Spruch:
Zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer vergleichsweise begrundeten Unterhaltsverpflichtung sind nicht nur die im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses herrschenden Verhältnisse maßgebend, sondern auch die Einkommens- und Vermögensentwicklung in der Vergangenheit und die Erwartung für die Zukunft; bei selbständig Erwerbstätigen dient der Durchschnitt aus mehreren Jahren als Basis
Nur die den gesetzlichen Unterhaltsanspruch übersteigende vergleichsweise begrundete Unterhaltsverpflichtung kann sittenwidrig sein
OGH 29. Jänner 1974, 4 Ob 602/73 (OLG Wien 5 R 158/73; LGZ Wien 4 Cg 324/73)
Text
Der Kläger begehrt die Feststellung, daß der Punkt 7 des am 26. Mai 1970 zu 5 Cg 103/70-5 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien abgeschlossenen Vergleiches unwirksam sei. In diesem Punkt des Vergleiches verpflichtete sich der Kläger, der minderjährigen Beklagten zu Handen ihrer Mutter ab 1. Juni 1970 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1500 S zu bezahlen. Der Kläger ficht diesen Vergleichspunkt wegen Zwang Irrtum, Betrug und Sittenwidrigkeit an, betont aber, daß er damit eine rechtliche Qualifikation nicht vornehmen wolle. Der Kläger führt aus, die Mutter der Minderjährigen habe ihm zugesagt, sie werde bei einem gegen ihn anhängigen Verfahren wegen Gattenmißhandlung eine versöhnliche Haltung einnehmen, wenn er im Scheidungsverfahren alles so mache wie sie es wolle. Sie habe diese Vereinbarung aber später nicht eingehalten. Sie habe ferner die Buchhaltung im Unternehmen des Klägers geführt und sollte auch alle kaufmännischen Angelegenheiten durchführen. Dabei habe sie Kundenrechnungen nicht bezahlt und die Gelder für sich behalten und Rechnungen als bezahlt verbucht, obgleich sie es noch nicht waren. Auch der Schwund sei 1970 für das Unternehmen des Klägers viel zu hoch gewesen. Diesen habe aber ausschließlich die Mutter der Beklagten verzeichnet. All dies habe sich erst nach dem Vergleichsabschluß herausgestellt. Es habe sich ergeben, daß der Kläger dem Geschäft monatlich höchstens 3000 S entnehmen könne. Ein im Pflegschaftsakt eingeholtes Sachverständigengutachten weise für 1970 einen Verlust von 231.508 S aus, woran auch die Absetzbeträge nichts änderten. Die Mutter der Beklagten habe diese Umstände genau gekannt, sie jedoch dem Kläger verheimlicht. Die Beklagte führe auf Grund des Vergleiches Exekution, wobei es sich bei den rückständigen Beträgen um die Differenz zwischen den vom Kläger monatlich bezahlten 450 S und dem Vergleichsbetrag von 1500 S handeln dürfte. Es sei im Hinblick auf die Situation des Unternehmens des Klägers jedenfalls sittenwidrig, auf dem völlig unangemessenen und weit überhöhten Unterhaltsbetrag zu bestehen. Der Kläger könne dem Unternehmen diesen Betrag nicht entnehmen.
Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Sie bestritt, daß auf den Kläger Zwang ausgeübt oder er in Irrtum geführt worden sei. Der Kläger habe als Unternehmer seinen Vermögensstand im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses kennen müssen. Auch sei nicht der Gewinn und der Verlust eines einzigen Jahres, sondern das Gesamtvermögen des Unterhaltspflichtigen als Grundlage heranzuziehen. Das Urteilsbegehren sei zu weit gefaßt, weil der Kläger seine Unterhaltspflicht tatsächlich nur der Höhe nach anfechte.
Das Erstgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Die Ehe der Kindeseltern wurde mit Urteil vom 26. Mai 1970 aus dem Verschulden des Klägers geschieden. Für den Fall der Scheidung schlossen die Ehegatten einen Vergleich, in dessen Punkt 7 sich der Kläger verpflichtete, der Beklagten ab 1. Juni 1970 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1500 S zu bezahlen. Der Vergleich wurde am 21. August 1970 pflegschaftsgerichtlich genehmigt.
Der Kläger betreibt seit 1967 einen Obst- und Gemüsehandel auf dem Wiener Naschmarkt. Während er selbst zwecks Einkaufs mit dem LKW unterwegs war oder am Stand als Verkäufer arbeitete, führte die Mutter der Beklagten die Bücher (Kassabuch,und Wareneingangsbuch). Ihr oblag auch die Fakturierung. Das Jahr 1970 schloß mit einem Verlust von 231.508 S bei Absetzungen für Abnützung in der Höhe von
79.513 S, auffällig hohen Zufuhrspesen von 196.194 S, einem Reparaturaufwand für den Fuhrpark von 73.227 S und einer hohen Schwundquote von 118.280 S. Die allgemeinen Entnahmen betrugen
76.200 S. Die Kapitalschuld hat sich mehr als verdoppelt und betrug zum 31. Dezember 1970 572.950.81 S. Seit Jänner 1971 besorgt Annemarie G die früher von der Mutter der Beklagten wahrgenommenen Buchführungsagenden. Bei der Vorbereitung der Unterlagen für den Jahresabschluß 1970 stellte sich heraus, daß fünf bis sechs Lieferantenrechnungen mit einem Rechnungsbetrag von 200.000 S bis 300.000 S als bezahlt abgestempelt waren, obgleich sie noch nicht bezahlt gewesen sind. Bezahlte Kundenrechnungen im Betrag von rund 50.000 S schienen dagegen im Kassaeingang nicht auf. Schließlich waren Bankeingänge umsatzsteuerlich nicht erfaßt worden. Diese Vorgänge waren dem Kläger nicht bekannt. Schon bei der Erstellung der Bilanz für das Jahr 1969 ergab sich, daß Zahlungen im Kassabuch nicht eingetragen waren. Der Kläger wurde hierüber anläßlich der Unterfertigung der Bilanz gegen Ende 1970 informiert.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der Kläger zwar den Beweis für die von ihm behaupteten Anfechtungstatbestände in weiten Bereichen schuldig geblieben sei. Das Klagebegehren sei jedoch unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit gerechtfertigt. Der Unterhaltsplichtige müsse zwar notfalls sein Vermögen angreifen, um seiner Unterhaltspflicht zu genügen. Dieser Grundsatz finde aber dort seine Schranke, wo damit der Unterhaltsleistung die Grundlage entzogen würde. Eine darüber hinausgehende Unterhaltsleistung sei offenbar rechtswidrig. Es liege daher Sittenwidrigkeit eines Unterhaltsvergleiches dann vor, wenn der versprochene Betrag die Leistungsfähigkeit des Mannes bei weitem übersteige. Dies sei aber hier nach dem Inhalt des Jahresabschlusses für 1970 der Fall.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es pflichtete der Ansicht des Erstgerichtes, daß eine Unterhaltsvereinbarung dann sittenwidrig sei, wenn sich der Unterhaltspflichtige zu einem seine Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt der Vereinbarung weit übersteigenden Unterhalt verpflichtet hat, bei. Es könne aber nach den bisherigen Feststellungen noch nicht beurteilt werden, ob dies der Fall sei. Vor allem wären noch das Vermögen des Klägers, die Gründe für den Geschäftsrückgang und die Ursachen der auffällig hohen Zufahrtspesen, des Reparaturaufwandes und der Schwundquote zu klären. Steuerliche Abzugsposten und Prozeß- und Anwaltskosten aus Anlaß des Scheidungsverfahrens seien ebensowenig zu berücksichtigen wie Eigenentnahmen. Bei der Feststellung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse sei zweckmäßigerweise auch das vorangegangene Wirtschaftsjahr 1969 in die Betrachtung einzubeziehen. Schließlich sei zur Beantwortung der entscheidenden Frage, ob bei einer monatlichen Unterhaltsleistung von 1500 S mit einer Vernichtung der Verdienstmöglichkeit des Klägers gerechnet werden müsse, die Beziehung eines Sachverständigen aus dem Wirtschaftsfach zweckmäßig.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das bisherige Verfahren hat für den vom Kläger behaupteten Zwang oder für eine Irreführung keinen Anhaltspunkt gegeben. Was den behaupteten Irrtum anlangt, so hat das Erstgericht zwar festgestellt, dem Kläger sei nicht bekannt gewesen, daß fünf bis sechs Lieferantenrechnungen mit einem Rechnungsbetrag von 200.000 S bis 300.000 S als bezahlt abgestempelt waren, obwohl sie noch nicht bezahlt waren; ferner daß Kundenrechnungen im Betrag von rund 50.000 S im Kassaeingang nicht aufschienen und Bankeingänge umsatzsteuerlich nicht erfaßt waren. Daraus allein läßt sich jedoch noch kein rechtserheblicher Irrtum des Klägers beim Abschluß des Vergleiches ableiten. Ein vor Gericht abgeschlossener Vergleich kann sich auf ein strittiges oder zweifelhaftes Recht beziehen und damit ein nach § 1380 ABGB zu beurteilendes Rechtsgeschäft zum Gegenstand haben; es können die Parteien aber auch nur die Beurkundung der Anerkennung eines Rechtsverhältnisses oder die Übernahme einer Verbindlichkeit zu einer Leistung, Duldung oder Unterlassung in vollstreckbarer Form beabsichtigen. Im letzteren Fall wird der rechtliche Charakter des in Form eines Vergleiches abgeschlossenen Rechtsgeschäftes nicht geändert, es kommt also zu keinem privatrechtlichen Neuerungsvertrag gemäß § 1380 ABGB (Fasching II, 963; EvBl. 1969 Nr. 258). Ein solcher Vertrag kann wegen Irrtums gemäß § 871 ABGB angefochten werden, während ein nach § 1380 ABGB zu beurteilender Vertrag gemäß § 1385 ABGB wegen Irrtums - ausgenommen arglistige Irreführung - nur dann angefochten werden kann, wenn die Voraussetzungen nach § 871 ABGB gegeben sind und überdies der Irrtumsumstände betrifft, welche die Parteien bei der Beurteilung der Rechtslage im Zeitpunkt des Vergleiches als sicher, unzweifelhaft und unstreitig angenommen haben (Wolff in Klang[2] VI, 280; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 128; SZ 36/114; SZ 39/57 u. a.).
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Inhalt des gesamten Vergleiches, daß ein wechselseitiges Nachgeben der Parteien zur Bereinigung von strittigen Rechten und somit ein nach § 1380 ABGB zu beurteilender Vergleich vorliegt, wurde doch darin nicht nur der Unterhalt für die minderjährige Beklagte vereinbart, sondern auch ein gegenseitiger Unterhaltsverzicht beider Ehegatten abgegeben und Vereinbarungen über die Ehewohnung und die Fahrnisse getroffen. Auch ist im Verfahren nicht hervorgekommen, daß es sich bei dem Vergleich lediglich um die Protokollierung einer Verbindlichkeit zu einer Leistung in vollstreckbarer Form gehandelt hat. Handelt es sich aber um ein strittiges oder zweifelhaftes Recht, dann müssen im Sinne der obigen Ausführungen beide Streitteile über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers, welche die Grundlage für den Unterhaltsvergleich abgeben, unrichtige Vorstellungen gehabt haben. Derartige, von beiden Streitteilen als unrichtig angenommene wesentliche Umstände, haben sich jedoch im bisherigen Verfahren nicht ergeben. Läge aber nur beim Kläger ein Irrtum über die Höhe seines Einkommens im Jahr 1970 vor - und nur das wurde von den Untergerichten als erwiesen angenommen -, dann würde es sich hiebei um einen gemäß § 901 ABGB unbeachtlichen Motivirrtum handeln (Wolff in Klang[2] VI, 280; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes[3] I, 210).
Auch Unerschwinglichkeit der Leistung die vom Kläger ebenfalls geltend gemacht wird, ist bei dem vorliegenden Sachverhalt nicht gegeben. Geldleistungen können nämlich grundsätzlich niemals als unerschwinglich angesehen werden. Bei einer reinen Geldschuld stellt die Zahlungsunfähigkeit immer nur eine Erfüllungsverzögerung dar, und zwar auch dann, wenn ihre Beseitigung schwierig ist oder aller Voraussicht nach auf längere Zeit nicht eintreten wird (Pisko - Gschnitzer in Klang[2] VI, 549; Koziol - Welser, bürgerliches Recht, 164 und 175; ÖJZ 1947 Nr. 505).
Es ist daher noch letztlich zu prüfen unter welchen Umständen eine Unterhaltsverpflichtung sittenwidrig sein kann. Hier muß zunächst berücksichtigt werden, daß der vom Kläger der Beklagten im Vergleich zugesicherte Unterhalt sowohl gesetzlicher als auch vertraglicher Natur sein knhn. Soweit nämlich die eingeräumte Unterhaltsleistung den angemessenen Unterhalt nicht übersteigt, ist der Anspruch ein gesetzlicher geblieben und nicht etwa durch den Vergleich ein vertraglicher geworden. Nur jener Teil der den nach dem Gesetz angemessenen unterhalt übersteigt, stellt eine vertragliche Unterhaltsleistung dar (Schwind in Klang[2] I/1, 908; SZ 40/143). Nur soweit der gesetzliche Unterhaltsbetrag überschritten wird, könnte daher überhaupt eine sittenwidrige Vereinbarung vorliegen. Dabei darf zunächst nicht übersehen werden, daß eine solche vertragliche Mehrleistung aus den verschiedensten Gründen vereinbart werden kann, wie etwa auf Grund einer ganz besonders starken persönlichen Bindung des Vaters an sein Kind. Nur dann, wenn lediglich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen die Grundlage für den verglichenen Unterhaltsbeitrag abgeben, ist nur das Verhältnis zwischen diesen beiden Komponenten für die Prüfung der Sittenwidrigkeit ausschlaggebend.
Den Unterinstanzen ist nun zuzustimmen, daß eine Unterhaltsvereinbarung sittenwidrig sein kann, wenn Leistung und Gegenleistung in grobem Mißverhältnis zueinander stehen oder wenn die Höhe der Zuwendung in grobem Mißverhältnis zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Verpflichteten steht (Schwind in Klang[2] I/1, 915 und die deutsche Judikatur: RGZ 159/165; RGZ 166/42; RG DR 1942, 1185). Diese von Schwind und der deutschen Judikatur zu § 80 EheG geäußerte Ansicht kann in ihrem zweiten Fall auch auf Unterhaltsvergleiche angewendet werden, welche den Unterhalt von Kindern betreffen. Dafür spricht, daß § 80 EheG keine Ausnahme von § 138 DBGB bzw. § 879 ABGB, sondern lediglich eine gesetzliche Auslegung dieser Bestimmungen sein sollte (Volkmar - Antoni, Kommentar zum Eherecht, 292). Daß ein solcher Vergleich sittenwidrig ist, ergibt sich aus der Erwägung, daß ein Verstoß gegen die guten Sitten auch dann vorliegt, wenn etwas offenbar geradezu widerrechtlich ist, ohne gegen ein ausdrückliches gesetzliches Verbot zu verstoßen, also zwar nicht gesetz- aber grob rechtswidrig ist (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 181; SZ 39/113; EvBl. 1970/1 15 u. a.). Gegen die guten Sitten verstößt nämlich, was dem Rechtsgefühl der Rechtsgemeinschaft, das ist aller billig und gerecht Denkenden, widerspricht (Koziol - Welser, bürgerliches Recht, 1 10; SZ 27/19; JBl. 1971/471 u. a.). Wendet man diese Grundsätze auf die Unterhaltsleistung an, dann kann die Meinung vertreten werden, daß die Verpflichtung zu einem Unterhalt dann sittenwidrig ist, wenn die Unterhaltsleistung weder aus dem laufenden Einkommen des Unterhaltspflichtigen noch aus seinem Vermögen bestritten werden kann, wobei letzteres allerdings nur so weit angegriffen werden darf, als damit nicht dem Unterhaltspflichtigen die Existenzgrundlage entzogen wird. Denn der Unterhaltspflichtige muß zwar alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel gleichmäßig für sich und die Kinder verwenden. Er soll daher so leben, daß er seinen Alimentationspflichten nachkommen kann; er muß aber auch andererseits so leben können (vgl. Wentzel - Plessl in Klang[2] I/2, 36). Wurde daher vergleichsweise eine Unterhaltsverpflichtung eingegangen, welche dem Schuldner diese Möglichkeit nicht beläßt, dann ist die Vereinbarung sittenwidrig im Sinne des § 879 ABGB.
Bei der Beurteilung, ob durch die Unterhaltsleistung dem Unterhaltspflichtigen die Existenzgrundlage entzogen wird, ist allerdings nicht nur von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen auszugehen, wie sie sich gerade im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses darstellen. Denn ob dem Unterhaltspflichtigen durch die Erfüllung der versprochenen Leistung die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen wird, ergibt sich nicht nur aus den im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses herrschenden Verhältnissen, sondern auch aus der Vermögensentwicklung in der Vergangenheit und den Erwartungen für die Zukunft (RG, DR 1942, 1 185). Daß besonders bei selbständig Erwerbstätigen der Durchschnitt aus mehreren Jahren als Basis dienen muß, ist dabei selbstverständlich (Schwind in Klang[2] I/1, 873). Das Berufungsgericht hat daher mit Recht dem Erstgericht aufgetragen, auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Jahres 1969 in die Betrachtung einzubeziehen. Darüber hinaus wird es aber auch festzustellen haben, welche Einkommens- und Vermögenserwartungen der Kläger im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bei ordentlichem Geschäftsbetrieb für die Zukunft gehabt hat. Nur dann kann beurteilt werden, ob eine echte Gefährdung der Existenz des Klägers oder nur ein vorübergehender Einkommensrückgang vorlag, von dem - im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses gerechnet werden konnte, daß er in absehbarer Zeit wieder aufgeholt sein würde. Schließlich muß aber auch bedacht werden, daß das Beharren des Klägers auf der Anfechtung des Vergleiches seinerseits sittenwidrig wäre, wenn sich seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz - aus welchen Gründen immer - so verändert haben, daß die Erfüllung des Vergleiches einschließlich aufgelaufener Rückstände nun nicht mehr existenzgefährdend ist. Denn es würde dem Rechtsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widersprechen, daß der nun nicht mehr in seiner Existenz gefährdete Kläger sich auf die im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestandene Vermögenssituation beruft, um die Nichtigerklärung des Vergleiches zu erreichen. In diesem Zusammenhang kann darauf verwiesen werden, daß der Kläger im Rekurs selbst die Möglichkeit einräumt, daß er sich in der Zwischenzeit wirtschaftlich erholt hat. Aber auch alle anderen vom Berufungsgericht aufgezeigten Erwägungen und Prüfungen sind zur Beantwortung der Frage der Sittenwidrigkeit des Vergleiches erforderlich.
Sollte im zweiten Rechtsgang hervorkommen, daß die Unterhaltsvereinbarung sittenwidrig ist, dann wäre aber - falls nicht jeglicher Unterhalt ausgeschlossen ist, was aber der Kläger selbst nicht behauptet - bei der Entscheidung zu berücksichtigen, daß der Vergleich nur insoweit nichtig wäre, als dem Kläger hiedurch im Sinne der obigen Ausführungen sowohl im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses als auch bei Schluß der mündlichen Verhandlung die Existenzgrundlage entzogen würde. Soweit dies nicht der Fall ist, würde die Unterhaltsverpflichtung aus dem Vergleich jedoch aufrecht bleiben, und zwar selbst dann, wenn der danach verbleibende Betrag den gesetzlich angemessenen unterhalt übersteigt. Darüber ob die Nichtigkeit des Teiles das Ganze ergreift oder nicht, entscheidet - anders als nach § 878 Satz 2 ABGB - nicht nur Natur und Zweck des Vertrages bzw. der Parteiwille, sondern Natur und Zweck des Verbotes (Kozinol - Welser, bürderliches Recht, III;, Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 168; Ehrenzweigz II/I, 162 bei FN 7 e und 7 f; SZ 42/49 u. a.). Daß aber Natur und Zweck der angenommenen Sittenwidrigkeit, welche im Abschluß einer Unterhaltsvereinbarung liegt, durch die dem Unterhaltspflichtigen die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen wird, nicht auch die Nichtigkeit jenes Teiles des Vergleiches erheischt, welche die Existenzgrundlage des Schuldners nicht berührt, bedarf keiner näheren Begründung, Mayer - Maly (Über die Teilnichtigkeit in Gschnitzer Ged. 283) hat mit überzeugenden Argumenten empfohlen, den von der Gesetzeslage gewährten Spielraum im Sinne einer Entscheidung für die Restgültigkeit auszunützen, wobei ihm die Judikatur gefolgt ist (EvBl. 1972/122). Schließlich muß im vorliegenden Fall aber auch die Konsequenz einer Gesamtnichtigkeit des Vergleiches bedacht werden (Mayer - Maly, Teilnichtigkeit, 284). Denn im Hinblick auf den das Unterhaltsrecht beherrschenden Grundsatz "pro praeterito non alitur" (Wentzel - Plessl in Klang[2] 1/2, 441 könnte die Beklagte bei einer erst Jahre nach dem Vergleichsabschluß ausgesprochenen Gesamtnichtigkeit Unterhalt erst ab dem Zeitpunkt eines neuen Antrages begehren und damit unter Umständen sogar den noch nicht bezahlten gesetzlichen Unterhalt für die Vergangenheit verlieren. Alles dies spricht daher in einem solchen Fall für eine bloße Teilnichtigkeit.
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