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European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2025:RO2023120069.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin steht seit ihrer Ernennung zur Richterin mit Wirksamkeit vom 1. Dezember 2013 in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Von 7. Juli 2003 bis 31. Dezember 2007 war sie Rechtsanwaltsanwärterin und von 1. Jänner 2008 bis 30. November 2013 Rechtsanwältin.
2 Mit Bescheid vom 5. Dezember 2013 wurde der Vorrückungsstichtag der Revisionswerberin festgesetzt. Dabei wurden ihr die Zeiten als Rechtsanwältin von 1. Dezember 2008 bis 30. November 2013 als berufseinschlägige Vortätigkeiten bis zum (damals geltenden) gesetzlichen Höchstausmaß von fünf Jahren gemäß § 12 Abs. 3 Z 1 Gehaltsgesetz 1956 (GehG) angerechnet. Die Zeiten als Rechtsanwältin im darüber hinaus gehenden Ausmaß (1. Jänner 2008 bis 30. November 2008 ‑ 11 Monate) wurden ihr wegen Erreichens der gesetzlichen Obergrenze von fünf Jahren nicht angerechnet. Zeiten als Rechtsanwaltsanwärterin wurden ihr insoweit nicht angerechnet, als sich diese mit Zeiten überschnitten, die auf ein anrechenbares Doktoratsstudium fielen, darüber hinaus wurden diese Zeiten als sonstige Zeiten (bloß) zur Hälfte angerechnet.
3 Mit Schreiben vom 23. Oktober 2019 beantragte die Revisionswerberin, gestützt auf § 169h Abs. 1 GehG, die „bescheidmäßige Erhöhung des Besoldungsdienstalters“ sowie die Auszahlung der sich daraus ergebenden Bezugsdifferenzen und brachte dazu in einer weiteren Stellungnahme vor, sie sei als Konzipientin (Rechtsanwaltsanwärterin) und selbständige Rechtsanwältin in verschiedensten Rechtsgebieten tätig gewesen und ihr sei bereits als Konzipientin die eigenständige Abwicklung von Rechtsfällen übertragen worden. Die Tätigkeiten als Konzipientin und Rechtsanwältin hätten sie auf das Richteramt vorbereitet. Sie sei in den ersten sechs Monaten als Richterin zu 80% in Außerstreitsachen und streitigen Ehescheidungen sowie zu 20% in „C‑Sachen“ (streitigen Zivilrechtssachen) tätig gewesen. Ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin und Rechtsanwaltsanwärterin habe zu wesentlich mehr als 75% den Aufgaben entsprochen, mit denen sie als Richterin in den ersten sechs Monaten betraut gewesen sei. Auch habe die Besorgung der richterlichen Aufgaben eine Ausbildung auf gleichwertiger fachlicher Ebene erfordert.
4 Mit Bescheid vom 5. Oktober 2021 wies der Präsident des Oberlandesgerichtes Innsbruck (belangte Behörde) den Antrag ab. Die Revisionswerberin sei in den ersten sechs Monaten ihres öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnisses als Richterin in Vollauslastung tätig gewesen. Aus der Arbeitsplatzbeschreibung einer Richterin leitete die belangte Behörde mit näherer Begründung ab, dass nicht von einer Gleichwertigkeit der Aufgaben einer Rechtsanwältin mit jenen einer Richterin ausgegangen werden könne. Der „nützliche Anteil“ der Vorverwendung sei bereits im Höchstausmaß von fünf Jahren berücksichtigt worden und eine nachträgliche Anrechnung „bloß nützlicher“ Vordienstzeiten nach § 12 Abs. 3 GehG sei im Rahmen des § 169h GehG (in der Fassung BGBl. I Nr. 153/2020) nicht vorgesehen.
5 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 11. April 2023 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab. Die Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte das Bundesverwaltungsgericht für zulässig.
7 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass die Revisionswerberin im Zeitraum von 7. Juli 2003 bis 31. Dezember 2007 als Rechtsanwaltsanwärterin und von 1. Jänner 2008 bis 30. November 2013 als Rechtsanwältin tätig gewesen sei. Seit 1. Dezember 2013 sei sie Richterin an einem Bezirksgericht.
8 Gemäß § 8 Abs. 1 Rechtsanwaltsordnung (RAO) sei die Aufgabe von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten die rechtliche Vertretung von Parteien. Als Rechtsanwaltsanwärterin und als Rechtsanwältin habe die Revisionswerberin Mandanten beraten. Dazu habe sie selbständig Akten bearbeitet, indem sie den Fall aufbereitet, Beratungsgespräche mit den Mandanten geführt, Schriftsätze verfasst und an Verhandlungen teilgenommen habe. Als Anwältin habe sie alle Schriftsätze selbst unterschrieben und sei zu einem geringen Prozentsatz mit der Kanzleiorganisation befasst gewesen.
9 In den ersten sechs Monaten nach ihrer Ernennung zur Richterin sei die Revisionswerberin als Vertretungsrichterin zugeteilt gewesen und habe eine Gerichtsabteilung geleitet, in der zu 80% Außerstreitverfahren und zu 20% Zivilverfahren zu erledigen gewesen seien. Die konkreten Tätigkeiten seien das Studium und die Aufbereitung der Akten samt Literatur‑ und Judikaturrecherche, das Leiten von Verhandlungen und Vernehmungen sowie das Fällen von Entscheidungen gewesen. Amtstage habe sie nicht abgehalten. Aktenverwaltung und Fortbildung hätten keinen wesentlichen Anteil an ihrer Gesamttätigkeit eingenommen.
10 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass für die Feststellung der Gleichwertigkeit maßgeblich sei, ob die mit den jeweiligen Berufstätigkeiten verbundenen Aufgaben einander zu mindestens 75% entsprächen. Hierbei sei zwischen den Begriffen „Aufgabe“, welche im Sinne von „Aufgabenstellung“, und damit einer Blickrichtung, unter der die Berufstätigkeit erbracht werde, zu verstehen sei, und „Tätigkeiten“ zu unterscheiden. Tätigkeiten seien Handlungen, die zur Erfüllung der Aufgabe erbracht würden. Von der „Aufgabe“ seien zudem die konkreten Rechtsgebiete zu unterscheiden. Die Aufgaben von Richterinnen, Rechtsanwältinnen und Wissenschafterinnen unterschieden sich, auch wenn sie sich mit derselben Materie befassten. Relevant seien nur Aufgaben, mit denen die Person jeweils aufgrund ihrer Berufstätigkeit betraut gewesen sei, wobei auf jene Aufgaben abzustellen sei, mit denen die Person vom Dienstgeber betraut gewesen sei.
11 Aus dem Vergleich der beiden Berufsbilder ergebe sich, dass diese ‑ wenngleich sich einzelne Tätigkeiten zur Erfüllung der Aufgaben überschnitten ‑ im Wesenskern andere Aufgaben verfolgten. Aus der durch das Bundesministerium für Justiz dargestellten Arbeitsplatzbeschreibung einer Richterin eines Bezirksgerichtes ergebe sich, dass deren Tätigkeiten zu 90% Verhandlungsleitung, Vernehmung, Entscheiden, Rechtsprechen, Aktenstudium und Vorbereitung umfassten, wobei diese zum Zweck der Erfüllung der Kernaufgabe „Ausübung der Gerichtsbarkeit“ zu erbringen seien. 10% der Tätigkeiten beträfen Amtstage, Aktenverwaltung und Fortbildung.
12 Es treffe zwar zu, dass die Revisionswerberin sowohl in ihrer Vortätigkeit als auch als Richterin in unterschiedlichen Rechtsgebieten tätig gewesen sei und sich die Rechtsgebiete größtenteils deckten. Dies sei jedoch bei der Beurteilung, ob es sich bei den beiden Berufen um solche mit gleichwertigen Aufgaben handle, irrelevant. Auch die Aufgaben bei der Teilnahme an Verhandlungen seien, auch wenn sowohl Rechtsanwälte als auch Richter das Verfahren mit den dort aufgeworfenen Sachverhalts‑ und Rechtsfragen kennen müssten, aufgrund der unterschiedlichen Blickwinkel grundlegend andere, weil die Richterin die Verhandlung leite und diese die Grundlage ihrer unabhängigen Entscheidung sei, die Rechtsanwältin hingegen ihre Mandantschaft vertrete und auf deren Seite agiere.
13 Die Revisionswerberin habe in den ersten sechs Monaten als Richterin eine Gerichtsabteilung geleitet und sei somit mit der Aufgabe „Ausübung der Gerichtsbarkeit“ betraut und in Ausübung ihres richterlichen Amtes tätig gewesen. Dabei habe sie zu 90% Tätigkeiten erbracht, die diesem Aufgabenbereich zuzurechnen gewesen seien. Um eine Gleichwertigkeit zwischen den verrichteten Tätigkeiten herzustellen, müssten sich diese zu mindestens 75% decken. Dies sei nicht der Fall gewesen sei, weshalb keine Gleichwertigkeit der Tätigkeiten iSd § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c sublit. aa GehG vorliege.
14 Einem in der Beschwerde erstatteten Vorbringen, wonach der Gesetzgeber die Rechtslage durch die Novellierung des § 169h GehG mit der Dienstrechts‑Novelle 2020 ‑ „ohne entsprechende Übergangsregelungen vorzusehen“ ‑ während des bereits anhängigen Verfahrens über den von der Revisionswerberin am 23. Oktober 2019 gestellten Antrag auf Erhöhung des Besoldungsdienstalters nach § 169h GehG (in der Fassung der 2. Dienstrechts‑Novelle 2019, BGBl. I Nr. 58) in unzulässiger Weise zum Nachteil der Revisionswerberin insoweit geändert habe, als es dadurch zu einem „Ausschluss der Anwendung von § 12 Abs. 3 im Rahmen eines Verfahrens nach § 169h GehG“ gekommen sei, trat das Bundesverwaltungsgericht nicht bei und wies mit näherer Begründung darauf hin, dass es die Rechtslage anzuwenden habe, die zum Zeitpunkt der Erlassung seiner Entscheidung gelte.
15 Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte das Bundesverwaltungsgericht unter anderem mit der Begründung für zulässig, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Gleichwertigkeit iSd § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c GehG vorliege.
16 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 28. Juni 2023, E 1575/2023‑6, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
17 In der Begründung seines Ablehnungsbeschlusses führte der Verfassungsgerichtshof zu von der Revisionswerberin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen Folgendes aus:
„Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der zufolge dem Gesetzgeber bei der Regelung des Dienst‑, Besoldungs‑ und Pensionsrechtes der öffentlich Bediensteten ein verhältnismäßig weiter Gestaltungsspielraum offengelassen ist (vgl. zB VfSlg. 16.176/2001 mwN sowie VfSlg. 17.452/2005; VfGH 7.6.2013, B 1345/2012; 2.7.2016, G 450/2015 ua.) und bei Stichtagsregelungen, die notwendig ein gewisses Maß an Beliebigkeit aufweisen, auch Härtefälle in Kauf zu nehmen sind (vgl. VfSlg. 19.308/2011, 19.884/2014 mwN), die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.“
18 In der Folge erhob die Revisionswerberin die vorliegende ordentliche Revision.
19 Das Bundesverwaltungsgericht führte gemäß § 30a Abs. 4 bis 6 VwGG ein Vorverfahren durch, in dessen Rahmen die Bundesministerin für Justiz eine Revisionsbeantwortung erstattete.
20 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
21 Die Revision ist zulässig (zur Zulässigkeit einer Revision mit ähnlichem Vorbringen in einem vergleichbaren Fall vgl. VwGH 4.9.2024, Ro 2023/12/0051).
22 Sie ist auch berechtigt.
1. Entwicklung der Rechtslage
23 Die Entwicklung der fallbezogen maßgeblichen Regelungen des Gehaltsgesetzes zur Anrechnung von beruflichen Tätigkeiten außerhalb des öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnisses als Vordienstzeiten (bzw. auf das Besoldungsdienstalter) stellt sich wie folgt dar:
24 In der Stammfassung des Gehaltsgesetzes war (damals in der aus einem einzigen Absatz bestehenden Bestimmung des § 12 GehG, welche mit der 7. Gehaltsgesetz‑Novelle, BGBl. Nr. 89/1963, zu § 12 Abs. 1 wurde) die Ermächtigung an die Bundesregierung normiert, mit Verordnung vorzusehen, dass „dem Beamten die vor der Anstellung in einem öffentlichen oder nichtöffentlichen Dienst, in einem freien Beruf oder in Ausbildung für den Dienst nach Vollendung des 18. Lebensjahres verbrachte Zeit für die Vorrückung in höhere Bezüge angerechnet werden kann, soweit sie für den Bundesdienst von Bedeutung ist“.
25 Mit der 19. Gehaltsgesetz‑Novelle, BGBl. Nr. 198/1969, wurde die Anrechnung derartiger Vordienstzeiten im neu gefassten Abs. 3 des § 12 GehG in der Weise normiert, dass nunmehr „im Abs. 2 nicht angeführte Zeiten ... anläßlich der Aufnahme ausnahmsweise vom zuständigen Bundesministerium im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium für Finanzen wie eine im Abs. 2 angeführte Zeit berücksichtigt werden“ konnten, wenn „der Beamte in dieser Zeit eine Tätigkeit ausgeübt hat, die der Erwerbung für den Bundesdienst wichtiger Kenntnisse oder Erfahrungen diente, die im allgemeinen im Bundesdienst nicht erworben werden können, und die Berücksichtigung im öffentlichen Interesse liegt“ (mit der 20. Gehaltsgesetz‑Novelle, BGBl. Nr. 245/1970, wurde die Anrechnungsmöglichkeit auf Zeiten eines Studiums erweitert; mit der Novelle BGBl. Nr. 447/1990 wurde die Regelung durch eine gleichartige Anrechnungsmöglichkeit von bereits in einem vorhergehenden Dienstverhältnis zum Bund angerechneten Zeiten ergänzt).
26 Mit dem Deregulierungsgesetz ‑ Öffentlicher Dienst 2002, BGBl. I Nr. 119, wurden zeitliche Obergrenzen für die Anrechenbarkeit der genannten Vordienstzeiten eingeführt. Die Anrechenbarkeit war nach der durch diese Novelle geschaffenen Rechtslage höchstens in folgendem Ausmaß zur Gänze möglich (§ 12 Abs. 3 Z 1 bis 3 GehG): „1. in den Verwendungsgruppen A 1, A 2 oder in gleichwertigen Verwendungsgruppen fünf Jahre, 2. in den Verwendungsgruppen A 3 oder in gleichwertigen Verwendungsgruppen drei Jahre und 3. in den Verwendungsgruppen A 4, A 5 oder in gleichwertigen Verwendungsgruppen zwei Jahre“.
27 Mit der Novelle BGBl. I Nr. 32/2015 wurde Abs. 3 des nunmehr das „Besoldungsdienstalter“ regelnden § 12 GehG dahin geändert, dass die Höchstgrenze der Anrechnung der darin normierten Vordienstzeiten einheitlich mit zehn Jahren festgesetzt wurde. Die Bestimmung lautete ab diesem Zeitpunkt:
„(3) Über die in Abs. 2 angeführten Zeiten hinaus sind Zeiten der Ausübung einer einschlägigen Berufstätigkeit oder eines einschlägigen Verwaltungspraktikums bis zum Ausmaß von zehn Jahren als Vordienstzeiten anrechenbar. Eine Berufstätigkeit ist einschlägig, wenn sie eine fachliche Erfahrung vermittelt, durch die
1. eine fachliche Einarbeitung auf dem neuen Arbeitsplatz überwiegend unterbleiben kann oder
2. ein erheblich höherer Arbeitserfolg durch die vorhandene Routine zu erwarten ist.“
28 Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat mit Urteil vom 8. Mai 2019, C‑24/17, Österreichischer Gewerkschaftsbund, festgestellt, dass eine zeitliche Beschränkung der Anrechnung von einschlägigen Vordienstzeiten aus der Privatwirtschaft nicht mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 vereinbar ist.
29 Als Reaktion darauf hat der Gesetzgeber § 12 Abs. 3 GehG mit der 2. Dienstrechts‑Novelle 2019, BGBl. I Nr. 58, kundgemacht am 8. Juli 2019, dahin abgeändert, dass die Höchstgrenze von zehn Jahren bei der Anrechnung entfallen ist, sodass einschlägige Vordienstzeiten auch über diese Grenze hinaus anrechenbar waren (AB 675 BlgNR 26. GP , 4).
30 Für bereits im Dienststand stehende Beamte wurde zugleich mit § 169h GehG ein auf Antrag zu führendes Verfahren eingeführt, mit dem diese bezüglich ihrer unter § 12 Abs. 3 GehG fallenden Vordienstzeiten insoweit die zusätzliche Anrechnung mit Bescheid erwirken konnten, als diese Zeiten ihnen wegen der im Zeitpunkt der Anrechnung geltenden Höchstdauer bislang nicht angerechnet worden sind.
31 In dieser Fassung (sohin seiner Stammfassung, BGBl. I Nr. 58/2019) hatte § 169h GehG folgenden Wortlaut:
„Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
§ 169h. (1) Bei Beamtinnen und Beamten,
1. deren erstmalige Festsetzung des Vorrückungsstichtags unter Berücksichtigung der Zeiten nach dem 30. Juni des Jahres, in dem nach der Aufnahme in die erste Schulstufe neun Schuljahre absolviert worden sind oder worden wären, erfolgt ist, und
2. bei denen Zeiten einer Tätigkeit oder eines Studiums nur deshalb nicht im öffentlichen Interesse vorangestellt wurden, weil sie das für die Verwendungsgruppe, welcher die Beamtin oder der Beamte im Zeitpunkt der Festsetzung nach Z 1 angehörte, zuvor gesetzlich vorgesehene Höchstausmaß übersteigen,
kann auf Antrag das Besoldungsdienstalter mit Zustimmung der Bundesministerin oder des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport nach Maßgabe des Abs. 2 im öffentlichen Interesse um Zeiten einer Tätigkeit oder eines Studiums erhöht werden.
(2) Ein öffentliches Interesse liegt vor, soweit
1. die für den Arbeitsplatz erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht im Rahmen einer vom Dienstgeber vorgesehenen Aus‑ oder Fortbildung vermittelt werden oder
2. die Besorgung der mit dem Arbeitsplatz verbundenen Aufgaben für die Dauer der vom Dienstgeber vorgesehenen Aus‑ oder Fortbildung nicht in vollem Umfang gewährleistet wäre
und ein wichtiges Interesse an der Anstellung einer Person mit den erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten besteht. Die Anrechnung erfolgt nach Maßgabe der für eine uneingeschränkte Verwendbarkeit auf dem zugewiesenen Arbeitsplatz unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 137 Abs. 3 Z 1 bis 3 BDG 1979 erforderlichen Verwendungszeit. Maßgebend ist die Verwendung in den ersten sechs Monaten des öffentlich‑rechtlichen Bundesdienstverhältnisses.
(3) Bei Beamtinnen und Beamten, deren anrechenbare Vordienstzeiten nach § 12 Abs. 5 in einer ab dem 12. Februar 2015 geltenden Fassung festgestellt wurden, sind zusätzliche Zeiten nach § 12 Abs. 3 auf Antrag anrechenbar, wenn diese bisher nur deshalb nicht angerechnet wurden, weil sie das zuvor gesetzlich vorgesehene Höchstausmaß von zehn Jahren übersteigen.
(4) Die Voranstellung oder Anrechnung von Zeiten nach Abs. 1 oder 3
1. ist nicht zulässig, wenn derselbe Zeitraum bereits bei der Festsetzung des Vorrückungsstichtags zur Gänze vorangestellt oder bei der Feststellung der auf das Besoldungsdienstalter anzurechnenden Vordienstzeiten zur Gänze angerechnet wurde und
2. erfolgt nur zur Hälfte, wenn derselbe Zeitraum bereits bei der Festsetzung des Vorrückungsstichtags zur Hälfte berücksichtigt wurde.
Die Voranstellung nach Abs. 1 ist ferner nicht zulässig, soweit diese Zeiten nach den Bestimmungen über den Vorrückungsstichtag von einem Verlust wie im Fall einer Überstellung betroffen gewesen wären.
(5) Bei allfälligen Nachzahlungen wird der Zeitraum vom 8. Mai 2019 bis zum Ablauf des Tages der Kundmachung der 2. Dienstrechts‑Novelle 2019, BGBl. I Nr. 58/2019, nicht in die Verjährungsfrist nach § 13b Abs. 1 eingerechnet.“
32 Im Ausschussbericht zur 2. Dienstrechts‑Novelle 2019 finden sich dazu die folgenden Erläuterungen (675 BlgNR 26. GP , 4):
„Zur Anpassung der Rechtslage an die vom Europäischen Gerichtshofs mit Urteil vom 8. Mai 2019, Rechtssache C‑24/17, ausgelegten unionsrechtlichen Bestimmungen über die Arbeitnehmerfreizügigkeit entfällt in den Bestimmungen über die Anrechnung einschlägiger Zeiten einer Berufstätigkeit die zuvor vorgesehene Höchstgrenze von zehn Jahren. Künftig sind derartige Zeiten ‑ soweit sie im Hinblick auf den jeweiligen Arbeitsplatz auch tatsächlich eine bessere Verrichtung der Aufgaben ermöglichen ‑ auch über diese Grenze hinaus anrechenbar. Mit § 169h Abs. 3 GehG und § 94d Abs. 3 VBG wird den bereits im Dienstverhältnis befindlichen Bediensteten die Möglichkeit eingeräumt, eine neuerliche Prüfung zu beantragen, wenn sie die zuvor bestehende Zehnjahresgrenze ausgeschöpft haben. Das Verbot der Doppelanrechnung ein und desselben Zeitraums ist zu beachten (Abs. 4 leg. cit.). Bei einer zusätzlichen Anrechnung wird die zwischen dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs und dem Inkrafttreten der Neuregelung vergangene Zeit nicht in die Verjährungsfristen für allfällige Nachzahlungen eingerechnet (Abs. 5 leg. cit).“
33 Begleitend sah die 2. Dienstrechts-Novelle 2019 die folgende In‑Kraft‑Tretens‑Bestimmung in § 175 Abs. 98 GehG vor:
„(98) In der Fassung der 2. Dienstrechts‑Novelle 2019, BGBl. I Nr. 58/2019, treten in Kraft:
1. die §§ 169f bis 169h samt Überschriften mit 1. Jänner 2004;
2. § 12 Abs. 2 Z 4 und der Entfall von § 169c Abs. 2a bis 2c mit 12. Februar 2015; bei Beamtinnen und Beamten, deren anrechenbare Vordienstzeiten nach § 12 Abs. 5 in einer ab dem 12. Februar 2015 geltenden Fassung festgestellt wurden, sind zusätzliche Zeiten nach § 12 Abs. 2 Z 4 auf Antrag anrechenbar, wobei auf allfällige Ansprüche auf Nachzahlungen § 13b Abs. 1 nicht anzuwenden ist;
3. § 175 Abs. 79 und der Entfall der Abs. 79a und 79b mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung des Besoldungsrechtsanpassungsgesetzes, BGBl. I Nr. 104/2016;
4. § 63 Abs. 1 mit 1. September 2019;
5. § 12 Abs. 3 und 5 mit dem der Kundmachung folgenden Tag.“
34 In weiterer Folge hat der EuGH seine Rechtsprechung mit den Urteilen vom 10. Oktober 2019, C‑703/17, Krah, und vom 23. April 2020, C‑710/18, WN, dahin präzisiert, dass nur die Nichtanrechnung identischer bzw. gleichwertiger Vorerfahrungen als mittelbare Diskriminierung die Arbeitnehmerfreizügigkeit verletzen kann, während dies bei „schlicht nützlicher“ Vorerfahrung nicht der Fall ist.
35 Der österreichische Gesetzgeber hat daraufhin eine Höchstgrenze der Anrechnung von zehn Jahren mit der Dienstrechts‑Novelle 2020, BGBl. I Nr. 153 (kundgemacht am 23. Dezember 2020), wiedereingeführt, sodass nunmehr Zeiten einer „nützlichen Berufstätigkeit“ gemäß § 12 Abs. 3 GehG idgF (wieder) nur mehr im Ausmaß von höchstens zehn Jahren anrechenbar sind (ErläutRV 461 BlgNR 27. GP , 10).
36 § 12 Abs. 1 bis 3 GehG lauten in der durch BGBl. I Nr. 153/2020 novellierten Fassung:
„Besoldungsdienstalter
§ 12.
Das Besoldungsdienstalter umfasst die Dauer der im Dienstverhältnis verbrachten für die Vorrückung wirksamen Zeiten zuzüglich der Dauer der anrechenbaren Vordienstzeiten, soweit die Dauer all dieser Zeiten das Ausmaß eines allfälligen Vorbildungsausgleichs übersteigt.
(2) Als Vordienstzeiten auf das Besoldungsdienstalter anzurechnen sind die zurückgelegten Zeiten
1. in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft oder zu einem Gemeindeverband eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums, der Türkischen Republik oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft:
la. einer gleichwertigen Berufstätigkeit oder eines gleichwertigen Verwaltungspraktikums; eine Berufstätigkeit oder ein Verwaltungspraktikum ist gleichwertig, wenn
a) bei Verwendung auf einem Arbeitsplatz, für dessen Ausübung außerhalb eines öffentlichen Dienstverhältnisses eine im Inland gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung vorgesehen ist, die rechtmäßige Ausübung der Berufstätigkeit unter dieser Berufsbezeichnung erfolgt ist oder erfolgt wäre,
b) bei Verwendung als Lehrperson die Beamtin oder der Beamte als Lehrkraft an einer öffentlichen Schule oder an einer Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht tätig war oder
c) die mit der Berufstätigkeit oder dem Verwaltungspraktikum verbundenen Aufgaben
aa) zu mindestens 75% den Aufgaben entsprechen, mit denen die Beamtin oder der Beamte betraut ist, und
bb) für die Besorgung dieser entsprechenden Aufgaben eine Ausbildung auf gleicher fachlicher Ebene erforderlich ist;
für den Vergleich ist der Arbeitsplatz maßgebend, mit dem die Beamtin oder der Beamte in den ersten sechs Monaten des öffentlich‑rechtlichen Bundesdienstverhältnisses überwiegend betraut ist;
2. in einem Dienstverhältnis zu einer Einrichtung der Europäischen Union oder zu einer zwischenstaatlichen Einrichtung, der Österreich angehört;
3. in denen die Beamtin oder der Beamte aufgrund des bis 30. Juni 2016 in Geltung gestandenen Heeresversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 27/1964, oder des Heeresentschädigungsgesetzes ‑ HEG, BGBl. I Nr. 162/2015, Anspruch auf eine Beschädigten‑ oder Versehrtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 90% hatte, sowie
4. der Leistung
a) des Präsenz‑ oder Ausbildungsdienstes nach dem Wehrgesetz 2001 ‑ WG 2001, BGBl. I Nr. 146/2001, des Zivildienstes nach dem Zivildienstgesetz 1986 ‑ ZDG, BGB1. Nr. 679/1986, eines Dienstes, aufgrund dessen der Beamte nach § 12c Abs. 2 ZDG nicht mehr zur Ableistung des Zivildienstes heranzuziehen ist, sowie die Zeit der Tätigkeit als Fachkraft der Entwicklungshilfe im Sinne des Entwicklungshelfergesetzes, BGBl. Nr. 574/1983, oder
eines den in lit. a angeführten Diensten vergleichbaren militärischen Dienstes oder zivilen Ersatzpflichtdienstes in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums, in der Türkischen Republik oder in der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
(3) Über die in Abs. 2 angeführten Zeiten hinaus sind Zeiten der Ausübung einer nützlichen Berufstätigkeit oder eines nützlichen Verwaltungspraktikums bis zum Ausmaß von insgesamt höchstens zehn Jahren als Vordienstzeiten anrechenbar. Eine Berufstätigkeit oder ein Verwaltungspraktikum ist nützlich, insoweit eine fachliche Erfahrung vermittelt wird, durch die
1. eine fachliche Einarbeitung auf dem neuen Arbeitsplatz überwiegend unterbleiben kann oder
2. ein erheblich höherer Arbeitserfolg durch die vorhandene Routine zu erwarten ist.
...“
37 Seit der durch diese Novelle neu gestalteten Rechtslage ist daher nur noch für „gleichwertige“ frühere Berufstätigkeiten eine Anrechnung ohne zeitliche Höchstgrenze vorgesehen. Den Materialien zufolge beabsichtigte der Gesetzgeber, „bei Vorliegen einer quantitativen und qualitativen Gleichwertigkeit ... die Zeiten zur Gänze zu berücksichtigen“, demgegenüber aber für „schlicht nützliche ‑ aber nicht gleichwertige ‑ Vortätigkeiten ... die vor der 2. Dienstrechts‑Novelle 2019, BGBl. I Nr. 58/2019, geltende Höchstgrenze der Anrechnung von zehn Jahren in § 12 Abs. 3 GehG“ erneut einzuführen.
38 Das in § 169h GehG vorgesehene, auf Antrag (von Bestandsbeamten) zu führende Verfahren zur Erhöhung des Besoldungsdienstalters um bisher unberücksichtigte Zeiten einer Berufstätigkeit wurde entsprechend in dem Sinn neu gefasst, dass es sich seitdem nur mehr auf „gleichwertige“ Zeiten bezieht. Die zitierte Bestimmung erhielt durch ihre Neufassung mit der Dienstrechts‑Novelle 2020, BGBl. I Nr. 153, folgenden Wortlaut:
„Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
§ 169h. (1) Bei Beamtinnen und Beamten,
1. deren erstmalige Festsetzung des Vorrückungsstichtags unter Berücksichtigung der Zeiten nach dem 30. Juni des Jahres, in dem nach der Aufnahme in die erste Schulstufe neun Schuljahre absolviert worden sind oder worden wären, erfolgt ist, oder
2. deren auf das Besoldungsdienstalter anrechenbare Vordienstzeiten nach § 12 Abs. 5 in einer ab dem 12. Februar 2015 geltenden Fassung festgestellt wurden,
ist mit Zustimmung der Bundesministerin oder des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf Antrag das Besoldungsdienstalter in jenem Ausmaß um die Zeiten einer gleichwertigen Berufstätigkeit nach § 12 Abs. 2 Z 1a bescheidmäßig zu erhöhen, in dem diese Zeiten bei der Festsetzung nach Z 1 oder der Feststellung nach Z 2 nicht zur Gänze berücksichtigt wurden.
(Anm.: Abs. 2 und 3 aufgehoben durch Art. 2 Z 32, BGBl. I Nr. 153/2020)
(4) Die Erhöhung des Besoldungsdienstalters um Zeiten nach Abs. 1 ist nicht zulässig, soweit diese Zeiten nach den Bestimmungen über den Vorrückungsstichtag von einem Verlust wie im Fall einer Überstellung oder nach den Bestimmungen über das Besoldungsdienstalter von einem Vorbildungsausgleich betroffen gewesen wären. Bei der Bemessung eines allfälligen Überstellungsverlusts gelten diese Zeiten als Zeiten in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft.
(5) Bei allfälligen Nachzahlungen wird der Zeitraum vom 8. Mai 2019 bis zum Ablauf des Tages der Kundmachung der 2. Dienstrechts‑Novelle 2019, BGBl. I Nr. 58/2019, nicht in die Verjährungsfrist nach § 13b Abs. 1 eingerechnet.“
39 An den mit der Überschrift „Inkrafttreten“ versehenen § 175 GehG wurde mit der Dienstrechts‑Novelle 2020, BGBl. I Nr. 153, der Absatz 102 angefügt, dessen (hier relevante, auf die §§ 12 und 169h leg. cit. bezogenen) Ziffern 5 und 8 den folgenden Wortlaut hatten:
„(102) In der Fassung der Dienstrechts‑Novelle 2020, BGBl. I Nr. 153/2020, treten in Kraft:
...
5. § 12 Abs. 3 und der Entfall des § 12 Abs. 5 letzter Satz mit 1. Jänner 2021; § 12 Abs. 3 und 5 in der Fassung der Dienstrechts‑Novelle 2020, BGBl. I Nr. 153/2020, ist auf Beamtinnen und Beamte anzuwenden, deren Dienstverhältnis nach dem 31. Dezember 2020 begründet wird,
...
8. § 12 Abs. 2 Z 1a, § 13e Abs. 10 Z 2, § 23b Abs. 1 Z 1, § 23c Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, § 57 Abs. 9, § 59b Abs. 1 Z 1 und Z 2 jeweils in der Fassung des Art. 2 Z 17, § 113j samt Überschrift, § 169f Abs. 8, § 169g Abs. 3 Z 3 und § 169h Abs. 1 und 4 sowie der Entfall von § 169h Abs. 2 und 3 mit dem der Kundmachung folgenden Tag.“
40 Die Inkrafttretensbestimmung in § 175 Abs. 102 Z 5 GehG (sohin die das Inkrafttreten des § 12 GehG in der durch die Dienstrechts‑Novelle 2020 geänderten Fassung regelnde Ziffer) wurde ihrerseits mit BGBl. I Nr. 137/2022 novelliert. Nach der durch diese Novelle modifizierten Fassung tritt die Änderung der Dienstrechts‑Novelle 2020 mit 1. Jänner 2021 in Kraft und ist auf Beamte und Beamtinnen anzuwenden, „deren anrechenbare Vordienstzeiten erstmalig oder erneut festzustellen sind und die nicht nach § 169c Abs. 1 übergeleitet wurden“. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass der Gesetzgeber damals davon ausging, dass „Altfälle“ zwischenzeitlich einer Erledigung zugeführt worden seien (StenProtNR 27. GP 169. Sitzung 60).
41 Bezüglich der auf die Neufassung des § 169h durch die Dienstrechtsnovelle 2020 bezogenen Inkrafttretensregelung (sohin jener in der Ziffer 8 des § 175 Abs. 102 GehG) wurde keine solche Änderung vorgenommen.
2. Zur (zusätzlichen) Anrechnung von Zeiten der Berufstätigkeit der Revisionswerberin als Rechtsanwältin (gleichwertige Zeiten):
42 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 4. September 2024, Ro 2023/12/0051, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, mit der Frage auseinandergesetzt, inwiefern es sich im Fall der Ernennung zum Richteramtsanwärter und Verwendung als Richteramtsanwärter während der ersten sechs Monate des öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnisses bei Vordienstzeiten als Rechtsanwaltsanwärter um auf das Besoldungsdienstalter anrechnungsfähige Vordienstzeiten im Sinne des § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c GehG handelt.
43 Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 461 BlgNR 27. GP , 9 f) ausgeführt, dass der Regelung des § 12 Abs. 2 Z 1a GehG die Absicht zugrunde liegt, den Anforderungen des Unionsrechts nachzukommen, wonach „identische bzw. gleichwertige Berufserfahrung“ als Vordienstzeiten voll anzurechnen sind. Im Gesetzeswortlaut kommt dies betreffend Berufstätigkeiten, für die nicht außerhalb eines öffentlichen Dienstverhältnisses eine im Inland gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung vorgesehen ist (lit. a) und abgesehen vom Lehrberuf (lit. b), dadurch zum Ausdruck, dass die Bestimmung (lit. c) ‑ ohne weitere Einschränkungen ‑ auf „Aufgaben“ abstellt, die einander zu mindestens 75% „entsprechen“ müssen und dass für die Besorgung dieser entsprechenden Aufgaben eine Ausbildung auf gleicher fachlicher Ebene erforderlich ist.
44 Der Verwaltungsgerichtshof hat darauf hingewiesen, dass vor diesem Hintergrund für den anzustellenden Vergleich zwischen der Vortätigkeit und der in den ersten sechs Monaten des öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnisses ausgeübten Berufstätigkeit (zur Maßgeblichkeit dieses Zeitraumes siehe die ausdrückliche Anordnung in § 12 Abs. 2 Z 1a letzter Satz GehG) auf den Inhalt der jeweils im Einzelfall konkret wahrgenommenen Aufgaben abzustellen ist. Eine lediglich abstrakte und ‑ allenfalls ausschließlich ‑ anhand des jeweiligen „Berufsbildes“ orientierte Beurteilung kommt nicht in Betracht. So mag es zwar für die Berufe des Richters und des Rechtsanwaltes gesetzlich normierte Berufsbilder geben; allerdings ist § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c GehG gegenüber den abstrakt auf bestimmte Berufe abstellenden Tatbeständen des § 12 Abs. 2 Z 1a lit. a und b GehG als Auffangtatbestand konzipiert, dessen Anwendbarkeit nicht auf jeweils einen Beruf (mit einem inhaltsgleichen abstrakten Berufsbild), der gleichermaßen im öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis und davor ausgeübt wurde, beschränkt ist.
45 Im Einzelnen hat der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis zum Vergleich zwischen den Aufgaben eines Richteramtsanwärters und jenen eines Rechtsanwaltsanwärters (beziehungsweise zum Vergleich zwischen den Aufgaben eines Richters und jenen eines Rechtsanwalts) Folgendes ausgeführt:
„26 Weiters ist auch nicht davon auszugehen, dass die Aufgaben eines Rechtsanwaltsanwärters und eines Richteramtsanwärters einander aufgrund der unterschiedlichen Funktionen, die der Berufsgruppe der Richter bzw. Staatsanwälte auf der einen Seite und jener der Rechtsanwälte auf der anderen Seite abstrakt im rechtsstaatlichen Gefüge zukommen, nicht entsprächen. Zwar trifft es zu, dass ‑ wie das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt hat ‑ Richter ‚dem Gesetz‘ und ‚der Objektivität‘ verpflichtet sind, während Rechtsanwälte in erster Linie die Interessen ihrer Mandanten wahrzunehmen haben. Allerdings erfordert sowohl die Tätigkeit eines Richters als auch jene eines Rechtsanwaltes jeweils die Kenntnis der objektiven Rechtslage und damit einhergehend die Durchführung entsprechender Recherchetätigkeiten. Sowohl Richter als auch Rechtsanwälte haben zudem jeweils eine vollständige Erhebung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes und dessen ‚objektive‘ rechtliche Beurteilung unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Aspekte vorzunehmen. Der Richter hat diese Beurteilung sodann der von ihm zu treffenden ‚objektiv richtigen‘ Entscheidung zu Grunde zu legen; für den Rechtsanwalt ist eine ‚objektiv richtige‘ Beurteilung Voraussetzung dafür, dass er eine Risikoabschätzung eines (allfälligen) Rechtsstreites vornehmen und in der Folge seine Argumentation (z.B. in den einzubringenden Anträgen und Schriftsätzen) ‑ auch unter Vorwegnahme möglicher Gegenargumente ‑ im Interesse seines Mandanten gestalten kann.
27 Dass bei dem Aufbau der entsprechenden Argumentation und der Abfassung von Schriftstücken durch einen Richter auf der einen Seite und einen Rechtsanwalt auf der anderen Seite der Fokus bzw. das verfolgte Ziel ein jeweils unterschiedliches ist, erweist sich damit für die unterschiedslos zugrunde liegende Tätigkeit des Konzeptionierens und der schriftlichen Ausarbeitung einer juristischen Argumentationsführung als von bloß untergeordneter Bedeutung und führt nicht dazu, dass nicht von einander entsprechenden Aufgaben iSd § 12 Abs. 1 Z 1a lit. c GehG auszugehen wäre.
28 Bei den verfahrensgegenständlich zu beurteilenden Aufgaben eines Rechtsanwaltsanwärters und Richteramtsanwärters ist zusätzlich zu bedenken, dass diese ohnehin nicht eigenverantwortlich tätig werden, sondern den Anordnungen ihrer jeweiligen Vorgesetzten unterliegen (vgl. § 21b RAO bzw. §§ 24 Abs. 2 und 58b RStDG). Auch daraus ergibt sich, dass jeweils deren Aufgabe insbesondere die praktische Anwendung der rechtswissenschaftlichen Methoden zur Ermittlung und Beurteilung von konkreten Sachverhalten ist.
29 Dass aus Unterschieden in der den betreffenden Berufsgruppen innerhalb des Rechtsstaates zugewiesenen konkreten Funktionen (z.B. als Richter oder Rechtsanwalt) nicht abzuleiten ist, dass die zu bewältigenden Aufgaben als einander nicht entsprechend anzusehen sind, gilt sowohl für die das materielle Recht betreffenden Aspekte der jeweiligen Aufgaben, als auch im Hinblick auf die anzuwendenden Verfahrensrechte. Auch in dieser Hinsicht erfordert sowohl die Tätigkeit des Rechtsanwaltes als auch jene des Richters ‑ auf Basis entsprechender Recherchetätigkeiten ‑ umfassende Kenntnisse der maßgeblichen Rechtslage und sodann die Anwendung dieser Rechtskenntnis in der konkreten Situation. Dass sich der Zweck dieser Tätigkeiten insoweit in gewisser Hinsicht unterscheidet, als der Richter „objektiv richtig“ zu handeln hat, während der Rechtsanwalt zu prüfen hat, ob das Vorgehen des Richters den Verfahrensvorschriften entspricht, und weiters darauf zu achten hat, dem von ihm vertretenen Rechtsstandpunkt mit prozessualen Mitteln möglichst effektiv zum Durchbruch zu verhelfen, vermag vor dem Hintergrund der dargestellten inhaltlichen Gleichartigkeit der zugrunde liegenden Aufgaben jedoch nicht zu bewirken, dass die Anwendung des Prozessrechts in konkreten Situationen und auf konkrete Sachverhalte als solche einander nicht iSd § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c GehG entsprächen.“
46 Konkret auf den Fall des damaligen Revisionswerbers bezogen führte der Verwaltungsgerichtshof daran anschließend aus, dass sämtliche Aufgaben, die dieser bei den als Rechtsanwaltsanwärter erbrachten Tätigkeiten wahrgenommen hat, jenen entsprechen, die er als Richteramtsanwärter in den ersten sechs Monaten seines öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnisses zu bewältigen hatte. Da weiters für beide Aufgaben auch mit dem Abschluss eines Studiums der Rechtswissenschaften eine Ausbildung „auf gleicher fachlicher Ebene“ iSd § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c sublit. bb GehG erforderlich ist, waren die Aufgaben des Revisionswerbers als Richteramtsanwärter in diesem Zeitraum jenen als Rechtsanwaltsanwärter als gleichwertig iSd § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c GehG anzusehen.
47 Die Revisionswerberin des vorliegenden Revisionsverfahrens war in den ersten sechs Monaten ihres öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnisses Richterin.
48 Im angefochtenen Erkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen des von ihm angestellten Vergleichs zwischen den Aufgaben einer Richterin einerseits und jenen einer Rechtsanwältin andererseits (bezüglich derer die zusätzliche Anrechnung beantragt wurde) darauf abgestellt, dass sich diese schon deswegen nicht im Sinne des § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c sublit aa GehG „entsprechen“, weil diese Berufe jeweils „im Wesenskern andere Aufgaben verfolgen“, etwa weil „die Aufgaben bei der Teilnahme an Verhandlungen“, auch wenn sowohl Rechtsanwälte als auch Richter das Verfahren mit den dort aufgeworfenen Sachverhalts‑ und Rechtsfragen kennen müssten, „aufgrund der unterschiedlichen Blickwinkel grundlegend andere“ seien, weil die Richterin die Verhandlung leite und diese die Grundlage ihrer unabhängigen Entscheidung sei, die Rechtsanwältin hingegen ihre Mandantschaft vertrete und auf deren Seite agiere.
49 Damit hat es bei der Prüfung der Vergleichbarkeit (hier: zwischen den Tätigkeiten als Richterin und den Tätigkeiten als Rechtsanwältin) einen Maßstab angelegt, der jenem gleichkommt, den es auch bereits dem Erkenntnis zugrunde gelegt hatte, welches der Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis vom 4. September 2024, Ro 2023/12/0051 (dort: im Vergleich zwischen den Tätigkeiten als Richteramtsanwärter und den Tätigkeiten als Rechtsanwaltsanwärter), wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben hat. Unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt sind die Aussagen dieses Erkenntnisses auf den vorliegenden Zusammenhang übertragbar. Indem das Bundesverwaltungsgericht auf diese Weise ‑ ebenso wie in dem zitierten Fall ‑ die Vergleichbarkeit der genannten Aufgaben (hier:) einer Richterin mit jenen (hier:) einer Rechtsanwältin im Ergebnis bereits aufgrund des „unterschiedlichen Blickwinkels“ und der unterschiedlichen funktionellen Stellung verneint hat, hat es einen Maßstab angelegt, der nicht der Rechtslage entspricht und das angefochtene Erkenntnis insoweit mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet.
50 Schon aus diesem Grund war mit Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses vorzugehen.
3. Zur (zusätzlichen) Anrechnung von bloß einschlägigen Zeiten:
51 Für Aufgaben einer Vortätigkeit als Rechtsanwaltsanwärterin ist ‑ gemessen an den Aufgaben in den ersten sechs Monaten des öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnisses, zumal die Revisionswerberin in diesem Zeitraum bereits als Richterin verwendet wurde ‑ die Voraussetzung des § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c sublit. bb GehG nicht erfüllt, weil für die Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärterin keine „Ausbildung auf gleicher fachlicher Ebene“ wie für jene als Richterin erforderlich ist. Diese Zeiten erfüllen daher nicht den Tatbestand des § 12 Abs. 2 Z 1a GehG, auf welchen § 169h GehG in der Fassung, die diese Bestimmung durch die Dienstrechts‑Novelle 2020 erhalten hat, verweist.
52 Die Revisionswerberin beruft sich jedoch darauf, dass sich das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht ausschließlich auf die durch die Dienstrechts‑Novelle 2020 geänderte, zum Zeitpunkt seiner Entscheidung geltende (neue) Fassung des § 169h GehG gestützt habe, nicht aber auf jene, die zum Zeitpunkt der Antragstellung durch die Revisionswerberin gegolten hat.
53 Der Gesetzgeber habe mit der Dienstrechts‑Novelle 2020 die Rechtslage gegenüber jener, wie sie im Zeitpunkt der Antragstellung durch die Revisionswerberin am 23. Oktober 2019 bestanden habe, „signifikant zum Nachteil der Revisionswerberin geändert, ohne entsprechende Übergangsregelungen vorzusehen“. Der sich daraus ergebende Eingriff in wohlerworbene Rechte der Revisionswerberin sei rechtswidrig und verletze den Grundsatz von Treu und Glauben. Die Entscheidung in dieser Form sei überhaupt erst aufgrund der von der belangten Behörde zu vertretenden überlangen Verfahrensdauer möglich gewesen. Diese habe von Oktober 2019 bis Juli 2020 und damit neun Monate benötigt, um im Rahmen des Ermittlungsverfahrens die Revisionswerberin um nähere Angaben zu ersuchen. Eine Entscheidung durch die belangte Behörde wäre nach der für die Revisionswerberin noch günstigeren Rechtslage vor der am 23. Dezember 2020 in Kraft getretenen Dienstrechts‑Novelle 2020 „jedenfalls möglich und auch geboten gewesen“.
54 Zu prüfen sei aber, ob in diesem Zusammenhang Zeiten einer früheren Berufstätigkeit der Revisionswerberin vorlagen, die zwar nicht als „gleichwertige“ (und damit gemäß § 12 Abs. 2 Z 1a GehG iVm. § 169h leg. cit. in der geltenden Fassung anrechenbare) Zeiten zu qualifizieren sind, ihr jedoch bereits nach § 169h leg. cit. in der bis zur Dienstrechts‑Novelle 2020, BGBl. I Nr. 153, geltenden Fassung auf Grund ihres Antrags anzurechnen waren.
55 Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu. Das Verwaltungsgericht hat im Verfahren betreffend die beantragte Erhöhung des Besoldungsdienstalters zutreffend die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung in Kraft stehende Fassung des § 169h GehG angewendet. Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht (und damit der vorliegenden Revision) ist ein Abspruch über eine beantragte bescheidmäßige Erhöhung des Besoldungsdienstalters.
56 Soweit die Revisionswerberin Bedenken dagegen äußert, dass der Gesetzgeber die Rechtslage durch die Dienstrechts‑Novelle 2020, BGBl. I Nr. 153, bei der Regelung der in § 169h GehG festgelegten Voraussetzungen für die zusätzliche Anrechnung von Tätigkeiten ‑ ohne dabei Übergangsbestimmungen für bereits anhängige Verfahren vorzusehen ‑ ungünstiger gestaltet hat als dies gemäß der davor in Kraft stehenden Fassung (BGBl. I Nr. 58/2019) der Fall war, ist auf die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem gegenüber der Revisionswerberin ergangenen Ablehnungsbeschluss vom 28. Juni 2023, E 1575/2023‑6, zu verweisen. Den unter Geltendmachung eines Verstoßes gegen einen Grundsatz von Treu und Glauben erstatteten ‑ der Sache nach als Geltendmachung einer Verfassungswidrigkeit der Anwendung der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden Rechtslage durch das Verwaltungsgericht zu deutenden ‑ Vorbringen folgt der Verwaltungsgerichtshof nicht. Soweit sich die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang auf Unionsrecht beruft, geht dies ins Leere, weil die Anwendbarkeit der ‑ hier allein in Betracht kommenden ‑ Regelungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (oder: der vorliegend nur damit zusammenhängenden ‑ weil nur im Anwendungsbereich des Unionsrechts gegebenen ‑ Maßgeblichkeit der Unionsgrundrechte; vgl. auch VwGH 1.7.2015, Ro 2014/12/0068) einen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraussetzt, für den sich im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte finden.
57 Das angefochtene Erkenntnis war daher infolge der unter Punkt 2. dargelegten Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
58 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 27. Jänner 2025
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