OGH 8Ob181/63

OGH8Ob181/6317.9.1963

SZ 36/114

Normen

ABGB §1090
ZPO §204
ABGB §1090
ZPO §204

 

Spruch:

Daß ein Bestandverhältnis Pacht und nicht Miete ist, kann Gegenstand eines Vergleiches sein.

Entscheidung vom 17. September 1963, 8 Ob 181/63.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Die klagende Partei begehrt Räumung der von den Beklagten im Hause Graz, I.-Gasse 81, gepachteten Tischlerwerkstätte samt bestimmten Geräten und Werkzeugen wegen Ablaufes der Betriebspacht und Nichtzahlung des Pachtschillings.

Die Beklagten haben Klagsabweisung beantragt, da keine Betriebspacht, sondern ein dem Mietengesetz unterliegendes Mietverhältnis vorliege.

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben und folgendes festgestellt: Die klagende Partei habe den Beklagten am 1. Februar 1958 eine Tischlerwerkstätte auf die Dauer von fünf Jahren gegen einen monatlichen, im voraus zu bezahlenden Pachtschilling von 1000 S verpachtet; gleichzeitig habe die Klägerin den Beklagten die herausverlangten Gegenstände (Tischlereimaschinen und -werkzeuge) in gebrauchsfähigem Zustand übergeben. Die Beklagten hätten sich verpflichtet, diese Gegenstände nach Beendigung des Pachtvertrages der Klägerin als der Verpächterin in gebrauchsfähigem Zustande zurückzugeben. Hiebei sei auch vereinbart worden, daß der Pachtvertrag vorzeitig ende, wenn die Pächter mit der Bezahlung des Pachtschillings in zwei aufeinanderfolgenden Monaten in Rückstand blieben. Einen aufgelaufenen Rückstand habe die Klägerin zu 5 C .../60 des Bezirksgerichtes für ZRS. Graz eingeklagt und gleichzeitig zu 5 C .../60 desselben Gerichtes die Räumung begehrt. In diesen Verfahren sei am 10. Mai 1960 ein Vergleich abgeschlossen worden, in dessen Punkt 3 die Beklagten gegenüber der Klägerin den Pachtvertrag vom 1. Februar 1958 ausdrücklich als Betriebspacht anerkannt hätten. Nach mehreren Exekutionsversuchen habe die Klägerin die Beklagten mit Brief vom 28. Juli 1962 verständigt, daß sie nicht gewillt sei, die Dauer der Betriebspacht zu verlängern, und die Beklagten aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß am 31. Jänner 1963 das Pachtobjekt samt dem seinerzeit übergebenen Inventar an die klagende Partei zurückgegeben werde. Die Beklagten hätten dies aber nicht getan. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, das Mietgesetz finde keine Anwendung, da eine Betriebspacht vorliege, was die Beklagten im Vergleich vom 10. Mai 1960 gegenüber der Klägerin ausdrücklich anerkannt hätten. Diese Betriebspacht sei vereinbarungsgemäß am 31. Jänner 1963 erloschen; davon abgesehen, sei das Pachtverhältnis auch gemäß § 1118 ABGB. und im Sinne der diesbezüglichen Vereinbarung im Pachtvertrage vom 1. Februar 1958 wegen Nichtzahlung des Pachtzinses aufgelöst.

Das Berufungsgericht hat der Berufung der Beklagten keine Folge gegeben und ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zum Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung ist den Beklagten zuzugeben, daß ein (gerichtlicher) Vergleich - auch einredeweise - angefochten werden kann. Voraussetzung dazu wäre aber die Geltendmachung eines Irrtums, der solche Umstände betrifft, die die Parteien bei Beurteilung der Rechtslage zum Zeitpunkte des Vergleichsabschlusses als sicher, unzweifelhaft und unstreitig angenommen haben. Die Anfechtung eines Vergleichs ist aber nicht möglich, wenn der Irrtum, das Streitiggewesene betraf (Wolff in Klang, Komm.[2] VI., S. 280, vor Anmerkung 9, Fasching, Komm. zu den ZPGes., II., S. 966). Die Beklagten haben im Verfahren erster Instanz - und übrigens auch in der Berufungsschrift - weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht einen solchen Irrtum geltend gemacht. Wenn sie in der Revision sagen, daß sie die Anfechtung einredeweise geltend gemacht hätten, dann ist dies aktenwidrig. Auf die Frage der Anfechtung des Vergleiches braucht daher nicht näher eingegangen zu werden.

Mit demselben Revisionsgrunde bekämpfen die Beklagten ferner die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß der zwischen den Parteien abgeschlossene Vergleich über den rechtlichen Charakter des Bestandvertrages vom 1. Februar 1958 gültig sei und eine Überprüfung dieses rechtlichen Charakters ausschließe. Gegenstand eines Vergleiches sind Ansprüche oder Rechtsverhältnisse (§ 205 (1) ZPO.), die zwischen den Parteien strittig oder zweifelhaft sind (vgl. Fasching a. a. O., II., S. 964, Wolff in Klang[2], VI., S. 275), also nur, was den Gegenstand eines End- oder Teilurteiles bilden kann (Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechtes[2], S. 415). Der Oberste Gerichtshof hat in wiederholten Entscheidungen die Feststellung zugelassen, daß ein Mietverhältnis und kein Pachtvertrag vorliege. (ZBl. 1934, Nr. 407), daß ein Bestandverhältnis Haupt- und nicht Untermiete sei (EvBl. 1950 Nr. 560) oder daß ein zwischen den Parteien abgeschlossenes Bestandverhältnis als Pachtvertrag zu qualifizieren sei (RZ. 1956, S. 157). Der Oberste Gerichtshof hat dies damit begrundet, daß dann, wenn zwischen den Parteien strittig ist, ob die zwischen ihnen begrundeten Rechtsbeziehungen den Charakter eines bestimmten Rechtsverhältnisses haben, es sich nicht bloß darum handle, eine rechtliche Qualifikation vorzunehmen, sondern daß in einem solchen Falle zwischen den Parteien die Gesamtheit ihrer Rechtsbeziehungen strittig sei. Wenn das rechtliche Wesen eines Vertrages und somit dessen Inhalt und die daraus entspringenden Rechte und Verpflichtungen der Vertragsteile strittig seien, könne gesagt werden, daß das Rechtsverhältnis selbst strittig sei und als solches mit allen seinen Auswirkungen festgestellt werden könne (RZ. 1956 S. 157). In dem Verfahren 5 C ... /60 des Bezirksgerichtes für ZRS. Graz war zwischen den Parteien strittig, ob die Klägerin berechtigt sei, die Räumung der Werkstätte zu verlangen; die Beklagten haben dies bestritten, weil sie den mit der Klägerin abgeschlossenen Bestandvertrag als Mietvertrag angesehen haben während die Klägerin darin einen Pachtvertrag erblickt hat. Über diesen Streit haben die anwaltlich vertretenen Parteien einen Vergleich geschlossen, in dem die Beklagten den Vertrag als Pachtvertrag (Betriebspacht) anerkannt haben. Der Vergleich hat somit einen Streitpunkt betroffen, der auch zum Gegenstand einer Feststellungsklage - das rechtliche Interesse an der Feststellung vorausgesetzt - hätte gemacht werden können. Er ist daher vom Berufungsgericht mit Recht als gültig angesehen worden. Es bedeutet daher auch keine Mangelhaftigkeit - richtig werden mit diesem Revisionsgrund Feststellungsmängel geltend gemacht - daß das Berufungsgericht jene Tatsachen, auf Grund derer die Beklagten das Vorliegen eines dem Mietengesetze unterliegenden Mietverhältnisses behauptet haben, nicht überprüft hat.

Der Revision war somit nicht Folge zu geben.

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