Normen
AVG §66 Abs4
AVG §7 Abs1
BauO Wr §134a Abs1
BauO Wr §134a Abs1 litb
BauO Wr §5 Abs4 lita
BauO Wr §7
BauO Wr §81
BauO Wr §81 Abs2
BauO Wr §85
BauRallg
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §6
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019050213.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist Miteigentümer einer Liegenschaft, die der projektgegenständlichen Liegenschaft ostseitig gegenüber liegt.
2 Mit Bescheid vom 3. Mai 2018 erklärte der Bauausschuss der Bezirksvertretung für den 19. Bezirk die Abweichungen u.a. von der im Bebauungsplan festgesetzten Gebäudehöhe von 10,50 m um 0,12 m (hinsichtlich des Gebäudes B.-Gasse 7) bzw. 0,15 m (hinsichtlich des Gebäudes B.-Gasse 9) gemäß § 69 Bauordnung für Wien (BO) für zulässig.
3 Gestützt auf diesen Bescheid erteilte der Magistrat der Stadt Wien der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 8. Juni 2018 die Baubewilligung für die Errichtung zweier Dachgeschossausbauten. An beiden Gebäuden der bestehenden Wohnhausanlage in der B.‑Gasse 7 und 9 würden Geländeanschüttungen vorgenommen, beim Haus Nr. 7 bis zu 1,13 m, im Durchschnitt 0,56 m, sowie beim Haus Nr. 9 bis zu 1,36 m, im Durchschnitt 0,82 m. Darauf basierend würden an beiden Gebäuden Zubauten in Form von zwei ausgebauten Dachgeschossen hergestellt, an den Längsseiten Gauben und im Bereich jedes Stiegenhauses Aufzugsschächte errichtet werden. Dadurch würden 12 Wohnungen neu geschaffen. Außerdem werde unter dem derzeit bestehenden Parkplatz eine Tiefgarage für 12 PKW-Stellplätze errichtet.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) u.a. die vom Revisionswerber erhobene Beschwerde ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ als unbegründet ab und bestätigte die angefochtenen Bescheide. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
5 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe von 10,50 m um 0,12 m (Haus A) bzw. 0,15 m (Haus B), jeweils gemessen vom anschließenden Gelände nach den projektierten Aufschüttungen gemäß den vorliegenden Einreichplänen, unterlaufe nicht die Zielrichtung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans. Auch die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen werde nicht vermindert und es seien nicht mehr Emissionen zu erwarten als bei einer der Flächenwidmung entsprechenden Nutzung typischerweise entstünden. Das örtliche Stadtbild werde nicht störend beeinflusst und die beabsichtigte Flächennutzung sowie die Aufschließung änderten sich nicht grundlegend. Die Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe bewirke eine zweckmäßigere Flächennutzung und Nutzung der Bauwerke.
6 In der rechtlichen Beurteilung zu den Abweichungen vom Bebauungsplan führte das Verwaltungsgericht aus, die für eine Genehmigung der Abweichung sprechenden Gründe, wie die zweckmäßigere Flächennutzung und Nutzung des Bauwerks, überwögen. Es sei bei Genehmigung der Abweichung nicht mit Beeinträchtigungen für die Nachbarliegenschaften zu rechnen und die Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe von 0,12 m bzw. 0,15 m falle kaum ins Gewicht.
7 Zur Baubewilligung führte das Verwaltungsgericht mit Blick auf das gegen die Bewilligung der projektierten Geländeanschüttungen und gegen die Bemessung der Gebäudehöhe von dem durch die Aufschüttungen herzustellenden anschließenden Gelände gerichtete Vorbringen des Revisionswerbers, die Festlegung der maximal zulässigen Gebäudehöhe von 10,5 m im Bebauungsplan sei unter Berücksichtigung der bestehenden Geländeformation erstellt worden, aus, das Projekt liege nicht in einer Schutzzone und der Bebauungsplan enthalte hinsichtlich der diesbezüglich zulässigen Gebäudehöhe keine explizite Bezugnahme auf das anschließende Gelände. Im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan PD 8050 werde in Bezug auf andere Liegenschaften insofern auf das derzeit bestehende Gelände Rücksicht genommen, als für diese Liegenschaften als Bezugspunkt für den zulässigen höchsten Punkt der Dächer auf eine absolute Höhe über Wiener Null abgestellt werde. Sollte der Verordnungsgeber dies auch für das gegenständliche Baugrundstück gewollt haben, hätte er ebenfalls auf die absolute Höhe über Wiener Null Bezug genommen. Zur Frage, welche Auswirkungen die projektierten Anschüttungen auf das Stadtbild hätten, komme dem Revisionswerber kein Mitspracherecht zu. Auf die vom Revisionswerber erhobenen Einwendungen zur Schlüssigkeit der Gutachten der Amtssachverständigen der Magistratsabteilung (MA) 19 und MA 21 zur Frage der Auswirkungen der projektierten Anschüttungen auf das Ortsbild sei ‑ mangels diesbezüglichen subjektiv-öffentlichen Rechten des Revisionswerbers ‑ nicht weiter einzugehen. Die Beurteilung der Gebäudehöhe habe im gegenständlichen Fall vom anschließenden Gelände, wie es sich nach den projektierten Geländeanschüttungen darstellen werde, zu erfolgen. Ausgehend von diesem Gelände und unter Berücksichtigung der erteilten Bewilligung der Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe halte das Bauvorhaben die Bestimmungen über die Gebäudehöhe ein.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Im Zusammenhang mit der Gebäudehöhe bringt der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung der Revision vor, das Verwaltungsgericht gehe auf die wesentliche Rechtsfrage der Auslegung des § 81 Abs. 2 letzter Satz BO durch die erstinstanzliche Behörde nicht ein. Diese habe fälschlicherweise die Auffassung vertreten, dass § 81 Abs. 2 BO so auszulegen sei, dass im Hinblick auf die zulässige Gesamtbauhöhe zusätzlich zu einer Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe (die Überschreitung im konkreten Fall von 3 m) die im Flächenwidmungsplan PD 8050 vom 29. April 2016 festgelegte Dachhöhe von 4,5 m noch hinzuzurechnen sei. Dies widerspreche dem Wortlaut des § 81 Abs. 2 BO ‑ insbesondere dem letzten Satz ‑, weil der oberste Abschluss des Daches maximal 4,5 m über der weiterhin einzig zulässigen Gebäudehöhe von 10,5 m liegen dürfe, und zwar auch in den Bereichen, in welchen die zulässige Gebäudehöhe (zulässiger Weise) um 3 m überschritten werde.
13 Diesem Vorbringen ist die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach dann, wenn ‑ wie im Revisionsfall (vgl. Pkt. II.3.1. des PD 8050) ‑ die Bebauungsbestimmungen darauf abstellen, dass der höchste Punkt des Daches maximal 4,50 m „über der tatsächlich ausgeführten Gebäudehöhe“ liegen darf, unter dieser Wortfolge keine fiktive oder maximal nach dem Gesetz oder dem Bebauungsplan zulässige, sondern die tatsächlich ausgeführte, das heißt real vorhandene, Gebäudehöhe zu verstehen ist (vgl. VwGH 30.7.2019, Ra 2018/05/0273 bis 0276, mwN). Das ausschließlich auf die „zulässige Gebäudehöhe“ abstellende Vorbringen geht daher ins Leere.
14 Zur Zulässigkeit der Revision wird außerdem hinsichtlich der Verneinung eines Mitspracherechts des Revisionswerbers zur Frage der Auswirkungen der projektierten Anschüttungen auf das Stadtbild ausgeführt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die bislang für Schutzzonengebiete angewendete Rechtsprechung zum Mitspracherecht des Nachbarn bei bestimmten Ortsbildveränderungen auch auf „gewöhnliche Gebiete“ Anwendung zu finden habe. Der Revisionswerber beanstande die Differenzierung der Parteistellung danach, ob ein Gebäude in einer Schutzzone liege und ob allenfalls besondere Festlegungen zur Gebäudehöhe in Bezug auf die bestehende Geländeformation vorlägen. Die Parteistellung des Nachbarn bezüglich des Ortsbildschutzes bzw. des Stadtbildes sei bei sämtlichen Anschüttungen einzuräumen.
15 Grundsätzlich gilt, dass Nachbarn aus den Bestimmungen der BO über das Ortsbild (örtliches Stadtbild; vgl. dazu § 85 BO) im Allgemeinen keine subjektiv-öffentlichen Rechte ableiten können (vgl. VwGH 27.8.2014, 2013/05/0009; 20.12.2005, 2005/05/0129).
16 Ein Mitspracherecht von Nachbarn zur Frage der Gebäudehöhe aus dem Gesichtspunkt, ob das örtliche Stadtbild den für die Errichtung des Hauses vorgesehenen Anschüttungen entgegen steht oder nicht, hat der Verwaltungsgerichtshof bisher nur im Zusammenhang mit Baugrundstücken in der Schutzzone bejaht, weil es sich bei den Anordnungen im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan im Zusammenhang mit der Festlegung des Gebietes der Schutzzone um zulässige Bestimmungen über die Gebäudehöhe handelt (vgl. VwGH 18.3.2013, 2010/05/0063).
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu ausgesprochen, dass lediglich dann, wenn der Bebauungsplan besondere Bestimmungen über die Gebäudehöhe enthält, die unter Berücksichtigung der bestehenden Geländeformation erstellt wurden (wie z.B. bei Schutzzonen und näheren Bestimmungen über die Gebäudehöhe ebendort), Abweichungen vom gewachsenen Gelände für die Beurteilung der geplanten Bebauung nur insoweit heranzuziehen sind, als dies den Intentionen des Bebauungsplans nicht zuwiderläuft. Nachbarn haben dann auch ein entsprechendes Recht auf Berücksichtigung der Geländeformationen, die dem Bebauungsplan zugrunde gelegen sind (vgl. VwGH 26.4.2017, Ro 2014/05/0051, 0058; 5.3.2014, 2011/05/0135; 28.5.2013, 2012/05/0120 bis 0122). In den den zitierten Erkenntnissen zugrunde gelegenen Fällen waren in den jeweiligen Bebauungsplänen zwar Höhenbeschränkungen in der jeweiligen Bauklasse festgelegt, aber keine besonderen Bestimmungen im Sinne der zitierten Judikatur, und es war insbesondere auch keine Schutzzone festgelegt, weshalb bei der Bemessung der Gebäudehöhe von dem Gelände auszugehen war, das in den Bauplänen dargestellt war. Nichts Anderes gilt für den gegenständlichen Fall. Daran vermag auch die Überlegung des Revisionswerbers, ob der Bebauungsplan nicht eine absolute Höhenbeschränkung habe festlegen wollen, zumal bei den gegenüberliegenden Häusern keine Bauhöhenbeschränkung festgelegt worden sei, nichts zu ändern.
18 Der Ausnahmecharakter des Mitspracherechts des Nachbarn in Fragen des Ortsbildes ist ‑ entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht ‑ durch die bisherige Judikatur klargestellt. Von dieser ist das Verwaltungsgericht nicht abgewichen.
19 Soweit im Rahmen des weiteren Revisionsvorbringens zur tatsächlichen (reduzierten) Anschüttungshöhe und zum „unsachlich weiten Ermessensspielraum“ des § 60 Abs. 1 lit. g BO im Zusammenhang mit der Veränderung der Höhenlage durch Anschüttungen wiederum auf den Ortsbildschutz abgestellt wird, gilt ebenso, dass dem Revisionswerber diesbezüglich kein subjektiv-öffentliches Recht zukommt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird damit nicht aufgezeigt.
20 Der Revisionswerber bringt weiters vor, der Mitbeteiligte sei im gesamten Verfahren von einem von der Stadt W karenzierten Mitarbeiter dieser Stadt rechtlich beraten worden, wobei dieser Berater nicht nur in der erstinstanzlichen Bauverhandlung, sondern auch in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht anwesend gewesen sei. Der betreffende Berater sei vor seiner Karenzierung jahrelang im Baubereich bei der Stadt W tätig gewesen und pflege nach wie vor regelmäßige Kontakte zu Bauabteilungen der Stadt W. Nach den Bestimmungen des AVG hätten sich Verwaltungsorgane der Ausübung ihres Amtes zu enthalten, wenn wichtige Gründe vorlägen, die geeignet seien, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Es erscheine rechtlich bedenklich, wenn einerseits Mitarbeiter einer Körperschaft als entscheidende Organe wirkten und gleichzeitig andere, ebenfalls dem Personalstand dieser Körperschaft angehörende Personen unmittelbar und auch öffentlichkeitswirksam für einen Antragsteller aufträten. Zumindest die Verwaltungsbehörde hätte den betreffenden ‑ informellen ‑ Berater nicht zur Bauverhandlung zulassen dürfen. Daraus ergebe sich die Rechtsfrage, ob damit sowohl die Baubehörde erster Instanz als auch das Verwaltungsgericht ihre Entscheidungen mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung grundlegender, nicht sanierbarer Verfahrensvorschriften belastet hätten.
21 Sollte damit auf eine ‑ hier nicht näher zu erörternde ‑ Befangenheit von Organwaltern der Bauabteilung des Magistrates abgezielt werden, übersieht der Revisionswerber, dass allfällige Verfahrensmängel infolge Mitwirkung befangener Organwalter im verwaltungsbehördlichen Verfahren durch ein vor dem Verwaltungsgericht frei von Befangenheit geführtes Verfahren saniert werden (vgl. dazu z.B. VwGH 27.6.2017, Ra 2016/12/0001; 31.3.2016, 2013/07/0170; 29.4.2015, Ro 2015/05/0007). In Bezug auf den entscheidenden Richter vor dem Verwaltungsgericht sind dem Vorbringen von vornherein keine dessen Objektivität in Frage stellende Anhaltspunkte zu entnehmen.
22 Inwiefern mit der nicht näher ausgeführten Bemerkung, die Behörde hätte den Mitarbeiter der Stadt W nicht zur Bauverhandlung zulassen dürfen, eine Abweichung von (zu bezeichnender) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht bzw. auf eine uneinheitliche oder noch gar nicht bestehende Rechtsprechung verwiesen werden sollte, erschließt sich nicht. Damit wird das Zulässigkeitsvorbringen den Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung nicht gerecht (vgl. in diesem Sinne etwa VwGH 29.10.2020, Ra 2020/18/0374).
23 Dem Zulässigkeitsvorbringen zur „Verletzung elementarer Verfahrensrechte“, das lediglich aus einem Verweis auf diesbezügliche Revisionsgründe besteht, ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach ein solcher Verweis dem Erfordernis, gesondert die Gründe zu nennen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird, nicht genügt (vgl. etwa VwGH 26.8.2020, Ra 2020/05/0146; 3.8.2017, Ra 2015/05/0040, jeweils mwN).
24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 19. Jänner 2020
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