VwGH Ra 2022/02/0162

VwGHRa 2022/02/01627.9.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des G in G, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 27/II, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 1. Juli 2022, LVwG‑2022/20/1267‑4, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §52
B-VG Art133 Abs4
StVO 1960 §5 Abs1
StVO 1960 §99 Abs1a
VStG §24
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022020162.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (Verwaltungsgericht) wurde über den Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wegen der näher konkretisierten Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO gemäß § 99 Abs. 1a StVO eine Geld‑ sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.

2 Das Verwaltungsgericht stellte folgenden Sachverhalt fest: Der Revisionswerber habe am Tatort zur Tatzeit einen auf ihn zugelassenen Transporter gelenkt; auf einer bestimmten, allgemein zugänglichen Verkehrsfläche sei der Revisionswerber von der Polizei angehalten worden. Dabei habe er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im Ausmaß von 0,60 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft befunden.

3 Beweiswürdigend hielt das Verwaltungsgericht fest, es habe einen Zeugen vernommen, in einen Auszug von tiris maps, in Lichtbilder, in den Verwaltungsvorstrafenvormerk sowie in den Akt der belangten Behörde Einsicht genommen. Die Untersuchung der Atemluft auf Alkohol sei mittels eines geeichten Messgerätes durchgeführt worden. Der Gesetzgeber sei grundsätzlich von der Tauglichkeit solcher Messgeräte ausgegangen und liefere das Ergebnis einer Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt unter Verweis auf näher bezeichnete Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den Beweis über die Alkoholbeeinträchtigung. Für eine fehlerhafte Bedienung des Alkomaten durch die amtshandelnden Beamten oder für die Fehlfunktion des Gerätes selbst gebe es keine Anhaltspunkte; die Tatsache, dass die 15‑minütige Wartezeit eingehalten worden sei, ergebe sich aus dem in der Anzeige dargestellten chronologischen Ablauf und werde in der Beschwerde auch nicht bestritten. Der Aufnahme weiterer Beweise habe es daher nicht bedurft.

4 In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Verwaltungsgericht aus, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Revisionswerber auf einer Verkehrsfläche unterwegs gewesen sei, die keine Straße mit öffentlichem Verkehr gewesen sei. In Bezug auf den Einwand, der Revisionswerber habe sich in der „Anflutungsphase“ befunden, sei darauf hinzuweisen, dass diesem Einwand aufgrund näher zitierter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine Relevanz zukomme. Der Revisionswerber habe den objektiven Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt; subjektiv sei ihm aus näher dargestellten Gründen Vorsatz anzulasten. Zuletzt erläuterte das Verwaltungsgericht die Strafbemessung, wobei es insbesondere die einschlägige Vorstrafe des Revisionswerbers würdigte.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Diese erweist sich als unzulässig.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision ‑ gesondert ‑vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 In der Zulässigkeitsbegründung führt der Revisionswerber aus, es liege eine Mangelhaftigkeit des abgeführten Ermittlungsverfahrens im Hinblick auf die Grundsätze des fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK vor, welche geeignet gewesen sei, den Revisionswerber zu benachteiligen: Es sei ein technisches Sachverständigengutachten zum Beweis dafür beantragt worden, dass das verwendete Alkomatmessgerät zum Zeitpunkt der angeblichen Verwaltungsübertretung nicht ordnungsgemäß funktioniert habe. Weder die belangte Behörde noch das Verwaltungsgericht hätten ein technisches Sachverständigengutachten eingeholt, was gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK verstoße. Ferner sei ein medizinisches Sachverständigengutachten beantragt worden, zum Beweis dafür, dass nach Konsumation einer bestimmten Alkoholmenge niemals der Atemluftalkoholgehalt von 0,60 mg/l erreicht werden könne. Die Messergebnisse würden darauf hindeuten, dass die Anflutungsphase nicht abgeschlossen gewesen sei, weswegen das Messergebnis verfälscht sei. Im Ergebnis hätte daher weder die erste noch die dritte Messung der Atemluftalkoholmessung verwendet werden dürfen, was zur Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens hätte führen müssen. Die Nichteinholung des medizinischen Sachverständigengutachtens verstoße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK.

11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen. Dem AVG (vgl. zur Anwendbarkeit im vorliegenden Fall § 38 VwGVG iVm § 24 VStG und § 45 Abs. 2 AVG) ist eine antizipierende Beweiswürdigung fremd und dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel ‑ ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung ‑ untauglich bzw. an sich nicht geeignet ist, über den beweiserheblichen Gegenstand einen Beweis zu liefern (vgl. VwGH 4.3.2022, Ra 2020/02/0229, mwN).

12 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung unterliegt es der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, ob eine Beweisaufnahme notwendig ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG liegt nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt ist und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hat (vgl. VwGH 8.8.2022, Ra 2021/02/0031, mwN).

13 Das Vorbringen des Revisionswerbers, das Alkoholmessgerät habe nicht korrekt funktioniert, weshalb ein technisches Sachverständigengutachten einzuholen gewesen sei, setzt sich zum einen nicht damit auseinander, dass das Verwaltungsgericht den Eichschein des Gerätes eingeholt und den Polizisten in der Verhandlung zum Gerät befragt hat, und läuft zum anderen wegen der Allgemeinheit der Behauptungen im vorliegenden Fall auf einen unzulässigen, weil auf Mutmaßungen basierenden, Erkundungsbeweis hinaus, zu dessen Aufnahme das Verwaltungsgericht im konkreten Fall jedoch nicht verpflichtet war (vgl. dazu etwa VwGH 1.6.2022, Ra 2022/02/0079, mwN).

14 Soweit der Revisionswerber vorbringt, er habe sich aufgrund seines Alkoholkonsums in der „Anflutungsphase“ befunden, weshalb ein medizinisches Sachverständigengutachten hätte eingeholt werden müssen, ist er auf die bereits vom Verwaltungsgericht zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach in solchen Konstellationen die Einholung eines Sachverständigengutachtens entbehrlich ist (vgl. grundlegend: VwGH 31.7.2007, 2006/02/0290; sowie z.B. VwGH 10.2.2015, Ra 2014/02/0142, mwN).

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 7. September 2022

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