VwGH Ra 2022/06/0019

VwGHRa 2022/06/001917.5.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart‑Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schreiber, BA, in der Revisionssache des H S in G, vertreten durch Mag. Norbert Tanzer, Rechtsanwalt in 6410 Telfs, Obermarkt 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 9. April 2020, LVwG‑2020/38/0641‑4, betreffend Versagung einer Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Gries am Brenner; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauO Tir 2018
BauRallg
B-VG Art18 Abs2
HöfeG Tir §2
ROG Tir 2016 §29 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022060019.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde G. (belangte Behörde) vom 30. Dezember 1988 wurde dem Revisionswerber die baurechtliche Bewilligung für den Ausbau und die Instandsetzung eines näher beschriebenen, in seinem Eigentum stehenden Gebäudes auf einem näher bezeichneten Grundstück in G. erteilt. Entgegen der erteilten Bewilligung wurde das Gebäude in der Folge zur Gänze abgetragen und ein Neubau errichtet, der gegenüber der ursprünglichen Stelle des Gebäudes um etwa vier Meter nordwestlich verschoben wurde. Daher wurde dem Revisionswerber diesbezüglich ein baubehördlicher Abbruchauftrag erteilt; die in weiterer Folge dagegen erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. Oktober 2019, Ra 2018/06/0043, zurück.

2 Mit Baugesuch vom 12. November 2019 beantragte der Revisionswerber daraufhin ‑ zu dem Zweck, nachträglich einen baurechtlichen Konsens für das bereits errichtete Gebäude zu erzielen ‑ bei der belangten Behörde die Erteilung einer baurechtlichen Bewilligung für den Abriss und den Neubau eines „Forst‑ und Fischereihauses“ auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück. Dieses Baugesuch wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Februar 2020 wegen eines Widerspruches zum Flächenwidmungsplan abgewiesen.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das LVwG mit Erkenntnis vom 9. April 2020 als unbegründet ab (1.) und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei (2.).

4 Begründend setzte sich das LVwG zunächst zusammengefasst mit einem in der Beschwerde erhobenen Vorwurf des Revisionswerbers, es liege eine Befangenheit der erkennenden Richterin des LVwG sowie ebenso eine Befangenheit des Bürgermeisters der Gemeinde G. vor, auseinander und kam in beiden Fällen mit näherer Begründung zu dem Ergebnis, dass eine Befangenheit nicht vorliege. In der Sache führte es zusammengefasst aus, das verfahrensgegenständliche Grundstück sei als Freiland gewidmet. Diese Flächenwidmung stehe der Erteilung der beantragten Baugenehmigung entgegen; ein Rechtsanspruch auf Erlassung einer bestimmten Widmung komme dem Revisionswerber nicht zu. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 11. November 2013 sei, wie der Revisionswerber ausführe, eine höferechtliche Genehmigung gemäß § 2 Tiroler Höfegesetz (THG) erteilt worden, das höferechtliche Verfahren habe jedoch keinen Einfluss auf das baubehördliche Bewilligungsverfahren.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 30. November 2021, E 1886/2020‑9, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus, das Vorbringen des Revisionswerbers lasse die behauptete Rechtswidrigkeit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes tragenden Rechtsvorschriften als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Es seien auf Grundlage der vorgelegten Akten keine Hinweise hervorgekommen, dass der Flächenwidmungsplan der Gemeinde G. gesetzwidrig sei. Die §§ 42, 43 und 44 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 (TROG 2016) seien vom LVwG weder tatsächlich angewendet worden noch seien diese Bestimmungen anzuwenden gewesen.

6 Nunmehr richtet sich gegen das Erkenntnis des LVwG vom 9. April 2020 die vorliegende außerordentliche Revision, die zusammengefasst ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Befangenheit (im Hinblick auf eine behauptete Befangenheit des Bürgermeisters der Gemeinde G.) sowie zur Verhandlungspflicht des LVwG rügt. Darüber hinaus fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verhältnis zwischen der Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018), dem TROG 2016 und dem THG, zur Auslegung des Begriffes „Hofstelle“, sowie schließlich „zur rechtlichen Qualifikation einer zwischen der Baubehörde und dem Baubewilligungswerber getroffenen Vereinbarung über die Zusage der rechtlichen Sanierung eines abweichend von der Baubewilligung errichteten Baus“.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 3.2.2022, Ra 2022/05/0018, mwN).

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt das bloße Fehlen von Rechtsprechung zu einer bestimmten Rechtsfrage nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt u.a. dann nicht vor, wenn es trotz fehlender Rechtsprechung auf Grund der eindeutigen Rechtslage keiner Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf (vgl. etwa VwGH 26.2.2020, Ro 2020/09/0002, mwN).

12 Das LVwG begründet die Versagung der Baubewilligung im Ergebnis zusammengefasst damit, dass der beantragten Baubewilligung die Flächenwidmung des Grundstückes als „Freiland“ entgegenstehe.

13 Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 34 Abs. 3 lit. a Z 1 TBO 2018 ist ein Bauansuchen unter anderem dann ohne weiteres Verfahren abzuweisen, wenn bereits aufgrund des Ansuchens offenkundig ist, dass das Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan widerspricht. § 41 ff TROG 2016 legt fest, welche baulichen Anlagen auf einer als „Freiland“ gewidmeten Fläche errichtet werden dürfen. Dass das geplante Bauvorhaben unter eine der dort genannten zulässigen baulichen Anlagen subsumierbar wäre, wird in der Revision nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich. Vielmehr vermeint der Revisionswerber, aus verschiedenen näher dargelegten Gründen einen Rechtsanspruch auf Schaffung einer die Erteilung der Baubewilligung ermöglichenden Rechtslage durch Änderung des Flächenwidmungsplanes zu haben.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass niemandem ein in einem Verwaltungsverfahren durchsetzbares Recht auf Erlassung einer bestimmten Verordnung zukommt (vgl. etwa VwGH 15.3.2012, 2010/06/0098; 24.4.1997, 96/06/0068). Die Erlassung eines Flächenwidmungsplanes hat ‑ ebenso wie dessen Änderung ‑ im Verordnungsweg zu erfolgen (vgl. § 29 Abs. 1 TROG 2016). Der Revisionswerber verfügt somit über kein subjektives Recht auf Änderung des Flächenwidmungsplanes (vgl. etwa VwGH 29.9.2015, Ra 2015/05/0045; 25.2.2010, 2005/06/0252).

15 Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit vermeint, aus einer vorgelegten Vereinbarung mit der Gemeinde G. einen derartigen Rechtsanspruch ableiten zu können, genügt es, darauf hinzuweisen, dass das TROG 2016 eine im Verwaltungsweg durchsetzbare Vereinbarung zwischen einer Gemeinde und einem Rechtsunterworfenen über eine künftige Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht vorsieht. Daher kann dahingestellt bleiben, ob der vorgelegten Vereinbarung eine derartige Zusage der Gemeinde G. überhaupt entnommen werden kann; auch ein im Gesetz nicht vorgesehener Anspruch auf Erlassung eines dem Flächenwidmungsplan widersprechenden und damit rechtswidrigen Bescheides kann aus der zwischen dem Revisionswerber und der Gemeinde G. geschlossenen Vereinbarung jedenfalls nicht abgeleitet werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verbietet es sich, der genannten Vereinbarung die Wirkung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages beizumessen, weil ein solcher nur zulässig ist, wenn eine gesetzliche Ermächtigung den Abschluss eines solchen ausdrücklich vorsieht (vgl. zur Wirkung einer Vereinbarung betreffend den wasserrechtlichen Anschlusszwang sinngemäß etwa VwGH 24.5.2016, Ra 2014/07/0037 bis 0038).

16 Darüber hinaus legt die Revision in ihren Zulässigkeitsgründen auch nicht nachvollziehbar dar, aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage vom Revisionswerber entgegen der bereits zitierten hg. Rechtsprechung, wonach kein subjektives Recht auf Änderung eines Flächenwidmungsplanes besteht, ein derartiger Rechtsanspruch abgeleitet werden könnte.

17 So kann auch dem THG ‑ das keine bau‑ oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften enthält ‑ Derartiges nicht entnommen werden. Die in der Revision in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, ob das geplante Bauvorhaben als „Hofstelle“ zu qualifizieren sei, erweist sich vor diesem Hintergrund als nicht entscheidungsrelevant; nach der eindeutigen Rechtslage ist der TBO 2018 nicht zu entnehmen, dass eine allfällig erteilte Genehmigung nach § 2 THG Bindungswirkung in einem baubehördlichen Bewilligungsverfahren hätte. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B‑VG nicht zuständig (vgl. für viele etwa VwGH 28.04.2015, Ra 2015/05/0016).

18 Darüber hinaus hat der Verfassungsgerichtshof die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde G. in der vorliegenden Rechtssache bereits geprüft und ausgeführt, es seien auf der Grundlage der vorgelegten Akten keine Hinweise hervorgekommen, dass der verfahrensgegenständliche Flächenwidmungsplan gesetzwidrig wäre (vgl. oben Rz 5).

19 Soweit die Revision fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob die einzig mögliche Hofstelle eines geschlossenen Hofes ersatzlos beseitigt werden dürfe, rügt, genügt es darauf hinzuweisen, dass der Abbruchauftrag bereits rechtskräftig erteilt wurde (vgl. oben Rz 1) und nicht Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens ist.

20 Wenn die Revision eine Befangenheit des Bürgermeisters der Gemeinde G. behauptet, übersieht sie, dass ‑ allfällige ‑ Verfahrensmängel infolge Mitwirkung befangener Organwalter im verwaltungsbehördlichen Verfahren durch ein vor dem Verwaltungsgericht frei von Befangenheit geführtes Verfahren saniert werden (vgl. etwa VwGH 19.1.2021, Ra 2019/05/0213, mwN). Eine Befangenheit der erkennenden Richterin vor dem LVwG wurde zur Zulässigkeit der Revision nicht geltend macht, weshalb auf die Ausführungen der Revision zur vermeintlichen Befangenheit des Bürgermeisters der Gemeinde G. nicht näher einzugehen war.

21 Auch der Vorwurf des Revisionswerbers schließlich, das LVwG habe in Abweichung von der hg. Rechtsprechung von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen, erweist sich als nicht berechtigt. Der EGMR hat mit Blick auf Art. 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn ‑ wie hier ‑ keine Fragen der (maßgeblichen) Beweiswürdigung auftreten oder die (maßgeblichen) Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (vgl. etwa VwGH 26.8.2020, Ra 2020/05/0125, mwN).

22 Im vorliegenden Fall ist die (der Bewilligung des beantragten Bauvorhabens entgegenstehende) Flächenwidmung unstrittig. Fragen der Beweiswürdigung sind für das LVwG nicht aufgetreten und es hat auch keine neuen Sachverhaltsfeststellungen getroffen. Es ist daher nicht zu erkennen, dass eine mündliche Verhandlung vor dem LVwG eine weitere Klärung der Rechtssache im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG hätte erwarten lassen.

23 Soweit die Revision rügt, in der mündlichen Verhandlung hätte eine allfällige Befangenheit des Organwalters der belangten Behörde sowie ein ‑ behaupteter ‑ Rechtsanspruch auf Änderung des Flächenwidmungsplans erörtert werden müssen, ist aus rechtlicher Sicht auszuführen, dass ‑ wie bereits dargelegt ‑ kein Rechtsanspruch auf Erlassung eines Flächenwidmungsplanes besteht und eine allfällige Befangenheit im Verfahren vor der belangten Behörde durch ein vom LVwG frei von Befangenheit geführtes Verfahren saniert wird.

24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher nach § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 17. Mai 2022

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