Normen
AVG §18 Abs4
AVG §37
AVG §56
E-GovG 2004 §19
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27
ZustG §2 Z1
ZustG §2 Z3
ZustG §2 Z5
ZustG §28
ZustG §37
ZustG §37 Abs1
ZustG §5
ZustG §7
ZustG §9 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020220102.L00
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird, soweit damit die Beschwerde des Zweit‑ und des Drittrevisionswerbers gegen den Bescheid vom 7. Februar 2019 zurückgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, soweit damit die Beschwerde der Erstrevisionswerberin gegen den genannten Bescheid zurückgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
1. Die Revisionswerber sind afghanische Staatsangehörige, die Erstrevisionswerberin ist die Mutter des Zweit- und des Drittrevisionswerbers.
2.1. Die Revisionswerber stellten (nach zunächst schriftlicher Einbringung) am 1. Oktober 2018 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (im Folgenden nur: Botschaft) Erstanträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot‑Weiß‑Rot ‑ Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG. Als Zusammenführender wurde der im März 2000 geborene weitere Sohn der Erstrevisionswerberin und Bruder des Zweit‑ und des Drittrevisionswerbers genannt, dem mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2017 (ausgefertigt mit 19. Juni 2017) der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt worden war.
Laut den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen erteilte die Erstrevisionswerberin für sich und für den Zweit- und den Drittrevisionswerber zehn jeweils mit Namen und Geburtsdatum genannten Mitarbeitern des Österreichischen Roten Kreuzes (im Folgenden: ÖRK), darunter Mag. B, eine Vollmacht zur Vertretung im Verfahren (von dessen Beginn an). Diese (im angefochtenen Erkenntnis abgebildete) Vollmacht umfasste auch eine Zustellvollmacht; ferner wurde darin eine E‑Mail-Adresse des ÖRK angeführt.
2.2. Mit Bescheid vom 7. Februar 2019 wies die Bezirkshauptmannschaft Kufstein (im Folgenden: Behörde) die Anträge der Revisionswerber ab. Der Bescheid wurde ‑ wie aus den Verwaltungsakten hervorgeht ‑ elektronisch ausgefertigt und amtssigniert. In der Zustellverfügung wurde die Zustellung unmittelbar an die Revisionswerber im Wege der Botschaft angeordnet.
Mit E‑Mail vom 7. Februar 2019 übermittelte die Behörde den Bescheid samt Zustellersuchen und vorbereiteten Übernahmebestätigungen (in denen ebenso die Revisionswerber persönlich als Empfänger angeführt wurden) an die Botschaft. Diese nahm jedoch von einer Zustellung unmittelbar an die Revisionswerber Abstand und übermittelte aufgrund der bestehenden Vollmacht den Bescheid samt Übernahmebestätigungen mit E‑Mail vom 14. Februar 2019 an das ÖRK (an die in der Vollmacht angeführte E‑Mail‑Adresse).
3.1. Am 18. März 2019 brachte schließlich Mag. B per E‑Mail die Beschwerde der Revisionswerber gegen den Bescheid vom 7. Februar 2019 bei der Behörde ein. Zur Rechtzeitigkeit führte er aus, dass der Bescheid am 18. Februar 2019 zugestellt worden sei.
In der Folge wurde im Zuge der Beschwerdevorlage an das Landesverwaltungsgericht Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die Rechtssache derart geteilt, dass das Verfahren betreffend die Erstrevisionswerberin von jenem betreffend den Zweit- und den Drittrevisionswerber getrennt wurde und die beiden Verfahren vom Verwaltungsgericht fortan gesondert (durch verschiedene Richter) geführt wurden.
3.2. Im Verfahren betreffend den Zweit- und den Drittrevisionswerber wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Bescheid vom 7. Februar 2019 mit Erkenntnissen jeweils vom 17. April 2019 als unbegründet ab.
Die dagegen vom Zweit- und vom Drittrevisionswerber erhobene außerordentliche Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit dem Beschluss VwGH 16.3.2023, Ra 2019/22/0124, 0125, wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zurück.
3.3. Im (hier gegenständlichen) Verfahren betreffend die Erstrevisionswerberin fragte das Verwaltungsgericht mit E‑Mail vom 5. Dezember 2019 bei Mag. B an, warum er ‑ wie in seinem E‑Mail vom 18. März 2019 festgehalten ‑ bei Zustellung des Bescheids am 18. Februar 2019 davon ausgehe, dass die Beschwerde, die er „am 05.06.2018 verfasst“ habe, fristgerecht erhoben worden sei.
Mag. B teilte daraufhin mit E-Mail vom 13. Dezember 2019 mit, dass die Beschwerde bloß fehlerhaft (mit 5.6.2018) datiert worden sei; im Übrigen sei der Bescheid am 18. Februar 2019 zugestellt worden und habe daher die vierwöchige Beschwerdefrist am 18. März 2019 geendet, wobei das Rechtsmittel an diesem Tag eingebracht worden sei.
Weitergehende Ermittlungen des Verwaltungsgerichts zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde sind in den Akten nicht dokumentiert.
4.1. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 20. April 2020 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde aller drei Revisionswerber gegen den Bescheid der Behörde vom 7. Februar 2019 als verspätet zurück.
Das Verwaltungsgericht führte begründend im Wesentlichen aus, die Revisionswerber hätten den in der Vollmacht genannten Mitarbeitern des ÖRK (unter anderem) Zustellvollmacht erteilt, sodass die Botschaft den Bescheid mit E‑Mail vom 14. Februar 2019 an das ÖRK übermittelt habe. Ausgehend davon habe die Beschwerdefrist am 14. März 2019 geendet, die mit E‑Mail vom 18. März 2019 eingebrachte Beschwerde sei als verspätet zu erachten. Ein Zustellmangel sei ‑ so das Verwaltungsgericht weiter ‑ nicht behauptet worden und es bestehe dafür auch kein Hinweis. Zwar habe Mag. B über Vorhalt, dass nach der Aktenlage der Bescheid mit E‑Mail vom 14. Februar 2019 übermittelt worden sei, darauf hingewiesen, dass er sich zwischen 14. und 18. Februar 2019 im Krankenstand befunden habe. Dies könne jedoch das Zustelldatum „nicht beeinflussen“, zudem seien weitere Mitarbeiter des ÖRK zur Übernahme bevollmächtigt gewesen.
4.2. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
5.1. Gegen diesen Beschluss wendet sich die ‑ Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende ‑ außerordentliche Revision, in der ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (unter anderem) in den nachstehend näher erörterten Punkten behauptet wird.
5.2. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
6. Der Verwaltungsgerichtshof hat ‑ in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat ‑ erwogen:
Die Revision ist zulässig und im Sinn der nachfolgenden Ausführungen auch begründet.
7. Zur Revision des Zweit- und des Drittrevisionswerbers:
7.1. Der Zweit- und der Drittrevisionswerber machen (unter anderem) geltend, das Verwaltungsgericht habe gegen das Rechtsprinzip der „res iudicata“ verstoßen, indem es die Beschwerde gegen den Bescheid vom 7. Februar 2019 in Bezug auf den Zweit‑ und den Drittrevisionswerber als verspätet zurückgewiesen habe, obwohl insofern vom selben Gericht bereits in einem anderen Verfahren mit Erkenntnis vom 17. April 2019 rechtskräftig (inhaltlich) entschieden worden sei.
7.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof zum VwGVG bereits ausgesprochen hat, darf über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen (grundsätzlich) nicht mehr in merito entschieden werden. Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens. Auch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts wird mit ihrer Erlassung rechtskräftig, wobei alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einen Rechtsanspruch auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft haben (vgl. etwa VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0078, Rn. 10).
In dem Zusammenhang ist die einschlägige Rechtsprechung zu § 68 AVG sinngemäß heranzuziehen, woraus abzuleiten ist, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist. Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann. Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der res iudicata entgegen. Zudem folgt aus der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (vgl. etwa VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050, Rn. 6 [Pkt. C.2.], mwN).
7.3. Vorliegend erhoben die Revisionswerber am 18. März 2019 Beschwerde gegen den Bescheid vom 7. Februar 2019, wobei in der Folge die Rechtssache beim Verwaltungsgericht derart geteilt wurde, dass das Verfahren betreffend die Erstrevisionswerberin von jenem betreffend den Zweit‑ und den Drittrevisionswerber getrennt wurde und die beiden Verfahren fortan gesondert geführt wurden. Im Verfahren betreffend den Zweit‑ und den Drittrevisionswerber wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Bescheid mit Erkenntnis vom 17. April 2019 als unbegründet ab, die dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde mit dem Beschluss VwGH 16.3.2023, Ra 2019/22/0124, 0125, mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zurückgewiesen.
Ausgehend davon wurde jedoch über die vom Zweit- und vom Drittrevisionswerber erhobene Beschwerde bereits in jenem anderen Verfahren rechtskräftig (durch Abweisung) entschieden und wäre vom Verwaltungsgericht im hier gegenständlichen Verfahren von der dortigen rechtskräftigen Entscheidung, mit der die Sache unanfechtbar und unwiderruflich erledigt wurde und aufgrund derer die Sache nicht noch einmal entschieden werden konnte, auszugehen gewesen. Das Verwaltungsgericht entschied dessen ungeachtet über die vom Zweit‑ und vom Drittrevisionswerber erhobene Beschwerde neuerlich (durch Zurückweisung) und setzte sich damit über die materielle Rechtskraft und die damit verbundene Unwiderrufbarkeit/Unabänderlichkeit und Unwiederholbarkeit der weiter aufrechten Erstentscheidung hinweg (siehe zu einer ähnlichen Konstellation etwa VwGH 12.12.2013, 2012/06/0208 [dort zunächst Zurückweisung und dann Abweisung in derselben Sache]).
7.4. Durch das aufgezeigte Vorgehen belastete das Verwaltungsgericht den angefochtenen Beschluss mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts (vgl. etwa VwGH 19.12.2017, Ra 2016/16/0035, 0036, Rn. 16 und 23). Die Entscheidung war daher, soweit damit die Beschwerde des Zweit‑ und des Drittrevisionswerbers zurückgewiesen wurde, schon aus diesem Grund aufzuheben.
8. Zur Revision der Erstrevisionswerberin:
8.1. Die Erstrevisionswerberin macht (unter anderem) geltend, die Behörde habe die Zustellung nicht an die zustellungsbevollmächtigten Mitarbeiter des ÖRK, sondern unmittelbar an die Vertretenen verfügt. Der diesbezügliche Zustellmangel sei jedoch mit dem tatsächlichen Zukommen der Sendung an Mag. B am 18. Februar 2019 geheilt und folglich die am 18. März 2019 eingebrachte Beschwerde rechtzeitig erhoben worden. Das Verwaltungsgericht habe insofern die Rechtslage verkannt und auch die gebotenen amtswegigen Ermittlungen unterlassen.
8.2. Gemäß § 9 Abs. 1 ZustG können, soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht). Gemäß § 9 Abs. 3 ZustG hat die Behörde, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat das aufrechte Bestehen einer Zustellvollmacht zur Folge, dass ab deren Vorliegen nur mehr an den Zustellungsbevollmächtigten und nicht mehr an den Vertretenen selbst zuzustellen ist (vgl. etwa VwGH 19.2.1998, 98/20/0008). Der Zustellungsbevollmächtigte ist in der Zustellverfügung als Empfänger zu bezeichnen, wobei eine Adressierung an die Partei zu Handen des Zustellungsbevollmächtigten ausreicht (vgl. etwa VwGH 20.2.2008, 2005/15/0159). Ein diesbezüglicher Zustellmangel ‑ wenn der Zustellungsbevollmächtigte also fälschlicherweise nicht als Empfänger bezeichnet wird ‑ kann dadurch heilen, dass das zuzustellende Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zukommt (vgl. die Materialien zum Verwaltungsverfahrens‑ und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007, BGBl. I Nr. 5/2008 [ErläutRV 294 BlgNR 23. GP 18]; vgl. etwa auch VwGH 11.12.2013, 2012/08/0221).
8.3. Vorliegend erteilte nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen die Erstrevisionswerberin zehn Mitarbeitern des ÖRK, darunter Mag. B, eine Vollmacht zur Vertretung im Verfahren (von dessen Beginn an). Diese allgemeine Vertretungsvollmacht umfasste jedenfalls auch eine Zustellvollmacht (vgl. etwa VwGH 16.11.2010, 2009/05/0011), wie in der Vollmachtsurkunde auch ausdrücklich hervorgehoben wurde.
Die Behörde unterließ es jedoch im Zuge der Erlassung des Bescheids vom 7. Februar 2019, die zu Zustellungsbevollmächtigten bestellten Mitarbeiter des ÖRK gemäß § 9 Abs. 3 erster Satz ZustG als Empfänger des Bescheids zu bezeichnen. Vielmehr ordnete es in der Zustellverfügung die Zustellung unmittelbar an die Revisionswerber im Wege der Botschaft an. Auch in den mit dem Bescheid an die Botschaft übermittelten Zustellersuchen samt Übernahmebestätigungen wurden die Revisionswerber persönlich als Empfänger angeführt. Auf ein Vertretungsverhältnis wurde in keiner Weise hingewiesen.
Die fälschlicherweise unterbliebene Bezeichnung der Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger begründete ‑ auch wenn die Botschaft die Zustellverfügung in der Folge nicht vollzog, sondern im Widerspruch dazu von sich aus mit E‑Mail vom 14. Februar 2019 eine Übersendung an das ÖRK vornahm ‑ einen Zustellmangel. Dieser Mangel konnte freilich gemäß § 9 Abs. 3 zweiter Satz ZustG durch ein tatsächliches Zukommen der Sendung an einen der Zustellungsbevollmächtigten heilen, wobei fallbezogen unstrittig ist, dass ein tatsächliches Zukommen an Mag. B spätestens am 18. Februar 2019 erfolgte. Strittig und im Folgenden näher zu erörtern bleibt indes, ob eine Heilung durch ein tatsächliches Zukommen bereits früher eingetreten ist, wurde doch der Bescheid durch die Botschaft bereits mit E-Mail vom 14. Februar 2019 an das ÖRK übermittelt, und ob aufgrund dessen die Beschwerdefrist bereits vor dem 18. Februar 2019 begonnen hat und bei Einbringung der Beschwerde am 18. März 2019 bereits abgelaufen war.
8.4. In dem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht in Ansehung der Zustellungsbevollmächtigten vom Vorliegen einer elektronischen Zustelladresse (§ 2 Z 5 ZustG) ausging, zumal in der von der Erstrevisionswerberin erteilten Vollmacht in den Kontaktdaten des ÖRK eine E-Mail-Adresse angeführt wurde. Dem ist mit Blick auf die Gesetzesmaterialien zum (schon erwähnten) Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007 (vgl. ErläutRV 294 BlgNR 23. GP 17), wonach eine elektronische Zustelladresse angegeben ist, wenn sie beispielsweise in einem schriftlichen Anbringen im Briefkopf angeführt oder der Behörde zur Vornahme elektronischer Zustellungen im Verfahren (sonstwie) bekannt gegeben wurde (vgl. dazu auch VwGH 14.10.2011, 2009/09/0244), nicht entgegenzutreten. Die Berechtigung dieser Annahme wird auch in der Revision nicht in Frage gestellt.
Weiters ist darauf hinzuweisen, dass zwar gemäß § 37 Abs. 1 ZustG bei Vornahme einer Zustellung (ohne Zustellnachweis) im Wege einer elektronischen Zustelladresse das Dokument grundsätzlich bereits mit dem Zeitpunkt des Einlangens beim Empfänger als zugestellt gilt. Für die Frage des tatsächlichen Zukommens einer elektronischen Zustellung ist allerdings nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jener Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Empfänger durch Zugriff auf das elektronisch bereitgehaltene amtssignierte (vgl. § 18 Abs. 4 AVG) Dokument von diesem Kenntnis erlangt hat (vgl. etwa VwGH 21.11.2017, Ro 2015/12/0017, Rn. 38; VwGH 5.9.2018, Ro 2017/12/0010, Rn. 26; je mwN).
Gegenständlich ist somit für die Rechtzeitigkeit der Beschwerde entscheidend, ob Mag. B oder auch ein anderer in der Vollmacht angeführter Zustellungsbevollmächtigter von dem elektronisch bereitgehaltenen amtssignierten Bescheid durch Zugriff auf das Dokument bereits vor dem 18. Februar 2019 Kenntnis erlangt hat und ob aufgrund dessen die Beschwerdefrist bereits vor dem 18. März 2019 abgelaufen ist.
8.5. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs trägt die Beweislast für die Heilung eines Zustellmangels durch ein tatsächliches Zukommen die Behörde (das Verwaltungsgericht). Diese (dieses) muss durch im Verfahren festgestellte Anhaltspunkte belegen können, dass bzw. wann das betreffende Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist, allenfalls ist die Frage durch Ermittlungen zu klären (vgl. etwa VwGH 3.10.2013, 2013/09/0103; vgl. allgemein zur amtswegigen Ermittlungs‑ und Feststellungspflicht in Bezug auf die Tatsache und den Zeitpunkt von Zustellungen an einer elektronischen Zustelladresse sowie zur diesbezüglichen Beweislast der Behörde etwa [neuerlich] VwGH 14.10.2011, 2009/09/0244; VwGH 19.7.2021, Ra 2021/02/0020, Pkt. 5.2.).
Vorliegend setzte sich das Verwaltungsgericht jedoch mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Zukommens des Bescheids nicht näher auseinander. So führte es lediglich aus, dass die Botschaft den Bescheid mit E-Mail vom 14. Februar 2019 an das ÖRK übersandt habe, die Beschwerdefrist mit diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen habe und daher die Einbringung der Beschwerde am 18. März 2019 verspätet erfolgt sei, sowie dass ein Zustellmangel nicht vorgelegen sei. Diese Ausführungen greifen jedoch mit Blick auf die obigen Erörterungen, wonach fallbezogen sehr wohl ein Zustellmangel vorlag, der gemäß § 9 Abs. 3 ZustG durch ein tatsächliches Zukommen (Zugriff auf das elektronisch übermittelte Dokument) geheilt werden konnte, zu kurz.
Das Verwaltungsgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren nach Ergänzung des Parteienvorbringens (so wurde erstmals in der Revision konkret vorgebracht, Mag. B habe krankheitsbedingt den Bescheid erst am 18. Februar 2019 übernehmen können, die Sendung sei auch an die anderen Zustellungsbevollmächtigten nicht weitergeleitet worden bzw. hätten diese darauf nicht zugreifen können) und nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen (die vom Verwaltungsgericht mit E‑Mail vom 5. Dezember 2019 durchgeführten Erhebungen sind jedenfalls ungenügend) und Einräumung des Parteiengehörs die notwendigen Tatsachenfeststellungen zu treffen haben, um beurteilen zu können, wann der Bescheid Mag. B oder einem anderen Zustellungsbevollmächtigten durch Zugriff auf das elektronisch übermittelte Dokument tatsächlich zugekommen ist und damit wirksam zugestellt wurde, sowie ob eine solche Zustellung bereits vor dem 18. Februar 2019 erfolgt ist und ob aufgrund dessen die Beschwerdefrist am 18. März 2019 bereits abgelaufen war (oder nicht).
8.6. Aus den aufgezeigten Erwägungen belastete das Verwaltungsgericht den angefochtenen Beschluss daher mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Entscheidung war deshalb, soweit damit die Beschwerde der Erstrevisionswerberin zurückgewiesen wurde, schon deshalb aufzuheben.
9. Insgesamt war daher der angefochtene Beschluss in Ansehung des Zweit‑ und des Drittrevisionswerbers wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG sowie in Ansehung der Erstrevisionswerberin wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte im Hinblick darauf unterbleiben (§ 39 Abs. 2 Z 3 und 4 VwGG).
Ein Kostenersatz wurde nicht beantragt.
Wien, am 11. Juli 2023
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