Normen
AMD-G 2001 §2 Z3
AMD-G 2001 §2 Z4
VwRallg
12010E056 AEUV Art56
12010E057 AEUV Art57
31998L0034 Notifikations-RL Art1 Z2
32010L0013 audiovisuelle Mediendienste
61985CJ0352 Bond van Adverteerders VORAB
61992CJ0109 Wirth / Landeshauptstadt Hannover VORAB
62006CJ0281 Jundt VORAB
62013CJ0291 Papasavvas VORAB
62014CJ0484 Mc Fadden VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030061.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber hatte mit Schreiben vom 29. Mai 2017 bei der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde die bescheidmäßige Feststellung beantragt, dass ‑ soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ‑ die gezeigten Inhalte von zwei durch ihn betriebenen, näher bezeichneten Video‑Kanälen auf YouTube bzw. auf Facebook „keine audiovisuellen Mediendienste auf Abruf im Sinne von § 2 Z 4 des AMD‑G darstellen“.
2 Mit Bescheid vom 4. Oktober 2017 stellte die belangte Behörde fest, dass es sich bei dem YouTube- sowie dem Facebook‑Kanal jeweils um einen audiovisuellen Mediendienst auf Abruf im Sinne von § 2 Z 4 des Bundesgesetzes über audiovisuelle Mediendienste (Audiovisuelle Mediendienste‑Gesetz ‑ AMD‑G) handle.
Der YouTube- sowie der Facebook-Kanal des Beschwerdeführers erfülle alle Voraussetzungen für eine Qualifikation als audiovisueller Mediendienst auf Abruf im Sinne des § 2 Z 4 AMD‑G. Die Angebote der Kanäle seien zunächst insbesondere deswegen als „Dienstleistungen“ im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV zu qualifizieren, weil versucht werde, Spenden zu lukrieren und unentgeltlich Mitarbeiter beizuziehen, mögen auch kaum Spendenerträge erzielt werden. Ferner nehme der Beschwerdeführer die redaktionelle Endverantwortung über die produzierten und zusammengestellten Sendungen wahr. Zudem sei der Hauptzweck der audiovisuellen Angebote der Kanäle vom Blogangebot des Beschwerdeführers getrennt zu beurteilen, sodass deren Hauptzweck in der Bereitstellung von Videos liege. Auch würden die Videos beider Kanäle „Sendungen“ darstellen, die sich an dasselbe Publikum wie Fernsehsendungen richteten und daher „fernsehähnlich“ seien, sodass „Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung“ bereitgestellt würden, welche sich zudem an die allgemeine Öffentlichkeit richteten. Schließlich würden die Angebote des YouTube- sowie Facebook‑Kanals über das offene Internet und mithin über ein elektronisches Kommunikationsnetz verbreitet.
Im Ergebnis liege daher ein audiovisueller Mediendienst auf Abruf im Sinne des § 2 Z 3 und 4 AMD‑G vor, welcher gemäß § 9 Abs. 1 AMD‑G anzeigepflichtig sei; durch die mit dem Feststellungsantrag verbundene Anzeige sei der Beschwerdeführer dieser Anzeigepflicht auch nachgekommen.
3 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen wurde. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.
4 Das Verwaltungsgericht traf nähere Feststellungen zu den vom Revisionswerber betriebenen Kanälen auf YouTube und Facebook, die hier auf das für das Revisionsverfahren Wesentliche zusammengefasst dargelegt werden.
Über die Übersichtsseite des YouTube-Kanals seien die Bereiche „ON THE GRID“, „Inside Politics Season 5“, „Steirische Landtagswahl 2019 #LTW19“, „AMA ‑ Ask me anything“, „#NRW19 ‑ Politiker in 30 Sekunden“, „Underwater Championships 2019 in Graz“, „Sport“, „Medien und die Politik 2.0“ sowie „English Episodes“ zugänglich; diese seien auf der Übersichtsseite stichwortartig beschrieben. Ferner sei auf der Übersichtsseite der Bereich „Most Wanted Videos“ verlinkt, wo die meistgesehenen Videos der übrigen Bereiche ein zweites Mal verlinkt seien. In die jeweiligen Bereiche seien die einzelnen Videos als Beiträge eingebunden. Der Bereich „ON THE GRID“ habe am 26. Februar 2021 (Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht) 335 Videos ganz unterschiedlicher Länge (zwischen 0:27 Minuten und 2:38:10 Stunden) enthalten, welche häufig Pressekonferenzen sowie Interviews zeigten, die vorwiegend durch den Revisionswerber kurz anmoderiert seien. Die Videos würden um eine kurze schriftliche Beschreibung in Form eines Kommentars (einschließlich eines Links zu einem näher bezeichneten Blog des Revisionswerbers) unterhalb des Videos ergänzt. Das Verwaltungsgericht traf weiters Feststellungen zum Uploaddatum und zur Anzahl der seither erfolgten Abrufe der Videos (wobei die Videos dieses Bereichs zwischen 32 und 1.806 mal abgerufen worden seien).
Das Verwaltungsgericht traf auch zu den weiteren Bereichen des YouTube‑Kanals Feststellungen, nach denen (zusammengefasst) diese Bereiche eine geringere Anzahl von Videos enthielten, welche überwiegend Abrufzahlen im zwei- oder dreistelligen Bereich aufwiesen, mit Ausnahme eines Videos, das 77.020 mal abgerufen worden sei.
Die Rubrik „Kanalinfo ‑ Beschreibung“ enthalte im Wesentlichen folgende Angaben:
„Beschreibung
INSIDE POLITICS AUSTRIA ist der Kanal der Sendereihen INSIDE POLITICS (politische Interviewreihe) und ON THE GRID (Uncut‑Sendungen und Magazin).
Wir unterhalten uns in einer offenen Diskussions‑/Interviewsituation mit Politikern und politischen Anrainern, abseits der üblichen Berichterstattung.
Neben politischen Themen, geht es aber auch immer wieder um gesellschaftliche Ereignisse, Technik und Sport.
Die Sendungen sind stets etwas anders, einmal länger, einmal kürzer, einmal dunkler, einmal bunter....
Alle Inhalte stehen unter der CC‑BY‑NC‑ND 4.0 Lizenz, bei kommerzieller Nutzung ist der Betreiber zu kontaktieren, keine Nutzung für politische Zwecke (01.08.2020).“
Daran anschließend werde die Website des Blogs des Revisionswerbers angegeben, eine Redaktion (mit dem Namen des Revisionswerbers und drei weiteren namentlich genannten Personen) sowie die Offenlegung nach § 25 Mediengesetz, mit Namen und Anschrift des Revisionswerbers sowie einem Link zur Impressumsseite seines Blogs. Schließlich folgten Statistikangaben, wonach der Kanal seit dem Beitritt am 5. Juni 2006 eine Zahl von 384.025 Aufrufen erreicht habe (zum Stichtag der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 26. Februar 2021).
Weitere Feststellungen betreffen den Facebook‑Kanal „Inside Politics ‑ Austria“ unter zwei näher bezeichneten Adressen; dieses Facebook‑Angebot des Revisionswerbers sei seit 6. November 2017 nicht mehr abrufbar, weil der Revisionswerber dieses erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht wieder zugänglich machen wolle. Er plane aber, den Facebook‑Kanal erneut zum Abruf freizuschalten.
Das Videoangebot sei zuletzt am 6. November 2017 aktualisiert worden; bis dahin seien fast ausnahmslos dieselben Videos wie auf dem YouTube‑Kanal abrufbar gewesen. Seither seien auf Facebook keine Videos mehr hinzugefügt worden. Insgesamt würden etwa 200 Videos zum Abruf bereitgehalten. Das Videoangebot des Revisionswerbers auf Facebook sei getrennt vom Blog des Revisionswerbers nutzbar.
Nach weiteren Detailfeststellungen zum Facebook-Kanal des Revisionswerbers stellte das Verwaltungsgericht fest, dass in der Rubrik „Info“ des Facebook‑Angebots das Blogangebot des Revisionswerbers verlinkt sei.
Das Impressum des verlinkten Blogangebots enthalte im Wesentlichen folgende Angaben:
„Non‑Profit Politik- und Gesellschaftsblog/Video-Kanal ohne Gewinnabsicht, mit Beiträgen zur politischen Bildung, als auch über allgemeine Themen zu Politik, Gesellschaft, Sport, Technik und Kultur.
INSIDE POLITICS ist keine juristische Person sondern dient als private Entwicklungsplattform um medientechnische und journalistische Ideen umzusetzen.
INSIDE POLITICS hat sich dazu verpflichtet, mit seinen Artikeln auf Missstände und Probleme in der Gesellschaft und den Ausbau von Bürgerrechten aufmerksam zu machen. Durch die Berichterstattung sollen politische Entscheidungsträger auf allgemeine und spezielle Problemstellungen hingewiesen werden.
Einzelne Redaktionsmitglieder setzen sich darüber hinaus auf politischer Ebene für die rechtliche Gleichstellung von Bloggern und professionellen Journalisten ein. Dafür werden auch die Möglichkeiten des politischen und rechtlichen Diskurses ausgeschöpft.
So greifen diese auch regelmäßig auf Mittel wie Presseanfragen, parlamentarische Auskunftsbegehren, Stellungnahmen bei Begutachtungsverfahren und den Rechtsweg zurück. Die Erkenntnisse daraus werden auf INSIDE‑POLITICS.at veröffentlicht und dienen als Ergänzung für Entscheidungen im politischen Diskurs.“
Als für den Inhalt verantwortlich werde der Revisionswerber mit Namen und Anschrift sowie Kontaktmöglichkeiten per E-Mail, auf Twitter, Google+ und Facebook genannt. Weiters werde angegeben, dass die Website (unter anderem) Links „zu eigenen Subangeboten“ (darunter die Videokanäle auf Facebook und YouTube) enthalte.
Zur Herstellung und Finanzierung der Videos, welche auf dem YouTube- und/oder dem Facebook‑Kanal verbreitet werden, stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die Videos mittels manuellen Uploads durch den Revisionswerber in das Video‑Angebot von YouTube bzw. Facebook gelangten; die Videos würden insbesondere nicht automatisch von seinem Blog in den YouTube- oder Facebook‑Kanal übernommen. Der Revisionswerber treffe allein die Auswahl, welche Inhalte gefilmt würden; er wähle auch alleine aus, welche Videos online verfügbar gemacht würden. Auch die Aufnahme der Videos erfolge zumeist durch den Revisionswerber allein, je nach Inhalt entweder zu Hause oder auf Veranstaltungen. Gelegentlich unterstützten ihn einzelne Personen durch Hilfsdienste wie Kameraführung und Aufnahme. Den Videoschnitt führe der Revisionswerber allein durch. Zur Aufnahme der Videos setze der Revisionswerber für Amateure konzipierte Ausrüstung ein, weswegen seine Videos eine verglichen mit Aufnahmen führender Fernsehsender geringere Bild- und Tonqualität, schlechtere Kameraführung, Ton‑Synchronisation und Beleuchtung aufwiesen; jedoch sei das Abgebildete praktisch ausnahmslos erkennbar und der Ton ‑ insbesondere das Gesprochene ‑ praktisch ausnahmslos verständlich. Der Revisionswerber trage die alleinige redaktionelle Verantwortung für die Videos und deren Verbreitung.
Die Herstellung der Videos verursache Kosten für Sachmittel zwischen 500 und 1000 Euro pro Jahr. Weitere Kosten würden nicht anfallen; insbesondere habe der Revisionswerber YouTube und Facebook nichts für die Nutzung ihrer Plattformen zu bezahlen.
Der Blog des Revisionswerbers enthalte eine Spendenseite, wo via PayPal gespendet werden könne. Der Beschwerdeführer habe die auf dieser Seite genannten Spendenerträge (2014: 9,31 €; 2015: 9,31 €; 2016: 10,00 €; 2017: 130,58 €; 2018: 9,31 €; 2019: 25,01 €) und im Jahr 2020 keine Spendenerträge erzielt (Screenshots der Seite wurden in den Feststellungen des Verwaltungsgerichts inkludiert). Sonstige Einkünfte aus seinen Angeboten erziele der Revisionswerber nicht. Das Videoangebot auf YouTube wie auch auf Facebook habe bislang nicht kostendeckend betrieben werden können. Auf dieser Spendenseite sei das Videoangebot des Revisionswerbers auf YouTube, nicht aber das Facebook-Angebot, direkt verlinkt.
Im Feststellungsantrag habe der Revisionswerber angegeben, es sei zur Erzielung von Einnahmen geplant, einen Großteil der YouTube‑Videos mit Preroll‑Ads und einem Hinweis auf die Spendenfinanzierung via Patreon und PayPal zu versehen, was jedoch nicht umgesetzt worden sei.
Persönlich sehe der Revisionswerber in der Bereitstellung der Videos ein Hobby. Sein Anliegen sei es nicht, nennenswerte Gewinne zu lukrieren. Seinem Publikum möchte der Revisionswerber Wissen vermitteln. Als potenzielles Publikum der Videos mache der Revisionswerber vorrangig seinen Freundes- und Bekanntenkreis aus; er begrüße es jedoch auch, User zu erreichen, die ihm nicht bekannt seien. Dementsprechend schätze er die durchschnittlichen User‑Zugriffe pro Video mit 50 ein, wobei Videos hin und wieder auch hohe Zugriffszahlen erreichen würden.
5 In der Darlegung der Überlegungen zur Beweiswürdigung führte das Verwaltungsgericht unter anderem aus, dass sich die Feststellung, es sei zur Erzielung von Einnahmen geplant, einen Großteil der YouTube‑Videos mit Preroll‑Ads und einem Hinweis auf die Spendenfinanzierung via Patreon und PayPal zu versehen, aus dem im Akt erliegenden Antrag des Revisionswerbers an die belangte Behörde ergebe. Dass dies „nicht umgesetzt wurde“, folge den Angaben des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung und der dort erfolgten auszugsweisen Sichtung des Videomaterials.
6 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass gemäß § 2 Z 3 AMD‑G ein audiovisueller Mediendienst eine Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sei, bei der der Hauptzweck oder ein trennbarer Teil der Dienstleistung darin bestehe, unter der redaktionellen Verantwortung eines Mediendiensteanbieters der Allgemeinheit Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung über elektronische Kommunikationsnetze bereitzustellen.
7 Zur Erbringung einer Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber mit seinen Videoangeboten auf YouTube und Facebook „zweifellos“ Dienstleistungen im Sinne des Art. 56 f AEUV erbringe. Denn unabhängig davon, ob man die Spendenfunktion seines Blogangebots auch als Versuch, Spenden für die Videoangebote zu lukrieren, ansehe, handle es sich bei den Videoangeboten des Beschwerdeführers doch um Leistungen, die ihrer Art nach am Markt „in der Regel gegen Entgelt erbracht“ würden; dafür sprächen schon der Umfang des Videoangebots, dessen thematische Vielfalt und die Qualität der angebotenen Informationen wie Interviews mit und Aufnahmen von Politikern und Kennern der politischen wie medialen Landschaft. Daher ändere auch der Umstand, dass der Revisionswerber bislang lediglich Bagatellbeträge an Spenden lukriert habe und seine Videoangebote daher nie kostendeckend betreiben habe können, nichts daran, dass er dort Dienstleistungen im Sinne der Art. 56 f AEUV erbringe.
8 Zu den weiteren Kriterien für das Vorliegen eines audiovisuellen Mediendienstes kam das Verwaltungsgericht zum ‑ näher begründeten ‑ Ergebnis, dass die Videoangebote des Beschwerdeführers auf YouTube und Facebook klar den Hauptzweck der Bereitstellung von Sendungen zur Information und Bildung der Allgemeinheit verfolgten, unter redaktioneller Verantwortung des Revisionswerbers als Mediendiensteanbieter stünden und über ein elektronisches Kommunikationsnetz im Sinne des Art. 2 Z 1 der Richtlinie (EU) 2018/1972 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation bereitgestellt würden. Die Videoangebote des Revisionswerbers auf YouTube wie Facebook seien also als „audiovisuelle Mediendienste“ im Sinne des § 2 Z 3 AMD‑G zu qualifizieren. Da diese Videoangebote von Usern zu jeder gewünschten Zeit durch individuellen Abruf empfangen werden könnten, wobei der Revisionswerber festlege, welche Videos abrufbar seien, handle es sich um einen audiovisuellen Mediendienst auf Abruf gemäß § 2 Z 4 AMD‑G. Die Videoangebote des Revisionswerbers auf Facebook und YouTube seien auch keiner der Ausnahmen von der Qualifikation als „audiovisuelle Mediendienste“ gemäß § 2a AMD‑G zu unterstellen. Insbesondere erfüllten diese Angebote nicht die Voraussetzungen gemäß § 2a Abs. 1 Z 6 AMD‑G, da sie nicht nur den persönlichen Lebensbereich des Revisionswerbers darstellten, sondern einen darüber hinausgehenden Informationsgehalt enthielten, der geeignet sei, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen.
9 Die Nichtzulassung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen (unter Hinweis auf VwGH 16.12.2015, 2015/03/0004) damit, dass die Entscheidung nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden und das angefochtene Erkenntnis dahin abändern, dass dem Antrag des Revisionswerbers auf bescheidmäßige Feststellung, dass die gezeigten Inhalte auf den durch ihn betriebenen Videokanälen keine audiovisuellen Mediendienste auf Abruf im Sinne des § 2 Z 4 AMD‑G darstellten, stattgegeben werde, in eventu das angefochtene Erkenntnis aufheben.
11 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, dass das vom Verwaltungsgericht zur Begründung der Nichtzulassung der Revision zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes für den gegenständlichen Sachverhalt nicht einschlägig sei, da in dem zu diesem Erkenntnis führenden Verfahren die Frage der Entgeltlichkeit der Dienstleistung kein Thema gewesen bzw. nie bestritten worden sei. Zur Frage der Entgeltlichkeit der Dienstleistung nach § 2 Z 3 AMD‑G fehle jedoch Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stelle sich die Frage, ob es für das Vorliegen einer Dienstleistung im Sinne der Art. 56 f AEUV und zur Einordnung als audiovisueller Mediendienst im Sinne des AMD‑G bereits ausreichend sei, dass es sich um Leistungen handle, die am Markt „in der Regel gegen Entgelt erbracht“ würden, bzw. ob es zur Beurteilung der Frage, ob eine Dienstleistung vorliege, zulässig sei, einen Dritt- bzw. Fremdvergleich anzustellen, oder ob man sich an der Leistung der konkret betroffenen Person zu orientieren habe.
12 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unberechtigt abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 Die Revision erweist sich im Sinne des oben dargelegten Vorbringens zur Begründung der Zulässigkeit als zulässig, da Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur hier entscheidungswesentlichen Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen ein Videokanal auf YouTube oder Facebook das für das Vorliegen eines audiovisuellen Mediendienstes erforderliche Kriterium der „Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV“ erfüllt, bislang nicht vorliegt.
14 § 2 Z 3 und 4 des Bundesgesetzes über audiovisuelle Mediendienste (Audiovisuelle Mediendienste‑Gesetz ‑ AMD‑G), BGBl. I Nr. 84/2001 in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 150/2020, lauten:
„§ 2. Im Sinne dieses Gesetzes ist:
[...]
3. audiovisueller Mediendienst: eine Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, bei der der Hauptzweck oder ein trennbarer Teil der Dienstleistung darin besteht, unter der redaktionellen Verantwortung eines Mediendiensteanbieters der Allgemeinheit Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung über elektronische Kommunikationsnetze (Art. 2 Z 1 der Richtlinie (EU) 2018/1972 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation, ABl. Nr. L 321 vom 17.12.2018, S. 36) bereitzustellen; darunter fallen Fernsehprogramme und audiovisuelle Mediendienste auf Abruf;
4. audiovisueller Mediendienst auf Abruf: ein audiovisueller Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter für den Empfang zu dem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt und auf dessen individuellen Abruf hin aus einem vom Mediendiensteanbieter festgelegten Programmkatalog bereitgestellt wird (Abrufdienst);“
15 Mit diesen Bestimmungen werden die in der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste), geändert durch die Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten, (im Folgenden: AVMD‑RL) enthaltenen Definitionen für das österreichische Recht übernommen (vgl. zur strikten Orientierung an den Vorgaben der AVMD‑RL die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Novelle BGBl. I Nr. 50/2010, 611 BlgNR 24. GP , 8; nichts anderes gilt für die in § 2 Z 3 AMD‑G durch die Novelle BGBl. I Nr. 150/2020 vorgenommene Änderung aufgrund der Änderung der AVMD‑RL durch die Richtlinie (EU) 2018/1808 , vgl. dazu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 462 BlgNR 27. GP , 3: „Die Änderung [in § 2 Z 3 AMD‑G] dient der Anpassung dieser Begriffsbestimmung an die ergänzte Definition in Art. 1 Abs. 1 lit. a sublit. i der AVMD‑Rl.“).
16 Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Novelle BGBl. I Nr. 50/2010 (611 BlgNR 24. GP , 66) führen zu den hier relevanten Bestimmungen (die mit der Novelle BGBl. I Nr. 150/2020 nur in einem für das Revisionsverfahren nicht weiter relevanten Aspekt ‑ hinsichtlich des „Hauptzwecks“ ‑ geändert wurden) aus:
„Ein audiovisueller Mediendienst (Z 3) muss grundsätzlich sechs Kriterien kumulativ erfüllen (vgl. Art. 1 lit. a bis d AVMD‑RL sowie ErwG 16 bis 23 AVMD‑RL):
- Dienst im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV
- eines Mediendiensteanbieters unter dessen redaktioneller Verantwortung
- mit dem Hauptzweck
- der Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung
- der allgemeinen Öffentlichkeit
- über elektronische Kommunikationsnetze.“
17 Im Revisionsfall ist ausschließlich strittig, ob die erstgenannte Voraussetzung ‑ dass eine Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV vorliegt ‑ erfüllt ist; die Erfüllung aller weiteren Voraussetzungen wird auch in der Revision nicht in Zweifel gezogen. Die Revision behauptet auch nicht, dass die verfahrensgegenständlichen Kanäle etwa nach § 2a Abs. 1 Z 6 AMD‑G nicht als Abrufdienst zu qualifizieren wären.
18 Zur Frage der Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV führt Erwägungsgrund 21 zur Stammfassung der AVMD‑RL (Richtlinie 2010/13/EU ) aus:
„Er [der Begriff der audiovisuellen Mediendienste] sollte nur Dienstleistungen im Sinne des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union erfassen, also alle Arten wirtschaftlicher Tätigkeiten, auch die öffentlich‑rechtlicher Unternehmen, sich jedoch nicht auf vorwiegend nichtwirtschaftliche Tätigkeiten erstrecken, die nicht mit Fernsehsendungen im Wettbewerb stehen, wie z. B. private Internetseiten und Dienste zur Bereitstellung oder Verbreitung audiovisueller Inhalte, die von privaten Nutzern für Zwecke der gemeinsamen Nutzung und des Austauschs innerhalb von Interessengemeinschaften erstellt werden.“
19 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur AMD‑G‑Novelle BGBl. I Nr. 50/2010 (611 BlgNR 24. GP , 66) wird bezugnehmend auf diesen Erwägungsgrund ergänzend folgendes ausgeführt:
„Im Einzelnen ist neben den Erwägungsgründen der Mediendiensterichtlinie auf Folgendes hinzuweisen:
Mit der Bezugnahme auf Art. 49 und 50 EG‑Vertrag [richtig: Art. 56 und 57 AEUV] ist eine Beschränkung auf entgeltliche Dienstleistungen vorgegeben; darunter fallen daher im Kontext der audiovisuellen Medien insbesondere gewerbliche Tätigkeiten, die sich typischerweise über Werbung oder Direktzahlungen der Endkunden (z. B. beim Pay‑TV oder bei Video‑on‑Demand) finanzieren. Erfasst sind aber auch wirtschaftliche Tätigkeiten von sozialen oder religiösen Einrichtungen, die auf einen Erwerbszweck ausgerichtet sind. Rein private Angebote sind damit aus dem Anwendungsbereich ausgenommen (etwa eine private Website mit Urlaubsvideos).“
20 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur AMD‑G‑Novelle BGBl. I Nr. 150/2020 (462 BlgNR 27. GP , 3) finden sich ‑ ungeachtet des Umstandes, dass es durch diese Novelle hinsichtlich des Dienstleistungsbegriffs zu keiner inhaltlichen Änderung kam ‑ folgende Ausführungen zur Definition des audiovisuellen Mediendienstes:
„Von zentraler Bedeutung für das Vorliegen eines derartigen Dienstes sind daher unverändert das Begriffselement der Dienstleistung, aus dem sich ableiten lässt, dass es um die einer Entfaltung einer regelmäßigen und nicht bloß sporadisch oder unregelmäßig vereinzelt ausgeübten Tätigkeit geht, die zumeist auch auf die Erzielung von Einkünften abstellt. Die besseren Argumente sprechen für eine nicht zu weitgehende interpretative Ausdehnung der Definition, um nicht sämtliche audiovisuellen Erscheinungen des täglichen Lebens zu regulieren (vgl. dazu etwa Kogler, Was sieht dem Fernsehen ähnlich? JRP 4/2014, Seite 239). Nach wie vor gilt nach ErwG 21 der Richtlinie 2010/13/EU , dass die Regelungen nicht auch ‚nichtwirtschaftliche Tätigkeiten‘ erfassen. Eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit ist gegeben, wenn ein kostenloser Zugang der Öffentlichkeit zu einer kulturellen Aktivität besteht, da in diesen Fällen ein rein sozialer und/oder kultureller Zweck vorliegt, solange nicht mit Werbeeinnahmen ein Beitrag zu den Kosten erwirtschaftet oder sonst eine Vergütung für die erbrachte Dienstleistung gewährt wird.“
21 Wie der Revisionswerber zutreffend ausführt, war in dem mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2015, 2015/03/0004, abgeschlossenen Verfahren ‑ auf das sich das Verwaltungsgericht in seiner Begründung für die Nichtzulassung der Revision stützte ‑ die hier entscheidungswesentliche Frage des Vorliegens einer Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV nicht strittig. In diesem Verfahren hatte der Verwaltungsgerichtshof eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingeholt (EuGH 21.10.2015, C‑347/14, New Media Online), die im Wesentlichen die Auslegung des Begriffes „Sendung“ (im Sinne von Art. 1 Abs. 1 lit. b AVMD‑RL) und die Beurteilung des Hauptzwecks eines Dienstes (Art. 1 Abs. 1 lit. a Z i AVMD‑RL) betraf; beides ist im vorliegenden Revisionsfall nicht strittig. In den zu dieser Rechtssache erstatteten Schlussanträgen vom 1. Juli 2015 führte Generalanwalt Szpunar jedoch Folgendes aus:
„38. Nach dem ersten der genannten Kriterien geht es um Dienstleistungen im Sinne des AEU‑Vertrags, also solche, die im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erbracht werden. Dies soll gemäß dem 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2010/13 ‚private Internetseiten und Dienste zur Bereitstellung oder Verbreitung audiovisueller Inhalte, die von privaten Nutzern für Zwecke der gemeinsamen Nutzung und des Austauschs innerhalb von Interessengemeinschaften erstellt werden‘, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausschließen. Es geht dabei insbesondere um private Internetseiten jeder Art, die von Privatpersonen ohne wirtschaftliches Interesse erstellt und betrieben werden, z. B. Blogs und Videoblogs, sowie Portale wie YouTube.
39. Die Internetseite einer Zeitschrift, die auch in Papierform erscheint, wie das Portal ‚Tiroler Tageszeitung Online‘, dient sicherlich der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit und erfüllt damit das vorstehende Kriterium. Nur am Rande möchte ich daher anmerken, dass diese Abgrenzung nicht immer so offensichtlich sein wird, wie es scheinen kann. Auf der einen Seite kommt es nämlich immer öfter vor, dass Werbung entgeltlich auf den populärsten privaten Internetseiten platziert wird, so dass sie zu Einkommensquellen für die Ersteller und damit einer Art von wirtschaftlicher Tätigkeit werden. Auf der anderen Seite tauchen auf Portalen wie YouTube professionelle Markenkanäle (sogenannte branded channels) auf, deren Inhalt nicht von den Nutzern erstellt wird. Die Frage, ob und inwieweit die Richtlinie 2010/13 auf Inhalte dieser Art Anwendung finden kann, wird eine weitere Herausforderung für die nationalen Regulierungsbehörden und die Gerichte darstellen.“
22 Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung, wonach die vom Revisionswerber angebotenen Videokanäle auf YouTube und Facebook Dienstleistungen im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV seien, darauf gestützt, dass es sich dabei um Leistungen handle, die ihrer Art nach am Markt „in der Regel gegen Entgelt“ erbracht würden. Es geht damit davon aus, dass es für die Beurteilung als Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV darauf ankommt, dass Leistungen wie jene des Revisionswerbers „ihrer Art nach“ am Markt ‑ das heißt von anderen Anbietern ‑ üblicherweise gegen Entgelt erbracht werden, auch wenn die konkret vom Revisionswerber angebotenen Leistungen unentgeltlich oder zumindest nicht kostendeckend erbracht werden (die Frage, ob die Spendenfunktion auf dem Blog des Revisionswerbers auch als Versuch, Spenden für die Videokanäle zu lukrieren, anzusehen sei, hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich offen gelassen; es hat ebenso nicht festgestellt, ob eine Finanzierung über Werbeeinnahmen und über „Spenden“ via Patreon und PayPal ‑ wie im Antrag an die Behörde dargelegt ‑ weiterhin „geplant“, also Teil des mit dem Angebot verfolgten Konzepts, ist).
23 Die belangte Behörde vertritt in ihrer Revisionsbeantwortung, gestützt auf Erwägungsgrund 21 zur AVMD‑RL, eine zum selben Ergebnis führende Rechtsauffassung. Demnach werde vom Revisionswerber „eine mit klassischen Medienangeboten vergleichbare Tätigkeit angeboten.“ Es handle sich um eine Tätigkeit, die jedenfalls im Wettbewerb zu klassischen Medienangeboten gestanden sei. Die mangelnde Kommerzialisierung des Angebots könne dieser Einordnung nicht schaden. Auch die belangte Behörde stellt damit ‑ wie das Verwaltungsgericht ‑ nicht darauf ab, ob der Revisionswerber selbst sein Angebot (in der Regel) gegen Entgelt erbringt, sondern ob es sich um ein Angebot handelt, wie es typischerweise (von anderen Anbietern) am Markt gegen Entgelt erbracht wird.
24 Demgegenüber vertritt der Revisionswerber die Auffassung, dass sich die Beurteilung, ob eine Dienstleistung in der Regel gegen Entgelt erbracht werde, an der konkreten Person des Leistungserbringers orientieren müsse und der vom Verwaltungsgericht gezogene „Drittvergleich“ unzulässig sei.
25 Zu dieser Frage ist vorweg darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen einer Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV voraussetzt, dass der Erbringer der zu beurteilenden Leistungen mit diesen am wirtschaftlichen Leben teilnimmt (vgl. Tiedje in von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht7, Rn. 6 zu Art. 57 AEUV, mwN). Ist eine Leistungserbringung nicht mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit verbunden, wird sie ausschließlich aus sozialen, politischen und ähnlich gelagerten Motiven erbracht, fehlt es am Kriterium der Entgeltlichkeit (Holoubek in Schwarze, EU‑Kommentar4, Rn. 19 zu Art. 56 und 57 AEUV, mwN).
26 Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich mit der für den vorliegenden Fall entscheidungswesentlichen Frage, unter welchen Voraussetzungen von einer Dienstleistung, die „in der Regel gegen Entgelt“ erbracht wird, auszugehen ist, in seinem ‑ einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ betreffenden ‑ Urteil vom 15. September 2016, C‑484/14, Mc Fadden, befasst.
In diesem Zusammenhang definiert zunächst Art. 1 Z 2 der Richtlinie 98/34/EG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 204 vom 21.7.1998, S. 37, in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG , ABl. L 217, vom 5.8.1998, S. 18) als „Dienst“ eine „Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d. h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung.“ Erwägungsgrund 19 zu dieser Richtlinie führt dazu aus, dass unter Diensten „Dienstleistungen im Sinne des Artikels 60 des [EG‑Vertrags, jetzt Art. 57 AEUV] entsprechend der Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu verstehen“ sind, d. h. Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden. Die Definition des „Dienstes der Informationsgesellschaft“ in der RL 98/34/EG ist auch für die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (Richtlinie 2000/31/EG , ABl. L 178 vom 17.7.2000, S. 1) maßgeblich (vgl. deren Art. 2 lit. a).
Auch für einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ ist daher in gleicher Weise wie für einen „audiovisuellen Mediendienst“ zunächst zu prüfen, ob es sich bei einer bestimmten Leistung um eine Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV handelt.
27 Mit dem Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache Mc Fadden hatte das Landgericht München dem EuGH (unter anderem) folgende Frage vorgelegt:
„Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 und mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 so auszulegen, dass ‚in der Regel gegen Entgelt‘ bedeutet, dass das nationale Gericht feststellen muss, ob
a) die konkret betroffene Person, die sich auf die Diensteanbietereigenschaft beruft, diese konkrete Dienstleistung in der Regel entgeltlich anbietet oder
b) überhaupt Anbieter auf dem Markt sind, die diese Dienstleistung oder vergleichbare Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten, oder
c) die Mehrheit dieser oder vergleichbarer Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten werden?“
28 Die in dieser Frage dargelegte Option b) (allenfalls auch/oder die Option c) hätte jenem Verständnis entsprochen, wie es im vorliegenden Revisionsfall die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung und im Ergebnis auch das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis zum Ausdruck gebracht hat. Der EuGH ist in seinem Urteil dieser Option allerdings nicht näher getreten, sondern hat auf die gestellte Frage die Antwort gegeben, dass Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a dieser Richtlinie und mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG in der durch die Richtlinie 98/48/EG geänderten Fassung dahin auszulegen ist, „dass eine Leistung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die von dem Betreiber eines Kommunikationsnetzes erbracht wird und darin besteht, dass dieses Netz der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, einen ‚Dienst der Informationsgesellschaft‘ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 darstellt, wenn diese Leistung von dem Anbieter zu Werbezwecken für von ihm verkaufte Güter oder angebotene Dienstleistungen erbracht wird.“
29 Der EuGH hat damit nicht darauf abgestellt, ob die konkrete unentgeltlich erbrachte Leistung von anderen Anbietern auf dem Markt in der Regel entgeltlich erbracht wird, sondern geprüft, ob diese Leistung vom Anbieter als Teilnehmer am Wirtschaftsleben erbracht wird, was für den in jenem Verfahren relevanten Fall, dass die Leistung zu Werbezwecken erbracht wird, bejaht wurde. Voraussetzung für das Vorliegen einer Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV ist damit, dass der Dienst im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Anbieters erbracht wird, auch wenn die Vergütung für diesen Dienst nicht notwendig von denjenigen bezahlt wird, denen der Dienst zugutekommt (vgl. EuGH 15.9.2016, C‑484/14, Mc Fadden, Rn. 41, unter Hinweis auf EuGH 11.9.2014, C‑291/13, Papasavvas).
30 Eine Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV, die „in der Regel gegen Entgelt“ erbracht wird, kann daher nur vorliegen, wenn sie im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erbracht wird. Der Ansicht des Verwaltungsgerichtes, wonach es für das Vorliegen einer Dienstleistung in diesem Sinne bereits ausreicht, dass Leistungen jener Art, wie sie vom Revisionswerber erbracht werden, auch (von anderen Anbietern) am Markt entgeltlich erbracht werden, ohne dass weiter zu prüfen wäre, ob der Revisionswerber selbst mit diesen Leistungen wirtschaftlich tätig ist, kann daher nicht gefolgt werden (vgl. dazu auch die Rechtsprechung des EuGH zu staatlichen Hochschulen, bei denen keine Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV vorliegt, während der Unterricht in Hochschulen, die im wesentlichen aus privaten Mitteln, insbesondere durch die Studenten oder deren Eltern, finanziert werden und einen Gewinn zu erzielen suchen, „zur Dienstleistung im Sinne von Artikel 60 EWG‑Vertrag“ [nun Art. 57 AEUV] wird: EuGH 7.12.1993, C‑109/92, Wirth).
31 Daran ändert es auch nichts, wenn die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung auf Erwägungsgrund 21 zur AVMD‑RL hinweist und darauf gestützt die Auffassung vertritt, dass es für das Vorliegen eines audiovisuellen Mediendienstes, der als Dienstleistung im Sinne des Art. 56 und 57 AEUV anzusehen ist, (ausschließlich) darauf ankomme, ob das Angebot des Revisionswerbers „im Wettbewerb zu klassischen Medienangeboten“ stehe, da ‑ wie die belangte Behörde in Bezug auf den Revisionswerber meint ‑ ein vielfältiges Angebot bereitgestellt werde, das vorwiegend dem Bereich klassischer Nachrichten zuzuordnen sei und mit dem der Revisionswerber eine „mit klassischen Medienangeboten vergleichbare Tätigkeit“ angeboten habe.
32 Vielmehr macht der oben bereits wiedergegebene Erwägungsgrund 21 zur AVMD‑RL klar, dass ausschließlich wirtschaftliche Tätigkeiten („alle Arten wirtschaftlicher Tätigkeiten“) erfasst werden, wobei illustrativ (und nicht erschöpfend) in Abgrenzung dazu verschiedene nichtwirtschaftliche Tätigkeiten erwähnt werden, die aufgrund des Abstellens auf Dienstleistungen im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst werden. Für die dort genannten Angebote ist zwar kennzeichnend, dass sie mit „Fernsehsendungen“ nicht im Wettbewerb stehen, also insbesondere nicht um Einnahmen aus Abonnements, Werbeeinschaltungen oder sonstigen Finanzierungsquellen konkurrieren. Es wird aber damit nicht ausgeschlossen, dass zum Beispiel auch private ‑ außerhalb einer wirtschaftlichen Tätigkeit betriebene ‑ Videoblogs und ebensolche Kanäle auf Plattformen wie YouTube und Facebook technisch und inhaltlich allenfalls mit einzelnen kommerziellen Angeboten vergleichbar sein können (vgl. zum Ausschluss „insbesondere“ von privaten Internetseiten jeder Art, „die von Privatpersonen ohne wirtschaftliches Interesse erstellt und betrieben werden, z.B. Blogs und Videoblogs,“ aus dem Anwendungsbereich der AVMD‑RL die Schlussanträge von Generalanwalt Szpunar in der Rechtssache New Media Online, Rn. 38). Dass derartige private, nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit betriebene, Videoblogs oder Video‑Kanäle auf YouTube, Facebook oder anderen Plattformen gegebenenfalls in einer Art „publizistischem Wettbewerb“ mit audiovisuellen Mediendiensten im Sinne des AVMD‑RL stehen können, führt daher für sich nicht zum Vorliegen einer Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV.
33 Indem das Verwaltungsgericht den Umstand, dass es sich bei den Videoangeboten des Revisionswerbers um Leistungen handle, die ihrer Art nach am Markt „in der Regel gegen Entgelt erbracht“ würden, als ausreichend angesehen hat, um das Vorliegen einer Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV zu bejahen, ohne zu prüfen, ob der Revisionswerber damit in Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit handelt, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
34 Für das Vorliegen einer Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV ist ihr wirtschaftlicher Charakter ausschlaggebend; es ist aber nicht erforderlich, dass der Leistungserbringer mit Gewinnerzielungsabsicht handelt (EuGH 18.12.2007, C‑281/06, Jundt, Rn. 32f; nach diesem Urteil fällt etwa eine Lehrtätigkeit an einer Universität, die „nebenberuflich und quasi ehrenamtlich“ [allerdings gegen ein ‑ wenn auch vergleichsweise geringes ‑ Entgelt] ausgeübt wird, in den Anwendungsbereich des Art. 49 EG [nunmehr Art. 57 AEUV]). Eine Dienstleistung wird auch dann „gegen Entgelt“ erbracht, wenn der Anbieter nicht vom Nutzer der Dienstleistung, sondern von Dritten, etwa durch Einnahmen aus der auf einer Website verbreiteten Werbung, vergütet wird (vgl. EuGH 11.9.2014, C‑291/13, Papasavvas, Rn. 30; EuGH 26.4.1988, 352/85 , Bond van Adverteerders, Rn. 16).
35 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass auf dem vom Revisionswerber betriebenen Blog eine Seite bestehe, auf der zu „Spenden“ aufgerufen werde (wobei der Revisionswerber „bislang lediglich Bagatellbeträge“ ‑ in einem Jahr 130,58 €, in den anderen Jahren nie mehr als 25,01 € ‑ an „Spenden“ lukriert habe), und dass im Blog die verfahrensgegenständlichen Videokanäle verlinkt seien (und umgekehrt auch von den Videokanälen auf das Blogangebot verlinkt werde). Das Verwaltungsgericht hat allerdings ausdrücklich offengelassen, ob die Spendenfunktion auf dem Blog des Revisionswerbers auch als Versuch, Spenden für die Videokanäle zu lukrieren, anzusehen sei. Schließlich hat das Verwaltungsgericht noch festgestellt, dass der Revisionswerber im verfahrenseinleitenden Antrag angegeben habe, es sei zur Erzielung von Einnahmen geplant, einen Großteil der YouTube‑Videos mit Preroll‑Ads und einem Hinweis auf die Spendenfinanzierung via Patreon und PayPal zu versehen; dies sei jedoch nicht umgesetzt worden.
36 Damit lässt sich eine abschließende Beurteilung, ob es sich bei den verfahrensgegenständlichen Videokanälen des Revisionswerbers um audiovisuelle Mediendienste auf Abruf im Sinne des § 2 Z 4 AMD‑G handelt, noch nicht treffen.
37 Zunächst legen die getroffenen Feststellungen nämlich nahe, dass die verfahrensgegenständlichen Videokanäle Teil einer gesamthaft zu betrachtenden Tätigkeit des Revisionswerbers sind, mit der dieser ‑ teilweise unterstützt von anderen Personen ‑ eine im weiteren Sinne publizistische Tätigkeit ausübt (vgl. etwa die Feststellungen zum Inhalt der von den Videokanälen verlinkten Impressumsseite im Blog, in der das Angebot auszugsweise so beschrieben wird: „Non‑Profit Politik- und Gesellschaftsblog/ Video‑Kanal ohne Gewinnabsicht, mit Beiträgen zur politischen Bildung, als auch über allgemeine Themen zu Politik, Gesellschaft, Sport, Technik und Kultur“). Auch wenn daher die Videokanäle selbst nicht monetarisiert würden, wäre das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Revisionswerbers dann nicht auszuschließen, wenn diese Kanäle etwa im Sinne des EuGH‑Urteils in der Rechtssache Mc Fadden zu Werbezwecken für (sonstige) angebotene Leistungen des Revisionswerbers ‑ etwa ein weiteres publizistisches Angebot wie ein Blog ‑ sofern diese Teil einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Revisionswerbers wären, erbracht würden.
38 Zudem hat der Revisionswerber in seinem Antrag an die belangte Behörde ausdrücklich angegeben, dass eine Monetarisierung des Großteils der YouTube‑Videos über Preroll‑Ads sowie ein Hinweis auf eine „Spendenfinanzierung“ via Patreon und PayPal geplant sei. Aus dem angefochtenen Erkenntnis wird jedoch nicht deutlich, ob die Feststellung, wonach dieser Plan nicht umgesetzt worden sei, dahin zu verstehen ist, dass der ursprüngliche Plan, die Videokanäle zumindest teilweise durch Werbeeinnahmen und „Spenden“ über Patreon und PayPal zu finanzieren und solcherart eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben (vgl. zur Finanzierung über Werbeeinahmen neuerlich EuGH 11.9.2014, C‑291/13, Papasavvas, Rn. 30) fallengelassen und der verfahrenseinleitende Antrag dahingehend modifiziert wurde, oder ob dieser Plan lediglich zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung faktisch (noch) nicht umgesetzt wurde, aber weiterhin verfolgt wird.
39 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei der Beurteilung, ob eine von einer bestimmten Person erbrachte Leistung ‑ im Revisionsfall der Betrieb von Videokanälen auf YouTube bzw. Facebook ‑ als Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV anzusehen ist, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird, nicht darauf abzustellen ist, ob eine vergleichbare Leistung von anderen Anbietern am Markt üblicherweise entgeltlich erbracht wird. Vielmehr ist entscheidend, ob die Leistung im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Leistungserbringers erbracht wird, das heißt einer Tätigkeit, in deren Zug Leistungen (seien es Leistungen derselben Art oder andere Leistungen, etwa im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistungen bzw. Leistungen zu Werbezwecken wie im Fall, der dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Mc Fadden zugrunde liegt) in der Regel entgeltlich erbracht werden. Ein Videokanal, der ausschließlich aus persönlichem Interesse („hobbymäßig“) betrieben wird, und bei dem weder eine (auch nur teilweise) Finanzierung über Werbeeinnahmen noch über sonstige Entgelte bzw. Gegenleistungen (etwa über Patreon) erfolgt, ist mangels Teilnahme am Wirtschaftsleben daher nicht als audiovisueller Mediendienst auf Abruf im Sinne des § 2 Z 4 AMD‑G zu beurteilen.
40 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
41 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
42 Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, zumal eine Verhandlung bereits vor dem Verwaltungsgericht stattgefunden hat und die mündliche Erörterung vor dem Verwaltungsgerichtshof eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
Wien, am 5. Oktober 2021
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