VwGH Ra 2022/03/0015

VwGHRa 2022/03/001524.5.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed, Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Kommunikationsbehörde Austria gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. November 2021, Zl. W179 2202591‑1/3E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AMD‑G (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kommunikationsbehörde Austria; mitbeteiligte Partei: Tourismusverband P in W, vertreten durch Dr. Markus Skarics, Rechtsanwalt in 6460 Imst, Dr. Pfeiffenberger‑Straße 14; weitere Partei: Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt), zu Recht erkannt:

Normen

AMD-G 2001 §2 Z4
AMD-G 2001 §61 Abs1
AMD-G 2001 §62 Abs1
AMD-G 2001 §9 Abs1
VwGVG 2014 §28
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022030015.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt A II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die Kommunikationsbehörde Austria, die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und nunmehrige Revisionswerberin (KommAustria), stellte mit Bescheid vom 26. Juni 2018 über Antrag der mitbeteiligten Partei gemäß § 9 Abs. 8 AMD‑G fest, dass diese unter den Internetadressen https://www.pitztal.com/de/aktuelles/webcams und https://www.youtube.com/user/PitztalPictures audiovisuelle Mediendienste auf Abruf iSv § 2 Z 4 iVm Z 3 AMD‑G bereitstellt, die gemäß § 9 Abs. 1 AMD‑G anzeigepflichtig sind (Spruchpunkt 1).

Weiters stellte sie im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht über private Rundfunkveranstalter und audiovisuelle Mediendiensteanbieter gemäß § 2 Abs. 1 Z 6 KOG iVm §§ 60, 61 Abs. 1 und 62 Abs. 1 AMD‑G fest, dass die mitbeteiligte Partei die Bestimmung des § 9 Abs. 1 AMD‑G dadurch verletzt habe, dass sie ihre Tätigkeit als Anbieter der unter den genannten Internetadressen bereitgestellten audiovisuellen Mediendienste auf Abruf nicht spätestens zwei Wochen vor deren Aufnahme der KommAustria angezeigt habe (Spruchpunkt 2), und traf schließlich gemäß § 62 Abs. 4 AMD‑G die Feststellung, dass es sich bei der unter Spruchpunkt 2 genannten Rechtsverletzung um keine schwerwiegende Verletzung des AMD‑G handle (Spruchpunkt 3).

2 Über die dagegen gerichtete Beschwerde der Mitbeteiligten entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 19. November 2021: Spruchpunkt 1 des Bescheids wurde dahin abgeändert, dass gemäß § 9 Abs. 8 AMD‑G festgestellt wurde, dass unter den genannten Internetadressen von der mitbeteiligten Partei keine gemäß § 9 Abs. 1 AMD‑G anzeigepflichtigen audiovisuellen Mediendienste auf Abruf iSd § 2 Z 4 iVm Z 3 AMD‑G bereitgestellt werden (Spruchpunkt A I. des verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses).

Die Spruchpunkte 2 und 3 des angefochtenen Bescheids wurden „in Erledigung der Beschwerde“ ersatzlos aufgehoben (Spruchpunkt A II. des verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses).

Die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

3 In der Begründung gab das BVwG zusammengefasst den Verfahrensgang wieder, stellte fest, dass die mitbeteiligte Partei eine gemäß § 1 Abs. 2 Tiroler Tourismusgesetz errichtete Körperschaft öffentlichen Rechts sei und traf Feststellungen u.a. zu Inhalten der beiden Internetadressen.

4 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung wurde § 2a Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 AMD‑G idF der Novelle BGBl. I Nr. 150/2020 wiedergegeben, wonach die Bereitstellung audiovisueller Inhalte u.a. durch Körperschaften öffentlichen Rechts zu Informationszwecken und zur Darstellung ihres Aufgabengebiets im Rahmen der Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung nicht als Abrufdienst iSd § 2 Z 4 AMD‑G zu qualifizieren ist, sofern die Bereitstellung der audiovisuellen Inhalte weder eigenständig noch durch Beifügung oder Einblendung audiovisueller kommerzieller Kommunikation vermarktet oder verwertet wird und auch nicht durch regelmäßige sonstige Zuwendungen finanziell unterstützt wird.

5 Da das BVwG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung abzustellen habe, es sich bei der mitbeteiligten Partei um eine Körperschaft öffentlichen Rechts handle, und das verfahrensgegenständliche audiovisuelle Material lediglich Inhalte enthalte, wie sie ein Tourismusverband nach dem Tiroler Tourismusgesetz zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben typischerweise verbreite, seien diese „Sendungen“ nicht als Abrufdienst iSd § 2 Z 4 AMD‑G zu qualifizieren, weshalb auch keine Anzeigepflicht nach § 9 Abs. 1 AMD‑G bestehe.

6 Es sei deshalb Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheids entsprechend abzuändern gewesen. Bei diesem Ergebnis liege „zur gültigen Rechtslage gleichermaßen keine Verletzung des § 9 Abs. 1 AMD‑G“ vor. Damit sei hinfällig, inwieweit diese schwerwiegend iSd § 62 Abs. 4 AMD‑G wäre, sodass in Erledigung der Beschwerde die Spruchpunkte 2 und 3 des angefochtenen Bescheids ersatzlos aufzuheben seien.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ‑ außerordentliche ‑ Revision der KommAustria insoweit, als die Spruchpunkte 2 und 3 des behördlichen Bescheids ersatzlos aufgehoben wurden.

8 Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision macht im Wesentlichen geltend, dass das BVwG von der (näher zitierten) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs insoweit abgewichen sei, als dann, wenn ‑ wie im Fall des § 61 Abs. 1, § 62 Abs. 1 AMD‑G ‑ eine stichtags- oder zeitraumbezogene Entscheidung zu treffen sei, die zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage maßgebend sei. Außerdem fehle ausdrückliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dazu, welche Sach- und Rechtslage dem Rechtsverletzungsverfahren gemäß § 61 Abs. 1 und § 62 Abs. 1 AMD‑G zugrunde zu legen sei.

10 Die Revision ist aus dem dargelegten Grund ‑ entgegen der Auffassung des BVwG ‑ zulässig; sie ist auch begründet.

11 Die bei Erlassung des behördlichen Bescheids geltende Rechtslage verpflichtete Anbieter von Mediendiensten auf Abruf, ihre Tätigkeit spätestens zwei Wochen vor Aufnahme der Regulierungsbehörde anzuzeigen (§ 9 Abs. 1 AMD‑G idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 150/2020).

12 Als „audiovisueller Mediendienst“ iSd § 2 Z 3 AMD‑G galt

„eine Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV unter der redaktionellen Verantwortung eines Mediendiensteanbieters, deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze (§ 3 Z 11 TKG 2003) ist. Darunter fallen Fernsehprogramme und audiovisuelle Mediendienste auf Abruf“.

13 § 2 Z 4 AMD‑G definierte den audiovisuellen Mediendienst auf Abruf:

„ein audiovisueller Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter für den Empfang zu dem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt und auf dessen individuellen Abruf hin aus einem vom Mediendiensteanbieter festgelegten Programmkatalog bereitgestellt wird (Abrufdienst);“

14 Durch die am 1. Jänner 2021 in Kraft getretene Novelle BGBl. I Nr. 150/2020 erfolgten ‑ u.a. ‑ folgende Änderungen des AMD‑G:

15 § 9 Abs. 1 AMD‑G wurde dahin geändert, dass Anbieter von Abrufdiensten ihre Tätigkeit (nicht mehr ‑ wie zuvor ‑ spätestens zwei Wochen vor Aufnahme, sondern) spätestens zwei Monate nach ihrer Aufnahme anzuzeigen haben.

16 Die Definition des audiovisuellen Mediendienstes in § 2 Z 3 AMD‑G wurde neu gefasst; sie lautet seither:

„3. audiovisueller Mediendienst: eine Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, bei der der Hauptzweck oder ein trennbarer Teil der Dienstleistung darin besteht, unter der redaktionellen Verantwortung eines Mediendiensteanbieters der Allgemeinheit Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung über elektronische Kommunikationsnetze (Art. 2 Z 1 der Richtlinie (EU) 2018/1972 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation, ABl. Nr. L 321 vom 17.12.2018, S. 36) bereitzustellen; darunter fallen Fernsehprogramme und audiovisuelle Mediendienste auf Abruf;“

17 Gleichzeitig wurde mit dieser Novelle § 2a eingefügt, der ‑ auszugsweise ‑ lautet:

Begriffseingrenzung

§ 2a. (1) Nicht als Abrufdienst im Sinne von § 2 Z 4 zu qualifizieren ist insbesondere die Bereitstellung audiovisueller Inhalte, auch wenn diese in einem trennbaren Teil des vom Bereitsteller inhaltlich gestalteten Angebots ausgewiesen sind, durch

...

3. Körperschaften öffentlichen Rechts zu Informationszwecken und zur Darstellung ihres Aufgabengebiet im Rahmen der Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung sowie politische Parteien zur Beschreibung ihres Tätigkeitsfelds;

...

(2) Die in Abs. 1 genannten Angebote stellen nur dann keinen Abrufdienst im Sinne dieses Bundesgesetzes dar, wenn die Bereitstellung der audiovisuellen Inhalte weder eigenständig noch durch Beifügung oder Einblendung audiovisueller kommerzieller Kommunikation vermarktet oder verwertet wird und auch nicht durch regelmäßige sonstige Zuwendungen finanziell unterstützt wird.“

18 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (462 BlgNR, 27. GP ) wird zu dieser Einfügung Folgendes ausgeführt:

„Zu Z 13 (§ 2a): Um diversen Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren Rechnung zu tragen, soll § 2a klarstellen, welche Formen audiovisueller Inhalte nicht als Abrufdienste den Anforderungen des AMD‑G zu entsprechen haben und damit auch nicht der Regulierung durch die KommAustria unterliegen. Dies bedeutet, dass die gemäß § 2 Z 4 und Z 30 nun auch in Verbindung mit § 2a nicht als Abrufdienste zu qualifizierenden Angebote so wie bisher jedenfalls durch die Regelungen des Mediengesetzes und die für Massenmedien als Medieninhaltsdelikte einschlägigen Bestimmungen des StGB erfasst werden. Erneut ist auch im Zusammenhang mit der nun zur Klarstellung eingefügten Negativabgrenzung zu betonen, dass eine audiovisueller Mediendienst auf Abruf in inhaltlicher Hinsicht nur dann vorliegt, wenn er mittels eines Katalogs Sendungen (Z 30) zur Information, Bildung oder Unterhaltung bereitstellt. Die Anforderungen der die Richtlinie umsetzenden Bestimmungen des AMD‑G (etwa auch zu den Europäischen Werken oder zur Barrierefreiheit) gelten wie in der unionsrechtlichen Vorgabe nur massenmediale Erscheinungsformen das heißt, solche (vgl. ErwG 21) ‚die für den Empfang durch einen wesentlichen Teil der Allgemeinheit bestimmt sind und bei dieser eine deutliche Wirkung entfalten könnten.‘ Nur diese potentielle Wirkung und ihre dadurch hergestellte Eignung, im Markt der auch durch kommerzielle Kommunikation finanzierten audiovisuellen Dienstleistungen in Konkurrenz zu anderen massenmedialen Angeboten zu treten, rechtfertigen eine Gleichbehandlung im Sinne der von der Richtlinie intendierten ‚fairen Wettbewerbsbedingungen‘ (vgl. ErwG 2, 4 und 10 der Richtlinie 2010/13/EU ). In diesem Sinn umfasst Abs. 1 eine demonstrative Aufzählung, die nicht ausschließt, dass auch andere, nicht explizit beschriebene Angebote mangels Erfüllung der Elemente der Definition gar nicht in den Anwendungsbereich fallen. In Verbindung mit dem zusätzlichen Erfordernis, dass die Inhalte nicht anderweitig eigenständig verwertet werden dürfen, kann besser abgegrenzt werden, welche audiovisuellen Angebote nicht als derartige im Wettbewerb um Zuschauer/innen und um Werbeeinnahmen ‚kämpfende‘ Dienste gelten; vgl. zu dieser Negativabgrenzung auch die Beispiele bei Kogler, Fernsehähnliches TV‑On Demand ‑ Was ist (k)ein ‚Audiovisueller Mediendienst auf Abruf‘?, MR 2011/228.“

19 Gemäß § 61 Abs. 1 AMD‑G (insofern unverändert seit der mit 1. Oktober 2010 in Kraft getretenen Novelle BGBl. I Nr. 50/2010) entscheidet die Regulierungsbehörde über Verletzungen von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes u.a. von Amts wegen.

20 § 62 AMD‑G lautet (unverändert seit der Novelle BGBl. I Nr. 50/2010):

„Feststellung der Rechtsverletzung

§ 62.

(1) Die Entscheidung der Regulierungsbehörde besteht in der Feststellung, ob und durch welchen Sachverhalt eine Bestimmung dieses Bundesgesetzes verletzt worden ist. Wird von der Regulierungsbehörde eine Verletzung dieses Bundesgesetzes festgestellt, die im Zeitpunkt der Feststellung noch andauert, so hat der Mediendiensteanbieter unverzüglich einen der Rechtsansicht der Regulierungsbehörde entsprechenden Zustand herzustellen.

(2) Die Regulierungsbehörde hat über Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber innerhalb von sechs Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt des Einlangens der Beschwerde, zu entscheiden. Bei Beschwerden an die Regulierungsbehörde sind die Tage des Postenlaufs nicht einzurechnen.

(3) Die Regulierungsbehörde kann auf Veröffentlichung ihrer Entscheidung erkennen und dem Mediendiensteanbieter auftragen, wann, in welcher Form und in welchem Programm oder Mediendienst diese Veröffentlichung zu erfolgen hat.

(4) Die Regulierungsbehörde hat in ihren Bescheid im Falle der Feststellung einer Rechtsverletzung einen Ausspruch aufzunehmen, ob es sich um eine schwerwiegende Verletzung einer Bestimmung dieses Bundesgesetzes handelt.“

21 Das BVwG hat auf Basis der durch die Novelle BGBl. I Nr. 150/2020 geänderten, im Zeitpunkt der Erlassung seines Erkenntnisses geltenden Rechtslage im Wesentlichen ausgehend von § 2a Abs. 1 Z 3 AMD‑G festgestellt, dass es sich bei den fraglichen Diensten nicht um audiovisuelle Mediendienste auf Abruf handle, und die Auffassung vertreten, es liege „zur gültigen Rechtslage gleichermaßen“ keine Verletzung des § 9 Abs. 1 AMD‑G vor, weshalb dahingestellt bleiben könne, ob diese schwerwiegend iSd § 62 Abs. 4 AMD‑G wäre; es seien deshalb die Spruchpunkte 2 und 3 des behördlichen Bescheids ersatzlos aufzuheben gewesen.

22 Mit dieser Beurteilung zu den Spruchpunkten 2 und 3 des behördlichen Bescheids ist das BVwG, wie die Revision zutreffend aufzeigt, nicht im Recht.

23 Das Verwaltungsgericht hat zwar im Allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung seiner Entscheidung geltende Recht anzuwenden (vgl. nur etwa VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076, mwN). Eine andere Betrachtungsweise hat aber ‑ abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Regelung etwa in einer Übergangsbestimmung ‑ dann Platz zu greifen, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war. Ob eine solche stichtags- bzw. zeitraumbezogene Entscheidung zu treffen ist, muss aus den maßgebenden Bestimmungen selbst ermittelt werden (vgl. etwa VwGH 5.9.2018, Ra 2018/03/0044, mwN).

24 Gemäß § 61 Abs. 1 AMD‑G hat die Regulierungsbehörde über Verletzungen von Bestimmungen des AMD‑G zu entscheiden.

Wenn § 62 Abs. 1 AMD‑G normiert, dass die zu treffende Entscheidung in der Feststellung besteht, ob und durch welchen Sachverhalt eine Bestimmung dieses Bundesgesetzes „verletzt worden ist“, weist dies eine zeitraumbezogene Komponente auf: Zu prüfen ist, ob im Zeitpunkt der inkriminierten Handlung bzw. Unterlassung, also des „Sachverhalts“ iSd § 62 Abs. 1 AMD‑G, das AMD‑G verletzt wurde. Die allfällige Feststellung der Rechtsverletzung hat sich daher auf den ‑ regelmäßig in der Vergangenheit liegenden ‑ Zeitpunkt bzw. Zeitraum der Tathandlung zu beziehen.

25 Untermauert wird dieses Ergebnis dadurch, dass § 62 Abs. 1 zweiter Satz AMD‑G für den Fall, dass die Rechtsverletzung im Zeitpunkt der Feststellung noch andauert, eine besondere Regelung trifft (nämlich vom Mediendiensteanbieter verlangt, unverzüglich den der Rechtsansicht der Regulierungsbehörde entsprechenden Zustand herzustellen). Daraus ist ersichtlich, dass die in § 62 Abs. 1 erster Satz AMD‑G geregelte Feststellung auch dann zu treffen ist, wenn die Rechtsverletzung im Zeitpunkt der zu treffenden Entscheidung nicht mehr andauert, was notwendigerweise bedingt, dass zur Beurteilung, ob eine Rechtsverletzung vorlag, auf einen vergangenen Zeitpunkt abzustellen ist.

26 Das BVwG hätte sich also nicht damit begnügen dürfen, dass auf Basis der im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden Rechtslage die in Rede stehenden Dienste nicht als audiovisuelle Mediendienste auf Abruf iSd § 2 Z 4 AMD‑G zu qualifizieren sind. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur Unterlassung der Erstattung von Meldungen, die nach dem Gesetz in einer bestimmten Frist vorzunehmen gewesen wären, ausgesprochen hat, begründet eine solche Unterlassung ein Dauerdelikt (vgl. VwGH 27.4.2017, Ro 2016/02/0020); es stellt daher (auch) die fortgesetzte Unterlassung der Anzeige, solange eine Verpflichtung dazu besteht, eine Rechtsverletzung dar. Die Rechtsverletzung wird erst dadurch beendet, dass die Anzeige erstattet wird oder ‑ wegen einer Gesetzesänderung ‑ nicht mehr zu erstatten ist.

27 Es hätte vielmehr ‑ auch unter Berücksichtigung der jüngsten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Voraussetzungen für das Vorliegen eines audiovisuellen Mediendienstes auf Abruf (vgl. VwGH 5.10.2021, Ra 2021/03/0061) und der aus den Gesetzesmaterialien zur Novelle BGBl. I Nr. 150/2020 ersichtlichen Absicht des Gesetzgebers ‑ prüfen müssen, ob die in Rede stehenden Dienste der mitbeteiligten Partei im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung als audiovisuelle Mediendienste auf Abruf iSd § 2 Z 4 AMD‑G zu qualifizieren waren, und ob daher die von der KommAustria mit Spruchpunkt 2 des behördlichen Bescheids gerügte und mit Spruchpunkt 3 als nicht schwerwiegend qualifizierte Rechtsverletzung von der mitbeteiligten Partei begangen wurde. Die Unterlassung dieser Prüfung belastet das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

28 Das angefochtene Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 24. Mai 2022

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