Normen
VStG §31;
VStG §32 Abs2;
VStG §32 Abs3;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VStG §44a Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §38;
VwGVG 2014 §50;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016020226.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau wurde der Revisionswerber wegen folgender Verwaltungsübertretung schuldig erkannt (Wortlaut im Original, Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Sie haben es als verantwortlicher Beauftragter und somit als das gemäß § 9 Abs. 2 zur Vertretung nach außen berufene Organ der Firma L. GmbH zu verantworten, dass am 19.02.2015 um ca. 13:10 Uhr in der oa Arbeitsstätte beim Arbeitsmittel Lader C. (Produktionshalle I) eine Funktionsprüfung (Volllastbetrieb) ohne angezogener Handbremse durchgeführt wurde. Der Volllastbetrieb (Vollgasbetrieb) wurde durchgeführt, ohne dass die laut internen Anweisungen erforderliche Handbremse des Laders angezogen wurde. Die durchgeführten Arbeiten an dem laufenden Arbeitsmittel haben einen schweren Arbeitsunfall nach sich gezogen.
Es wurde dadurch § 60 Abs. 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idgF. übertreten, wonach Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass Arbeitsvorgänge so vorbereitet, gestaltet und durchgeführt werden, dass ein wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer/innen erreicht wird.
Sie haben dadurch folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Übertretung gemäß § 9 Abs. 2 VStG iVm § 60 Abs. 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idgF" Über den Revisionswerber wurde eine Geldstrafe von EUR 1.660,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 240 Stunden) verhängt.
2 Der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts teilweise Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis abgeändert wie folgt (Wortlaut im Original, Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 Abs. 1 zur Vertretung nach außen berufenes Organ der L. GmbH, mit Sitz in (...), zu verantworten, dass am 19.02.2015 um ca. 13:10 Uhr in der oa Arbeitsstätte (Produktionshalle I) eine Funktionsprüfung für den Lader C. unter Volllastbetrieb (Einstellung der Drossel für die Kippgeschwindigkeit) durchgeführt wurde, ohne dass eine ausreichende Absicherung gegen ein Anfahren bzw Betreten des Gefahrenbereiches erfolgte.
Der Arbeitsvorgang in Volllastbetrieb wurde ohne angezogene Handbremse durchgeführt, sodass sich der Radlader aufgrund irrtümlicher Berührung des Kippschalters für "Vorwärts- und Rückwärtsfahren" rückwärts in Bewegung setzte und einen hinten vorbeigehenden Arbeitnehmer verletzte.
Dadurch wurde § 60 Abs 1 ASchG übertreten, wonach Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass Arbeitsvorgänge so gestaltet sind, dass ein wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht wird."
Das Verwaltungsgericht verhängte sodann wegen einer Übertretung gemäß § 60 Abs. 1 i.V.m. § 130 Abs. 1 Z 19 ASchG eine Geldstrafe von EUR 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden). Weiters hielt es im Spruch fest, dass von "der Verhängung einer Verwaltungsstrafe gemäß § 42 VwGVG abgesehen" werde. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für unzulässig.
Im Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht den Spruch des Straferkenntnisses, den Inhalt der Beschwerde sowie eine Stellungnahme des Arbeitsinspektorats vom 21. Oktober 2015 und die Aussagen der Zeugen und des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung wieder.
Rechtlich führte das Verwaltungsgericht nach Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts und Darstellung der rechtlichen Bestimmungen aus, dass dem Revisionswerber im Erstverfahren zum Vorwurf gemacht worden sei, dass ein Arbeitnehmer den Arbeitsvorgang einer Funktionsprüfung im Volllastbetrieb ohne angezogene Handbremse durchgeführt habe. Infolge irrtümlicher Aktivierung der Funktion "Rückwärtsfahren" habe sich der Lader ruckartig in Bewegung gesetzt und einen dahinter vorbeigehenden Arbeitnehmer verletzt. Laut der ergänzenden Stellungnahme des Arbeitsinspektorats zur Beschwerde und der Äußerung des Vertreters in der Beschwerdeverhandlung habe es der Arbeitgeber auch unterlassen, wirksame Vorkehrungen gegen das Betreten des Gefahrenbereichs (Abschrankung, Beschilderung) oder gegen das unbeabsichtigte Anfahren der Lader am Prüfstand (Anfahrschutz) zu treffen. Es gehe dieser Amtspartei daher im Kern nicht allein um den Umstand, dass der Arbeitnehmer es im Einzelfall übersah, die Handbremse des Laders anzuziehen, sondern sei insgesamt die nicht ausreichend sichere Gestaltung des Arbeitsplatzes/Arbeitsvorganges thematisiert worden. Demnach sei vorhersehbaren Gefahren nicht ausreichend begegnet worden und i.S. des § 60 Abs. 1 ASchG keine sichere Gestaltung des Arbeitsvorganges vorgenommen worden. Aus diesem Grund habe das Arbeitsinspektorat dem L.-Werk infolge des Unfalls den Auftrag erteilt, an den Prüfständen einen geeigneten Anfahrschutz für die Lader anzubringen, was sich aber laut Ansicht der Verantwortlichen von L. als technisch undurchführbar erwiesen habe. Man habe deshalb den gegenständlichen Prüfvorgang mit der Gefahr eines unbeabsichtigten Anfahrens in eine andere Halle mit ausreichenden Sicherheitsabständen verlegt.
Aufgrund des mittlerweile konkretisierten Verfahrensgegenstandes beschränke sich das Verwaltungsgericht daher auf die Prüfung der Frage, ob der gegenständliche Arbeitsvorgang zur Tatzeit ausreichend sicher gestaltet gewesen sei.
In dieser Hinsicht sei der Ansicht des Arbeitsinspektorats zu folgen, dass dies aus folgenden Gründen nicht der Fall gewesen sei:
Ein in Bewegung befindlicher "Lader C." sei wegen Gewicht und Fahrleistung grundsätzlich als tödliche Gefahr für eine ungeschützte Person einzustufen. Aufgrund der räumlichen Gestaltung der Prüfstände in der Halle, bei dem sich die fünf Arbeitsplätze der Prüftechniker direkt hinter den zu prüfenden Radladern an der Hallenwand befänden, seien diese während jener Funktionsprüfungen, die mit laufendem Motor durchgeführt werden und bei denen ein Anfahren nicht sicher ausgeschlossen werden könne, als unmittelbar gefährdet einzustufen. Der dortige Aufenthalt von Personen sei deshalb während dieser Arbeit untersagt. Der Umstand, dass der jeweilige Techniker während der Prüfung des Radladers an dessen Steuer sitze, schließe zwar aus, dass er sich selbst am eigenen, gefährdeten Arbeitsplatz befinde, nicht aber, dass der Gefahrenbereich allenfalls von anderen Technikern aus den Nebenständen betreten werde. Die fünf Arbeitsplätze lägen nämlich unmittelbar nebeneinander und seien zueinander nicht abgegrenzt. Es habe zur Tatzeit nicht einmal eine Beschilderung gegeben, welche auf die Gefahr und die Vorgangsweise beim Betreten der Sicherheitszone ausreichend hingewiesen habe. Angesichts der mit Lichtbild dokumentierten offenen Arbeitsplatzsituation hinter den zu prüfenden Radladern sei es naheliegend, dass die Techniker dort laufend zwischen den Arbeitsplätzen hin- und hergingen. Die Sicherheitsfachkraft habe das dem Arbeitsinspektor bei der Unfallbehebung auch bestätigt. Die Zeugen des Unternehmens haben demgegenüber nur von einem gelegentlichen Durchgehen hinter den Ladern am Prüfstand gesprochen, was erkennbar dem Bemühen geschuldet gewesen sei, dem eigenen Chef nicht zu schaden.
Das Betreten des Gefahrenbereichs hinter einem in Betrieb befindlichen Lader sei laut interner Anweisung nur nach Kontaktaufnahme (Zuruf) mit dem betreffenden Kollegen, der am Lader in Blickrichtung Hallenmitte sitze, gestattet. Evident sei aber, dass der erforderliche Zuruf an den Kollegen diesen kurzzeitig von der Arbeit abhalte, und somit für einen selbst unangenehm sei. Genauso unbequem sei es aber, über den um das Mehrfache längeren Umweg um die anderen Lader und deren Sicherheitszonen herum gehen zu müssen. Das Unternehmen habe somit einen Gefahrenbereich in unmittelbarer Arbeitsplatznähe geschaffen, ohne diesen effektiv zu sichern und das Verbot, diesen nicht ohne Anmeldung beim Laderfahrer zu betreten, durch die Arbeitsplatzgestaltung ausreichend zu unterstützen. Somit müsse man damit rechnen, dass der Gefahrenbereich verbotswidrig betreten werde.
Auch betreffend die Anweisung, die Handbremse des Laders vor dem Prüfgang anzuziehen, sei festzuhalten, dass dieser Handgriff nicht zusätzlich abgesichert oder sonst wie überwacht worden sei. Es gebe zwar auch eine zweite zu prüfende Ladertype mit automatischer Handbremse, sodass die Bremse nicht in jedem Fall manuell eingelegt werden müsse. Folglich sei auch hier damit zu rechnen gewesen, dass diese Sicherheitsmaßnahme irgendwann unterbleibe. Zuletzt sei im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Einstellvorgang bekannt gewesen, dass der Radlader im Anschlag zu rütteln begonnen habe und folglich ein unbeabsichtigtes Berühren von anderen Bedienelementen am Joystick (insbesondere des Wippschalters für "Vorwärts- und Rückwärtsfahren") in dieser Situation einkalkuliert werden müsse.
Insgesamt seien die beiden Verstöße gegen Arbeitsanweisungen (nämlich das unbeabsichtigte Vergessen der Handbremse durch den Prüftechniker und das offensichtlich bewusste Missachten der Sicherheitszone durch einen Kollegen), welche den gegenständlichen Arbeitsunfall ausgelöst hätten, nicht als unvorhergesehene Verkettung unglücklicher Umstände einzustufen, sondern als Ereignisse, die mit realistischer Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wären. Dass es offenbar nicht schon früher zu einem vergleichbaren Unfall gekommen sei, sei wohl nur dem Umstand zu verdanken, dass die Zeit, in welcher der Prüfvorgang unter Motorbetrieb durchgeführt werde, verhältnismäßig kurz sei. Damit sei insgesamt nicht von einer solchen Gestaltung des Arbeitsvorganges der Prüfung bzw. Einstellung der Kippfunktion unter Volllastbetrieb am Lader C. auszugehen, dass iS des § 60 Abs. 1 ASchG ein wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der dortigen Arbeitnehmer erreicht worden sei.
Allein der Umstand, dass L. den fraglichen Arbeitsvorgang mittlerweile in eine andere Halle mit ausreichendem Platz für die Sicherheitsabstände vor und hinter den Ladern verlegt habe, sei Beleg dafür, dass dieser zuvor nicht sicher gewesen sei, weil aufgrund der räumlichen Situation eine Vergrößerung der Sicherheitsabstände hinter den Ladern zulasten der vorderen Abstände zu den Verkehrswegen gegangen wäre.
Richtig im gegenständlichen Zusammenhang sei zwar die Rechtfertigung des Revisionswerbers, dass es sich beim Lader C. nicht - wie im Tatvorwurf angeführt - um ein "Arbeitsmittel" des Unternehmens handle, sondern um ein Produkt. Diese Fehlbezeichnung sei aber gegenständlich insofern unerheblich, da es nicht um eine Verletzung von Vorschriften betreffend die Verwendung von Arbeitsmitteln gegangen sei, sondern um die sichere Gestaltung eines Arbeitsvorganges nach § 60 Abs. 1 leg. cit. Dass dies Gegenstand des Verfahrens sei und worin die Gefahren für die Arbeitnehmer bestehen, sei dem Revisionswerber jedenfalls im Rahmen der Beschwerdeverhandlung - und somit rechtzeitig vor Ablauf der Frist der Verfolgungsverjährung - vor Augen geführt worden, weshalb eine entsprechende Einschränkung und Präzisierung des Tatvorwurfes in Richtung einer nicht ausreichend sicheren Gestaltung des Arbeitsvorganges vorgenommen werden habe können. Die konkreten Sicherheitsmaßnahmen, mit denen einer Gefahr begegnet werden könnte, müssten in diesem Zusammenhang nicht Gegenstand einer Verfolgungshandlung sein. Es sei vielmehr Sache des Arbeitgebers, aus Eigenem adäquate Maßnahmen zu setzen. Damit sei der objektive Tatbestand der angelasteten Übertretung als erwiesen anzusehen.
Hinsichtlich der subjektiven Tatseite traf das Verwaltungsgericht Ausführungen zum Kontrollsystem des Revisionswerbers und kam zu dem Ergebnis, dass diesem insgesamt nicht die Glaubhaftmachung eines wirksamen und in sich stimmigen Kontrollsystems gelungen sei, das die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen unter vorhersehbaren Verhältnissen verlässlich gewährleiste. Zu berücksichtigen sei, dass der Tatvorwurf von mangelhafter Vorbereitung, Gestaltung und Durchführung eines Arbeitsvorganges auf die mangelhafte Gestaltung einzuschränken gewesen sei. Die Grenze zum Verschlechterungsverbot gemäß § 42 VwGVG liege in diesem Fall bei der bisherigen Strafe, wobei die Strafe aufgrund der Einschränkung auch entsprechend herabzusetzen gewesen sei. Auf der subjektiven Tatseite sei Fahrlässigkeit zugrunde zu legen.
3 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision mit den Anträgen, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis dahingehend abändern, dass das Straferkenntnis der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht ersatzlos behoben werde und das Strafverfahren gegen den Revisionswerber wegen Verfolgungsverjährung eingestellt werde, in eventu, dass von der Fortführung des Strafverfahrens gegen den Revisionswerber abgesehen werde und die Einstellung verfügt werde. In eventu beantragte der Revisionswerber weiters, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben sowie jedenfalls dem Revisionswerber Kostenersatz zuerkennen. Revisionsbeantwortung wurde keine erstattet.
4 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision unter anderem vor, im verwaltungsbehördlichen Verfahren sei lediglich ein eingeschränkter Tatvorwurf verfahrensgegenständlich gewesen, nämlich die Durchführung einer Funktionsprüfung im Volllastbetrieb, ohne dass die laut internen Anweisungen der L. GmbH erforderliche Handbremse des Laders angezogen worden sei. Wie das Verwaltungsgericht in seinem angefochtenen Erkenntnis zugestehe, sei der Tatvorwurf im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens dahingehend angepasst worden, dass die L. GmbH keine Vorkehrungen zum Anfahrschutz und zur Verhinderung des Betretens des rückwärtigen Gefahrenbereichs getroffen habe.
Dem Revisionswerber sei dieser neue (erweiterte) Tatvorwurf jedoch nicht als solcher erkennbar gewesen, habe sich das Arbeitsinspektorat dabei doch auf einen einzigen Satz, der im Rahmen einer schriftlichen Stellungnahme erhoben worden sei, beschränkt. Auch das Verwaltungsgericht habe diesen neuen (erweiterten) Tatvorwurf nicht, insbesondere auch nicht in der mündlichen Strafverhandlung, thematisiert, allerdings in weiterer Folge diesen neuen (erweiterten) Tatvorwurf seinem Erkenntnis zugrunde gelegt.
Entgegen der - näher dargestellten - hg. Rechtsprechung sei der konkrete Tatvorwurf im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren abgeändert worden, dem Beschuldigten allerdings überhaupt nicht bzw. jedenfalls nicht so klar und präzise mitgeteilt worden, dass er auf den geänderten Tatvorwurf reagieren habe können, darauf bezogene Beweise anbieten hätte können und damit sein Rechtsschutzinteresse hätte wahren können. Kern des Verwaltungsstrafverfahrens sei stets die Frage, ob der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Tat tatsächlich ausgeführt habe, weshalb eine entsprechende Erörterung und Beweisführung durchzuführen sei. Gegen diesen Vorwurf müsse sich der Beschuldigte wehren können, v.a. durch Anbieten von entsprechenden Beweismitteln. Nur wenn dem Beschuldigten der genaue Vorwurf mitgeteilt werde, eröffne sich erst die Möglichkeit, sich entsprechend dagegen verteidigen zu können.
Eine rein abstrakte und pauschale Verteidigung, dass generell kein rechtswidriges Verhalten gesetzt worden sei, würde nach der Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofes nicht fruchten; dies bedeute umgekehrt, dass die Behörde und Gerichte die Tat und das Verhalten des Beschuldigten konkret bezeichnen müssen, insbesondere auch um eine zulässige Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs. 2 VStG zu setzen. Der Verwaltungsgerichtshof stelle dabei strenge Anforderungen an eine Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs. 2 VStG: Manifestierung eines Verfolgungswillens, Zurkenntnisbringen des Akteninhalts mit Aufforderung zur Rechtfertigung, konkreter Tatvorwurf unter Berücksichtigung aller einer späteren Bestrafung zugrunde liegender Sachverhaltselemente. Diese Anforderungen seien nicht eingehalten worden, wenn man diese Judikatur auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren übertrage wolle. Weiters sei entgegen der Rechtsprechungslinie des Verwaltungsgerichtshofes der konkrete Tatvorwurf im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Vergleich zum Erkenntnis der erstinstanzlichen Behörde erweitert worden, obwohl eine derartige Erweiterung auf keinen Fall zulässig sei.
6 Die Revision ist zulässig und berechtigt, da das Verwaltungsgericht - wie in der Revision zutreffend aufgezeigt wird - den gegenständlichen Tatvorwurf entgegen den Grundsätzen des Verwaltungsstrafrechts und der diesbezüglich ergangenen Rechtsprechung auf unzulässige Weise ausgetauscht hat.
7 "Sache" des Verwaltungsstrafverfahrens ist die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung (vgl. etwa VwGH vom 24. Februar 2014, 2012/17/0462 m.w.N.).
8 Eine Verfolgungshandlung im Sinn der §§ 31 und 32 VStG muss eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben, was erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (siehe VwGH vom 28. Mai 2014, 2012/07/0033).
9 Nach der hg. Rechtsprechung ist eine Präzisierung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung (Angabe der verletzten Verwaltungsbestimmung und angewendeten Strafnorm) zulässig, wenn es nicht zu einem "Austausch der Tat" durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommt (vgl. VwGH vom 17. Februar 2016, Ra 2016/04/0006 m.w.H.).
Bereits vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 war eine solche Erweiterung des Vorwurfs erst durch die Berufungsbehörde unzulässig. Eine Befugnis der Verwaltungsgerichte zur Ausdehnung des Gegenstands des Verfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG hinaus wurde durch die Novelle nicht geschaffen. So stellt etwa eine Ausdehnung des Tatzeitraumes erst im Beschwerdeverfahren in Verwaltungsstrafsachen vor dem Verwaltungsgericht weiterhin eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und der Sache des Verfahrens im Sinn des § 50 VwGVG dar (vgl. hierzu ausführlich VwGH vom 5. November 2014, Ra 2014/09/0018).
10 Im vorliegenden Fall wurde dem Revisionswerber mit Aufforderung zur Rechtfertigung und darauf folgend auch mit Spruch des Straferkenntnisses der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht vorgeworfen, bei dem im Spruch genauer angeführten Arbeitsmittel eine Funktionsprüfung (Volllastbetrieb) ohne angezogene Handbremse durchgeführt zu haben.
Das Verwaltungsgericht hat den Spruch im angefochtenen Erkenntnis dahingehend abgeändert, als dem Revisionswerber nicht nur das von der belangten Behörde zur Last gelegte Nichtanziehen der Handbremse vorgeworfen wurde, sondern auch die Durchführung der Funktionsprüfung "ohne dass eine ausreichende Absicherung gegen ein Anfahren bzw. Betreten des Gefahrenbereiches erfolgte". Dieses Sachverhaltselement war jedoch nicht Gegenstand der von der Behörde gesetzten Verfolgungshandlung und wurde dem Revisionswerber von dieser auch nicht zum Vorwurf gemacht. Damit hat das Verwaltungsgericht jedoch keine (grundsätzlich zulässige) Präzisierung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung, sondern einen unzulässigen Austausch der Tat durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zugrunde gelegten Sachverhalts vorgenommen. Zu einer solchen Abänderung des Tatvorwurfes war das Verwaltungsgericht nicht berechtigt. Ob die Verfolgungsverjährungsfrist bereits abgelaufen war oder eine Verfolgung des Revisionswerbers in Bezug auf den erweiterten Tatvorwurf grundsätzlich noch möglich gewesen wäre, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil die unzureichende Absicherung des Gefahrenbereiches jedenfalls nicht Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht war.
11 Indem das Verwaltungsgericht in Verkennung der Rechtslage der Bestrafung des Revisionswerbers einen erweiterten Tatvorwurf zugrunde gelegt hat, war das angefochtene Erkenntnis bereits aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit belastet und somit schon deshalb aufzuheben.
12 Das angefochtene Erkenntnis war somit wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
13 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 8. März 2017
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