Spruch:
Dem Amt der Landesregierung steht hinsichtlich der Frage, ob der Altersunterschied zwischen den Wahleltern und dem Wahlkinde den Erfordernissen des § 180 ABGB. entspricht, ein Rekursrecht nicht zu.
Entscheidung vom 23. Mai 1967, 8 Ob 120/67.
I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die Ehegatten Erich T., geboren am 29. April 1924, und Erna T., geboren am 31. Jänner 1926, haben mit Adoptionsvertrag vom 16. November 1966 den am 4. Juni 1941 geborenen Heinz Rudolf Ch. an Kindes Statt angenommen.
Das Erstgericht hat die Annahme an Kindes Statt bewilligt.
Das Rekursgericht hat dem Rekurs des Amtes der Wiener Landesregierung aus den in diesem Rekurs geltend gemachten Gründen, daß zwischen den Wahleltern und dem Wahlkind nicht der im § 180 ABGB. vorgesehene Altersunterschied von mindestens 18 Jahren bestehe, Folge gegeben und den Beschluß der ersten Instanz dahin abgeändert, daß es den Antrag auf Bewilligung der Adoption abwies. Es hat die Rekurslegitimation des Amtes der Wiener Landesregierung unter Hinweis auf die bestehende Judikatur als gegeben angesehen.
Der Oberste Gerichtshof hat dem Revisionsrekurs der Wahleltern und des Wahlkindes Folge gegeben, den rekursgerichtlichen Beschluß aufgehoben und den Rekurs des Amtes der Wiener Landesregierung gegen den Beschluß der ersten Instanz zurückgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Im Vordergrund steht die Frage der Legitimation des Amtes der Wiener Landesregierung zur Bekämpfung des Adoptionsbewilligungsbeschlusses der ersten Instanz. Es kommt hiebei darauf an, ob dem Amt der Wiener Landesregierung eine Beteiligtenstellung im Sinn des § 9 AußStrG. zugebilligt werden kann. Denn aus der Bestimmung des Punktes II Z. 5 des JME. vom 20. Juni 1960 (abgedruckt im JABl. 1960 S. 61 ff.), mit der nach dem Inkrafttreten der Neuordnung des Rechtes der Annahme an Kindes Statt, ähnlich wie schon in früheren Erlässen, den Bezirksgerichten zur Pflicht gemacht wurde, auch in Zukunft dem Amt der Landesregierung Abschriften des Bewilligungsbeschlusses und allenfalls der Entscheidungen der Rechtsmittelgerichte zu übersenden, kann ein Rekursrecht des Amtes der Landesregierung gegen derartige Entscheidungen nicht abgeleitet werden (vgl. ÖStA. 1960 S. 6 Nr. 18). Wohl wurde im Hinblick auf die den Standesämtern und deren Aufsichtsbehörden im Interesse einer geordneten Führung der Personenstandsbücher obliegenden Aufgaben in der Rechtsprechung schon immer den Ämtern der Landesregierungen eine Beteiligtenstellung im Sinn des § 9 AußStrG. zugebilligt, kraft welcher sie im Rahmen ihres Aufgabenbereiches zur Erhebung von Rechtsmitteln legitimiert sind (vgl. GlUNF. 2799, ZBl. 1934 Nr. 66, S. 152, EvBl. 1953 Nr. 279, S. 358, ÖStA. 1960 S. 6 Nr. 18, SZ. XXXIV 42, NotZ. 1965 S. 182, NotZ. 1966 S. 85 u. a.). Dabei hat es sich meist um Fragen gehandelt, die sich aus der Bewilligung der Adoption ergaben, insbesondere um mit der Namensführung im Zusammenhang stehende Belange. Es wurde auch in allen diesen Entscheidungen die Einschränkung gemacht, daß das Rekursrecht dem Amt der Landesregierung im Rahmen seines Aufgabenbereiches zustehe (vgl. Z. XXXIV 42 u. a.). Soweit es sich also um von den Standesämtern und deren Aufsichtsbehörden zu besorgende Angelegenheiten, insbesondere um Angelegenheiten der Namensführung und um die Führung der Personenstandsbücher, handelt, kann das Rekursrecht des Amtes der Landesregierung nicht in Zweifel gezogen werden. In der Entscheidung NotZ. 1965 S. 182 und in der nicht veröffentlichten Entscheidung 7 Ob 337/65 hat es sich wohl nicht um eine solche, auch die Führung der Personenstandsbücher berührende Angelegenheit gehandelt, sondern darum, ob die Wahlkindschaft durch den Tod der früheren Wahleltern erlischt bzw. ob die Wahleltern das gesetzlich geforderte Alter erreicht haben. Auch in diesen beiden Entscheidungen wurde aber zum Ausdruck gebracht, daß das Rekursrecht dem Amt der Wiener Landesregierung im Rahmen seines Aufgabenbereiches zustehe, wenn auch nicht näher begrundet wurde, warum die Voraussetzung, daß es sich um eine den Aufgabenbereich der Landesregierung berührende Angelegenheit handle, als gegeben angesehen wurde. In der Entscheidung 2 Ob 37/67 = SZ. XL 16, in der es so wie im vorliegenden Falle darum ging, ob der im § 180 ABGB. geforderte Altersunterschied zwischen den Wahleltern und dem Wahlkinde besteht, wurde bei der Bejahung des Rekursrechtes des Amtes der Landesregierung auch der vorerwähnte einschränkende Zusatz nicht mehr gemacht. Der erkennende Senat vermag sich der darin zum Ausdruck kommenden Ansicht, die auf eine Bejahung des Rekursrechtes des Amtes der Landesregierung ohne jede Einschränkung hinausläuft, nicht anzuschließen. Er ist vielmehr der Ansicht, daß eine Beteiligtenstellung des Amtes der Landesregierung im Sinn des § 9 AußStrG. im Adoptionsverfahren nicht ohne jede Einschränkung angenommen werden kann, sondern nur insoweit, als es sich um eine Angelegenheit handelt, die in den Aufgabenbereich der Standesämter und deren Aufsichtsbehörden fällt. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine solche den Aufgabenbereich der Standesämter und deren Aufsichtsbehörden berührende Angelegenheit. Es geht nicht um die auf Grund der vorgelegten Urkunden und der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen überprüfbaren Angaben im Adoptionsbewilligungsbeschluß, wie sie im § 260 AußStrG. vorgesehen sind, sondern darum, ob der zwischen den Wahleltern und dem Wahlkind bestehende Altersunterschied nach § 180 ABGB. als ausreichend angesehen werden kann, also um eine materiellrechtliche Voraussetzung der Bewilligung der Adoption. Die Prüfung solcher materiellrechtlicher Voraussetzungen der Annahme an Kindes Statt berührt nicht den Aufgabenbereich der Standesämter und deren Aufsichtsbehörden. Sie ist ausschließlich Sache des Gerichtes. Hätte der Gesetzgeber den Ämtern der Landesregierung über den Rahmen ihres in den Personenstandsgesetzen umschriebenen Aufgabenbereiches hinaus auch insoweit eine Beteiligtenstellung einräumen wollen, als es sich um die Beurteilung der Voraussetzungen der Bewilligung der Adoption handelt, dann hätte er dies gewiß in der Bestimmung des § 181a ABGB. zum Ausdruck gebracht, in welcher Gesetzesstelle gesagt wird, wer ein Recht auf Anhörung hat.
Dem Amt der Wiener Landesregierung kann daher hinsichtlich der hier zur Beurteilung stehenden Frage, ob der Altersunterschied zwischen den Wahleltern und dem Wahlkind den im § 180 ABGB. festgelegten Erfordernissen entspricht, ein Rekursrecht nicht zugebilligt werden.
Es war daher dem Revisionsrekurs Folge zu geben, der Beschluß der zweiten Instanz aufzuheben und der Rekurs des Amtes der Wiener Landesregierung gegen den Adoptionsbewilligungsbeschluß der ersten Instanz zurückzuweisen.
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