GehG §12 Abs2 Z1a
GehG §169h Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W183.2248340.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Erika PIELER über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwälte Mandl GmbH, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 05.10.2021, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.12.2022 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schreiben vom 23.10.2019 beantragte die nunmehrige Beschwerdeführerin, eine Richterin am Landesgericht XXXX , die bescheidmäßige Erhöhung des Besoldungsdienstalters gem. § 169h Abs. 1 GehG um Zeiten einer Tätigkeit oder eines Studiums im öffentlichen Interesse und die Auszahlung der sich daraus ergebenden Bezugsdifferenzen.
Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie als Konzipientin und selbständige Rechtsanwältin in verschiedensten Rechtsgebieten tätig gewesen sei und ihr bereits als Konzipientin die eigenständige Abwicklung von Rechtsfällen übertragen worden sei. Die Tätigkeiten als Konzipientin und Rechtsanwältin hätten sie auf das Richteramt vorbereitet und sei sie in den ersten sechs Monate als Richterin zu 80% in Außerstreitsachen und streitigen Ehescheidungen sowie zu 20% in C-Sachen tätig gewesen. Ihre Tätigkeit als Rechtsanwalt(sanwärter) habe zu wesentlich mehr als 75% den Aufgaben entsprochen, mit denen sie als Richterin in den ersten sechs Monaten betraut gewesen sei. Auch habe die Besorgung der richterlichen Aufgaben eine Ausbildung auf gleichwertiger fachlicher Ebene erfordert.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 06.10.2021) wurde der Antrag abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Rechtsanwältinnen beratend tätig seien, Richterinnen hingegen als Leiterinnen von Gerichtsverhandlungen die Rechtsprechung durchführen. Die Beschwerdeführerin sei in den ersten sechs Monaten ihres öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses als Richterin in Vollauslastung tätig gewesen. Aufgrund der Arbeitsplatzbeschreibung einer Richterin ergebe sich, dass Verhandlungsleitung und Vernehmung sowie Entscheiden/Rechtsprechen in Summe 60% Anteil an der Gesamttätigkeit haben. Aktenstudium, Vorbereitung, Amtstage, Aktenverwaltung und Fortbildung machen in Summe 40% aus und decken sich diese 40% zu 100% mit der Vortätigkeit. Daraus ergebe sich allerdings, dass weniger als 75% der Tätigkeiten, wie vom Gesetz gefordert, übereinstimmen und könne nicht von einer Gleichwertigkeit der Aufgaben einer Rechtsanwältin und einer Richterin ausgegangen werden. Der nützliche Anteil der Vorverwendung sei bereits berücksichtigt worden und sei eine nachträgliche Anrechnung nützlicher Vordienstzeiten nach § 12 Abs. 3 GehG im Rahmen des § 169h GehG nicht vorgesehen.
3. Mit Schriftsatz vom 02.11.2021 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass in den ersten sechs Monaten als Richterin eine beinahe 100%ige Übereinstimmung mit den Vortätigkeiten gegeben gewesen sei. Sie habe vom ersten Tag an als Richterin arbeiten können. Es seien von der belangten Behörde keine genauen Feststellungen zum Aufgabengebiet und den konkreten Tätigkeiten getroffen worden. In den ersten Monaten sei ein höherer Anteil für das Aktenstudium aufgewandt worden. Aufgrund ihrer Vortätigkeit und Kenntnisse habe sie die Verfahren rasch abhandeln können. Es habe in den ersten sechs Monaten so gut wie 100% Übereinstimmung bei den Tätigkeiten gegeben. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, auf hoheitliche Tätigkeit im Gegensatz zu juristischer Tätigkeit abzustellen. Gerade Quereinsteiger werden gerne in der Justiz aufgenommen, weil ihnen Verhandlungsleitung und Entscheidungsfällung aufgrund ihrer Vortätigkeiten leicht fallen. Es könne allenfalls gerechtfertigt erscheinen, aufgrund des anderen Blickwinkels als Richterin und der Ausübung von Hoheitsgewalt einen geringen Abschlag von max. 25% vorzunehmen, doch sei zu berücksichtigen, dass auch eine Rechtsanwältin an einer Verhandlung mitwirke. Die Behörde habe überdies verabsäumt festzustellen, dass es sich bei der Tätigkeit als Rechtsanwalt um einen Beruf mit gesetzlich geschützter Berufsbezeichnung handle. Eine Anrechnung hätte daher bereits nach § 12 Abs. 2 Z 1a lit. a GehG erfolgen müssen. Auch sei der Grundsatz von Treu und Glauben verletzt, weil bei der Anrechnung ihrer Vordienstzeiten im Jahr 2013 eine Reihung der Zeiten derart vorgenommen worden sei, welche nun für sie nachteilig sei. Rechtsanwälten, die jetzt als Richter einsteigen, würden nämlich sämtliche Zeiten angerechnet werden, was eine Ungleichbehandlung darstelle. Indem die Behörde neun Monate für das Verfahren benötigt habe, sei auch eine Entscheidung aufgrund einer günstigeren Rechtslage unmöglich geworden. Das Grundrecht auf Eigentum sei dadurch verletzt worden. Ein Gesetzesprüfungsverfahren werde angeregt, weil der Vertrauensschutz verletzt worden sei. Eine Ungleichbehandlung gegenüber Staatsanwälten bestehe insofern, als deren Tätigkeit zur Gänze angerechnet werde, sie leiten aber keine Verhandlungen und entscheiden nicht.
4. Mit Schriftsatz vom 10.11.2021 (eingelangt am 17.11.2021) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 14.12.2022 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin und deren Rechtsvertretung sowie Vertreter der belangten Behörde teilnahmen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1.1. Die Beschwerdeführerin war von 07.07.2003 bis 31.12.2007 Rechtsanwaltsanwärterin und von 01.01.2008 bis 30.11.2013 Rechtsanwältin.
1.1.2. Der Beruf des Rechtsanwalts ist insbesondere durch die RAO determiniert. Aus § 8 Abs. 1 RAO ergibt sich, dass sich das Vertretungsrecht eines Rechtsanwalts auf alle Gerichte und Behörden der Republik Österreich erstreckt und die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten umfasst. Nach § 9 Abs. 1 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Er ist befugt, alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten.
Die Aufgabe von Rechtsanwält:innen ist somit die rechtliche Vertretung von Parteien. Die Zeiten der Anwartschaft dienen der Vorbereitung auf die Berufstätigkeit als Rechtsanwalt.
1.1.3. Als Rechtsanwaltsanwärterin und als Rechtsanwältin beriet und vertrat die Beschwerdeführerin Mandanten. Dazu bearbeitete sie selbständig Akten indem sie den Fall aufbereitete, (Beratungs-)Gespräche mit den Mandanten führte, die Schriftsätze verfasste und an Verhandlungen teilnahm. Als Anwältin unterschrieb sie zusätzlich zu den vorhin genannten Tätigkeiten auch alle Schriftsätze selbst und war zu einem geringen Prozentsatz mit der Kanzleiorganisation befasst.
1.2.1. Seit 01.12.2013 ist die Beschwerdeführerin Richterin. Mit Bescheid vom 05.12.2013 wurde ihr Vorrückungsstichtag festgesetzt.
1.2.2. Verfassungsrechtliche Grundlage der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist Art. 82 B-VG ff. Richter sind in Ausübung ihres richterlichen Amtes unabhängig (Art. 87 Abs. 1 B-VG). In Ausübung seines richterlichen Amtes befindet sich ein Richter bei Besorgung aller ihm nach dem Gesetz und der Geschäftsverteilung zustehenden gerichtlichen Geschäfte (Art. 87 Abs. 2 B-VG). Aus Art. II RStDG ergibt sich, dass Richter im Sinne dieses Bundesgesetzes die gemäß Artikel 86 Abs. 1 B-VG zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ernannten Organe sind. Nach § 5 Abs. 1 JN wird bei den Bezirksgerichten die Gerichtsbarkeit durch einen oder mehrere Einzelrichter ausgeübt. Zu den allgemeinen Pflichten eines Richters zählt es gemäß § 57 Abs. 1 RStDG unter anderem, die Pflichten seines Amtes gewissenhaft, unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen und die ihm übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen.
Die Aufgabe von Richter:innen in Ausübung ihres richterlichen Amtes ist somit die Rechtsprechung bzw. die Ausübung der Gerichtsbarkeit. Ist ihnen eine Gerichtsabteilung zugewiesen, haben sie die ihnen nach einer festen Geschäftsverteilung zugeteilten Verfahren unabhängig zu führen und zu judizieren.
1.2.3. Die (abstrakt und nicht auf eine konkrete Person bezogenen) Tätigkeiten einer Richterin an einem Bezirksgericht und der jeweils entsprechende Anteil an der Gesamttätigkeit sind laut der vom Bundesministerium für Justiz erstellten Arbeitsplatzbeschreibung wie folgt:
Verhandlungsleitung/Vernehmung: 30%
Entscheiden/Rechtsprechen: 30%
Aktenstudium/Vorbereitung: 30%
Amtstage/Aktenverwaltung/Fortbildung: 10%
Die ersten drei Tätigkeitsbereiche zählen zu der Kernaufgabe der „Ausübung der Gerichtsbarkeit“ und umfassen in Summe 90%.
1.2.4. In den ersten sechs Monaten nach ihrer Ernennung zur Richterin war die Beschwerdeführerin als Richterin dem Bezirksgericht Bregenz als Vertretungsrichterin zugeteilt und leitete eine Gerichtsabteilung, in der zu 80% Außerstreitverfahren und zu 20% Zivilrechtsverfahren zu erledigen waren. Die konkreten Tätigkeiten waren das Studium und die Aufbereitung der Akten samt Literatur- und Judikaturrecherche, das Leiten von Verhandlungen und Vernehmungen sowie das Fällen von Entscheidungen. Amtstage wurden von der Beschwerdeführerin in den ersten sechs Monaten als Richterin nicht abgehalten. Aktenverwaltung und Fortbildung nahmen im gegenständlich relevanten Zeitraum keinen wesentlichen Anteil an der Gesamttätigkeit der Beschwerdeführerin ein.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
2.2. Die Feststellungen zu den Aufgaben einer Rechtsanwältin und einer Richterin ergeben sich aus den oben angeführten rechtlichen Grundlagen.
2.3. Als Beweismittel zum Beleg der Zeiten der jeweiligen Berufstätigkeiten der Beschwerdeführerin ist der angefochtene Bescheid heranzuziehen. Die Aussagen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung dienen zum Beleg ihrer konkreten Tätigkeiten als Rechtsanwalt(sanwärterin) und Richterin.
2.4. Was die Arbeitsplatzbeschreibung durch das Bundesministerium für Justiz betrifft, so gab die Beschwerdeführerin zwar in der mündlichen Verhandlung an (S. 6), in den ersten sechs Monaten den Großteil der Dienstzeit auf das Aktenstudium und das Vorbreiten der Entscheidung aufgewandt zu haben. Sie würde eine andere Gewichtung in der Tabelle vornehmen. Da aber auch das Aktenstudium zu der Aufgabe „Ausübung der Gerichtsbarkeit“ zu zählen ist, ist für ihr Begehren daraus nichts zu gewinnen. Die Beschwerdeführerin führte zudem auch selbst aus, dass die Vorbereitung des Entscheidungsvorgangs, somit einer Tätigkeit, welche zur Erfüllung der Kernaufgabe der „Ausübung der Gerichtsbarkeit“ zählt, viel Zeit in Anspruch genommen habe.
2.5. Dass Aktenverwaltung und Fortbildung keinen wesentlichen Anteil an der Gesamttätigkeit der Beschwerdeführerin einnahmen, ergibt sich aus den schriftlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin und ihrer mündlichen Einvernahme, wo sie solche Tätigkeiten nicht erwähnte bzw. sich keine Anhaltspunkte dafür ergaben, dass diese Tätigkeiten in einem hohen Ausmaß von ihr vorgenommen worden wären.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A)
3.1.1. Gemäß § 169h Abs. 1 GehG ist bei Beamtinnen und Beamten, 1.) deren erstmalige Festsetzung des Vorrückungsstichtags unter Berücksichtigung der Zeiten nach dem 30. Juni des Jahres, in dem nach der Aufnahme in die erste Schulstufe neun Schuljahre absolviert worden sind oder worden wären, erfolgt ist, oder 2.) deren auf das Besoldungsdienstalter anrechenbare Vordienstzeiten nach § 12 Abs. 5 in einer ab dem 12. Februar 2015 geltenden Fassung festgestellt wurden, mit Zustimmung der Bundesministerin oder des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf Antrag das Besoldungsdienstalter in jenem Ausmaß um die Zeiten einer gleichwertigen Berufstätigkeit nach § 12 Abs. 2 Z 1a bescheidmäßig zu erhöhen, in dem diese Zeiten bei der Festsetzung nach Z 1 oder der Feststellung nach Z 2 nicht zur Gänze berücksichtigt wurden.
Gemäß § 12 Abs. 2 Z 1a GehG sind als Vordienstzeiten auf das Besoldungsdienstalter die zurückgelegten Zeiten einer gleichwertigen Berufstätigkeit anzurechnen. Eine Berufstätigkeit oder ein Verwaltungspraktikum ist gleichwertig, wenn a) bei Verwendung auf einem Arbeitsplatz, für dessen Ausübung außerhalb eines öffentlichen Dienstverhältnisses eine im Inland gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung vorgesehen ist, die rechtmäßige Ausübung der Berufstätigkeit unter dieser Berufsbezeichnung erfolgt ist oder erfolgt wäre, b) bei Verwendung als Lehrperson die Beamtin oder der Beamte als Lehrkraft an einer öffentlichen Schule oder an einer Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht tätig war oder c) die mit der Berufstätigkeit oder dem Verwaltungspraktikum verbundenen Aufgaben aa) zu mindestens 75% den Aufgaben entsprechen, mit denen die Beamtin oder der Beamte betraut ist, und bb) für die Besorgung dieser entsprechenden Aufgaben eine Ausbildung auf gleicher fachlicher Ebene erforderlich ist; für den Vergleich ist der Arbeitsplatz maßgebend, mit dem die Beamtin oder der Beamte in den ersten sechs Monaten des öffentlich-rechtlichen Bundesdienstverhältnisses überwiegend betraut ist.
Aus den Gesetzesmaterialien, 461 der Beilagen XXVII. GP, S.9, ergibt sich, dass die Gesetzesänderung, mit der nun alle Zeiten einer gleichwertigen Berufstätigkeit zur Gänze anrechenbar sind, aufgrund der Rechtsprechung des EuGH geboten war. Die Materialien führen weiters aus, dass es auf eine inhaltliche Vergleichbarkeit und nicht auf eine monetäre Bewertung ankomme. Bei Vorliegen einer quantitativen und qualitativen Gleichwertigkeit seien die Zeiten zur Gänze anzurechnen.
Aus der Rechtsprechung des EuGH (s. Urteil vom 10.10.2019, C-703/17) ergibt sich, dass unter „gleichwertiger Tätigkeit“ „im Wesentlichen gleiche Arbeit“ zu verstehen ist. Diesem Verfahren lag als Sachverhalt die Berufstätigkeit einer deutschen Staatsangehörigen und promovierten Historikerin, die zuerst als Lehrbeauftragte an der Universität München arbeitete und später Lehrbeauftragte für Geschichte an der Universität Wien war, zugrunde. Der EuGH ging in diesem Fall von einer gleichwertigen Berufserfahrung aus.
3.1.2. Im gegenständlichen Fall möchte die nun als Richterin tätige Beschwerdeführerin ihre berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt(sanwärterin) zur Gänze angerechnet bekommen und stellt sich die Frage, ob diese Berufstätigkeit als gleichwertig zu jener einer Richterin anzusehen ist.
Maßgeblich dafür ist laut der gesetzlichen Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 1a lit. a GehG, ob die die mit den jeweiligen Berufstätigkeiten verbunden Aufgaben zu mindestens 75% einander entsprechen. Das Gesetz stellt auf den Begriff „Aufgabe“ ab, weshalb dieser auch auslegungsbedürftig ist.
Der Begriff „Aufgabe“ impliziert eine bestimmte Zielverfolgung. „Aufgabe“ ist im Sinne von Aufgabenstellung zu verstehen und beinhaltet damit eine Blickrichtung, unter der die Berufstätigkeit erbracht wird. Vom Begriff der „Aufgabe“ unterscheidet sich jener der „Tätigkeit“. Tätigkeiten sind Handlungen, die zur Erfüllung der Aufgabe erbracht werden. Konkrete Tätigkeiten in juristischen Berufen sind zB die Judikaturrecherche, die Kommunikation mit Beteiligten oder das Studium von Akten.
Von der Aufgabe unterscheiden sich weiters die konkreten Rechtsgebiete, die materiell zu bearbeiten sind. So können sich beispielsweise sowohl Richter:innen wie auch Rechtsanwält:innen oder Wissenschaftler:innen mit Strafrecht befassen, ihre jeweiligen Aufgaben sind dennoch unterschiedliche.
Relevant ist schließlich auch, dass nur Aufgaben, mit denen die Person jeweils aufgrund ihrer Berufstätigkeit betraut war, miteinander verglichen werden können. Heranzuziehen sind dafür etwa Arbeitsplatzbeschreibungen oder Arbeitsverträge aber auch gesetzliche Grundlagen, womit der Vergleich auf einer gewissermaßen abstrakten Ebene durchzuführen ist. Ob die Person tatsächlich die ihr aufgetragenen Aufgaben erfüllte oder welche einzelnen Arbeitsschritte sie zu diesem Zweck setzte, kann nicht Maßstab für den Vergleich sein, weil es sonst im Belieben des Dienstnehmers stünde, in den ersten sechs Monaten sein Arbeitsverhalten an jenes der Vordienstzeiten anzugleichen. Folglich ist darauf abzustellen, mit welchen Aufgaben der Dienstnehmer in den ersten sechs Monaten durch seinen Dienstgeber betraut war.
Im gegenständlichen Verfahren sind die festzustellenden Aufgaben zu quantifizieren und in der Folge einem Vergleich zu unterziehen. In den Materialien findet sich betreffend die Durchführung des Vergleichs eine Unschärfe insofern, als darin von „Aufgaben bzw. Tätigkeiten“ die Rede ist, welche einem Vergleich unterzogen werden sollen. Wenn die Gesetzesmaterialien auf die inhaltliche Vergleichbarkeit der Tätigkeiten abstellen, so ist dies in dem Sinne zu verstehen, dass die Tätigkeiten zum Erfüllen der beruflichen Aufgaben inhaltlich vergleichbar sein müssen und sollte damit klargestellt werden, dass gerade monetäre Bewertungen keine Relevanz haben. Der Gesetzeswortlaut hingegen stellt ausschließlich auf die Aufgaben ab, welche verglichen werden sollen. Es ist somit in der Folge ein Vergleich der Aufgaben, für deren Erfüllung mehrere, in der Arbeitsplatzbeschreibung näher ausgeführte Tätigkeiten zu erbringen sind, vorzunehmen. Der für den Vergleich maßgebliche Betrachtungszeitraum sind die ersten sechs Monate.
3.1.3. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall ergibt sich aus dem Vergleich der beiden Berufsbilder, dass Richter:innen und Rechtsanwält:innen im Wesenskern andere Aufgaben verfolgen, wenngleich sich einzelne Tätigkeiten zur Erfüllung dieser Aufgaben überschneiden können. Das Bundesministerium für Justiz stellte in seiner Arbeitsplatzbeschreibung einer Richterin eines Bezirksgerichts dar, welche einzelnen Tätigkeiten zu verrichten sind, um die Aufgabe als Richterin einer Gerichtsabteilung an einem Bezirksgericht zu erfüllen. 90% davon betreffen Verhandlungsleitung, Vernehmung, Entscheiden, Rechtsprechen, Aktenstudium und Vorbereitung. All diese einzelnen Tätigkeiten sind stets zum Zwecke der Erfüllung der Kernaufgabe „Ausübung der Gerichtsbarkeit“ zu erbringen und daher unter diesem Blickwinkel zu betrachten. Lediglich 10% betreffen Amtstage/Aktenverwaltung/Fortbildung.
Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, dass sie gerade in der ersten Phase viel Zeit in das Studium der Akten investierte, so ist daraus nichts zu gewinnen, weil sie das Aktenstudium als mit einer Gerichtsabteilung betrauten Richterin betrieb und sie deshalb die Aufgabe „Ausübung der Gerichtsbarkeit“, nicht aber jene der Parteienvertretung erfüllte. Auch das Studium der Akten diente der unparteiischen Führung des Verfahrens und der Vorbereitung einer Entscheidung. Zudem ist festzuhalten, dass es nicht im Sinne des Gesetzes sein kann, dass eine Richterin in den ersten sechs Monaten nur Akten studiert und es so in der Hand hätte, eine Anrechnung von Vordienstzeiten zu erwirken. Vielmehr war die Beschwerdeführerin von Beginn an Richterin und mit der Leitung einer Gerichtsabteilung betraut und daher in der Rechtsprechung tätig. Alleine das Studium von Akten ist nicht die Aufgabe eines Richters. Dabei handelt es sich lediglich um eine Tätigkeit, welche zum Zwecke der Erfüllung der Aufgabe „Ausübung der Gerichtsbarkeit“ zu verrichten war. Die gesetzlichen Grundlagen des Richteramtes in Zusammenhang mit der Arbeitsplatzbeschreibung einer Richterin an einem Bezirksgericht waren somit für den Vergleich der Aufgaben heranzuziehen.
Sowohl die Berufstätigkeit von Richter:innen wie auch die von Rechtsanwält:innen ist nicht auf ein bestimmtes Rechtsgebiet beschränkt. Auch im gegenständlichen Fall war die Beschwerdeführerin in unterschiedlichen Rechtsgebieten sowohl in ihrer Vortätigkeit wie auch als Richterin tätig und decken sich die Rechtsgebiete größtenteils. Wie bereits oben ausgeführt ist dies jedoch bei der Beurteilung, ob es sich bei den beiden Berufen um solche mit gleichwertigen Aufgaben handelt, irrelevant und ist den diesbezüglichen Argumenten der Beschwerdeführerin nicht zu folgen.
Auch die Ausführungen der Beschwerdeführerin betreffend Verhandlungen sind nicht geeignet, um eine Gleichwertigkeit zu belegen. Sowohl die Richterin wie auch die Rechtsanwältin sind zwar bei der Verhandlung anwesend und müssen das Verfahren mit den dort aufgeworfenen Sachverhalts- und Rechtsfragen kennen, die Aufgaben sind aber aufgrund des unterschiedlichen Blickwinkels grundlegend andere, da die Richterin die Verhandlung leitet und diese Verhandlung Grundlage ihrer unabhängigen Entscheidung ist, die Rechtsanwältin hingegen ihre Mandantschaft vertritt und damit auf Seite einer Partei agiert.
Als Rechtsanwältin war die Beschwerdeführerin beratend tätig. Es ist ihr zwar zuzustimmen, dass sie auch als Rechtsanwältin die „andere“ Seite im Blick haben musste, es war aber nicht ihre Aufgabe, Recht zu sprechen. Dass sie in beiden Berufen Gespräche führte, telefonierte oder Recherche betrieb, ändert nichts an dem Umstand, dass die beiden zu vergleichenden Berufe grundlegend unterschiedliche Aufgabenstellungen beinhalten.
3.1.4. Aus dem in § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c GehG verwendeten Wort „betraut“ ergibt sich, dass die Person tatsächlich mit diesen Aufgaben in den ersten sechs Monaten betraut gewesen sein muss. Im gegenständlichen Verfahren ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin in den ersten sechs Monaten als Richterin eine Gerichtsabteilung leitete. Sie war somit mit der Aufgabe „Ausübung der Gerichtsbarkeit“ betraut und in Ausübung ihres richterlichen Amtes tätig. Im Ergebnis erbrachte die Beschwerdeführerin zu jedenfalls 90% Tätigkeiten, welche der Aufgabe „Ausübung der Gerichtsbarkeit“ zuzurechnen waren, weil sie mit dieser Zielsetzung durchgeführt wurden. Um eine Gleichwertigkeit im Sinne des Gesetzes zu erzielen, müssten sich jedoch mindestens 75% der Aufgaben decken, was zweifelsohne gegenständlich nicht der Fall ist.
Dem alternativen Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach eine Gleichwertigkeit gemäß § 12 Abs. 2 Z 1a lit. a GehG gegeben sei, ist ebenfalls nicht zu folgen, weil es den Arbeitsplatz einer Richterin außerhalb eines öffentlichen Dienstverhältnisses nicht gibt.
3.1.5. Betreffend das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass die belangte Behörde erst nach neun und somit mehr als sechs Monaten eine Entscheidung über ihren Antrag traf und sich aufgrund dieser Dauer zwischenzeitig die Rechtslage zu ihrem Nachteil geändert habe, ist anzumerken, dass selbst dann, wenn eine Behörde die Entscheidungspflicht verletzt haben sollte, für die Entscheidung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung maßgebend ist (vgl. VwGH 24.01.2022, Ra 2021/06/0231). Dem Umstand, dass die Behörde oder das Verwaltungsgericht (allenfalls) in der Lage gewesen wäre, ihre/seine Entscheidung zu einem früheren Zeitpunkt zu treffen und dadurch eine für den Beschwerdeführer/Revisionswerber günstigere Sach- und Rechtslage anzuwenden, kommt für die Frage einer allfälligen Rechtswidrigkeit der Entscheidung keine Bedeutung zu (vgl. VwGH 05.09.2018, Ra 2018/03/0044, mwN). Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht einer Behörde oder eines Verwaltungsgerichts stehen den Parteien nämlich geeignete Instrumente (eine Säumnisbeschwerde bzw. ein Fristsetzungsantrag) zur Verfügung (vgl. VwGH 24.01.2022, Ra 2021/06/0231).
3.1.6. Abschließend wird angemerkt, dass aufgrund des Antrags der Beschwerdeführerin vom 23.10.2019 Verfahrensgegenstand die zum rechtskräftigen Bescheid vom 05.12.2013 zusätzliche Anrechnung von Zeiten (Erhöhung) gem. § 169h Abs. 1 GehG, welcher auf die Anrechnung von Zeiten einer gleichwertigen Berufstätigkeit abzielt, nicht aber auf die Anrechnung nützlicher Zeiten, ist. Der Anregung der Beschwerdeführerin, ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen, ist nicht zu folgen, weil mit § 169h Abs. 1 GehG aufgrund europarechtlicher Vorgaben eine Rechtsgrundlage geschaffen wurde, welche die vollständige Anrechnung von gleichwertigen Vordienstzeiten auf Antrag ermöglicht und somit eine Erhöhung der Vordienstzeiten bewirkt werden kann. Eine rückwirkende Schlechterstellung der Beschwerdeführerin wird durch § 169h Abs. 1 GehG nicht bewirkt und war im gegenständlichen Fall keine Erhöhung vorzunehmen, weil die beantragten Vordienstzeiten – wie oben ausgeführt – nicht als gleichwertig anzusehen sind.
3.1.7. Das Bundesverwaltungsgericht gelangt somit zu dem Ergebnis, dass der Antrag der Beschwerdeführerin zu Recht abgewiesen wurde und war daher auch die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. So liegt keine Rechtsprechung zu der Frage der Gleichwertigkeit iSd § 12 Abs. 2 Z 1a lit.c GehG vor. Überdies kommt der Lösung dieser Rechtsfrage eine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie aufgrund der Vielzahl an gleich gelagerten Fällen in Bezug auf einen Vergleich zwischen richterlicher und anwaltlicher Berufstätigkeit über den konkreten Einzelfall hinaus von Bedeutung ist.
Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
