VwGH Ro 2021/13/0004

VwGHRo 2021/13/000422.9.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Baden Mödling in 2500 Baden bei Wien, Josefsplatz 13, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 28. Jänner 2021, Zl. RV/7104760/2019, betreffend Einkommensteuer 2017 (mitbeteiligte Partei: C T in G, vertreten durch die Audit Partner Austria Wirtschaftsprüfer GmbH in 1220 Wien, Wagramer Straße 19), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §67 Abs6
EStG 1988 §41 Abs1 Z3
EStG 1988 §41 Abs4
EStG 1988 §67 Abs1
EStG 1988 §67 Abs2
EStG 1988 §67 Abs6
EStG 1988 §67 Abs6 Z1
EStG 1988 §69 Abs2
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021130004.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 In einem Begleitschreiben zur Einkommensteuererklärung 2017 führte die Mitbeteiligte aus, im Zuge der Beendigung des Dienstverhältnisses mit Ende Juni 2017 sei eine freiwillige Abfertigung in Höhe von 42.000 € vereinbart worden. Im Jahreslohnzettel 2017 sei vom Dienstgeber eine falsche Bemessungsgrundlage herangezogen worden (Viertel der laufenden Bezüge: 5.031,19 €). Die Mitbeteiligte habe sich ab Juli 2016 in einem längeren Krankenstand befunden. Für die Ermittlung des Viertels der laufenden Bezüge sei von jenem Zeitraum auszugehen, für den letztmalig die vollen laufenden Bezüge angefallen seien; dies sei der Zeitraum April 2015 bis März 2016, wodurch sich für die begünstigte Besteuerung der freiwilligen Abfertigung eine höhere Bemessungsgrundlage ergebe (Viertel der laufenden Bezüge: 11.708,20 €). Es werde um Korrektur im Zuge der Veranlagung ersucht.

2 Mit Bescheid vom 26. Februar 2019 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2017 fest. In der (gesonderten) Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, vom Arbeitgeber sei zu Recht der letzte volle laufende Bezug (Juni 2017) der Abfertigungsberechnung zu Grunde gelegt worden. Für die Mitbeteiligte seien im Zeitraum März 2017 bis Juni 2017 wieder die vollen Bezüge angefallen. Von diesem Zeitraum aus zurückgehend seien die laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate zu betrachten. Ein „Ausscheiden“ von dazwischenliegenden Lohnzahlungszeiträumen ohne bzw. mit vermindertem Entgeltanspruch sei dabei nicht vorgesehen. Ausgehend von dieser Basis seien die laufenden Bezüge für die Besteuerung nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 heranzuziehen. Wie aus dem Akteninhalt hervorgeht, wurde ‑ abweichend vom Lohnzettel des Arbeitgebers ‑ die Urlaubsersatzleistung bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage berücksichtigt, wodurch sich das Viertel der laufenden Bezüge mit 7.306,87 € ergab.

3 Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Sie machte darin insbesondere geltend, die Besteuerung der freiwilligen Abfertigung zu einem überwiegenden Teil mit dem laufenden Lohnsteuertarif stelle insoweit eine Sozialwidrigkeit und soziale Härte dar, als die Mitbeteiligte im Zeitraum Juli 2016 bis Februar 2017 nur Krankengeld erhalten habe, welches wesentlich geringer als ihr laufendes Entgelt gewesen sei. Es sei systematisch nicht nachvollziehbar, warum bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Zeitraum der Krankheit mitberücksichtigt werden sollte.

4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 5. Juni 2019 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

5 Die Mitbeteiligte beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Darin machte sie geltend, es bestünden folgende Varianten für die korrekte Berechnung des Viertels der laufenden Bezüge: Ermittlung des Viertels auf Basis der letzten zwölf Monate mit vollen Bezügen (August 2015 bis März 2016; März 2017 bis Juni 2017); Ermittlung des Viertels auf Basis der vollen laufenden Bezüge für die letzten zwölf Monate vor der Entgeltkürzung (April 2015 bis März 2016); oder Ermittlung auf Basis der steuerpflichtigen Bezüge der letzten zwölf Monate (Krankengeld Juli 2016 bis Februar 2017, Gehalt März 2017 bis Juni 2017). Hiezu machte sie geltend, in die letzten zwölf Monate vor der Beendigung des Dienstverhältnisses fielen insbesondere Zeiträume, die aufgrund von Krankheit der Mitbeteiligten für den ehemaligen Arbeitgeber entgeltfrei gewesen seien. Die in diesen Zeiten bezogenen Krankengelder seien aber ebenfalls zu versteuern gewesen.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und änderte den Einkommensteuerbescheid ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei.

7 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Mitbeteiligte sei von September 2000 bis zum 30. Juni 2017 bei der D KG nichtselbständig beschäftigt gewesen. Im Zuge der Beendigung des Dienstverhältnisses habe der Dienstgeber neben der gesetzlichen Abfertigung eine freiwillige Abfertigung in Höhe von 42.000 € gewährt. Die Mitbeteiligte habe von 2. Jänner bis 3. Februar 2017 Krankengeld von der Gebietskrankenkasse bezogen. Auch im Jahr 2016 sei Krankengeld für 10. April bis 25. Juni 2016, 26. Juli bis 16. September 2016 und 23. November bis 31. Dezember 2016 ausbezahlt worden. Infolge der Krankenstände habe die Mitbeteiligte vom Dienstgeber in den jeweiligen Monaten entsprechend verringerte bzw. gar keine laufenden Bezüge erhalten.

8 Strittig sei die Berechnung des „Viertels der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate“ (§ 67 Abs. 6 Z 1 EStG 1988). Das Finanzamt habe die Bezüge der letzten zwölf Monate vor Beendigung des Dienstverhältnisses, also die vom Dienstgeber ausgezahlten Bezüge des Zeitraumes Juli 2016 bis Juni 2017 von 19.198,14 € (dazu Zahlungen für Überstunden, Überstundenzuschläge und Urlaubsersatz) erfasst. Damit seien in der Berechnung des Finanzamtes auch Monate mit gekürzten oder gar keinen Bezügen enthalten.

9 Nach Ansicht der Mitbeteiligten seien hingegen für die Viertelberechnung die laufenden Bezüge vor Beginn der Krankenstände, die letzten zwölf vollen laufenden Bezüge oder die letzten zwölf Bezüge inklusive des Krankengeldes heranzuziehen.

10 In der Literatur werde ‑ unter Hinweis auf die Lohnsteuerrichtlinien 2002 (Rz 1088) ‑ überwiegend die Rechtsansicht vertreten, dass wegen Krankheit oder anderer besonders berücksichtigungswürdiger Gründe gekürzte Bezüge nicht in die Berechnung einfließen sollten.

11 Das Bundesfinanzgericht schließe sich dieser Rechtsmeinung an, die insofern mit der Formulierung der Bestimmung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 im Einklang stehe, als von einem laufenden Bezug keine Rede sein könne, wenn aufgrund von besonderen Umständen (wie Krankenstand) für einen ganzen Monat oder für einzelne Tage eines Monats kein Entgelt ausgezahlt worden sei. Es seien daher die letzten zwölf vollen laufenden Bezüge heranzuziehen (Zahlungen für August 2015 bis März 2016 und März 2017 bis Juni 2017, samt Überstunden, Überstundenzuschlag, Urlaubsersatzleistung). Ein Viertel des sich hieraus ergebenden Betrages (14.327,50 €) sei gemäß § 67 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 mit 6% zu besteuern, der restliche Betrag der freiwilligen Abfertigung sei zum laufenden Tarif zu besteuern.

12 Die Revision sei zulässig, weil zur Berechnung des „Viertels der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate“ iSd § 67 Abs. 6 EStG 1988 Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.

13 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die (ordentliche) Revision des Finanzamts.

14 Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 Die Revision ist zulässig und begründet.

17 Gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 sind sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen) mit 6% zu versteuern, wobei nach Z 1 leg. cit. der Steuersatz von 6% auf „ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate“, höchstens aber auf den Betrag anzuwenden ist, der dem Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG entspricht.

18 Diese begünstigte Besteuerung von freiwilligen Abfertigungen gilt nur (mehr) für jene Zeiträume, für die keine Anwartschaften gegenüber einer BV‑Kasse bestehen (§ 67 Abs. 6 Z 7 EStG 1988; vgl. dazu VwGH 17.6.2015, 2011/13/0086; 1.9.2015, 2012/15/0122; 7.12.2020, Ro 2020/13/0013).

19 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 67 Abs. 6 EStG 1972 widerspricht es der normierten Begrenzung des zu begünstigenden Betrages auf ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate, in die Bemessungsgrundlage für das eine Viertel entweder laufende Bezüge aus dem vorangegangenen Dienstverhältnis einzubeziehen oder die erhaltenen laufenden Bezüge aus einem weniger als zwölf Monate dauernden Dienstverhältnis auf zwölf bloß fiktive Monatsbezüge zu erhöhen (vgl. VwGH 19.12.1990, 89/13/0083, mwN).

20 Zur gesetzlichen Abfertigung nach § 23 Abs. 1 AngG (diese bemisst sich nach dem „für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelt“) entspricht es der Rechtsprechung des OGH, dass bei schwankender Höhe des Entgelts ein Zwölftel des gesamten Entgelts innerhalb des letzten Jahres vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Bemessungsgrundlage der Abfertigung zu Grunde zu legen ist (vgl. OGH 30.8.2018, 9 ObA 151/17x, mwN). War der Arbeitnehmer infolge Krankheit gehindert, im letzten Monat des Arbeitsverhältnisses das ihm gebührende Entgelt zu verdienen, so kann dies die Bemessung der Abfertigung nicht beeinträchtigen. Es muss der Abfertigung das Entgelt zugrunde gelegt werden, welches der Arbeitnehmer bezogen hätte, wäre er an der Dienstleistung nicht gehindert gewesen (vgl. OGH 6.12.1989, 9 ObA 324/89; 27.10.1994, 8 ObA 279/94; 16.1.1997, 8 ObA 2234/96d; 17.3.2004, 9 ObA 101/03y). Bei einer dauerhaften Entgeltveränderung, etwa beim Wechsel von Voll- zu Teilzeitbeschäftigung oder umgekehrt ‑ ist aber grundsätzlich auf das zuletzt bezogene Entgelt abzustellen (vgl. OGH 30.9.2005, 9 ObA 65/05g). Dies gilt auch dann, wenn diese dauerhafte Entgeltveränderung u.a. auf einer aus gesundheitlichen Gründen erfolgten Reduktion der Arbeitszeit beruhte (vgl. OGH 29.6.2005, 9 ObA 6/05f; 25.7.2017, 9 ObA 27/17m).

21 Diese zivilrechtliche Beurteilung zur Bemessung der gesetzlichen Abfertigung im Krankheitsfall ändert aber nichts daran, dass für die Besteuerung von sonstigen Bezügen nach § 67 Abs. 2 EStG 1988 die vom Arbeitgeber zugeflossenen, auf das Kalenderjahr umgerechneten laufenden Bezüge maßgeblich sind (vgl. VwGH 10.4.1997, 94/15/0197).

22 Wenn § 67 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 insoweit ebenso wie § 67 Abs. 2 EStG 1988 auf die „laufenden Bezüge“ (wenn auch hier nicht auf die im Kalenderjahr bereits zugeflossenen, sondern auf jene der letzten zwölf Monate) abstellt, so ist auch hier auf die Bezüge ausschließlich des (jeweils) genannten Zeitraums abzustellen. Eine Verlängerung oder Verschiebung dieses Zeitraums sieht die Bestimmung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 nicht vor.

23 Für die begünstigte Besteuerung der freiwilligen Abfertigung sind sohin die laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate zu berücksichtigen. Dass der ‑ klare ‑ Wortlaut dieser Regelung von der Absicht des Gesetzgebers abweichen würde, ist nicht erkennbar, auch wenn die Verwaltung (LStR 2002, Rz 1088; vgl. in diesem Sinne bereits Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer‑Handbuch, § 67 Tz 48; vgl. weiters ‑ unter Verweis auf die Verwaltungsmeinung ‑Kirchmayr/Schaunig in Doralt et al, EStG19, § 67 Tz 79; Jakom/Lenneis EStG, 2021, § 67 Tz 22) dazu ‑ seit vielen Jahren ‑ eine Abgabepflichtige begünstigende Ansicht vertritt.

24 Nach § 69 Abs. 2 EStG 1988 ist bei Auszahlung von Bezügen (u.a.) aus einer gesetzlichen Krankenversicherung (nach der im Jahr 2017 geltenden Fassung) 25% Lohnsteuer einzubehalten (soweit diese Bezüge 30 € täglich übersteigen). Zur Berücksichtigung der Bezüge im Veranlagungsverfahren ist hiezu ein Lohnzettel auszustellen, in welchem ein Siebentel gesondert als sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 auszuweisen ist. Im Rahmen der Pflichtveranlagung (§ 41 Abs. 1 Z 3 EStG 1988) werden diese Bezüge (ohne Berücksichtigung des Freibetrages von 30 € täglich) der vollen Tarifbesteuerung unterworfen (vgl. Doralt, EStG15, § 69 Tz 21), wobei allerdings ein Siebentel dieser Bezüge als ein Bezug gilt, der mit dem festen Steuersatz des § 67 Abs. 1 EStG 1988 zu versteuern war und von dem 6% als Lohnsteuer einbehalten wurde (§ 41 Abs. 4 EStG 1988). Damit wird eine steuerliche Gleichstellung von Bezügen (u.a.) nach § 69 Abs. 2 EStG 1988 mit den lohnsteuerpflichtigen Einkünften, an deren Stelle sie ausbezahlt werden, herbeigeführt (vgl. Jakom/Peyerl EStG, 2021, § 41 Tz 40).

25 Wenn auch diese Krankengelder bei der Ermittlung des Jahressechstels nach § 67 Abs. 2 EStG 1988 nicht zu berücksichtigen sind, da für die darin enthaltenen sonstigen Bezüge eine entsprechende begünstigte Besteuerung bereits nach § 41 Abs. 4 EStG 1988 vorzunehmen ist, so sind sie im Hinblick auf die Gleichstellung mit den sie ersetzenden lohnsteuerpflichtigen Einkünften (mit sechs Siebentel) wie „laufende Bezüge“ iSd § 67 Abs. 6 EStG 1988 zu behandeln. Soweit diese Krankengeldbezüge (sechs Siebentel) also lohnsteuerpflichtige Bezüge aus dem konkreten, nunmehr beendeten Beschäftigungsverhältnis in den letzten zwölf Monaten ersetzen, sind sie in die Bemessungsgrundlage als Bezüge der letzten zwölf Monate einzubeziehen.

26 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 22. September 2021

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