OGH 6Ob97/69

OGH6Ob97/6930.4.1969

SZ 42/69

Normen

Außerstreitgesetz §1
Außerstreitgesetz §27
Außerstreitgesetz §1
Außerstreitgesetz §27

 

Spruch:

Die Auslegung einer Testamentsbestimmung dahin, welche Vermächtnisse gebühren, steht dem Verlassenschaftsrichter nicht zu.

Entscheidung vom 30. April 1969, 6 Ob 97/69

I. Instanz: Bezirksgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.

Text

Die am 15. März 1967 verstorbene Cäcilia K. setzte in einem Testament vom 22. Jänner 1950 ihre Tochter Theresia B. zur Hälfte und ihre Enkel Helmut und Horst K. (Nachkommen ihres vorverstorbenen Sohnes Dr. Rudolf K.) zu je einem Viertel des Nachlasses als Erben ein. Im Punkt II. dieser letztwilligen Verfügung ordnete sie ferner an:

"An Vorausvermächtnissen bestimme ich

a) Meiner außerehelichen Tochter Frau Resi B. geborene G. vermache ich die Hälfte der Realität Salzburg, W.-Straße 8, welche mir zu 5/8 eigentümlich gehört, meine Kleider und meine Wäsche

b) Meinen beiden Enkeln Helmut Georg K. und Horst Rudolf K. zusammen das restliche mir gehörige 1/8 der Realität Salzburg, W.-Straße 8. Die Einrichtung meines Wohnzimmers jedem je 1 Bett und die Kücheneinrichtung

c) Der Tochter meiner außerehelichen Tochter Resi B. meiner Enkelin Rosi H., vermache ich meine Schlafzimmereinrichtung und meine Nähmaschine."

Die Erblasserin ist zu 5/8 Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft EZ. X KG. M., Haus in Salzburg, W.-Straße 8. Die restlichen 3/8 Anteile stehen im gleichteiligen Eigentum der erblasserischen Enkel Horst und Helmut K.

Theresia B., Horst K. und Helmut K. gaben auf Grund des Testamentes vom 22. Jänner 1950 bedingte Erbserklärungen ab, und zwar Theresia B. zur Hälfte und Horst und Helmut K. zu je einem Viertel des Nachlasses. Sie und Rosa H. erklärten, die ihnen zugedachten Vermächtnisse anzunehmen. Weitere eigenberechtigte Nachkommen der Erblasserin, nämlich Hermine E., Franz G. und Rosa K. (Kinder des mit 8. August 1944 für tot erklärten erblasserischen Sohnes Johann G.) gaben gegenüber dem Abhandlungsgericht die Erklärung ab, den Pflichtteil zu beanspruchen.

Zwischen Theresia B. einerseits und Helmut und Horst K. andererseits bestehen Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der letztwilligen Verfügung vom 22. Jänner 1950. Theresia B. beansprucht die Hälfte der Liegenschaft, womit für Helmut und Horst K. nur mehr je 1/16 Anteile verblieben. Helmut und Horst K. legen die Anordnungen der Erblasserin so aus, daß sie zunächst einmal 1/8 Liegenschaftsanteil als Vorausvermächtnis zu bekommen haben; von den verbleibenden 4/8 Anteilen habe Theresia B. die Hälfte (2/8 Anteile) als Vorausvermächtnis zu erhalten und die restlichen 2/8 Anteile seien schließlich im Verhältnis der Erbquoten (1/2 : 1/4 : 1/4) aufzuteilen. Darnach erhielten Theresia B. 3/8 Anteile und Helmut und Horst K. je 1/8 Anteil der Liegenschaft.

Demgemäß stellten Helmut und Horst K. beim Abhandlungsgericht den Antrag, "ihnen je 1/8 der erblasserischen Liegenschaft ins Eigentum zu übertragen". Theresia B. hingegen beantragte, in die Verbücherungsklausel der - erst zu erlassenden - Einantwortungsurkunde" die Einverleibung des Eigentumsrechtes für sie auf 4/8 der erblasserischen Liegenschaftsanteile aufzunehmen".

Das Erstgericht sprach, offensichtlich durch diese Anträge veranlaßt, in Punkt 4 des Beschlusses - vom 31. Oktober 1968 aus:

"In Auslegung des erbl. Testamentes vom 22. Jänner 1950 wird bestimmt, daß von den erbl. 5/8 Anteilen der Liegenschaft EZ. X KG. M., Haus Salzburg, W.-straße 8, 4/8 Anteile der außerehelichen erbl. Tochter Theresia B. und je 1/16 Anteile den erbl. Enkeln Helmut K. und Horst K. als Vorausvermächtnisse zuzufallen haben. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des erbl. Testamentes, wonach das restliche der Erblasserin gehörige Achtel den beiden erbl. Enkeln zusammen als Vorausvermächtnis legiert ist."

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Helmut K. und des Horst K. nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof hob aus Anlaß des Revisionsrekurses des Helmut K. und des Horst K. den Punkt 4 des im übrigen als unangefochten, unberührt bleibenden erstgerichtlichen Beschlusses vom 31. Oktober 1968 und den rekursgerichtlichen Beschluß als nichtig auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Aus Anlaß des an sich zulässigen und rechtzeitigen Revisionsrekurses hatte der Oberste Gerichtshof zunächst von Amts wegen die Frage zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung nicht schon aus dem Gründe einer unterlaufenen Nichtigkeit beseitigt werden muß.

Nach § 1 AußStrG. hat das Gericht in nichtstreitigen Rechtsangelegenheiten von Amts wegen oder auf Antrag der Parteien nur insofern vorzugehen, als die Gesetze es anordnen. Gemäß § 2 (2) Z. 1 dieses Gesetzes soll es insbesondere in nichtstreitigen Rechtsangelegenheiten die Grenzen seiner Gerichtsbarkeit nicht überschreiten und allenfalls die Parteien an das zuständige Gericht verweisen. Nun besteht aber die der Verlassenschaftsabhandlung eigentümliche Aufgabe in der Feststellung der Rechtsnachfolge, keinesfalls aber in der Austragung von Streitigkeiten, die sich zwischen Gläubigern, Vermächtnisnehmern und den Erben über die Richtigkeit und den Umfang ihrer Ansprüche ergeben. Das Erheben eines von den Erben nicht anerkannten Anspruches eines eigenberechtigten Vermächtnisnehmers ist an sich nicht geeignet, eine Verfügung des Abhandlungsgerichtes hervorzurufen (5 Ob 312, 313/64). Das Abhandlungsgericht hat daher - abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen der §§ 159 bis 161 AußStrG. - weder für die Erfüllung der Vermächtnisse Sorge zu tragen, noch über streitige Legate zu entscheiden (1 Ob 423/54). Es fällt daher auch ein Ausspruch, wie eine von den Bedachten verschieden beurteilte letztwillige Anordnung auszulegen und in welchem Ausmaß ein Vermächtnis den Vermächtnisnehmern zuzukommen hat, mangels einer gesetzlichen Grundlage nicht in die Zuständigkeit des Abhandlungsrichters. Über derartige Ansprüche hat das Prozeßgericht zu entscheiden. Mit der angefochtenen Entscheidung hat aber das Erstgericht über strittige Ansprüche zwischen Vermächtnisnehmern und Erben, die sich wechselseitig in dieser Eigenschaft gegenüberstehen, abgesprochen und es hat damit die Grenzen seiner Zuständigkeit überschritten. Das aber hat nach Lehre und Rechtsprechung Nichtigkeit zur Folge (Ott, Rechtsfürsorgeverfahren, S. 213 und 216, Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen S. 36; SZ. XXXIV 61, XXIX 9, XXIV 339, XXII 107 u. a.), die in jeder Lage des Verfahrens, also auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen wahrzunehmen ist (8 Ob 362/65, SZ. XXV 21). Wenn auch das Außerstreitgesetz, das die Nichtigkeit im § 16 (1) erwähnt, die Nichtigkeitsgrunde nicht anführt, so besteht doch kein Zweifel darüber, daß so schwerwiegende Mängel, die die Zivilprozeßordnung zu Nichtigkeitsgrunden erhoben hat, auch im Außerstreitverfahren Nichtigkeit zur Folge haben, soweit sie für dieses überhaupt in Betracht kommen. Nach § 477 (1) Z. 6 ZPO. bildet es einen Nichtigkeitsgrund, wenn im Prozeß über eine nicht auf den Rechtsweg gehörende Sache erkannt wurde. In analoger Anwendung dieser Bestimmung muß daher Nichtigkeit einer im Außerstreitverfahren getroffenen Entscheidung angenommen werden, die auf den Rechtsweg gehört.

Demzufolge mußten der angefochtene Teil des erstinstanzlichen Beschlusses und die diesen bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes als nichtig aufgehoben werden, ohne daß auf die Frage der behaupteten offenbaren Gesetzwidrigkeit noch einzugehen war.

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