Normen
AVG §18 Abs4
AVG §56
AVG §58 Abs3
B-VG Art109
B-VG Art112
B-VG Art119 Abs2
B-VG Art133 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs6 Z2
GO Mag Wr 2007 §1 Abs1
GO Mag Wr 2007 §45
GO Mag Wr 2007 §46
GO Mag Wr 2007 §47
WStV 1968 §105
WStV 1968 §105 Abs1
WStV 1968 §105 Abs2
WStV 1968 §107
WStV 1968 §79 Abs1
WStV 1968 §91 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022010033.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Bescheid des Magistrats der Stadt Wien (Magistrat) vom 20. Mai 2021 in einer Angelegenheit nach dem Personenstandsgesetz 2013 (PStG 2013) wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben (I.) und eine Revision für nicht zulässig erklärt (II.).
2 Die Aufhebung begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen damit, dass der angefochtene Bescheid dem Magistrat zuzurechnen sei, weil im Kopf der Magistrat angeführt und die Fertigung „Für den Abteilungsleiter“ erfolgt sei. Personenstandsangelegenheiten gemäß § 3 Abs. 1 PStG 2013 seien jedoch von den Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich zu besorgen. In diesen Angelegenheiten sei gemäß Art. 119 Abs. 2 B‑VG sowie § 79 Abs. 1 Wiener Stadtverfassung (WStV) der Bürgermeister zuständig. Der angefochtene Bescheid sei somit von einer unzuständigen Behörde, dem Magistrat, erlassen worden.
3 Die Revision sei nicht zulässig, da sich die Zuständigkeit des Bürgermeisters aus der zitierten Rechtslage ergebe.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Magistrates.
5 In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren erstattete die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, der Revision keine Folge zu geben und den zuständigen Rechtsträger zum Kostenersatz zu verpflichten.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Der Magistrat bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, es liege eine Rechtfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Diese Rechtsfrage laute,
„ob die gegenständliche Entscheidung in Personenstandsangelegenheiten, die den Bestimmungen der Wiener Stadtverfassung und der Geschäftsordnung für den Magistrat vom Magistrat als Hilfsorgan getroffen wurde, dem Bürgermeister zugerechnet werden kann. Eine spezielle, auf Wien bezogene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zurechnung von Entscheidungen des Magistrates für den Bürgermeister in den Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches liegt nicht vor“.
10 Das Verwaltungsgericht habe die Rechtslage unrichtig beurteilt, weil es die Entscheidung nicht dem Bürgermeister zugerechnet habe.
Die Revision erweist sich als nicht zulässig:
11 Im vorliegenden Revisionsfall war Gegenstand des beim Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheides die Entscheidung über einen Antrag auf Berichtigung einer Eintragung gemäß § 42 Abs. 1 Personenstandsgesetz 2013 (PStG 2013). Dabei handelt es sich um eine jener Personenstandsangelegenheiten, die gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. von den Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich zu besorgen sind.
12 Gemäß Art. 119 Abs. 2 B‑VG werden die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches vom Bürgermeister besorgt. Damit wird ‑ im Gegensatz zum eigenen Wirkungsbereich, in dem eine Verteilung der Kompetenzen auf die einzelnen Gemeindeorgane möglich ist ‑ im übertragenen Wirkungsbereich von Verfassungs wegen die ausschließliche Zuständigkeit des Bürgermeisters begründet; dem einfachen Gesetzgeber sind abweichende Zuständigkeitsregelungen verwehrt (vgl. aus der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts etwa VfGH 29.11.1991, G 64/90 = VfSlg 12.920; VwGH 5.3.1985, 84/04/0059 = VwSlgNF 11.692 A).
13 In Entsprechung des Art. 119 Abs. 2 erster Satz B‑VG bestimmt § 79 Abs. 1 erster Satz WStV, dass der übertragene Wirkungsbereich vom Bürgermeister ausgeübt wird.
14 Aus der WStV geht hervor, dass der Magistrat eine verwaltungsbehördliche Einheit darstellt. Sein Wirkungsbereich ist in § 105 WStV festgelegt (vgl. VwGH 13.9.2016, Ra 2015/03/0038, mwN).
15 Der Magistrat ist gemäß § 105 Abs 1 WStV einerseits Geschäftsbesorgungsorgan und damit Hilfsapparat des jeweils zuständigen Organs. Andererseits ist er gemäß Abs. 2 leg. cit. auch eigenständige Behörde und vertretungsbefugtes Organ der Bundeshauptstadt Wien; er vollzieht dabei alle behördlichen Angelegenheiten, soweit hiefür nicht andere Organe zuständig sind (subsidiäre Generalkompetenz).
Gemäß Art. 109 B‑VG iVm § 107 WStV hat der Magistrat unter der Leitung und Verantwortung des Bürgermeisters auch Angelegenheiten der Bezirksverwaltung zu besorgen.
Die Zuständigkeit des Magistrats als Bezirksverwaltungsbehörde besteht nach Art. 109 iVm Art. 112 B‑VG jedoch ausdrücklich nur für jene Angelegenheiten, die in mittelbarer Bundesverwaltung zu besorgen sind (vgl. zum Ganzen Koprivnikar, in Kneihs/Lienbacher [Hrsg], Rill‑Schäffer‑Kommentar Bundesverfassungsrecht, 11. Lfg. [2013] Art. 108 B‑VG Rn. 47 f; Art. 109 B‑VG Rn. 5 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des VfGH, wonach gemäß Art. 107 WStV der Magistrat darüber hinaus auch für den Bereich der Landesverwaltung zuständig ist).
16 In diesem Sinn hat auch der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass nach den für die Bundeshauptstadt Wien geltenden Bestimmungen des B‑VG der Magistrat auch als Bezirksverwaltungsbehörde tätig wird (vgl. etwa VwGH 2.8.1996, 96/02/0316, mit Hinweis auf VfGH 8.10.1984, V 20/82 = VfSlg 10.203; 11.6.1997, 95/01/0430).
17 In der vorliegenden Revisionssache hat das Verwaltungsgericht den bei ihm angefochtenen Bescheid dem Magistrat zugerechnet. Der Magistrat wendet sich in den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden Revision auch nicht gegen die ‑ nach dem Obgesagten zutreffende ‑ Auffassung des Verwaltungsgerichts, er sei als Behörde für Angelegenheiten des PStG 2013 nicht zuständig; in den Revisionsgründen räumt der Magistrat vielmehr ausdrücklich die Zuständigkeit des Bürgermeisters ein. Der Magistrat steht aber auf dem Standpunkt, er sei bei der Bescheiderlassung als „Hilfsorgan“ für den Bürgermeister tätig geworden; der Bescheid sei dem Bürgermeister zuzurechnen.
18 Gemäß § 18 Abs. 4 AVG hat jede schriftliche Ausfertigung (hier: eines Bescheides) die Bezeichnung der Behörde, von welcher die Erledigung (der Bescheid) stammt, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die Bezeichnung der Behörde, die ihn erlassen hat, zählt zu den wesentlichen Merkmalen eines Bescheides.
19 Ob eine Erledigung einer bestimmten Behörde vorliegt bzw. welcher Behörde die Erledigung zuzurechnen ist, ist anhand des äußeren Erscheinungsbildes, also insbesondere anhand des Kopfes, Spruches, der Begründung, der Fertigungsklausel und der Rechtsmittelbelehrung, also nach objektiven Gesichtspunkten, zu beurteilen. Die Behörde, der die Erledigung zuzurechnen ist, muss aus der Erledigung selbst hervorgehen (vgl. etwa VwGH 19.5.2020, Ra 2019/14/0317, mwN).
20 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schadet es dabei nicht, wenn im Kopf des Bescheides lediglich das Hilfsorgan der entscheidenden Behörde genannt wurde; maßgebend für die Zurechnung des Bescheides ist diesfalls die Art der Unterfertigung (vgl. VwGH 27.2.2006, 2005/05/0068 = VwSlgNF 16.854 A, zu einem Bescheid mit der Fertigungsklausel „Der Bürgermeister“).
21 Um einen in einer Angelegenheit des übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde ergangenen Bescheid dem hiefür zuständigen Bürgermeister zurechnen zu können, muss daher die Bezeichnung des Bürgermeisters aus der Bescheidausfertigung, z.B. aus der Fertigungsklausel, ersichtlich sein (vgl. VwGH 24.5.2018, Ra 2018/01/0039: Fertigungsklausel „Für den Bürgermeister:“, betreffend den Bürgermeister der Stadt Wien in einer Angelegenheit des übertragenen Wirkungsbereiches nach dem Meldegesetz 1991; vgl. weiters VwGH 26.6.2013, 2010/03/0029: „Bürgermeister“ in der Einleitungs‑ und Fertigungsklausel).
22 Dies ist vorliegend nicht der Fall, weshalb der in Rede stehende Bescheid vom 20. Mai 2021 dem Bürgermeister der Stadt Wien nicht zugerechnet werden kann.
23 Eine Zurechnung an den Bürgermeister kommt insbesondere auch nicht auf der Grundlage des § 91 Abs. 2 WStV, wonach der Bürgermeister Vorstand des Magistrats und für dessen Geschäftsführung verantwortlich ist, in Betracht, weil die genannte Bestimmung lediglich die besondere organisatorische Stellung des Bürgermeisters als Teil des Organs Magistrat Wien regelt; an der erwähnten ausschließlichen (behördlichen) Zuständigkeit des Bürgermeisters im übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinde ändert diese Bestimmung nichts.
24 Im Übrigen ergibt sich auch aus den §§ 45 bis 47 der Geschäftsordnung für den Magistrat der Stadt Wien (GOM) nicht, dass eine Unterfertigung „Für den Abteilungsleiter“ in allen Wirkungsbereichen „außer der Landesinstanz“ ‑ und sohin für eine Zurechnung des Bescheides zum Bürgermeister ‑ ausreicht; dagegen spricht bereits die oben angeführte Rechtsprechung, wonach die Behörde, der die Erledigung zuzurechnen ist, aus der Erledigung selbst hervorgehen muss (vgl. nochmals VwGH Ra 2019/14/0317, mwN; vgl. auch § 1 Abs. 1 GOM, wonach die GOM lediglich den „internen“ Geschäftsgang regelt).
25 Ausgehend vom äußeren Erscheinungsbild des in Rede stehenden Bescheides vom 20. Mai 2021 hat das Verwaltungsgericht diesen Bescheid daher zu Recht dem Magistrat zugerechnet, der mit der Erlassung dieses Bescheides freilich seine behördlichen Kompetenzen ‑ als Bezirksverwaltungsbehörde ‑ überschritten hat.
26 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
27 Im Übrigen sei angemerkt, dass wenn die vom Magistrat als Amtsrevisionswerber aufgeworfene Rechtfrage in seinem Sinne zu beantworten und der Bescheid dem Bürgermeister zuzurechnen wäre, allein der Bürgermeister und nicht der Magistrat zur Erhebung einer Amtsrevision berechtigt wäre. Allein jener Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, kommt nämlich die Revisionslegitimation nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B‑VG zu (vgl. etwa VwGH 23.4.2021, Ra 2019/06/0161 bis 0163, mwN).
28 Die Revision war daher zurückzuweisen.
29 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 11. Mai 2022
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