffend auf die Voraussetzungen des § 1542 RVO. (der Unfall des Johann L. hat sich noch vor dem Inkrafttreten des ASVG. ereignet, so daß die bezogene Vorschrift in Betracht kommt) hin, ihren sonstigen Ausführungen kann aber nicht beigepflichtet werden, weil sie die Frage nach dem Schaden des Johann L. aus dem von den Beklagten zu verantwortenden Verkehrsunfall von der weiteren Frage nach der etwaigen Vorteilsausgleichung zufolge der Leistungen der Arbeitslosenversicherung und wegen der dem Johann L. gewährten Zusatzrente aus der Kriegsopferversorgung nicht auseinanderhalten. Der in der Person des Johann L. eingetretene Schaden ist doch dadurch entstanden, daß dieser durch den Verkehrsunfall vom 12. Dezember 1955 erwerbsunfähig geworden ist und sein Arbeitseinkommen verloren hat. Diesen Umstand lassen die Revisionswerber bei ihrem Vorbringen, daß dem Johann L. von Anfang an kein Schaden entstanden sei, außer Betracht und kommen damit zu einem unhaltbaren Ergebnis (vgl. die auch für diesen Fall gültigen Darlegungen in BGHZ. 10, 107). Nach der Aktenlage steht vielmehr unter dem Gesichtspunkte der Vorteilsausgleichung nur die Frage zur Erörterung, ob die dem Johann L. zukommenden Leistungen von dritter Seite derart eine Schadensminderung bewirken, daß sich die Beklagten darauf gegenüber der Klägerin als Legalzessionarin mit Erfolg berufen können. Diese Frage aber haben beide Vorinstanzen mit Recht verneint; die Revisionsausführungen sind nicht geeignet, einen Rechtsirrtum der Untergerichte aufzuzeigen.

Was zunächst die Bezüge des Johann L. an Arbeitslosengeld und Notstandshilfe (§§ 6 ff. AlVG. 1958, BGBl. Nr. 199) betrifft, ist festzuhalten, daß es sich um Versicherungsleistungen handelt, die besondere Beiträge des Versicherten (Johann L.) und seiner Dienstgeberin zur Voraussetzung haben (vgl. § 61 AlVG. 1958), so daß eine Anrechnung auf die Schadenersatzforderung des Geschädigten aus diesen Versicherungsleistungen ebensowenig stattfindet wie bei Bezügen aus der Vertragsversicherung (vgl. z. B. GlUNF. 4221, 3 Ob 104/53). Mit Recht hat die Revisionsgegnerin auf diesen Umstand hingewiesen. Es besteht kein Anlaß, von der bisherigen Praxis zu dieser Frage (vgl. Rspr. 1932 Nr. 147) abzugehen, zumal auch deutsche Lehre und Rechtsprechung (vgl. Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 9. Aufl. S. 27; VersR. 1956 S. 118) bei im wesentlichen gleicher Rechtsgrundlage die Ansicht vertreten, daß Arbeitslosenfürsorgeunterstützung einem Unfallgeschädigten auf den zu ersetzenden Schaden nicht im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen sei. Die Vorinstanzen haben aber auch ohne Rechtsirrtüm die Anrechnung der dem Johann L. gewährten Zusatzrente zur Grundrente aus der Kriegsopferversorgung (vgl. §§ 12 ff. KOVG. 1957, BGBl. Nr. 152) abgelehnt. Zwar ist diese Zusatzrente an Johann L. wegen der durch den Unfall vom 12. Dezember 1955 ausgelösten ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse gewährt worden, die von den Beklagten verlangte Anrechnung müßte aber zu einem unbilligen Ergebnis führen. Denn im KOVG. 1957 ist diesbezüglich eine Legalzession nicht vorgesehen, so daß die Beklagten trotz ihrer aus § 1325 ABGB. abzuleitenden Schadenersatzpflicht im Fall der Anrechnung dieser von dritter Seite erbrachten Leistungen auf den Ersatzanspruch insoweit grundlos bereichert wären. Es kommt dazu, daß nach den Bestimmungen der §§ 53f. KOVG. 1957 über Anzeige- und Ersatzpflicht die durch die Leistung des Schädigers herbeigeführte Veränderung in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Bezugsberechtigten unter Umständen auch für einen zurückliegenden Zeitraum die Einstellung der Zusatzrente zur Folge haben kann, so daß auch im Hinblick darauf die Anrechnung im Sinn des Revisionsvorbringens nicht gerechtfertigt wäre. Nach allen Umständen ist die dem Johann L. aus der Kriegsopferversorgung gewährte Zusatzrente in bezug auf die Anrechnung auf die Schadenersatzforderung nicht anders zu behandeln als die Unterhaltsleistung eines gegenüber dem Geschädigten Unterhaltsverpflichteten; in diesem Fall hat aber die Rechtsprechung (vgl. z. B. SZ. XXVI 67) unter Hinweis auf die natürlichen Rechtsgrundsätze stets anerkannt, daß sich der Schadenersatzpflichtige gegenüber dem Verletzten nicht auf die Unterhaltspflicht eines anderen berufen könne.

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