OGH 1Ob77/72

OGH1Ob77/7219.4.1972

SZ 45/50

Normen

ABGB §§33 ff
AußStrG §2 Abs2 Z1
AußStrG §9
B-VG Art20 Abs2
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §13 Abs2
JN §113b
JN §113c
PStG §49
ABGB §§33 ff
AußStrG §2 Abs2 Z1
AußStrG §9
B-VG Art20 Abs2
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §13 Abs2
JN §113b
JN §113c
PStG §49

 

Spruch:

Zielt ein gerichtlicher Beschluß in Überschreitung der der Gerichtsbarkeit in Außerstreitsachen gesetzten Grenzen darauf ab, die Standesämter an seine Rechtsansicht zu binden, steht den Standesämtern und deren Aufsichtsbehörden ein Recht auf Anfechtung des Beschlusses zu

Die Wirksamkeit eines im Ausland abgeschlossenen und von einem ausländischen Gericht bewilligten Adoptionsvertrages über ein österreichisches Kind ist für den österreichischen Rechtsbereich nach österreichischem internationalen Privatrecht zu beurteilen; ist kein Fall des § 113c JN gegeben und wurde dem Vorbehalt des § 13 Abs 2 der 4. DVEheG Rechnung getragen, ist die im Ausland nach ausländischem Recht vollzogene Adoption im Inland ohne weiteres wirksam

OGH 19. 4. 1972, 1 Ob 77/72 (LGZ Wien 44 R 2/72; BG Innere Stadt Wien 4 P 360/67)

Text

Gerold H ist der uneheliche Sohn der österreichischen Staatsbürgerin Erika H; der Vater ist nicht bekannt. Gerold H befindet sich seit 13. 10. 1965 bei den niederländischen Staatsbürgern und Ehegatten Albertus H und Rosalia N in H, Niederlande, in Pflege und Erziehung. Seit 1967 ist Albertus H Vormund des Kindes, seine Frau Mitvormund. Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichtes Almelo (Niederlande) vom 22. 6. 1970 wurde nach Einholung von Gutachten des Zentralen Adoptionsrates und des Jugendamtes, jedoch ohne Anhörung der Kindesmutter, der Antrag der Pflegeeltern auf Annahme des Gerold H an Kindes Statt bewilligt.

Das Erstgericht stellte nach Anhörung der Kindesmutter, die der Adoption zustimmte, unter Hinweis darauf, daß diese Zustimmung schon vor dem Urteil des Landesgerichtes Almelo vorhanden war, fest, daß durch die genannte Entscheidung des niederländischen Gerichtes die Annahme an Kindes Statt ausgesprochen wurde (P 1), wies den Antrag des Bezirksjugendamtes, es zum Zwecke der Zustimmung zur Adoption des Minderjährigen zum Kurator zu bestellen, ab (P 2), stellte das Vormundschaftsverfahren zufolge der Adoption ein (P 3) und übersandte eine Ausfertigung des Beschlusses an die Magistratsabteilung 61 der Stadt Wien zur Kenntnisnahme.

Mit der Begründung, daß auf Grund des P 1 des erstgerichtlichen Beschlusses ein diesbezüglicher Randvermerk im Geburtenbuch des Kindes beizuschreiben wäre (§ 30 PStG), erhob das Amt der Wiener Landesregierung gegen diesen Teil des Beschlusses Rekurs, dem das Rekursgericht nicht Folge gab. Es bejahte die Rekurslegitimation, da auf Grund der nach niederländischem Recht durchgeführten Adoption ein Randvermerk im Geburtenbuch des Kindes einzutragen sei und es der inländischen Behörde zukomme, zu beurteilen, ob eine im Ausland vorgenommene Annahme an Kindes Statt auch für den österreichischen Rechtsbereich Gültigkeit habe. Dem Vormundschaftsgericht komme die Prüfung zu, ob die Voraussetzungen für die Weiterführung der Vormundschaft noch bestehen, wenn es Kenntnis von einer im Ausland rechtskräftig bewirkten Adoption des Pflegebefohlenen erlange. Damit im Zusammenhang könne es dem Vormundschaftsgericht nicht untersagt werden, die Rechtswirksamkeit der im Ausland bewirkten Adoption festzustellen, sofern nach der Sachlage nicht die ausschließliche inländische Gerichtsbarkeit zur Bewilligung der Annahme an Kindes Statt nach § 113c JN vorliege. Der Ausspruch des Landgerichtes Almelo habe auch tatsächlich Wirkungen für den österreichischen Rechtsbereich. Da die Adoptiveltern niederländische Staatsbürger seien und die außereheliche Mutter der Adoption zugestimmt habe, liege eine Unwirksamkeit der Adoption nach § 13 Abs 2 der 4. DVEheG nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof gab dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Amtes der Wiener Landesregierung Folge und hob den Beschluß des Rekursgerichtes und den P 1 des erstgerichtlichen Beschlusses als nichtig auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zu prüfen ist zunächst die Frage, ob dem Amt der Wiener Landesregierung überhaupt ein Anfechtungsrecht gegen den bekämpften P 1 des erstgerichtlichen Beschlusses zustand, da das Personenstandsgesetz der Aufsichtsbehörde ein ausdrückliches Rechtsmittelrecht nur in seinem § 49 Abs 2 einräumt, diese Bestimmung aber nur das Beschwerderecht in den Fällen der §§ 45, 47 PStG regelt (Stölzel, PStG[6] 314), von denen die Bestimmung des § 47 durch die Aufhebung seines Abs 1 mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. 12. 1967, VfGSlg 5630, und das Folgegesetz vom 22. 1. 1969, BGBl 1969/64, weggefallen ist. Außerdem ist von der "höheren Verwaltungsbehörde" noch im § 22 Abs 5 der 1. PStGV die Rede, welche Bestimmung die Anfechtung eines Beschlusses regelt, mit dem bei Legitimierung eines unehelichen Kindes durch nachfolgende Ehe vom Vormundschaftsgericht eine Beischreibung am Rande des Geburtseintrags angeordnet wurde (§ 31 Abs 1 PStG). Weder ein Fall des § 31 noch des § 45 PStG liegt hier jedoch vor. Da mangels Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes des Minderjährigen in das Ausland auch kein Fall des § 32 Abs 3 des Wiener JWG, LGBl 1955/14, gegeben ist, kann das Amt der Wiener Landesregierung ein Anfechtungsrecht nur aus der Bestimmung des § 9 AußStrG ableiten, wonach ein Rekursrecht gegen die Entscheidung eines Außerstreitgerichtes jedermann zusteht, dessen rechtlich geschützten Interessen durch den angefochtenen Beschluß beeinträchtigt werden (EvBl 1970/214; SZ 42/176 und 48; EvBl 1969/187; SZ 40/10 uva). Die Zustellung eines Beschlusses allein begrundet dabei für den Empfänger noch kein Anfechtungsrecht; sie verleiht ihm weder Parteistellung noch das Recht der Beteiligung am Verfahren oder der Erhebung von Rechtsmitteln (EvBl 1969/187; EvBl 1964/46 ua; für das Adoptionsverfahren insbesondere SZ 41/99; SZ 40/77; ÖStA 1960/18, 6). Die Rechtsprechung billigt aber den Standesämtern und deren Aufsichtsbehörden im Interesse der geordneten Führung der Personenstandsbücher eine Beteiligtenstellung zu, wenn es sich dabei um eine Angelegenheit handelt, die in den Aufgabenbereich der Standesämter und deren Aufsichtsbehörden fällt (SZ 41/99; SZ 40/77, NZ 1966, 85; NZ 1965, 182; SZ 34/42 ua). Den Aufsichtsbehörden stehen Rechtsmittel gegen gerichtliche Beschlüsse also nur insoweit offen, als diese Anordnungen treffen, deren Erfüllung die geordnete Führung der Personenstandsbücher beeinträchtigen würde. Der vom Amt der Wiener Landesregierung bekämpfte P 1 des erstgerichtlichen Beschlusses trifft nun allerdings keine förmliche, vom Standesamt durchzuführende Anordnung, sondern lediglich eine Feststellung. Es gibt keine Gesetzesbestimmung, die das Standesamt zwingen würde, nur auf Grund der vom Erstgericht getroffenen Feststellung Eintragungen durchführen zu müssen, die es sonst nicht vornehmen würde. Der § 30 Abs 1 PStG ordnet zwar an, daß ein Randvermerk im Geburtenbuch einzutragen ist, wenn die Abstammung oder der Name eines Kindes mit allgemein bindender Wirkung festgestellt oder wenn der Personenstand oder Name des Kindes geändert wird. Zur Eintragung eines Randvermerkes gibt daher auch eine Annahme an Kindes Statt Anlaß (Stölzel aaO 268 ff). Ob und welche Eintragung zu machen ist, wird aber nicht vom Gericht bestimmt, sondern ist vom Standesbeamten im Rahmen seines gesetzlichen Wirkungskreises zu beurteilen. Soweit es sich allerdings um einen von einem inländischen Gericht bewilligten Adoptionsvertrag handelt, wird der Standesbeamte die Eintragung des Randvermerkes nur ablehnen dürfen, wenn ernste Zweifel an der Rechtswirksamkeit des Annahmevertrages bestehen (vgl Massfeller - Hoffmann - Knöpfel, PStG Komm II 88, Anm 247 zu § 30 PStG und die dort zitierte Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofes). Darauf, ob der Standesbeamte die Eintragung vornimmt oder nicht, hat das Gericht aber keinen unmittelbaren Einfluß, eine bestimmte Eintragung kann von ihm weder verlangt noch erzwungen werden. Welche Eintragung erfolgt, hat vielmehr ausschließlich die zuständige Verwaltungsbehörde zu beurteilen, auch wenn es selbstverständlich ihre Verpflichtung ist, die Übereinstimmung der Personenstandsbücher mit der tatsächlichen Rechtslage herzustellen. Eine Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen den Verwaltungsbehörden gegenüber tritt aber nicht ein. Wegen des öffentlichen Interesses an der Übereinstimmung der Entscheidungen österreichischer Gerichte und der durch österreichische Behörden vorgenommenen Eintragungen in die Personenstandsbücher sowie an der klaren Abgrenzung der beiderseitigen Kompetenzen muß den für die Führung der Personenstandsbücher zuständigen Behörden und deren Aufsichtsbehörden eine Befugnis zur Erhebung von Rechtsmitteln aber eingeräumt werden, wenn ein gerichtlicher Beschluß in Überschreitung der der Gerichtsbarkeit in Außerstreitsachen gesetzten Grenzen (§ 2 Abs 2 Z 1 AußStrG) darauf abzielt, auch die zur Führung der Personenstandsbücher zuständigen Behörden an seine Rechtsansicht zu binden, oder so wenigstens ausgelegt werden kann.

Im vorliegenden Fall wurde nun der Adoptionsvertrag, dessen rechtskräftige Bewilligung zu einer Eintragung in das Geburtenbuch führen kann, im Ausland abgeschlossen und von einem ausländischen Gericht bewilligt. Die Frage seiner Wirksamkeit für den österreichischen Rechtsbereich ist nach österreichischem internationalem Privatrecht zu beurteilen. Auszugehen ist dabei von der Bestimmung des § 113c Abs 1 JN, wonach die ausschließliche inländische Gerichtsbarkeit zur Bewilligung einer Annahme an Kindes Statt (und damit die Unwirksamkeit einer ausländischen Maßnahme) gegeben ist, wenn die Annehmenden und das Wahlkind österreichische Staatsbürger sind und auch nur eine dieser Personen den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Ist die ausschließliche inländische Gerichtsbarkeit wie im vorliegenden Fall, in dem die Annehmenden niederländische Staatsbürger sind, sowie diese und das Kind den gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden haben, nicht gegeben, ist die Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung nach § 13 der 4. DVEheG zu beurteilen. Der § 13 Abs 1 wird dabei als zweiseitige Rechtsanwendungsnorm angesehen, sodaß sich die Adoption in materiellrechtlicher Hinsicht nach den Gesetzen des Staates bestimmt, dem die Annehmenden zur Zeit der Adoption angehören (EvBl 1959/95; EvBl 1957/296; SZ 28/255 und die in diesen Entscheidungen zitierte Literatur; Köhler, Internationales Privatrecht[3], 106). Bei der Adoption eines österreichischen Kindes durch Ausländer macht das in Österreich geltende Gesetz (§ 13 Abs 2 der 4. DVEheG), um sie auch für den inländischen Rechtsbereich wirksam werden zu lassen, nur den Vorbehalt, daß eine nach österreichischem Recht (allenfalls) erforderliche Einwilligung des Kindes oder eines Dritten, zu dem das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, erfolgt sein müsse. Wurde diesem Vorbehalt Rechnung getragen, so ist die im Ausland nach ausländischem Recht - hier: Art 227 ff des niederländischen bürgerlichen Gesetzbuches (Burgerlijk Wetboek) in der seit 1. 1. 1970 geltenden Fassung - vollzogene Adoption des österreichischen Kindes durch Ausländer im Inland ohne weiteres wirksam (SZ 28/255), eine inländische Bewilligung also entbehrlich; wäre sie unwirksam, könnte der Mangel auch durch eine inländische gerichtliche Entscheidung nicht geheilt werden (Massfeller - Hoffmann - Knöpfel aaO 109, Anm 309). An dieser Rechtslage hat sich auch nach dem neuen Adoptionsrecht in Österreich nichts geändert, da die erhobene Forderung, das neue Adoptionsrecht solle ausdrücklich die Frage der Anerkennung einer im Ausland bewirkten Adoption, etwa nach dem Vorbild des § 24 der 4. DVEheG, regeln, nicht Eingang in das Gesetz gefunden hat (Ent in ÖStA 1960, 68). Eine ausdehnende Anwendung des § 24 der 4. DVEheG auf andere Rechtsgebiete ist aber nicht möglich (EvBl 1958/168). Es muß also jede Behörde selbst die Frage der Anerkennung einer im Ausland bewirkten Adoption prüfen und entscheiden, wenn diese Frage an sie herantritt. Das ist für die zur Führung der Personenstandsbücher zuständigen Behörden im Zusammenhang mit einer in diesen Büchern vorzunehmenden Eintragung einer ausländischen Entscheidung in Adoptionssachen der Fall (Ent in ÖStA 1961, 69 f). Das bedeutet aber, daß der Standesbeamte ohne Rücksicht auf irgendwelche Beschlüsse österreichischer Gerichte die Frage, ob er eine Eintragung nach § 30 Abs 1 PStG zu machen hat, selbständig zu beurteilen hat. Ein gerichtlicher Beschluß, der nicht darauf Bedacht nimmt oder so formuliert ist, daß er vom Standesbeamten als Weisung, eine bestimmte Eintragung vorzunehmen, oder zumindest als bindende Feststellung (nach Art einer Entscheidung gemäß § 24 der 4. DVEheG) aufgefaßt werden könnte, ist daher unzulässig. Er greift in rechtlich geschützte Interessen, die von der Aufsichtsbehörde zu wahren sind, ein, sodaß ihr ein Anfechtungsrecht zukommt.

Der unter P 1 vom Erstgericht gefaßte Beschluß war nun für den gerichtlichen Rechtsbereich überflüssig. Das Erstgericht hatte nämlich nur über den Antrag des Jugendamtes (P 2) sowie darüber zu entscheiden, ob das Vormundschaftsverfahren eingestellt wird (P 3). Für letztere Frage war die der Wirksamkeit der im Ausland bewilligten Annahme an Kindes Statt des Minderjährigen eine Vorfrage, deren Beantwortung keiner ausdrücklichen Entscheidung hierüber bedurfte. Wenn das Erstgericht nun aber trotzdem feststellte, daß durch die Entscheidung des niederländischen Gerichtes die Annahme des minderjährigen Gerold H an Kindes Statt ausgesprochen wurde, konnte der Eindruck erweckt werden, daß das Erstgericht damit auch andere Behörden und insbesondere auch die zur Führung der Personenstandsbücher zuständige Behörde bindend feststellen wollte, daß die Annahme an Kindes Statt auch für den inländischen Rechtsbereich wirksam sei. Wie leicht tatsächlich ein solcher Schluß gezogen werden konnte, ergibt sich nicht nur aus der Auffassung des Amtes der Wiener Landesregierung, sondern auch der des Rekursgerichtes. Das Amt der Wiener Landesregierung war dann aber berechtigt, den P 1 des erstgerichtlichen Beschlusses anzufechten und dessen Beseitigung zu begehren. Durch die Überschreitung der Grenzen der außerstreitigen Gerichtsbarkeit unterlief dem Erstgericht und dem seine Entscheidung bestätigenden Rekursgericht wohl nicht, wie der Revisionsrekurs meint, eine offenbare Gesetzwidrigkeit, aber eine Nichtigkeit (Nullität), die auch noch im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses nach § 16 Abs 1 AußStrG geltend gemacht werden konnte. Der im Außerstreitgesetz nicht ausdrücklich geregelte Nichtigkeitsbegriff orientiert sich nämlich nach ständiger Rechtsprechung im wesentlichen am § 477 ZPO (SZ 42/69; RZ 1968, 215 uva); als Nichtigkeit muß dann aber insbesondere anerkannt werden, wenn das Vormundschaftsgericht über eine nicht in das außerstreitige Verfahren gehörige Sache erkannte (§ 477 Abs 1 Z 6 ZPO). Das hat das Erstgericht getan, indem es eine im eigenen Verfahren nicht zu treffende Feststellung traf, die dahin verstanden werden konnte, als wollte es damit unzulässigerweise andere Behörden binden.

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