OGH 9ObA324/89

OGH9ObA324/896.12.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Schrank und Franz Murmann als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Erich L***, Pensionist, Kematen, 8.bStraße 4, vertreten durch Dr. Adolf Fiebich ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B*** Y*** Gesellschaft mbH, Böhlerwerk, Waidhofnerstraße, vertreten durch Dr. Michael Mayenburg, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 133.445,75 brutto sA (Streitwert im Revisionsverfahren S 89.866,43 brutto sA), infolge Revision beider Parteien gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Juni 1989, GZ 31 Ra 52/89-12, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. Februar 1989, GZ 32 Cga 90/88-5, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Das angefochtene Teilurteil wird in seinem dem Klagebegehren stattgebenden Teil mit folgender Maßgabe bestätigt:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 80.395,10 brutto samt 4 % Zinsen seit 17.August 1988 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen."

Der Revision der klagenden Partei wird dahin Folge gegeben, daß das angefochtene Teilurteil hinsichtlich der Abweisung eines Betrages von S 9.541,33 brutto sA aufgehoben und die Arbeitsrechtssache in diesem Umfang an das Prozeßgericht erster Instanz zur Verhandlung und Urteilsfällung zurückverwiesen wird. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz und des Rechtsmittelverfahrens werden der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten seit 14.Dezember 1959 als Härter und Schichtführer beschäftigt. Ab Oktober 1986 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Betrieb am 16.Juni 1988 war er im Krankenstand. Mit der vorliegenden Klage begehrt er den Betrag von S 133.445,75 (richtig S 132.445,75) brutto sA an Kündigungsentschädigung, restlichem Urlaubszuschuß und restlicher Abfertigung. Die Beklagte habe ihm mit Schreiben vom 15.Juni 1988 mitgeteilt, daß das Arbeitsverhältnis am 16.Juni 1988 mit dem Ende der Höchstdauer des Krankengeldanspruches beendet sei. Nach dem Kollektivvertrag für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie (kurz Kollektivvertrag) betrage die Kündigungsfrist sechs Wochen. Die Beklagte habe daher noch eine Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 17.Juni bis 29.Juli 1988 in Höhe von S 42.509,32 brutto zu zahlen. Im Betrieb der Beklagten sei es üblich, daß der ganze Urlaubszuschuß unabhängig vom Urlaubsantritt mit der Aprilabrechnung ausgezahlt werde. Obwohl der Kollektivvertrag eine solche Rückzahlung nicht vorsehe, habe die Beklagte einen aliquoten Urlaubszuschuß von S 9.541,33 brutto bei der Endabrechnung abgezogen. Schließlich habe die Beklagte in ihrer Endabrechnung bei Ermittlung der Höhe der Abfertigung nicht berücksichtigt, daß der Kläger im letzten Jahr vor seinem Krankenstand in jedem Monat zwischen 20 und 50 Überstunden geleistet habe. Unter Einbeziehung dieser Überstundenentgelte stehe ihm noch eine restliche Abfertigung von S 80.395,10 brutto zu. Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Das Dienstverhältnis mit dem Kläger sei auf Grund seiner "Aussteuerung" durch die niederösterreichische Gebietskrankenkasse einvernehmlich zum 16.Juni 1988 beendet worden. Die Gewährung des Urlaubszuschusses an Langzeitkranke zum selben Zeitpunkt wie für die übrigen Arbeitnehmer sei nur unter der Bedingung erfolgt, daß bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rückrechnung vorgenommen werde; anderenfalls wäre der Urlaubszuschuß gemäß dem Kollektivvertrag erst im Dezember ausgezahlt worden. Es entspreche einer innerbetrieblichen Übung, die Arbeitsverhältnisse von Langzeitkranken erst mit der "Aussteuerung" durch die Gebietskrankenkasse einvernehmlich aufzulösen. Durch dieses soziale Entgegenkommen habe der Kläger zweimal die Sonderzahlungen, die Dienstzeitzulage, eine Urlaubsentschädigung in Höhe von rund S 104.000 und die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, die nicht zur Gänze refundiert werde, erhalten. Es sei somit unbillig, neben diesen Vorteilen auch noch die zum Teil schon über zwei Jahre zurückliegenden Überstundenentgelte in die Abfertigung einzubeziehen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich eines Teilbetrages von S 80.325,10 (richtig S 80.395,10) brutto sA (restliche Abfertigung) statt und wies das Mehrbegehren von S 53.050,65 brutto sA ab. Es stellte im wesentlichen fest:

Auf Grund einer etwa im Jahre 1975 zwischen der Unternehmensleitung und dem Arbeiterbetriebsrat mündlich abgeschlossenen Vereinbarung werden Langzeitkranke nicht sofort gekündigt, wenn erkennbar ist, daß sie ihre Arbeit nicht wieder antreten können. Das Arbeitsverhältnis wird vielmehr zum Zeitpunkt der "Aussteuerung" durch die Krankenkasse, also 78 Wochen nach Beginn des Krankenstandes, einvernehmlich beendet. Dadurch wird dem betroffenen Arbeitnehmer der Bezug der Entgeltfortzahlung, Sonderzahlungen, Dienstzeitzulage und der Urlaubsentschädigung ermöglicht. Diese Vereinbarung war auch dem Kläger bekannt. Der Kläger erhielt im Juni 1988 ein Schreiben der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse des Inhalts, daß er mit 16. Juni 1988 "ausgesteuert" werde. Mit diesem Schreiben begab er sich zum Personalleiter der Beklagten, Herbert Z***, um sich nach der weiteren Vorgangsweise zu erkundigen. Z*** erklärte dem Kläger die gemäß der Absprache mit dem Betriebsrat übliche Vorgangsweise und teilte ihm mit, daß sein Arbeitsverhältnis zugleich mit der "Aussteuerung" beendet werde. Der Kläger nahm diese Mitteilung widerspruchslos zur Kenntnis. Wenige Tage später erhielt er das Schreiben der Beklagten vom 15.Juni 1988, wonach sein Arbeitsverhältnis wie besprochen infolge "Aussteuerung" durch die Gebietskrankenkasse mit 16.Juni 1988 aufgelöst werde. Auf Grund einer weiteren, in früheren Jahren öfters getroffenen, aber nicht auf Dauer wirksamen Vereinbarung mit dem Betriebsrat zahlte die Beklagte im Jahre 1988 den Urlaubszuschuß an die Langzeitkranken nicht erst bei Urlaubsantritt oder, soferne wegen des Krankenstandes kein Urlaub in Anspruch genommen werden konnte, am Jahresende, sondern bereits im Mai aus. Dabei schien auf dem Lohnzettel der ausdrückliche Hinweis "Vorschuß" auf und die Beklagte behielt sich die Rückverrechnung des bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor dem Jahresende nicht gebührenden Anteils vor. Bei der Endabrechnung des Klägers zog die Beklagte auch den auf die Zeit vom 16.Juni bis 31.Dezember 1988 entfallenden, bereits ausgezahlten Teil des Urlaubszuschusses in der Höhe von S 9.541,33 brutto vom Entgelt wieder ab. Es kann nicht festgestellt werden, ob dem Kläger bekannt war, daß diese Vorgangsweise auch für das Jahr 1988 vereinbart war.

Vom 1.September 1985 bis 31.August 1986 leistete der Kläger insgesamt 477 Überstunden und erhielt dafür ein Überstundenentgelt von S 81.817 brutto. Ab 1.September 1986 erbrachte der Kläger keine Überstunden mehr.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger durch die widersprochslose Hinnahme der Erklärung des Personalleiters Z*** und das Unterlassen eines Protestes gegen den Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 15.Juni 1988 der angebotenen einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses per

15. (richtig 16.) Juni 1988 schlüssig zugestimmt habe. Das Begehren auf Kündigungsentschädigung sei daher nicht berechtigt. Auch wenn der Kläger von der Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat über die vorzeitige Auszahlung des Urlaubszuschusses an die Langzeitkranken unter Vorbehalt der allfälligen Rückverrechnung nichts gewußt habe, müsse er diese Vereinbarung als zu seinen Gunsten geschlossen gegen sich gelten lassen. Es sei daher ohne Belang, daß kein Rückzahlungsgrund im Sinne des Art. XVII Z 8 des Kollektivvertrages vorliege.

Zufolge der Dienstzeit von mehr als 25 Jahren stehe dem Kläger eine Abfertigung in Höhe des Zwölffachen des für den letzten Monat des Arbeitsverhältnisses gebührenden Entgelts zu. Da der Krankenstand bei der Ermittlung der Abfertigung außer acht zu lassen sei, seien die vom Kläger vor Beginn des Krankenstandes geleisteten Überstunden in die Berechnung einzubeziehen. Eine Vereinbarung, daß die Abfertigung zum Ausgleich für die längere Beschäftigung ohne die Überstunden zu ermitteln sei, sei nicht getroffen worden. Demnach sei der vom Kläger geforderte Abfertigungsrest unter Bedachtnahme auf das von ihm im letzten Jahr vor Beginn des Krankenstandes erzielten Überstundenentgelt jedenfalls gerechtfertigt. Das Berufungsgericht bestätigte den dem Klagebegehren stattgebenden Teil des Urteils (restliche Abfertigung), wies das Begehren auf restlichen Urlaubszuschuß in Höhe von S 9.541,33 brutto sA ab und hob das Urteil hinsichtlich des Mehrbegehrens von S 42.509,32 brutto sA (Kündigungsentschädigung) ohne Rechtskraftvorbehalt auf. Es vertrat die Rechtsansicht, daß es zu keiner einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses gekommen sei, da die bloße Kenntnisnahme eines diesbezüglichen Anbots der Beklagten durch den Kläger nicht einer Zustimmung gleichzuhalten sei. Dieser habe das Schreiben der Beklagten vom 15.Juni 1988 vielmehr als einseitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses werten müssen. Es sei aber bisher nicht geprüft worden, ob der Kläger für die Zeit vom 17.Juni bis 29.Juli 1988 überhaupt noch einen Entgeltanspruch gehabt hätte, der als Kündigungsentschädigung im Sinne des § 1162 b ABGB fortgezahlt hätte werden müssen. Die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung des aliquoten Teils des Urlaubszuschusses ergebe sich unmittelbar aus Art. XVII Z 9 des Kollektivvertrags. An der Bezeichnung des vorzeitig gezahlten Urlaubszuschusses als "Vorschuß" sei für den Kläger erkennbar gewesen, daß bei seinem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Betrieb eine Rückverrechnung erfolgen werde. Für die Ermittlung der Abfertigung sei die Zeit vor dem Beginn des Krankenstandes des Klägers heranzuziehen. Die Beklagte habe weder behauptet, daß diese Überstunden nicht "regelmäßig" geleistet worden seien, noch daß der Kläger ohne Krankenstand keine Möglichkeit mehr gehabt hätte, weitere Überstunden zu leisten.

Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes richten sich die Revisionen beider Parteien. Der Kläger bekämpft die Abweisung seines Begehrens auf restlichen Urlaubszuschuß in Höhe von S 9.541,33 brutto sA, macht als Revisionsgrund unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne seines diesbezüglichen Begehrens. Die Beklagte ficht den Zuspruch der restlichen Abfertigung in Höhe von S 80.325,10 (richtig S 80.395,10) brutto sA an, führt als Revisionsgründe Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung aus und begehrt die Abänderung des Teilurteils im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung. Beide Parteien stellen hilfsweise Aufhebungsanträge und beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt; jener des Klägers kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Zur Revision des Klägers:

Art. XVII Z 8 des Kollektivvertrags bezieht sich nach dem klaren Wortlaut nur auf Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach Verbrauch eines Urlaubs und Erhalt des Urlaubszuschusses endete. Für den Kläger, der zufolge seines andauernden Krankenstandes keinen Urlaub verbrauchen konnte, gilt die Bestimmung des Art. XVII Z 6 und 9 des Kollektivvertrags, wonach der für das Kalenderjahr zustehende Urlaubszuschuß bei einem Nichtverbrauch des Urlaubs erst mit der Abrechnung für Dezember auszuzahlen ist. Da das Arbeitsverhältnis des Klägers vorher endete, hat er Anspruch auf den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses, entsprechend seiner im Jahre 1988 zurückgelegten Dienstzeit (je Woche 1/52). Soweit die Beklagte den ganzen Urlaubszuschuß bereits im Mai auszahlte, konnte der Kläger bereits aus der einschränkenden Bezeichnung der Leistung als "Vorschuß" auf dem Lohnzettel erkennen, daß die Beklagte den Fälligkeitszeitpunkt nicht vorverlegen wollte. Die Rückzahlungsverpflichtung des Klägers ergibt sich folglich, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, unmittelbar aus Art. XVII Z 9 des Kollektivvertrags, ohne daß es hiefür noch einer eigenen Regelung bedürfte. Eine Feststellung darüber, daß bei einem vorzeitigen Ausscheiden eines Arbeitnehmers keine Rückverrechnung erfolgen solle, haben die Vorinstanzen nicht getroffen. Die Beklagte behielt sich nach den Feststellungen vielmehr die Rückverrechnung des bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor dem Jahresende nicht gebührenden Anteils des Urlaubszuschusses vor.

Es ist somit auf Grund des maßgeblichen Sachverhalts weder davon auszugehen, daß die Beklagte die Fälligkeit des Urlaubszuschusses ohne Vorbehalt vorverlegt, noch daß sie in ständiger Übung auf eine Rückabwicklung verzichtet hätte. Sie ist daher entgegen dem der Entscheidung 9 Ob A 25-33/87 zugrundeliegenden Sachverhalt auch nicht zu Lasten des Klägers einseitig von einer bereits länger bestehenden betrieblichen Übung (§ 863 ABGB) abgegangen. Mangels jeglicher Behauptungen und diesbezüglichen Feststellungen war eine allfällige Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht zu prüfen.

Allerdings teilt der Urlaubszuschuß als Sonderzahlung das Schicksal der übrigen Ersatzansprüche aus der allenfalls vorzeitigen einseitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte. Da das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich dieser Ansprüche entgegen § 496 Abs.3 ZPO aufhob und einen - gerade hier wegen der umfassenden Anfechtungsmöglichkeit erforderlichen - Rechtskraftvorbehalt unterließ, kann noch nicht abschließend beurteilt werden, inwieweit dem Kläger eine Aliquotierung des Urlaubszuschusses auch für die Zeit bis zu dem durch eine ordnungsgemäße Kündigung herbeigeführten Vertragsende gebührt.

Zur Revision der Beklagten:

Nach Lehre und Rechtsprechung ist unter dem "für den letzten Monat gebührenden Entgelt" im Sinne des § 23 Abs.1 zweiter Satz AngG der Durchschnittsverdienst zu verstehen, der sich aus dem mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wenn auch nicht in jedem

Monat - wiederkehrenden Bezügen, aber auch aus in größeren Zeitabschnitten oder nur einmal im Jahr zur Auszahlung gelangenden Aushilfen, Anschaffungsbeiträgen, Urlaubsbeihilfen, Remunerationen, Zulagen, Bilanzgeldern usw. ergibt (Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4, 260; Martinek-Schwarz, Abfertigung und Auflösung des Arbeitsverhältnisses 330 f; Martinek-Schwarz, AngG6 194 f, 234 f, 454 ff; Arb. 9.159, 9.823, 9.999, 10.292; ZAS 1984/1; ZAS 1988/13 = RdW 1988, 139 ua). Zu diesem Durchschnittsverdienst gehören auch regelmäßig geleistete Überstunden (Schwarz-Löschnigg aaO;

Martinek-Schwarz, AngG6 456; ZAS 1988/13 = RdW 1988, 139;

9 Ob A 257/89 ua).

War der Arbeitnehmer infolge Krankheit gehindert, im letzten Monat des Arbeitsverhältnisses das ihm gebührende Entgelt zu verdienen, so kann dies die Bemessung der Abfertigung nicht beeinträchtigen. Es muß vielmehr auch dann, wenn der Arbeitnehmer kein Entgelt mehr bezog, weil seine Krankheit den Zeitraum überschreitet, für den ihm Entgelt gebührt, der Abfertigung rückblickend das Entgelt zugrundegelegt werden, das er bezogen hätte, wenn er an der Dienstleistung nicht verhindert gewesen wäre. Soweit in solchen atypischen Verdienstsituationen nicht jedes Entgelt gezahlt wird, welches bei voller Arbeitsleistung verdient worden wäre, wäre "Entgelt" kein geeigneter Gradmesser der Abfertigung (vgl. Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte 127 f; Martinek-Schwarz, Abfertigung - Auflösung des Arbeitsverhältnisses, 331; Martinek-Schwarz, AngG6 455; Arb. 6.857, 7.170).

Die Abfertigung als außerordentliches Entgelt aus Anlaß der Auflösung des Arbeitsverhältnisses dient zwar einerseits der Versorgung des Arbeitnehmers, weist aber auch Elemente einer Treueprämie auf, die dafür gewährt wird, daß der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber für längere Zeit zur Verfügung gestellt hat. Die Revisionswerberin übersieht in diesem Zusammenhang, daß der Kläger zufolge seiner langen Betriebszugehörigkeit die Abfertigung in voller Höhe bereits erdient (im Sinn einer Anwartschaft) hatte noch bevor er in den Krankenstand gehen mußte. Es widerspricht dem Sinn und Zweck der Abfertigung auch als einer Treueprämie, sie von Zufällen wie Erkrankung und dergleichen abhängig zu machen und sie zu versagen, wenn der Arbeitnehmer bei aufrechtem Arbeitsverhältnis wegen Krankheit nicht mehr in der Lage ist, sein bisheriges Entgelt zu erzielen. Auch hätten es Arbeitgeber, ganz allgemein und ohne Bezug auf das Verhalten der Beklagten, auf diese Weise durch Zuwarten mit der Kündigung in der Hand, die Höhe der Abfertigung eines Langzeitkranken allmählich zu vermindern. Um dem Entgeltbegriff des Angestelltengesetzes gerecht zu werden, muß dem Arbeitnehmer für den durch die Abfertigung gedeckten Zeitraum der zuletzt bezogene "Durchschnittsverdienst" gesichert werden. Wie die Vorinstanzen richtig erkannten, bezog aber der Kläger den letzten Durchschnittsverdienst vor dem Beginn seines Krankenstandes, wobei sich bei Leistung von Überstunden in verschiedenem Ausmaß ein Beobachtungszeitraum von einem Jahr als sachgerecht erweist (ZAS 1988/13 mwH). Der Einwand, der Kläger hätte keine "regelmäßigen" Überstunden geleistet, wurde in erster Instanz nicht erhoben und widerspricht den vorgelegten Lohnabrechnungen, wonach der Kläger im Jahr vor Beginn des Krankenstandes 477 Überstunden in monatlich wechselndem Ausmaß erbrachte. Überstunden müssen nicht in garantierter Periodizität geleistet werden; es genügt, daß sie innerhalb des Beobachtungszeitraums so verteilt sind, daß sich ihr regelmäßiger Charakter, das heißt die wenn auch nicht gleichmäßige Wiederholung innerhalb dieses Zeitabschnittes erkennen läßt (Arb. 9.874 = SZ 53/88).

Der Kläger hat daher Anspruch, daß seine vor Beginn des Krankenstandes geleisteten Überstunden, deren Entlohnung der Höhe nach im Rechtsmittelverfahren unbestritten ist, bei Ermittlung der Abfertigung berücksichtigt werden. Der erstgerichtliche Zuspruch ist jedoch auf den begehren Betrag von S 80.395,10 sA zu berichtigen, da es aus dem Vergleich mit der Abweisung des Mehrbegehrens, der Feststellung eines Überstundenentgelts von S 81.817 und der rechtlichen Beurteilung, dem Kläger stehe der geforderte Abfertigungsrest "jedenfalls" zu, eindeutig ist, daß der Zuspruch eines Betrages von lediglich S 80.325,10 brutto sA offenbar auf einem Schreibfehler beruht (vgl. Fasching ZPR Rz 1567). Die Kostenentscheidung ist in § 52 Abs.2 ZPO begründet.

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