Normen
AVG §66 Abs4
AVG §8
BWG 1993 §99d
BWG 1993 §99d idF 2013/I/184
FMABG 2001 §22 Abs6
FMABG 2001 §22 Abs6 Z2
FM-GwG 2017 §34 Abs1
FM-GwG 2017 §34 Abs2
FM-GwG 2017 §34 Abs3
FM-GwG 2017 §35
FM-GwG 2017 §35 Abs1
FM-GwG 2017 §35 Abs2
VStG §19
VStG §24
VStG §31
VStG §32
VStG §32 Abs1
VStG §44a Z1
VStG §45 Abs1 Z2
VStG §9
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §42 Abs2 Z2
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §50
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022020017.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Spruchpunkte II., III. und IV. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie im Umfang seiner Spruchpunkte V., VI. und VII. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.
Begründung
1 1. Mit Straferkenntnis der nunmehr revisionswerbenden Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 18. Dezember 2020 wurde der viertmitbeteiligten Partei Folgendes vorgeworfen (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):
„Die W‑GmbH, ein konzessioniertes Kreditinstitut mit Geschäftsanschrift in X hat als juristische Person folgenden Verstoß zu verantworten:
Die W‑GmbH hat [in] X, die von ihr gemäß § 11 Abs 1 Z 1 FM‑GwG implementierten Verfahren, um feststellen zu können, ob es sich bei dem Kunden, dem wirtschaftlichen Eigentümer des Kunden oder dem Treugeber des Kunden um eine politische exponierte Person handelt,
(1) von 01.01.2017 bis jedenfalls 19.05.2017 bei Kunden (High‑Risk‑Kunden, Medium‑Risk‑Kunden und Low‑Risk‑Kunden), die Dienstleistungen/Produkte aus dem Geschäftsbereich W in Anspruch nehmen, sowie ‑ soweit vorhanden ‑ bei den wirtschaftlichen Eigentümern und den Treugebern dieser Kunden,
(2) von 01.01.2017 bis 31.08.2017 bei Kunden, die die Dienstleistung/das Produkt Prepaidkarte aus dem Geschäftsbereich Retail in Anspruch nehmen,
(3) von 01.01.2017 bis 31.08.2017 bei Kunden (High‑Risk‑Kunden, Medium‑Risk‑Kunden und Low‑Risk‑Kunden), die Dienstleistungen/Produkte aus dem Geschäftsbereich G in Anspruch nehmen, sowie ‑ soweit vorhanden ‑ bei den wirtschaftlichen Eigentümern und den Treugebern dieser Kunden,
(4) von 01.01.2017 bis jedenfalls 31.08.2017 bei Kunden (High‑Risk‑Kunden, Medium‑Risk‑Kunden und Low‑Risk‑Kunden), die Dienstleistungen/Produkte aus dem Geschäftsbereich B in Anspruch nehmen, sowie ‑ soweit vorhanden ‑ bei den wirtschaftlichen Eigentümern und den Treugebern dieser Kunden,
nicht in angemessenen regelmäßigen Abständen, dh zumindest quartalsweise, während aufrechter Geschäftsbeziehung angewendet.
Die Verantwortlichkeit der W‑GmbH ergibt sich folgendermaßen:
Die im Tatzeitraum [01.01.2017 bis 19.05.2017 (1) sowie 01.01.2017 bis 31.08.2017 (2 bis 4)] zur Vertretung nach außen berufenen Geschäftsführer der W‑GmbH (§ 35 Abs 1 Z 1 FM‑GwG; siehe dazu den beiliegenden Auszug aus dem Firmenbuch, der einen integrierten Bestandteil dieses Straferkenntnisses bildet) sowie der im Tatzeitraum [01.01.2017 bis 19.05.2017 (1) sowie 01.01.2017 bis 31.08.2017 (2 bis 4)] zur Vertretung der W‑GmbH befugte und mit Kontrollbefugnis als Geldwäschebeauftragter innerhalb der W‑GmbH ausgestattete BT [Drittmitbeteligter] (§ 35 Abs. 1 Z 1 und 3 FM‑GwG; siehe dazu den beiliegenden Auszug aus dem Firmenbuch, der einen integrierten Bestandteil dieses Straferkenntnisses bildet), haben selbst gegen die angeführten Verpflichtungen verstoßen und durch mangelnde Überwachung und Kontrolle die Begehung der angeführten Verstöße durch eine für die W‑GmbH tätige Person ermöglicht. Dies wird der W‑GmbH auch zugerechnet.
Die W‑GmbH hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 11 Abs 1 Z 1 zweiter Halbsatz FM‑GwG, BGBl I Nr. 118/2016, iVm § 35 Abs 3 erster Satz erster Strafsatz FM‑GwG, BGBl I Nr. 118/2016, iVm § 34 Abs. 1 Z 2 FM-GwG, BGBl I Nr. 118/2016.“
2 Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über die viertmitbeteiligte Partei eine Geldstrafe von € 56.000,‑‑ gemäß § 35 Abs. 3 erster Satz erster Strafsatz FM‑GwG, BGBl. I Nr. 118/2016, iVm § 34 Abs. 1 Z 2 FM‑GwG, BGBl. I Nr. 118/2016, verhängt.
3 Weiters wurde der viertmitbeteiligten Partei ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64 VStG vorgeschrieben.
4 2.1. Gegen dieses Straferkenntnis erhoben die mitbeteiligten Parteien Beschwerde. Die Beschwerde der viertmitbeteiligten Partei wurde von der revisionswerbenden Partei dem Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) vorgelegt; die Beschwerden des Erst‑, Zweit‑ und Drittmitbeteiligten wies die revisionswerbende Partei mit Beschwerdevorentscheidung mangels Legitimation zurück.
5 2.2. Gegen diese Beschwerdevorentscheidung erhoben der Erst‑, Zweit‑ und Drittmitbeteiligte einen Vorlageantrag.
6 3.1. Das Verwaltungsgericht wies nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde der viertmitbeteiligten Partei mit Spruchpunkt I. in der Schuldfrage als unbegründet ab und bestätigte das Straferkenntnis „in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung“ mit der Maßgabe, dass im Spruch nach dem Satz: „Die Verantwortlichkeit der W‑GmbH ergibt sich folgendermaßen:“ der nachfolgende Absatz zu lauten habe:
„Der im Tatzeitraum [01.01.2017 bis 19.05.2017 (1) sowie 01.01.2017 bis 31.08.2017 (2 bis 4)] als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 VStG der W‑GmbH bestellte BT [Drittmitbeteiligter] in seiner Funktion als Geldwäschebeauftragter (§ 35 Abs. 1 Z 3 FM‑GwG) hat selbst gegen die angeführten Verpflichtungen verstoßen. Dieses Verhalten von BT als natürliche Person wird der W‑GmbH als juristische[r] Person zugerechnet.“
7 3.2. Der Beschwerde der viertmitbeteiligten Partei wurde in der Straffrage insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf € 22.000,‑‑ herabgesetzt wurde (Spruchpunkt II.). Weiters wurde der Verfahrenskostenbeitrag der viertmitbeteiligten Partei gemäß § 64 VStG herabgesetzt (Spruchpunkt III.) und ausgesprochen, dass diese gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keine Kosten zu tragen habe (Spruchpunkt IV.). Mit Spruchpunkten V., VI. und VII. wurde jeweils in Stattgebung der Beschwerden der übrigen Mitbeteiligten „das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt“.
8 3.3. Die Revision wurde vom Verwaltungsgericht für zulässig erklärt. Begründend führte das Verwaltungsgericht dazu aus, die Revision sei zulässig, weil „die Entscheidung von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es zu einzelnen Fragen, die in der Entscheidung zu klären waren, an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt. Dies ist gegenständlich bei den zu in diesem Erkenntnis angesprochenen und entschiedenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Erhebung von Beschwerden der Zurechnungspersonen gegen das die juristische Person betreffende Straferkenntnis in Verfahren nach dem FM‑GwG der Fall (siehe Spruchpunkte A.V. bis VII.)“.
9 3.4. Das Verwaltungsgericht traf Feststellungen zur Struktur der viertmitbeteiligten Partei, zu ihrer Gebarung und ihren Dienstleistungen sowie dazu, dass die viertmitbeteiligte Partei ein konzessioniertes Kreditinstitut sei. Im Tatzeitraum seien der Erst- und Zweitmitbeteiligte ihre Geschäftsführer gewesen, der Drittmitbeteiligte sei als besonderer Beauftragter ab 1. Jänner 2017 für die Einhaltung des FM‑GwG bestellt gewesen. Seine Aufgaben hätten u.a. die Definition und Implementierung von angemessenen Strategien und Systemen zur Gewährleistung der Einhaltung von Sorgfaltspflichten zur Prävention bzw. Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung, insbesondere durch die Etablierung und Weiterentwicklung eines angemessenen Compliance Trainingsprogrammes, die Durchführung der Kundenidentifizierung für den Online Geldtransfer und das Prepaidkartengeschäft sowie die laufende Kundenüberprüfung anhand von Risikoklassifizierungen umfasst. In dieser Funktion sei der Drittmitbeteiligte den anderen Mitbeteiligten berichtspflichtig gewesen; er habe zumindest auf monatlicher Basis Bericht erstattet. Überdies sei der Drittmitbeteiligte seit 1. Oktober 2008 zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG für das BWG (mit einer Ausnahme) bestellt worden. Im Tatzeitraum habe das Geschäft der viertmitbeteiligten Partei sieben verschiedene Geschäftsbereiche umfasst, zu denen das Verwaltungsgericht nähere Feststellungen traf. Um feststellen zu können, ob es sich bei den Kunden sowie ‑ soweit vorhanden ‑ den wirtschaftlichen Eigentümern und Treugebern der Kunden um eine politisch exponierte Person (PEP) handle, habe die viertmitbeteiligte Partei die Namen der Kunden mit PEP-Listen abgeglichen; das Verwaltungsgericht traf in der Folge nähere Feststellungen zur Durchführung dieses Screenings und der weiteren Vorgangsweise. Im Geschäftsbereich W habe die viertmitbeteiligte Partei die Kunden vor Begründung der Geschäftsbeziehung einem PEP‑Screening unterzogen sowie ‑ je nach Unterteilung der Kunden in High‑Risk, Medium‑Risk und Low‑Risk ‑ in der Folge einmal jährlich, alle zwei Jahre bzw. alle drei Jahre. Darüber hinaus sei halbjährlich geprüft worden, ob sich der PEP‑Status geändert habe. Im Geschäftsbereich der Prepaidkarten seien die Kunden bei Übersendung von Listen mit neuen Prepaidkarteninhabern an eine dritte Person einem Screening unterzogen worden sowie bei jedem Transaktionsvorgang. In welchen Intervallen die viertmitbeteiligte Partei die Listen mit neuen Prepaidkarteninhabern an die dritte Person gesendet habe, habe nicht festgestellt werden können. Im Geschäftsbereich G seien bestimmte Kunden während aufrechter Geschäftsbeziehung zweimal im Jahr, alle anderen einmal im Jahr auf Änderung des PEP‑Status hin überprüft worden. Im Geschäftsbereich B sei die Überprüfung bei der Akkreditierung sowie in der Folge während der aufrechten Geschäftsbeziehung je nach Einstufung des Risikos jährlich, alle zwei Jahre oder alle drei Jahre durchgeführt worden.
10 Der Drittmitbeteiligte habe in seiner Funktion als Geldwäschebeauftragter im Auftrag des Erst‑ und Zweitmitbeteiligten diese Abstände festgelegt und die Durchführung des PEP‑Screenings zu den festgelegten Zeitpunkten bzw. in den festgelegten Abständen veranlasst. Der Erst‑ und Zweitmitbeteiligte hätten diese Abstände nicht beanstandet und im Tatzeitraum keine Adaptierung dieser Vorkehrungen veranlasst. Auskünfte bei der belangten Behörde, in welchen Abständen PEP‑Screenings durchzuführen seien, seien nicht eingeholt worden. Zu jeweils näher bestimmten Zeitpunkten sei bei den einzelnen Geschäftsbereichen der rechtmäßige Zustand hergestellt worden (monatliche Screenings).
11 3.5. Nach seiner Beweiswürdigung führte das Verwaltungsgericht rechtlich aus, die Zurückweisung der Beschwerden des Erst‑, Zweit‑ und Drittmitbeteiligten durch die belangte Behörde sei jeweils unzutreffend; die Führungspersonen seien nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Parteien des gegen die juristische Person geführten Verwaltungsstrafverfahrens. Die Beschwerden seien daher zulässig. Das Verwaltungsgericht habe nach dem VwGVG in der Sache zu entscheiden; die Verhängung von Verwaltungsstrafen gegen die Zurechnungspersonen selbst würde diesen aber eine Instanz im Instanzenzug nehmen, sodass die Verwaltungsstrafverfahren gegen diese Mitbeteiligten einzustellen seien.
12 Die viertmitbeteiligte Partei habe den objektiven Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung im jeweils angelasteten Tatzeitraum erfüllt: Politisch exponierte Personen seien einem erhöhten Risiko ausgesetzt, für Zwecke der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung missbraucht zu werden, sodass gemäß § 11 FM‑GwG erhöhte Sorgfaltspflichten gälten. Ein zeitnahes Erkennen des PEP‑Status sei daher wichtig. Zur Angemessenheit der regelmäßigen Abstände der Anwendung der Risikomanagementsysteme während aufrechter Geschäftsbeziehung wiesen die Materialien des Gesetzes auf das Ziel der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/849 hin. Es sei von einer verstärkten kontinuierlichen Überwachung auszugehen. Diese Sichtweise stütze auch ein Rundschreiben der belangten Behörde aus 2011. Nach Darstellung der Erläuterungen zum FM‑GwG, der Richtlinie (EU) 2015/849 sowie der FATF‑Empfehlungen gelangte das Verwaltungsgericht zum Schluss, bei PEP‑Bezug sei ein verstärkter Sorgfaltsmaßstab anzuwenden und seien PEP als Hochrisikokunden einzustufen. Eine Änderung der Umstände sei leicht festzustellen, ein mindestens vierteljährliches Prüfintervall lasse eine zeitnahe Feststellung des PEP‑Status zu. Die viertmitbeteiligte Partei habe daher in den angelasteten Fällen den Status nicht in angemessenen regelmäßigen Abständen während aufrechter Geschäftsbeziehung überprüft, weshalb der objektive Tatbestand erfüllt sei. In der Folge legte das Verwaltungsgericht seine Überlegungen zum Verschulden dar und erläuterte, der Drittmitbeteiligte sei als verantwortlicher Beauftragter verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich, der Erst‑ und Zweitmitbeteiligte seien nicht mehr verantwortlich. Der Drittmitbeteiligte habe nicht veranlasst, dass bei der viertmitbeteiligten Partei Verfahren iSd § 39 BWG und § 23 Abs. 1 FM‑GwG implementiert würden, die während aufrechter Geschäftsbeziehung ein PEP‑Screening in angemessenen regelmäßigen Abständen sicherstellten. Er habe als besonderer Beauftragter zur Sicherstellung der Einhaltung des FM‑GwG gemäß § 23 Abs. 3 FM‑GwG die Aufgabe übernommen, angemessene Strategien und Systeme zur Gewährleistung der Einhaltung von Sorgfaltspflichten zur Prävention bzw. Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung zu definieren und zu implementieren. Dadurch, dass er dies nicht gemacht habe, habe er eine Pflichtverletzung zum Vorteil der viertmitbeteiligten Partei begangen, weil sich diese Aufwendungen erspart habe.
13 Der Tatvorwurf sei einzuschränken gewesen, weil eine Übertretung des § 35 Abs. 1 und Abs. 2 FM‑GwG angelastet worden sei, was ein unzulässiger Alternativvorwurf sei. Das Verwaltungsgericht habe daher den Spruch entsprechend anzupassen. Der Drittmitbeteiligte habe aus näheren Gründen fahrlässig gehandelt. Die mindestens vierteljährliche Prüfpflicht sei bereits 2016 bei Informationsveranstaltungen der belangten Behörde erläutert worden. In der Praxis hätten andere Institute bereits zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen sogar tägliche Überprüfungen durchgeführt.
14 3.6. Zur Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht aus, durch die Pflichtverletzungen werde das im öffentlichen Interesse gelegene Ziel der Verhinderung des Missbrauchs des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung erheblich beeinträchtigt. Der Gesetzgeber habe der Übertretung einen hohen Unrechtsgehalt beigemessen. Die Übertretungen seien aus näheren Gründen als „schwer“ im Sinne des § 38 Z 1 FM‑GwG zu qualifizieren. Die Dauer der Verstöße sei erschwerend zu berücksichtigen. Mildernd sei die Unbescholtenheit sowie die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der revisionswerbenden Partei. Die finanzielle Lage der viertmitbeteiligten Partei sei solide. Mildernd sei, dass die viertmitbeteiligte Partei am Tag nach dem „Company Visit“ am 17. März 2017 ein Projekt zur Erhöhung der Prüffrequenz gestartet habe. Darüber hinaus sei zu beachten, dass sich der „Unwertgehalt“ der Tatvorwürfe halbiert habe, weil ein unzulässiger Alternativvorwurf angelastet worden sei. Aus diesem Grund sei die Strafe mit € 22.000,‑‑ festzusetzen.
15 4.1. Gegen die Spruchpunkte II., III., IV., V., VI. und VII. richtet sich die vorliegende Revision der Finanzmarktaufsichtsbehörde mit zusätzlicher Begründung für deren Zulässigkeit.
16 4.2. Die Mitbeteiligten erstatteten eine Revisionsbeantwortung und beantragten die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
17 5. Die Rechtslage stellt sich dar wie folgt:
18 5.1. Art. 20 der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission lautet folgendermaßen:
„Artikel 20
Bei Transaktionen mit oder Geschäftsbeziehungen zu politisch exponierten Personen schreiben die Mitgliedstaaten den Verpflichteten zusätzlich zu den in Artikel 13 festgelegten Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden vor, dass sie
a) über angemessene Risikomanagementsysteme, einschließlich risikobasierter Verfahren, verfügen, um feststellen zu können, ob es sich bei dem Kunden oder dem wirtschaftlichen Eigentümer des Kunden um eine politisch exponierte Person handelt,
b) im Falle von Geschäftsbeziehungen zu politisch exponierten Personen
i) die Zustimmung ihrer Führungsebene einholen, bevor sie Geschäftsbeziehungen zu diesen Personen aufnehmen oder fortführen,
ii) angemessene Maßnahmen ergreifen, um die Herkunft des Vermögens und der Gelder, die im Rahmen von Geschäftsbeziehungen oder Transaktionen mit diesen Personen eingesetzt werden, zu bestimmen,
iii) die Geschäftsbeziehung einer verstärkten fortlaufenden Überwachung unterziehen.“
19 5.2. § 11 Abs. 1 Finanzmarkt-Geldwäschegesetz (FM‑GwG), BGBl. I Nr. 118/2016, lautete in dieser im Tatzeitraum geltenden Fassung auszugsweise:
„Transaktionen und Geschäftsbeziehungen mit politisch exponierten Personen
§ 11. (1) Die Verpflichteten haben zusätzlich zu den in § 6 festgelegten Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden
1. über angemessene Risikomanagementsysteme, einschließlich risikobasierter Verfahren, zu verfügen, um feststellen zu können, ob es sich bei dem Kunden, dem wirtschaftlichen Eigentümer des Kunden oder dem Treugeber des Kunden um eine politisch exponierte Person handelt und diese Verfahren vor Begründung der Geschäftsbeziehung sowie in angemessenen regelmäßigen Abständen während aufrechter Geschäftsbeziehung anzuwenden.
2. im Falle von Geschäftsbeziehungen zu politisch exponierten Personen
a) die Zustimmung ihrer Führungsebene einzuholen, bevor sie Geschäftsbeziehungen zu diesen Personen aufnehmen oder fortführen,
b) angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um die Herkunft des Vermögens und der Gelder, die im Rahmen von Geschäftsbeziehungen oder Transaktionen mit diesen Personen eingesetzt werden, zu bestimmen und
c) die Geschäftsbeziehung einer verstärkten kontinuierlichen Überwachung zu unterziehen.
[...]“.
20 § 34 FM‑GwG in der Stammfassung BGBl. I Nr. 118/2016 lautete im Tatzeitraum auszugsweise:
„Strafbestimmungen und Veröffentlichungen
Pflichtverletzungen
§ 34. (1) Wer als Verantwortlicher (§ 9 VStG) eines Verpflichteten, die Pflichten gemäß
1. [...]
2. § 5 bis § 12 (Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden) und der aufgrund von § 6 Abs. 4, § 8 Abs. 5 und § 9 Abs. 4 erlassenen Verordnungen der FMA,
[...]
verletzt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit einer Geldstrafe bis zu 150 000 Euro zu bestrafen.“
21 § 35 FM‑GwG in der Stammfassung BGBl. I Nr. 118/2016 lautete im Tatzeitraum:
„Strafbarkeit von juristischen Personen
§ 35. (1) Die FMA kann Geldstrafen gegen juristische Personen verhängen, wenn eine Pflichtverletzung gemäß § 34 Abs. 1 bis 3 zu ihren Gunsten von einer Person begangen wurde, die allein oder als Teil eines Organs der juristischen Person gehandelt hat und die aufgrund einer der folgenden Befugnisse eine Führungsposition innerhalb der juristischen Person innehat:
1. Befugnis zur Vertretung der juristischen Person,
2. Befugnis, Entscheidungen im Namen der juristischen Person zu treffen oder
3. Kontrollbefugnis innerhalb der juristischen Person.
(2) Juristische Personen können wegen Pflichtverletzungen gemäß § 34 Abs. 1 bis 3 auch dann verantwortlich gemacht werden, wenn mangelnde Überwachung oder Kontrolle durch eine in Abs. 1 genannte Person die Begehung einer in § 34 Abs. 1 bis 3 genannten Pflichtverletzungen zugunsten der juristischen Person durch eine für sie tätige Person ermöglicht hat.
(3) Die Geldstrafe gemäß Abs. 1 und 2 beträgt bei Pflichtverletzungen gemäß § 34 Abs. 1 bis zu 150 000 Euro und bei Pflichtverletzungen gemäß § 34 Abs. 2 und 3 bis zu 5 000 000 Euro oder 10 vH des jährlichen Gesamtumsatzes. Der jährliche Gesamtumsatz bestimmt sich nach den jährlichen Umsatzerlösen aus dem letzten festgestellten Jahresabschluss. Wenn es sich bei dem Verpflichteten um ein Kreditinstitut, ein E‑Geld‑Institut gemäß § 3 Abs. 2 und § 9 Abs. 1 E‑Geldgesetz 2010, das ein CRR-Finanzinstitut gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 ist, ein Zahlungsinstitut gemäß § 3 Z 4 ZaDiG, das ein CRR-Finanzinstitut gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 ist, einen AIFM gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 AIFMG oder eine Wertpapierfirma gemäß § 1 Z 1 WAG 2007 handelt, ist der jährliche Gesamtumsatz die Summe der in Z 1 bis 7 der Anlage 2 zu § 43 BWG angeführten Erträge abzüglich der dort angeführten Aufwendungen. Wenn es sich bei dem Verpflichteten um ein Versicherungsunternehmen gemäß § 5 Z 1 VAG 2016 oder um ein kleines Versicherungsunternehmen gemäß § 5 Z 3 VAG 2016 handelt, ist der jährliche Gesamtumsatz die Summe der in § 146 Abs. 4 Z 1 bis 8 und 10 bis 11 VAG 2016 angeführten Erträge abzüglich der dort angeführten Aufwendungen. Wenn es sich bei dem Verpflichteten um eine Muttergesellschaft oder die Tochtergesellschaft einer Muttergesellschaft handelt, die einen konsolidierten Abschluss nach Art. 22 der Richtlinie 2013/34/EU aufzustellen hat, so bestimmt sich der jährliche Gesamtumsatz nach den jährlichen Umsatzerlösen oder der entsprechenden Einkunftsart gemäß den einschlägigen Rechnungslegungsrichtlinien, die im letzten verfügbaren festgestellten konsolidierten Abschluss ausgewiesen sind. Soweit die FMA die Grundlagen für den Gesamtumsatz nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
(4) Die FMA kann von der Verhängung einer Geldstrafe gegen eine juristische Person absehen, wenn es sich um keinen schwerwiegenden, wiederholten oder systematischen Verstoß handelt und keine besonderen Umstände vorliegen, die einem Absehen von der Bestrafung entgegenstehen.“
22 § 38 FM‑GwG in der Stammfassung BGBl. I Nr. 118/2016 lautete im Tatzeitraum:
„Wirksame Ahndung von Pflichtverletzungen
§ 38. Bei der Festsetzung einer Aufsichtsmaßnahme gemäß § 31 Abs. 3 oder der Verhängung einer Geldstrafe gemäß § 34 oder § 35 hat die FMA alle maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen, darunter gegebenenfalls
1. die Schwere und Dauer der Pflichtverletzung,
2. den Verschuldensgrad der verantwortlich gemachten natürlichen oder juristischen Person,
3. die Finanzkraft der verantwortlich gemachten natürlichen oder juristischen Person, wie sie sich beispielsweise aus dem Gesamtumsatz der verantwortlich gemachten juristischen Person oder den Jahreseinkünften der verantwortlich gemachten natürlichen Person ableiten lässt,
4. die von der verantwortlich gemachten natürlichen oder juristischen Person durch die Pflichtverletzung erzielten Gewinne, sofern sich diese beziffern lassen,
5. die Verluste, die Dritten durch die Pflichtverletzung entstanden sind, sofern sich diese beziffern lassen,
6. der Bereitwilligkeit der verantwortlich gemachten natürlichen oder juristischen Person, mit der zuständigen Behörde zusammenzuarbeiten und
7. frühere Pflichtverletzungen der verantwortlich gemachten natürlichen oder juristischen Person.
Die Bestimmungen des VStG bleiben durch diesen Absatz unberührt.“
23 In den Erläuterungen zur Stammfassung https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2016/118 heißt es auszugsweise (RV 1335 BlgNR 25. GP , 17f):
„Zu § 34:
Abs. 1 entspricht im Wesentlichen § 99 Abs. 2 BWG bzw. § 322 VAG 2016 und soll wie bisher die Verletzung aller im Zusammenhang mit den Bestimmungen zur Verhinderung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung relevanten Pflichten sanktionieren. [...]
Zu § 35:
Mit Abs. 1 und 2 wird Art. 59 in Verbindung mit Art. 60 Abs. 5 und 6 der Richtlinie (EU) 2015/849 umgesetzt. Gemäß dem Erwägungsgrund 59 sind im nationalen Recht wirksame, verhältnismäßige und abschreckende verwaltungsrechtliche Sanktionen und Maßnahmen vorzusehen. Ein wesentliches Element hiefür ist die direkte Verantwortlichkeit und Sanktionierung von juristischen Personen zusätzlich zu den verantwortlichen natürlichen Personen (§ 9 VStG). Die Strafmöglichkeit ist dann gegeben, wenn Personen, die bestimmte ‚Schlüsselfunktionen' bei juristischen Personen ausüben, gegen gesetzliche Verpflichtungen dieses Gesetzes verstoßen, die sich an juristische Personen als Normadressaten richten. [...]“
24 6.1. Die Revision erweist sich hinsichtlich der Spruchpunkte V., VI. und VII. [Einstellung der Verwaltungsstrafverfahren gegen die Geschäftsführer und den verantwortlichen Beauftragten] zur Klärung der Rechtslage als zulässig. Sie ist auch begründet.
25 6.2.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits zu § 99d BWG ausgesprochen hat, setzt die Bestrafung der juristischen Person nach dieser Bestimmung voraus, dass eine ihr zurechenbare natürliche Person (Führungsperson) eine Straftat begangen hat (vgl. VwGH 29.3.2019, Ro 2018/02/0023).
26 Der Strafbarkeit der juristischen Person nach § 35 Abs. 1 und 2 FM‑GwG liegt dabei der Vorwurf zu Grunde, die dort genannten Führungspersonen hätten eine Pflichtverletzung gemäß § 34 Abs. 1 bis 3 FM‑GwG begangen (Abs. 1) oder sie hätten durch mangelnde Kontrolle oder Überwachung eine „Mitarbeitertat“ ermöglicht (Abs. 2).
27 Als Täter der Übertretung des § 35 Abs. 2 FM‑GwG kommt nur eine die Überwachung oder Kontrolle vernachlässigende Führungsperson nach Abs. 1 leg. cit. in Frage, weil nur eine solche nach § 9 VStG strafbar sein kann, während der die Pflichtverletzung begehende Mitarbeiter in diesem Zusammenhang mangels Strafbarkeit als Täter nicht in Betracht kommen kann (vgl. VwGH 3.5.2021, Ra 2020/02/0276).
28 Zu dieser Zurechnung hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 29. März 2019, Ro 2018/02/0023, ausgeführt:
„Da die juristische Person nicht selbst handeln kann, ist ihre Strafbarkeit gemäß § 99d BWG eine Folge des tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens einer Führungsperson. Demgemäß ist für die Wirksamkeit der gegen die juristische Person gerichteten Verfolgungshandlung die genaue Umschreibung der Tathandlung der natürlichen Person vonnöten. Eine Verfolgungshandlung im Sinne der §§ 31 und 32 VStG muss nämlich eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben, was erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (VwGH 8.3.2017, Ra 2016/02/0226, mwN). Richtet sich ein so erhobener Vorwurf gegen die juristische Person, so ist ‑ wegen der Abhängigkeit der Strafbarkeit der juristischen Person von der Übertretung der ihr zurechenbaren natürlichen Person ‑ darin auch der Vorwurf gegen die darin genannte natürliche Person enthalten.“
29 Es muss daher im Fall der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten die zugerechnete Straftat den Vorwurf eines rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens dieses verantwortlichen Beauftragten beinhalten. Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind in der Folge ja gerade nicht mehr verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.
30 Die Geschäftsführer der GmbH können daher nicht dafür belangt werden, dass sie den verantwortlichen Beauftragten in der Folge nicht ausreichend überwacht hätten. Dies würde zu einer Ausdehnung der Strafbarkeit nach § 9 VStG führen, die der Gesetzgeber jedoch nicht angeordnet hat (vgl. VwGH 3.5.2021, Ra 2020/02/0276).
31 6.2.2. Zur Parteistellung natürlicher Personen im Verwaltungsstrafverfahren gegen eine juristische Person:
32 Bei einem gegen eine juristische Person geführten Verwaltungsstrafverfahren handelt es sich um ein solches sui generis, für das mangels anderer gesetzlicher Regelungen auf das VStG zurückgegriffen werden muss (so schon VwGH 29.3.2019, Ro 2018/02/0023, Rn. 17).
33 Gemäß § 32 Abs. 1 VStG ist Beschuldigter die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluss der Strafsache.
34 Zur verfahrensrechtlichen Stellung natürlicher Personen im Verfahren gegen juristische Personen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 29. März 2019, Ro 2018/02/0023, ausgesprochen, dass die Stellung als Beschuldigter für den Verantwortlichen zur Folge hat, dass er nicht nur in einem allenfalls gegen ihn geführten Verfahren als Beschuldigter zu behandeln ist, sondern auch im Verfahren gegen die juristische Person, andernfalls seine Parteirechte nicht gewährleistet wären (vgl. Rn. 32 dieses Erkenntnisses).
35 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2019, Ra 2019/02/0147, ausgesprochen, dass eine natürliche Person ab dem Zeitpunkt, in dem von ihrer Bestrafung gemäß § 22 Abs. 6 Z 2 FMABG abgesehen worden ist, formal nicht mehr als Beschuldigte in dem gegen sie beendeten Verfahren anzusehen ist. Wird das Verfahren gegen die juristische Person weitergeführt, müssen ihr jedoch dort die Beschuldigtenrechte eingeräumt werden. Dies ist wegen der Abhängigkeit der Bestrafung der juristischen Person von der Strafbarkeit der natürlichen Person nur dann gewährleistet, wenn auch der natürlichen Person im weiteren Verfahren gegen die juristische Person Beschuldigtenrechte eingeräumt werden. Keinesfalls kommt die Beiziehung der natürlichen Person als Zeugin in Betracht.
36 Die Einräumung dieser Beschuldigtenrechte bedeutet aber, dass eine natürliche Person, deren deliktisches Verhalten der juristischen Person zugerechnet werden soll, im gesamten Verwaltungsstrafverfahren gegen diese juristische Person Partei im Sinne des § 32 VStG ist und ihr damit alle aus dieser Parteistellung erfließenden prozessualen Rechte zukommen. Eine nur eingeschränkte „Teilparteistellung“ einer natürlichen Person, die im Verdacht steht, eine Verwaltungsübertretung begangen zu haben, ist dem VStG fremd.
37 Somit können jene natürlichen Personen, deren jeweiliges Verhalten der juristischen Person zugerechnet wird, gegen ein Straferkenntnis, das nur über die juristische Person eine Strafe verhängt, Beschwerde an das Verwaltungsgericht erheben, weil gerade ihr konkretes Tun oder Unterlassen Verfahrensgegenstand ist. Der verfassungsrechtlich gebotene Zusammenhang für die Zurechnung der Anlasstat zur juristischen Person kommt ja dadurch zum Ausdruck, dass die natürliche Person als Führungsperson entweder die Tat selbst begangen hat (Abs. 1) oder die Begehung der Tat eines Mitarbeiters durch mangelnde Überwachung und Kontrolle ermöglicht wurde (Abs. 2), andererseits Verbandspflichten verletzt wurden bzw. der Verband einen Nutzen aus der Tat zieht (vgl. VwGH 29.3.2019, Ro 2018/02/0023).
38 Keine der von der revisionswerbenden Partei zitierten Entscheidungen im Hinblick auf verschiedene Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Parteistellung - etwa juristische Personen als Haftungspflichtige - betrifft ein gegen eine juristische Person geführtes Verwaltungsstrafverfahren. Diese Rechtsprechung ist daher für das vorliegende Revisionsverfahren aufgrund der Besonderheit des gegen eine juristische Person geführten Verfahrens nicht einschlägig.
39 Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies, dass jene Personen, deren Verhalten der juristischen Person von der revisionswerbenden Partei zugerechnet wurde (also auch die Geschäftsführer), Beschwerde an das Verwaltungsgericht erheben konnten und Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht waren.
40 6.2.3. Es ist jedoch weiters zu beachten, dass im vorliegenden Fall mit dem Straferkenntnis der revisionswerbenden Partei lediglich eine Sanktion über die juristische Person verhängt wurde. Das bedeutet, dass zwar das Verhalten der natürlichen Personen der juristischen Person zugerechnet wurde, jedoch gerade keine Verwaltungsstrafen über diese natürlichen Personen verhängt wurden.
41 Eine Einstellung der ‑ infolge der rechtzeitigen Verfolgungshandlung ‑ auch gegen sie geführten Verwaltungsstrafverfahren ist daher nicht möglich, weil die Verhängung einer Sanktion gegen sie nicht Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens war. Mit der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Einstellung der gegen die Führungskräfte geführten Verwaltungsstrafverfahren hat das Verwaltungsgericht jeweils die „Sache“ des von ihm zu entscheidenden Verfahrens überschritten. Diese waren nämlich nicht Gegenstand des gegen die juristische Person geführten Verwaltungsstrafverfahrens, mögen den natürlichen Personen in diesem Verfahren ‑ wie das Verwaltungsgericht richtig erkannt hat ‑ auch alle Parteirechte zukommen. Von diesem Konzept geht der Gesetzgeber erkennbar aus, hat er doch der revisionswerbenden Partei in der Sonderverfahrensbestimmung des § 22 Abs. 6 FMABG einen weiten Spielraum beim Absehen von der Bestrafung eingeräumt und stehen die Verwaltungsstrafverfahren gegen natürliche und juristische Personen nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis (vgl. schon VwGH 29.3.2019, Ro 2018/02/0023; 13.12.2019, Ra 2019/02/0147).
42 Entscheidet das Verwaltungsgericht in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde gewesen ist, im Ergebnis erstmals in Form eines Erkenntnisses, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes und die Entscheidung ist im diesbezüglichen Umfang mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (vgl. VwGH 23.9.2021, Ra 2020/16/0125, mwN).
43 6.2.4. Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang der Spruchpunkte V., VI. und VII. gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben.
44 6.3. Die Revision erweist sich auch hinsichtlich der Spruchpunkte II., III, und IV. mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe bei der Strafbemessung Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht beachtet, als zulässig. Sie ist auch in diesem Umfang begründet.
45 6.3.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, handelt es sich bei § 35 Abs. 1 und Abs. 2 FM‑GwG um unterschiedliche Tatbestände: Während die gemäß Abs. 1 der juristischen Person zuzurechnende Pflichtverletzung direkt von der Führungsperson begangen wird, sieht Abs. 2 vor, dass die Pflichtverletzung durch einen Mitarbeiter begangen wird, was erst dann der juristischen Person zurechenbar ist, wenn eine Führungsperson die Pflichtverletzung durch mangelnde Überwachung oder Kontrolle ermöglicht hat.
46 Eine Tatanlastung, die sich nicht darauf festlegt, ob die Erfüllung des Tatbestandes des § 35 Abs. 1 FM‑GwG oder jenes des Abs. 2 leg. cit. angenommen wird, enthält einen unzulässigen Alternativvorwurf und ist daher rechtswidrig (vgl. zum Ganzen VwGH 13.12.2019, Ro 2019/02/0011).
47 6.3.2. Die Korrektur eines unzulässigen Alternativvorwurfs rechtfertigt für sich allein noch keine Herabsetzung der Strafe.
48 6.3.3. Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte und die verhängte Geldstrafe aus diesem Grund beträchtlich reduzierte, belastete es sein Erkenntnis im Umfang der untrennbar miteinander verbundenen Spruchpunkte II., III., und IV. mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodass es in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
49 6.4. Hinsichtlich der von der revisionswerbenden Partei aufgeworfenen Rechtsfragen der Zulässigkeit der gleichzeitigen Zurechnung einer Übertretung gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 FM‑GwG ist Folgendes auszuführen:
50 Liegen einer Entscheidung - wie im vorliegenden Fall in Schuld- und Strafausspruch - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. dazu etwa VwGH 4.3.2020, Ra 2019/02/0247, mwN).
51 Die revisionswerbende Partei hat sowohl in ihrer eindeutigen Erklärung über den Umfang ihrer Anfechtung als auch in ihren Aufhebungsanträgen ihre Revision auf die Bekämpfung der Spruchpunkte II., III., IV., V., VI. und VII. eingeschränkt.
52 Die Frage, inwieweit eine Verwaltungsübertretung einer natürlichen Person einer juristischen Person zugerechnet werden kann, betrifft den Schuldspruch und nicht den Strafausspruch. Das Verwaltungsgericht hat den die juristische Person betreffenden Schuldspruch mit Spruchpunkt I. seines Erkenntnisses getätigt, dieser wurde von der revisionswerbenden Partei jedoch nicht angefochten.
53 Die übrigen von der revisionswerbenden Partei aufgeworfenen Rechtsfragen sind daher aus Anlass ihrer gegen den Strafausspruch gerichteten und in diesem Umfang zulässigen Revision nicht zu beantworten, weil sie nicht Gegenstand dieses Revisionsverfahrens sein können.
Wien, am 8. September 2022
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