VwGH Ra 2016/12/0001

VwGHRa 2016/12/000127.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Zens und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des H M in S, vertreten durch Dr. Gerhard Rößler Rechtsanwalt KG in 3910 Zwettl, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 1. September 2015, LVwG-AB-14-0994, betreffend Feststellung des Bestandes eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses - Wirksamkeit einer Austrittserklärung nach § 25 NÖ GBDO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde S), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §7 Abs1 impl;
AVG §7 Abs1 Z3;
AVG §7 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §6 impl;
VwGVG 2014 §6;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016120001.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich unter Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung zweier öffentlicher mündlicher Verhandlungen unter Spruchpunkt I. den im innergemeindlichen Instanzenzug (nach zweimaliger Behebung durch die Vorstellungsbehörde im dritten Rechtsgang) ergangenen Bescheid des Stadtrats der Stadtgemeinde S vom 21. Februar 2014, mit welchem festgestellt worden war, dass das Dienstverhältnis des Revisionswerbers zur Stadtgemeinde S nicht "über den 11. Dezember 2009" aufrecht gewesen sei. Unter Spruchpunkt II. sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gemäß § 25a VwGG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung die Feststellung zugrunde, dass der Revisionswerber am 13. November 2009 der Stadtamtsdirektorin der Stadtgemeinde S ein Ansuchen auf freiwilligen vorzeitigen Austritt aus dem Gemeindedienst überreicht und gleichzeitig die Stadtamtsdirektorin darum ersucht habe, ein zuvor übergebenes Schreiben betreffend Ansuchen um vorzeitige Versetzung in den dauernden Ruhestand an ihn zurückzustellen. Hintergrund dafür sei, dass der Revisionswerber am 5. November 2009 u.a. seitens des Bürgermeisters der Stadtgemeinde S mit dem Vorwurf konfrontiert worden sei, in seiner Funktion als Buchhalter der Stadtgemeinde S über einen längeren Zeitraum Geldbeträge nicht entsprechend der vorgesehenen Widmung verwendet zu haben. In weiterer Folge sei der Revisionswerber mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau wegen Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt worden.

3 Das Verwaltungsgericht stellte weiters (und zwar u.a. unter Zugrundelegung eines fachärztlichen Gutachtens) als erwiesen fest, dass der Revisionswerber in dem Zeitraum von 5. November 2009 bis 13. November 2009 weder diskretions- noch dispositionsunfähig gewesen sei. Zu der Vorgangsweise, um den Austritt aus dem Dienstverhältnis zu ersuchen, habe sich der Revisionswerber selbst aus eigenen Überlegungen entschlossen. Wenn sich diese Vorgangsweise rückblickend als Fehlentscheidung darstelle, so beruhe diese Entscheidung auf einer persönlichen Fehleinschätzung der Situation durch den Revisionswerber und sei diese Vorgangsweise nicht durch eine definitive Zusage des Bürgermeisters beziehungsweise der Stadtamtsdirektorin, bei Abgabe der Austrittserklärung auf eine strafrechtliche Anzeige zu verzichten, hervorgerufen worden.

4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass entgegen der Ansicht des Revisionswerbers eine Befangenheit des Bürgermeisters beziehungsweise der Mitglieder des Stadtsenats der Stadtgemeinde S nicht vorliege. Weiters sei der Revisionswerber zum Zeitpunkt der Abgabe der Austrittserklärung nicht unter ungerechtfertigtem Druck gestanden. Das Vorbringen des Revisionswerbers ziele offenbar auf die Anwendung der Bestimmungen der §§ 870871 ABGB ab. Die Austrittserklärung des Revisionswerbers sei jedoch frei von wesentlichen Willensmängeln gewesen, auf den Revisionswerber sei kein ungerechtfertigter Druck zum Zweck der Abgabe einer Austrittserklärung ausgeübt worden und sei die Austrittserklärung nicht in Folge eines Irrtums abgegeben worden. Die empfangsbedürftige Austrittserklärung sei mit dem Einlangen bei der zuständigen Dienstbehörde rechtswirksam geworden. Die Rechtsansicht des Revisionswerbers, wonach ein in der Folge abgegebener Widerruf der Austrittserklärung die ursprüngliche Wirkung genommen habe, sei verfehlt.

5 Die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen einer grundsätzlichen Rechtsfrage, da im vorliegenden Fall im Wesentlichen einzelfallbezogene Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen gewesen seien und im Übrigen auf die einheitliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen habe werden können.

6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 19. November 2015, E 2134/2015-7, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ablehnte und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

7 Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2015 erhob der Revisionswerber die gegenständliche außerordentliche Revision.

8 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Der Verwaltungsgerichtshof hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Zur Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber vor, dass sich die Frage stelle, ob im Lichte der hg. Rechtsprechung zu der Anwendbarkeit der §§ 870 und 871 ABGB auf die Beurteilung von Willenserklärungen die Austrittserklärung des Revisionswerbers "anfechtbar" sei. Weiters ergebe sich die Frage, ob im Lichte des hg. Erkenntnisses vom 25. April 1991, 89/09/0167, eine Befangenheit der entscheidenden Organe infolge der (nach Ansicht des Revisionswerbers) offensichtlich falschen Beweiswürdigung von Zeugenaussagen "möglich" sei. Drittens liege eine grundsätzliche Rechtsfrage dahingehend vor, ob mit Blick auf den Aktenvermerk vom 12. November 2009 von einer Aktenwidrigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts auszugehen sei, wonach die Unterfertigung der Austrittserklärung weder infolge begründeter Furcht noch infolge Arglist im Sinne der §§ 870871 ABGB erfolgt sei.

11 Dem ist zunächst zu entgegnen, dass sich das Verwaltungsgericht - anders als in dem dem hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1998, 98/12/0197, zugrundeliegenden Ausgangsverfahren - mit der Frage, ob ein beachtlicher Willensmangel bei Abgabe der Austrittserklärung vorlag, unter Bezugnahme auf die Bestimmungen der §§ 870, 871 ABGB ausführlich auseinandersetzte. Dabei gelangte das Verwaltungsgericht in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis, dass gegenüber dem Revisionswerber seitens des Dienstgebers nie geäußert worden sei, bei Erklärung des vorzeitigen Austrittes werde keine Strafanzeige erfolgen, und dass die Abgabe der Austrittserklärung nicht durch "ungerechte und gegründete Furcht" veranlasst worden sei (vgl. zu einer Austrittserklärung nach § 25 NÖ GBDO sowie zu §§ 870, 871 ABGB das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2014, 2011/12/0075). Der Revisionsfall ist folglich nicht mit der dem hg. Erkenntnis vom 28. März 2007, 2006/12/0138, zugrundeliegenden Konstellation vergleichbar, in welcher gegenüber dem Beamten angekündigt wurde, bei Unterbleiben einer Austrittserklärung werde Strafanzeige erstattet werden. Mit dem Hinweis auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 13. Oktober 1999, 9 ObA 205/99h, ist für die Rechtsansicht des Revisionswerbers ebenso wenig zu gewinnen. Die zuletzt zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs betraf eine Situation, in welcher die Selbstkündigung des Arbeitnehmers durch die Ankündigung des Arbeitgebers veranlasst wurde, eine bereits erstattete Strafanzeige im Falle der Selbstkündigung zurückzuziehen. Eine Rechtswidrigkeit der Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach die in Rede stehende Austrittserklärung frei von Willensmängeln abgegeben worden sei, ergibt sich aufgrund des Revisionsvorbringens nicht.

12 Mit den in der Revision ins Treffen geführten Überlegungen zum Vorliegen einer Befangenheit nach § 7 AVG übersieht der Revisionswerber, dass allfällige Verfahrensmängel infolge Mitwirkung befangener Organwalter im verwaltungsbehördlichen Verfahren durch ein vor dem Verwaltungsgericht geführtes Verfahren saniert werden (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 21. Dezember 2016, Ra 2016/12/0056, sowie vom 29. April 2015, Ro 2015/05/0007).

13 Aufgrund welcher Umstände die Befangenheit von Mitgliedern des erkennenden Senats des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 6 VwGVG mit Grund befürchtet werden habe müssen oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen hätte können, legt der Revisionswerber in keiner Weise dar (vgl. zu § 6 VwGVG auch den hg. Beschluss vom 31. März 2016, Ro 2015/07/0038). Der Einwand der Befangenheit der entscheidenden Richter begründet nur dann die Zulässigkeit der Revision, wenn vor dem Hintergrund des konkret vorgelegenen Sachverhaltes die Teilnahme eines oder mehrerer Mitglieder des Verwaltungsgerichtes an der Verhandlung und Entscheidung tragende Rechtsgrundsätze des Verfahrensrechtes verletzt hätte bzw. in unvertretbarer Weise erfolgt wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2016, Ra 2015/12/0081). Für diese Annahme bestehen aber auch unter Zugrundelegung des Revisionsvorbringens keine Anhaltspunkte. Aus dem in der Revision angesprochenen hg. Erkenntnis vom 25. April 1991, 89/09/0167, ist für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen. Die von dem Revisionswerber aus dem zuletzt genannten Erkenntnis gezogenen Schlüsse ergeben sich aus dieser Entscheidung nicht. Allein die Tatsache der Durchführung einer Beweiswürdigung begründet keine Befangenheit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2010, 2009/02/0156).

14 Soweit die Revision schließlich im Kern die Feststellung des Verwaltungsgerichts, wonach der Dienstgeber - trotz der in dem Aktenvermerk vom 12. November 2009 gewählten Formulierung - sich nie in dem Sinne geäußert habe, dass bei Erklärung des vorzeitigen Austrittes keine Strafanzeige erfolgen werde, als Aktenwidrigkeit qualifiziert, zeigt sie damit keine grundsätzliche Rechtsfrage auf. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Aktenwidrigkeit nur dann vor, wenn sich die Behörde oder das Gericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch setzt, wenn also der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen wurden, die auf Grund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 24. November 2016, Ra 2016/16/0108, sowie das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2015, 2011/17/0081, mwN); einen solchen qualifizierten Widerspruch zwischen der Darstellung des Akteninhaltes einerseits und dem tatsächlichen Akteninhalt andererseits legt die Revision nicht dar. Mit der in der Revision ins Treffen geführten Behauptung einer Aktenwidrigkeit werden im Ergebnis lediglich die von dem Verwaltungsgericht aufgrund des Beweisverfahrens gezogenen Schlüsse bekämpft.

15 Wenn sich der Revisionswerber mit seinem Vorbringen in allgemeiner Weise gegen die im Einzelfall vorgenommene - und nicht als grob fehlerhaft zu beurteilende - Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts wendet, gelingt es ihm nicht, eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen (vgl. den hg. Beschluss vom 21. September 2015, Ra 2015/02/0170, mwN).

16 Die Revision war folglich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 27. Juni 2017

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