Spruch:
Der wegen Geisteskrankheit beschränkt entmundigte eheliche Vater kann durch seinen Beistand die Bestellung eines Vormundes anfechten.
Entscheidung vom 24. Jänner 1967, 8 Ob 9/67.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Leopold u Elfriede L. sind seit 1958 verheiratet. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 26. März 1964 wurde Leopold L. wegen Geisteskrankheit beschränkt entmundigt. Zu seinem Beistand wurde Rechtsanwalt Dr. Alfred R. bestellt. Die ehelichen Kinder sind seit 3. Mai 1966 in Pflege der Stadt Wien. Das Bezirksjugendamt für den 3. Bezirk schlug dem Erstgerichte vor, die Mutter Elfriede L. zum Vormund der Kinder zu bestellen.
Das Erstgericht bestellte Elfriede L. zum Vormund.
Das Rekursgericht hat den Rekurs des ehelichen Vaters, vertreten durch seinen Beistand, mit der Begründung zurückgewiesen, der Rekurswerber könne gemäß § 176 ABGB. als beschränkt Entmundigter die väterliche Gewalt nicht mehr ausüben; letztere sei außer Wirksamkeit getreten. Es sei die Bestellung eines Vormundes vom Gesetz zwingend vorgeschrieben. Leopold L. komme im Verfahren keine Parteistellung zu. Er besitze keine Rekurslegitimation.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des ehelichen Vaters, vertreten durch seinen Beistand, Folge und änderte den zweitinstanzlichen Beschluß dahin ab, daß dem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß nicht Folge gegeben wird.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Gericht zweiter Instanz leitet aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, EvBl. 1958 Nr. 311 S. 526, den Mangel der Rekursberechtigung eines beschränkt entmundigten ehelichen Vaters zu Unrecht ab. Diese Entscheidung verneint bloß die Berechtigung des Entmundigten, selbständig Rechtsmittel einzubringen. Im Außerstreitverfahren hat jeder Beteiligte das Recht zur Anfechtung einer Entscheidung, wenn dadurch seine rechtliche Interessensphäre berührt wurde und ihm daher die Entscheidung zuzustellen war (SZ. XXIII 5). Gerade dem Vater ist demgemäß ein weitgehendes Rekursrecht einzuräumen. Durch die Bestimmungen des § 176 ABGB. und § 6 EntmO. tritt zwar, sobald die beschränkte Entmündigung ausgesprochen worden ist, die väterliche Gewalt ipso iure außer Kraft, sodaß sich der Spruch der erstgerichtlichen Entscheidung bloß auf die Vormundbestellung zu beschränken hatte, aber in der Begründung darauf einzugehen war, ob die Voraussetzungen für das Außerkrafttreten der väterlichen Gewalt gegeben sind (Klang-Komm.[2] I/2, 238, zu § 176). Die väterliche Gewalt ruht von Rechts wegen (Ehrenzweig, Familienrecht[2] II/2, § 459 Punkt II S. 260).
Der Rekurswerber bekämpft durch seinen gesetzlichen Vertreter den erstgerichtlichen Beschluß mit der Begründung, eine beschränkte Entmündigung biete überhaupt keine Grundlage für die Bestellung eines Vormundes und die Bestellung seiner Frau als Vormund widerspreche seinen Interessen als Vater der Kinder. Wenn auch durch das Außerkrafttreten seiner väterlichen Gewalt Leopold L. die daraus erwachsenden Rechte auf Erziehung, auf Vermögensverwaltung und Vertretung der ehelichen Kinder nicht mehr ausüben kann, so muß ihm immerhin das Rekursrecht, allerdings vertreten durch seinen gerichtlich bestellten Beistand, hinsichtlich der seine Rechte als Vater berührenden Frage der Zulässigkeit der Bestellung eines Vormundes und auch hinsichtlich der Eignung des an seine Stelle tretenden Vormundes zugebilligt werden. Aus diesem Gründe war die Zurückweisung des Rekurses durch die zweite Instanz unbegrundet.
Dies führt aber nicht zur Aufhebung der Entscheidung zweiter Instanz und Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht. Im Sinne seiner wiederholten Rechtsprechung (SZ. XXXIV 56, SZ. XXIII 87, 390 u. a.) konnte der Oberste Gerichtshof über den Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß in der Sache selbst entscheiden.
Nach dem vorhandenen Sachverhalt war dieser Rekurs sachlich unbegrundet und der erstgerichtliche Beschluß zu bestätigen.
Im Rekurs gegen die Entscheidung der ersten Instanz wendet sich der eheliche Vater zu Unrecht gegen die Notwendigkeit der Bestellung eines Vormundes für die Minderjährigen. Da der Vater gemäß § 176 ABGB, und § 6 EntmO. seine väterliche Gewalt nicht mehr ausüben kann, bedürfen die mj. Kinder eines gesetzlichen Vertreters, der an Stelle des Vaters ihre Interessen wahrzunehmen hat. Soweit sich der Rekurs gegen die Bestellung der Mutter zum Vormund richtet, vermag die darin aufgestellte Behauptung, der Vater lebe mit der Mutter, die ihm die Kinder entfremden könnte, in Feindschaft, den die Bestellung der Mutter zum Vormund überzeugend rechtfertigenden Bericht des Bezirksjugendamtes für den 3. Bezirk nicht zu entkräften.
Es war sohin dem Rekurs Folge zu geben und der Beschluß des Rekursgerichtes dahin abzuändern, daß dem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß sachlich keine Folge gegeben wurde.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)