VwGH Ro 2021/11/0005

VwGHRo 2021/11/000528.6.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl, die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Hainz‑Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des Bundesministers für Arbeit, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstr. 17‑19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Februar 2021, Zl. W211 2233997‑1/18E, betreffend Auskunftserteilung nach dem Auskunftspflichtgesetz iA Arbeitsmarktservicegesetz (mitbeteiligte Partei: M T, MSc, in Wien, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20/1/3), zu Recht erkannt:

Normen

AMSG 1994 §1 Abs1
AMSG 1994 §37b
AMSG 1994 §42 Abs1
AMSG 1994 §58 Abs1
AMSG 1994 §59
AMSG 1994 §59 Abs1
AMSG 1994 §59 Abs7
AuskunftspflichtG 1987
AuskunftspflichtG 1987 §1
AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1
AuskunftspflichtG 1987 §4
AVG §13 Abs8
AVG §56
AVG §59 Abs1
AVG §66 Abs4
B-VG Art17
B-VG Art20 Abs4
VwGG §42 Abs2 Z2
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28 Abs2
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021110005.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts aufgehoben.

Begründung

1 1.1. Mit E‑Mail an die belangte Behörde (damals: Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend), nunmehr auch Revisionswerber, vom 2. Juni 2020 stellte der Mitbeteiligte folgendes Begehren:

„Hiermit beantrage ich gemäß §§ 2, 3 AuskunftspflichtG die Namen aller Unternehmen die im Zuge der Covid 19 Pandemie Kurzarbeit beantragt haben und die jeweiligen Summen der bisher genehmigten Hilfen für jedes Unternehmen.

Für den Fall einer vollständigen oder teilweisen Nichterteilung der Auskunft (zB Verweigerung) beantrage ich die Ausstellung eines Bescheides gemäß § 4 AuskunftspflichtG ihres Ministeriums.“

2 1.2. Mit Bescheid des Revisionswerbers vom 3. Juli 2020 wurde dieses Auskunftsbegehren „abgewiesen“. Begründend führte der Revisionswerber aus, der Weitergabe der begehrten Daten stehe eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht, nämlich der Geheimhaltungsschutz nach § 1 Datenschutzgesetz entgegen. Dieser stehe jedermann, auch juristischen Personen zu. Ein‑Personen‑Unternehmen fielen überdies unter die Schutzbestimmungen der Datenschutz‑Grundverordnung. Eine Offenlegung der Daten bedürfe der Zustimmung der betroffenen Unternehmen, müsse in deren lebenswichtigem Interesse liegen oder bedürfe einer eigenen gesetzlichen Grundlage, welche nicht bestehe. Eine solche Grundlage stehe auch in einem Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Datenminimierung, da allgemeine, nicht‑personenbezogene Informationen und Auswertungen zu Höhe und Nutzung dieser Beihilfen für das öffentliche Interesse ausreichend wären. Die Inanspruchnahme der Kurzarbeitsbeihilfen sowie bewilligte und ausbezahlte Beträge ohne Personenbezug würden ohnedies veröffentlicht.

3 1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Schriftsatz vom 20. November 2020 „modifizierte“ der Mitbeteiligte sein Auskunftsbegehren vom 2. Juni 2020 wie folgt:

„Hiermit beantrage ich gemäß dem Auskunftspflichtgesetz (...) die Namen aller Unternehmen denen im Zuge der Covid‑19‑Pandemie Kurzarbeitsbeihilfen genehmigt wurden, sofern die Summe der pro Arbeitgeber genehmigten Kurzarbeitshilfen einen Betrag übersteigt, der höher als die untersten 10 % aller genehmigten Kurzarbeitshilfen ist, sowie die Summen der genehmigten Hilfen für diese Unternehmen.“

4 1.4. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde mit der Maßgabe statt, dass der Revisionswerber die beantragte Auskunft zu Unrecht verweigert habe, und zwar betreffend folgendes Auskunftsersuchen: „Die Namen aller Unternehmen, denen im Zuge der Covid 19‑Pandemie Kurzarbeitsbeihilfe genehmigt wurde, sofern die Summe der pro Arbeitgeber_in genehmigten Kurzarbeitsbeihilfen einen Betrag übersteigt, der höher als die untersten 10% aller genehmigten Kurzarbeitsbeihilfen ist, sowie die Summen der genehmigten Hilfen für diese Unternehmen.“ Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei.

5 Das Verwaltungsgericht stellte fest, die im Rahmen der COVID‑19‑Pandemie zur Verfügung gestellten Kurzarbeitsmodelle würden über das Arbeitsmarktservice (AMS) abgewickelt. Aus der Budgetübersicht 2021 des Bundesministeriums für Finanzen gehe hervor, dass für die COVID‑19‑Krisenbewältigung einschließlich Kurzarbeit für das Jahr 2020 20 Mrd. Euro und für das Jahr 2021 9,2 Mrd. Euro vorgesehen seien. Bis zum Stichtag 30. September 2020 seien 167.962 Anträge zur Kurzarbeit eingelangt, wovon 160.710 genehmigt worden seien. Davon seien 104.738 Betriebe mit einem Fördervolumen von 8,4 Mrd. Euro umfasst. Bis zum Stichtag 10. November 2020 seien für 105.114 Betriebe Kurzarbeitsbeihilfen genehmigt worden. Das AMS solle im Jahr 2021 ein Förderbudget von 4,5 Mrd. Euro bekommen, wovon ein Drittel für die COVID‑19‑Kurzarbeit, ein Drittel für das gewöhnliche Budget und ein Drittel als Reserve für eine allfällige COVID‑19‑bedingte Aufstockung der Kurzarbeitsbeihilfen vorgesehen seien. Der Mitbeteiligte sei als Journalist beim Österreichischen Rundfunk in Nachrichtenredaktionen tätig. Es sei dem Revisionswerber möglich, die ersuchten Daten beim AMS anzufragen und von diesem zu erhalten. Es werde um die Bekanntgabe von Unternehmensnamen und genehmigten Summen der COVID‑19‑Kurzarbeitsbeihilfen ersucht, wobei von dieser ‑ grundsätzlich vollständigen ‑ Liste die Namen jener Unternehmen, welche „die untersten 10% der Beihilfen“ genehmigt bekommen hätten, zu anonymisieren seien. Die Ermittlung dieser Daten stelle „für die belangte Behörde bzw. das AMS“ keinen solchen Aufwand dar, der diese bei der Wahrnehmung ihrer sonstigen Aufgaben beeinträchtigen würde.

6 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht zur Änderung des Auskunftsbegehrens während des Beschwerdeverfahrens aus, die Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichts sei damit begrenzt, dass es nur zu prüfen und festzustellen habe, ob der Revisionswerber die Auskunft zu Recht erteilt oder zu Unrecht nicht erteilt habe. Diese Prüfung habe unter Berücksichtigung des Auskunftsbegehrens zu erfolgen. Als Anträge im Sinn des AVG würden jene Anbringen gelten, die einen Rechtsanspruch auf ein Tätigwerden der Behörde auslösten. Anträge könnten auch auf die Erbringung einer faktischen Leistung, wie die Erteilung einer Auskunft, abzielen. Jedenfalls unterliege das Verfahren „im nunmehrigen Stadium“ im Rahmen des Verweises des § 17 VwGVG dem AVG, sodass dessen § 13 Abs. 8 zur Anwendung gelange. Das vom Mitbeteiligten im Beschwerdeverfahren modifizierte Begehren gehe nicht über die Sache der Verwaltungsangelegenheit hinaus, sondern stelle eine „Verkleinerung“ des ursprünglichen Begehrens dar, weil die angeforderte Auskunft eingeschränkt werde. Durch diese Antragsänderung würden weder die anzuwendende Rechtsgrundlage noch die Zuständigkeit der „Rechtsmittelinstanz“ geändert oder die Rechte Dritter stärker berührt.

7 Es bestehe eine sachliche Zuständigkeit des Revisionswerbers zur Auskunftserteilung und Bescheiderlassung (nach § 4 Auskunftspflichtgesetz). Das Fehlen einer solchen Zuständigkeit werde auch vom Revisionswerber nicht vorgebracht; vielmehr habe sich dieser in das Verfahren eingelassen. Nach der Anlage zu § 2 Bundesministeriengesetz umfasse der Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Arbeit die Angelegenheiten des Arbeitsmarktes und der Arbeitslosenversicherung. Der Vertreter des Revisionswerbers habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass die angeforderten Daten zwar beim AMS „liegen“ würden, der Revisionswerber die Daten aber im Wege der wahrzunehmenden Aufsicht anfragen könne, sodass grundsätzlich Zugang zu diesen Daten bestehe. Nach dem Arbeitsmarktservicegesetz ‑ AMSG unterliege das AMS in der Wahrnehmung behördlicher und nicht behördlicher Aufgaben dem Weisungsrecht des Revisionswerbers. Dieser habe dem AMS für die Durchführung der Arbeitsmarktpolitik allgemeine Zielvorgaben zu geben. Das AMS sei verpflichtet, dem Revisionswerber auf Verlangen alle für die Wahrnehmung der Aufsicht erforderlichen Auskünfte zu geben und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Im übertragenen Wirkungsbereich bestreite das AMS die Ausgaben der finanziellen Leistungen u.a. nach dem AMSG im Namen und auf Rechnung des Bundes. Der Jahresabschluss des AMS bedürfe der Genehmigung durch den Revisionswerber. Es bestehe daher kein Zweifel, dass das gegenständliche Auskunftsbegehren an den Revisionswerber „im Rahmen der Wahrnehmung [seines] Beteiligungsmanagements“ gestellt werden könne. Vor dem Hintergrund der Eigentümerstruktur und der Kontrollmechanismen im Verhältnis des Revisionswerbers zum AMS stelle die Beischaffung der vom Auskunftsbegehren erfassten Informationen keine „über die Auskunftspflicht hinausgehende Verwaltungstätigkeit“ dar.

8 In der Sache führte das Verwaltungsgericht aus, es stünden das Interesse eines Journalisten an der Auskunftserteilung für seine Recherchetätigkeit einerseits und die (datenschutzrechtlichen) Interessen der Fördernehmer an der Geheimhaltung von Unternehmensbezeichnungen und Beihilfenbeträgen andererseits einander gegenüber. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (Hinweis auf EGMR 8.11.2016, Magyar Helsinki Bizottsag, 18030/11) und des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 29.5.2018, Ra 2017/03/0083) gelangte das Verwaltungsgericht ‑ nach ausführlicher Abwägung ‑ zum Ergebnis, dass die Gefahr von Wettbewerbsnachteilen für die betroffenen Unternehmen durch die Übermittlung der begehrten Auskünfte nur gering sei, und das Interesse des Mitbeteiligten als Journalist an der Transparenz der Mittelvergabe zur Ermöglichung einer öffentlichen Diskussion im Kontext der außergewöhnlichen pandemiebedingten Situation und der Höhe der öffentlichen Mittel überwiege. Die Auskunftserteilung sei datenschutzrechtlich zur Wahrung der Interessen des Mitbeteiligten erforderlich und verhältnismäßig. Auch die Verschwiegenheitspflicht des Art. 20 Abs. 3 B‑VG stünde der Auskunftspflicht nicht entgegen. Durch die begehrte Information werde auch die Besorgung der übrigen Aufgaben des Revisionswerbers nicht wesentlich beeinträchtigt.

9 Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Antragsmodifikation im Beschwerdeverfahren in einer Angelegenheit nach dem Auskunftspflichtgesetz fehle. Auch fehle Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der im hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2018, Ra 2017/03/0083, aufgestellten Kriterien für die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Lichte der Geltung der DSGVO und zur Frage der Anwendung von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO auf die Verarbeitung durch den Revisionswerber.

10 1.5. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (Amts‑)Revision. Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 2.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit ‑ nach Wiederholung der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts ‑ vor, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO eine pauschale Interessenabwägung zulässig sei, oder ob der Verantwortliche diese Abwägung für jeden Einzelfall zu treffen habe. Die Rechtsfrage sei für die Entscheidung des Revisionsfalles insoweit von Bedeutung, als bei einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung angesichts der Vielzahl der betroffenen Unternehmen eine Auskunftserteilung die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung wesentlich beeinträchtigen würde, sodass die Auskunft schon nach § 1 Abs. 2 Auskunftspflichtgesetz nicht zu erteilen wäre.

13 Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Änderung des Auskunftsbegehrens im Beschwerdeverfahren nach dem Auskunftspflichtgesetz fehlt.

14 2.2.1. Art. 20 B‑VG lautet auszugsweise:

Artikel 20. (...)

(3) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist (Amtsverschwiegenheit). Die Amtsverschwiegenheit besteht für die von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionäre nicht gegenüber diesem Vertretungskörper, wenn er derartige Auskünfte ausdrücklich verlangt.

(4) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Die näheren Regelungen sind hinsichtlich der Organe des Bundes sowie der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache, hinsichtlich der Organe der Länder und Gemeinden sowie der durch die Landesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache, in der Ausführungsgesetzgebung und in der Vollziehung Landessache.“

15 2.2.2. Das Auskunftspflichtgesetz, BGBl. Nr. 287/1987 in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, lautet auszugsweise:

§ 1. (1) Die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

(2) Auskünfte sind nur in einem solchen Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Sie sind nicht zu erteilen, wenn sie offenbar mutwillig verlangt werden.

(...)

§ 4. Wird eine Auskunft nicht erteilt, so ist auf Antrag des Auskunftswerbers hierüber ein Bescheid zu erlassen. Als Verfahrensordnung, nach der der Bescheid zu erlassen ist, gilt das AVG, sofern nicht für die Sache, in der Auskunft erteilt wird, ein anderes Verfahrensgesetz anzuwenden ist.“

16 2.2.3. § 13 AVG lautet auszugsweise:

Anbringen

§ 13.

(...)

(8) Der verfahrenseinleitende Antrag kann in jeder Lage des Verfahrens bis zu einer allfälligen Schließung des Ermittlungsverfahrens (§ 39 Abs. 3) geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.“

17 2.2.4. Das Arbeitsmarktservicegesetz ‑ AMSG, BGBl. Nr. 313/1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 42/2021, lautet auszugsweise:

Arbeitsmarktservice

§ 1. (1) Die Durchführung der Arbeitsmarktpolitik des Bundes obliegt dem „Arbeitsmarktservice“. Das Arbeitsmarktservice ist ein Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit.

(...)

3. HAUPTSTÜCK

Finanzielle Leistungen

1. ABSCHNITT

Allgemeines

Arten der finanziellen Leistungen

§ 33. Finanzielle Leistungen des Arbeitsmarktservice sind:

1. (...)

2. Beihilfen nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 34 bis 38.

(...)

Beihilfen bei Kurzarbeit

§ 37b. (1) Kurzarbeitsbeihilfen können Arbeitgebern gewährt werden, die zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit Kurzarbeit für Arbeitnehmer durchführen, wenn

1. der Betrieb durch vorüber gehende nicht saisonbedingte wirtschaftliche Schwierigkeiten betroffen ist,

2. die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice rechtzeitig verständigt wurde und in einer zwischen dem Arbeitsmarktservice und dem Arbeitgeber erfolgenden Beratung, der vom Arbeitsmarktservice der Betriebsrat und die gemäß Z 3 in Betracht kommenden kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer beizuziehen sind, keine andere Lösungsmöglichkeit für die bestehenden Beschäftigungsschwierigkeiten gefunden wurde und

3. zwischen den für den Wirtschaftszweig in Betracht kommenden kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer unabhängig vom Bestehen eines Betriebsrates Vereinbarungen über die Leistung einer Entschädigung während der Kurzarbeit (Kurzarbeitsunterstützung) und die näheren Bedingungen der Kurzarbeit sowie die Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes getroffen werden.

(...)

(7) Wirtschaftliche Schwierigkeiten als Auswirkungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus (COVID‑19) sind vorübergehende nicht saisonbedingte wirtschaftliche Schwierigkeiten im Sinne des Abs. 1 Z 1. Die Richtlinie gemäß Abs. 4 kann für diese Fälle abweichend von Abs. 3 höhere Pauschalsätze vorsehen. Abweichend von Abs. 3 sind durch die Beihilfe auch die auf Grund der besonderen Beitragsgrundlage erhöhten Aufwendungen des Dienstgebers für die Beiträge zur Sozialversicherung abzugelten.

(...)

Aufgaben des Bundesministers für Arbeit

Aufgaben im behördlichen Verfahren

§ 58. (1) Soweit das Arbeitsmarktservice behördliche Aufgaben zu erfüllen hat, unterliegt es dem Weisungsrecht des Bundesministers für Arbeit.

(...)

Aufgaben im nichtbehördlichen Bereich

§ 59. (1) Soweit das Arbeitsmarktservice nichthoheitliche Aufgaben erfüllt, untersteht es der Aufsicht des Bundesministers für Arbeit.

(2) Der Bundesminister für Arbeit hat dem Arbeitsmarktservice für die Durchführung der Arbeitsmarktpolitik allgemeine Zielvorgaben zu geben. Soweit darin Grundsätze über den Einsatz finanzieller Leistungen gemäß dem 2. Teil, 3. Hauptstück enthalten sind, bedürfen diese des Einvernehmens mit dem Bundesminister für Finanzen. Der Bundesminister für Arbeit hat für die erforderlichen Grundlagen und Voraussetzungen für die Festlegung allgemeiner Zielvorgaben der Arbeitsmarktpolitik sowie für die Bekanntmachung der Schwerpunkte der allgemeinen Zielvorgaben in der Öffentlichkeit zu sorgen.

(3) Bei Ausübung der Aufsicht ist die Gesetzmäßigkeit und die Einhaltung der nach diesem Gesetz ergangenen Vorschriften (Zielvorgaben, Verordnungen, Richtlinien) einschließlich der Ausrichtung der Tätigkeiten und Leistungen des Arbeitsmarktservice auf die im Rahmen der Vollbeschäftigungspolitik der Bundesregierung zu verfolgende aktive Arbeitsmarktpolitik (§ 29) zu prüfen.

(4) Zur Prüfung gemäß Abs. 3 gehört auch die Beobachtung und Bewertung der Tätigkeiten und Leistungen des Arbeitsmarktservice hinsichtlich ihrer arbeitsmarktpolitischen Effizienz.

(5) In Ausübung der Aufsicht hat der Bundesminister für Arbeit bei Beschlüssen der Organe des Arbeitsmarktservice (§ 3), die im Widerspruch zur gesetzmäßigen Führung der Geschäfte stehen, den Verwaltungsrat unter Setzung einer angemessenen Frist aufzufordern, unverzüglich auf eine gesetzeskonforme Vorgangsweise hinzuwirken. Nach Ablauf dieser Frist geht die Kompetenz zur Vollziehung der entsprechenden Angelegenheit, ungeachtet der sich sonst aus dem Gesetz ergebenden Zuständigkeiten, auf den Verwaltungsrat über. Der Vollzug der Beschlüsse ist während dieser Frist ausgesetzt. Wenn während dieser Frist keine gesetzeskonforme Maßnahme durch das Arbeitsmarktservice gesetzt wird, hat der Bundesminister für Arbeit die gesetzwidrigen Beschlüsse aufzuheben.

(6) Nehmen Organe des Arbeitsmarktservice oder Mitglieder dieser Organe ihre in diesem Bundesgesetz festgelegten Pflichten nicht wahr, hat der Bundesminister für Arbeit den Verwaltungsrat aufzufordern, innerhalb einer kurzen, angemessenen Frist für die Setzung der unterlassenen Handlungen zu sorgen. Kommt der Verwaltungsrat diesem Verlangen innerhalb dieser Frist nicht nach, so hat der Bundesminister für Arbeit die unterlassenen Handlungen durchzuführen. Die Setzung der Nachfrist kann bei Gefahr im Verzug entfallen.

(7) Das Arbeitsmarktservice ist verpflichtet, dem Bundesminister für Arbeit auf Verlangen alle für die Wahrnehmung der Aufsicht erforderlichen Auskünfte zu geben und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

(8) Der Bundesminister für Arbeit kann sich bei Ausübung der Aufsicht erforderlichenfalls geeigneter externer Einrichtungen bedienen. Er hat auf Anregungen des Bundesministers für Finanzen betreffend die Aufsichtsführung Bedacht zu nehmen. Dadurch dürfen schutzwürdige Interessen Dritter im Sinne des § 1 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes nicht verletzt werden.

Prüfung durch den Rechnungshof und die Volksanwaltschaft

§ 60. (1) Die Gebarung des Arbeitsmarktservice unterliegt der Prüfung durch den Rechnungshof.

(2) Die Tätigkeit des Arbeitsmarktservice unterliegt der Prüfung durch die Volksanwaltschaft.

(...)“

18 2.3.1. In den Revisionsgründen wird u.a. vorgebracht, Gegenstand der Auskunftspflicht sei nur präsentes Wissen der Verwaltung. Informationen, die zum Zweck der Erfüllung der Auskunftspflicht erst beschafft werden müssten, fielen nicht unter das Auskunftspflichtgesetz. Um das Auskunftsbegehren des Mitbeteiligten beantworten zu können, hätte sich der Revisionswerber die Informationen erst vom AMS beschaffen müssen. Der Revisionswerber wickle die Kurzarbeitshilfe nicht selbst ab. Diese Aufgabe sei gemäß § 37b AMSG dem AMS übertragen. Dass der Revisionswerber gegenüber dem AMS Auskunfts- und Aufsichtsrechte habe, bedeute noch nicht, dass ihn Auskunftspflichten nach dem Auskunftspflichtgesetz betreffend die Abwicklung der Kurzarbeitshilfen träfen.

19 2.3.2. Mit diesem Vorbringen ist die Revision im Recht:

20 2.3.2.1. Die begehrten Auskünfte beziehen sich auf die Beantragung bzw. Gewährung von Kurzarbeitsbeihilfen in Zusammenhang mit der COVID‑19‑Pandemie.

21 Das AMS gewährt als finanzielle Leistungen Beihilfen (§ 33 Z 2 AMSG). Als eine Beihilfe zur Beschäftigungssicherung sieht § 37b AMSG Beihilfen bei Kurzarbeit vor. Kurzarbeitsbeihilfen können Arbeitgebern gewährt werden, die zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit Kurzarbeit für Arbeitnehmer durchführen, wenn u.a. der Betrieb durch vorübergehende nicht saisonbedingte wirtschaftliche Schwierigkeiten betroffen ist, wobei wirtschaftliche Schwierigkeiten als Auswirkungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus (COVID‑19) solche vorübergehende nicht saisonbedingte wirtschaftliche Schwierigkeiten sind (§ 37 Abs. 1 Z 1 und Abs. 7 AMSG).

22 2.3.2.2. Der Revisionswerber hat gemäß § 1 Abs. 1 Auskunftspflichtgesetz als Organ des Bundes Auskünfte über „Angelegenheiten seines Wirkungsbereiches“ zu erteilen. Die Auskunftspflicht besteht daher nur im Rahmen der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des jeweils befragten Organes (vgl. VwGH 31.3.2003, 2000/10/0052; 20.11.2020, Ra 2020/01/0239). Sie besteht gleichermaßen im Bereich der Hoheitsverwaltung wie in jenem der Privatwirtschaftsverwaltung (vgl. VwGH 13.9.1991, 90/18/0193; 29.3.2017, Ra 2017/10/0021).

23 Das Auskunftsbegehren betrifft die Beantragung bzw. Gewährung von Kurzarbeitsbeihilfen gemäß 37b AMSG, somit eine Aufgabe des AMS und nicht eine solche des Revisionswerbers. Dessen ungeachtet geht das Verwaltungsgericht von einer grundsätzlichen Verpflichtung des Revisionswerbers zur Auskunftserteilung bzw. zu deren bescheidmäßiger Verweigerung aus, weil es diesem möglich sei, die beantragten Auskünfte im Rahmen seiner Aufsichtsrechte vom AMS zu beschaffen.

24 Es kann dahinstehen, ob das Verwaltungsgericht mit der zuletzt genannten Annahme im Recht ist. Die Verwaltungsbehörden sind nach dem Auskunftspflichtgesetz nämlich nicht zur Beschaffung und Weitergabe von auch anders zugänglichen Informationen verhalten (vgl. VwGH 27.2.2013, 2009/17/0232, mwN).

25 2.3.2.3. Dem Mitbeteiligten wäre es aber möglich gewesen, die gegenständlichen Auskünfte direkt beim AMS zu begehren.

26 Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2018, Ro 2017/07/0026, ausgehend von der Überlegung, dass dem Auskunftspflichtgesetz kompetenzmäßig der organisatorische Organbegriff des zweiten Satzes des Art. 20 Abs. 4 B‑VG zu Grunde liegt, Folgendes ausgeführt:

„76 Art. 20 Abs. 4 B‑VG verpflichtet ‚alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betraute Organe‘ zur Auskunftserteilung. Art. 20 Abs. 4 B‑VG knüpft mit dieser Wendung in Satz 1 aber nicht an einen organisatorischen, sondern einen funktionellen Organbegriff an (Perthold‑Stoitzner, Die Auskunftspflicht der Verwaltungsorgane2, 90).

77 Damit werden nicht nur Organe, die organisatorisch den Gebietskörperschaften zuzurechnen sind und Verwaltungsaufgaben besorgen, zur Auskunftserteilung verpflichtet, sondern auch solche, die ohne organisatorisch in die Verwaltungsorganisation eingegliedert zu sein, mit der Besorgung von Verwaltungsaufgaben betraut sind, zur Auskunftserteilung nach Art. 20 Abs. 4 B‑VG verpflichtet. Eine ‚systematische Reduktion‘ des ersten Satzes des Art. 20 Abs. 4 B‑VG kommt wegen des erschließbaren Willens des historischen Gesetzgebers nicht in Betracht. Es ist davon auszugehen, dass dann, wenn der einfache Gesetzgeber (hier: des Bundes) erkannt hätte, dass er auch für die beliehenen und die sonstigen Körperschaften öffentlichen Rechts eine Regelung zu treffen gehabt hätte, er von dieser (durch Analogie anzunehmenden) Kompetenz auch Gebrauch gemacht und, weil Art. 20 Abs. 4 B‑VG die größtmögliche Einheitlichkeit der Vorschrift über die Auskunftspflicht zum Ziel hat, für diese die gleichen Regelungen getroffen hätte (vgl. VwGH 27.2.2009, 2008/17/0151).“

27 Auf Grundlage dieser Überlegungen hat der Verwaltungsgerichtshof die Anwendbarkeit des Auskunftspflichtgesetzes im hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2009, 2008/17/0151, auf die Finanzmarktaufsichtsbehörde, eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, und im hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2018, Ro 2017/07/0026, auf das Umweltbundesamt, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, bejaht.

28 Durch das AMSG wurde die Arbeitsmarktverwaltung des Bundes aus der staatlichen Verwaltung ausgegliedert und ihre Durchführung dem AMS übertragen (vgl. RV 1468 BlgNR 18. GP , 28). Das AMS ist ein Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit (§ 1 Abs. 1 AMSG). Die Ausgaben für finanzielle Leistungen nach diesem Bundesgesetz ‑ darunter die Kurzarbeitsbeihilfen gemäß § 37b AMSG ‑ bestreitet das AMS im Namen und auf Rechnung des Bundes (§ 42 Abs. 1 AMSG). Soweit das AMS behördliche Aufgaben zu erfüllen hat, unterliegt es dem Weisungsrecht des Bundesministers für Arbeit (§ 58 Abs. 1 AMSG). Soweit das AMS nichthoheitliche Aufgaben erfüllt, untersteht es der Aufsicht des Bundesministers für Arbeit (§ 59 Abs. 1 AMSG). Bei Ausübung der Aufsicht ist die Gesetzmäßigkeit und die Einhaltung der nach diesem Gesetz ergangenen Vorschriften einschließlich der Ausrichtung der Tätigkeiten und Leistungen des Arbeitsmarktservice auf die im Rahmen der Vollbeschäftigungspolitik der Bundesregierung zu verfolgende aktive Arbeitsmarktpolitik zu prüfen; dazu gehört auch die Beobachtung und Bewertung der Tätigkeiten und Leistungen des Arbeitsmarktservice hinsichtlich ihrer arbeitsmarktpolitischen Effizienz (§ 59 Abs. 3 und 4 AMSG). Das AMS ist verpflichtet, dem Bundesminister für Arbeit auf Verlangen alle für die Wahrnehmung der Aufsicht erforderlichen Auskünfte zu geben und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen (§ 59 Abs. 7 AMSG). Die Gebarung des AMS unterliegt der Prüfung durch die Volksanwaltschaft, seine Tätigkeit der Prüfung durch den Rechnungshof (§ 60 AMSG).

29 Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist aus den in den genannten hg. Erkenntnissen 2008/17/0151 und Ro 2017/07/0026 dargelegten und oben wiedergegebenen Erwägungen das Auskunftspflichtgesetz auch auf die Erteilung von Auskünften über Angelegenheiten des Wirkungsbereiches des AMS anwendbar.

30 2.3.2.4. Der Revisionswerber war daher schon deswegen nicht zur Erteilung der begehrten Auskünfte betreffend die Gewährung von Kurzarbeitsbeihilfen gemäß § 37b AMSG verpflichtet, weil der Mitbeteiligte diese Auskünfte nach dem Auskunftspflichtgesetz direkt beim AMS begehren könnte. Dadurch hat das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit belastet.

31 2.4.1. Die Revision bringt auch vor, dass das Verwaltungsgericht nicht über das erst im Beschwerdeverfahren geänderte Auskunftsbegehren entscheiden hätte dürfen. Auch damit ist die Revision im Recht:

32 2.4.2. Das Verwaltungsgericht sprach aus, der Revisionswerber habe die begehrte Auskunft zu Unrecht verweigert, und zwar hinsichtlich des im Beschwerdeverfahren geänderten Auskunftsbegehrens. Es begründete die Zulässigkeit einer Änderung des Auskunftsbegehrens in diesem Verfahrensstadium unter Verweis auf § 17 VwGVG iVm. § 13 Abs. 8 AVG.

33 2.4.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Antragsänderung (im Sinn des § 13 Abs. 8 AVG) auch im Berufungsverfahren grundsätzlich zulässig, allerdings zieht § 66 Abs. 4 AVG solchen Projektmodifikationen engere Grenzen als der bloß auf das Wesen der Sache abstellende § 13 Abs. 8 AVG. So ist die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG auf die „Sache“ des erstinstanzlichen Verfahrens beschränkt (vgl. zu allem den ‑ zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichte erster Instanz ergangenen ‑ Beschluss VwGH 18.8.2017, Ro 2015/04/0006, mwN). Da die Verwaltungsgerichte funktionell an die Stelle der Berufungsbehörden getreten sind, die sie insofern abgelöst haben, gilt dies gleichermaßen für Antragsänderungen im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 31.1.2019, Ra 2018/22/0086, mwN). So hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit Anlagenverfahren ausgesprochen, dass Modifikationen eines Projektes grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren zulässig sind, allerdings nur so weit, als nicht der Prozessgegenstand, der den Inhalt des Spruches des verwaltungsbehördlichen Bescheides dargestellt hat, ausgewechselt wird (vgl. VwGH 28.4.2021, Ra 2019/04/0027, mwN).

34 Für das Auskunftsverweigerungsverfahren ergeben sich in diesem Zusammenhang allerdings Besonderheiten, die mit der Sache des Verfahrens vor der Behörde und dem Verwaltungsgericht zusammenhängen. Mit einem Auskunftsverweigerungsbescheid gemäß § 4 Auskunftspflichtgesetz wird ausschließlich über die Frage abgesprochen, ob ein subjektives Recht des Auskunftswerbers auf Erteilung der begehrten Auskunft besteht oder nicht (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2017/02/0141, Rn 30, mwN). Liegen die Voraussetzungen für die Erteilung der Auskunft nicht vor, ist Inhalt der Entscheidung der Behörde der Ausspruch, dass die Auskunft verweigert wird (vgl. VwGH 24.5.2018, Ro 2017/07/0026, Rn 43, mwN).

35 Da der erteilten Auskunft als bloßer Wissenserklärung kein Bescheidcharakter zukommt, kann eine Auskunft selbst nicht Gegenstand des in der Sache zu treffenden Spruchs des Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichts sein. Das Verwaltungsgericht ist allein zu der spruchmäßigen Feststellung zuständig, dass die mit einem Auskunftsbegehren befasste Behörde eine Auskunft zu Recht oder zu Unrecht verweigert hat. Gelangt das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass die belangte Behörde die Auskunft zu Unrecht verweigert hat, so kann es lediglich diesen (feststellenden) Ausspruch treffen (vgl. VwGH 13.9.2016, Ra 2015/03/0038, Rn 41, mwN; 24.5.2018, Ro 2017/07/0026, Rn 39).

36 „Sache“ des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist daher allein die Frage, ob die mit einem Auskunftsbegehren befasste belangte Behörde eine Auskunft zu Recht oder zu Unrecht verweigert hat (vgl. VwGH 20.11.2020, Ra 2020/01/0239, Rn 61 f). Damit wäre aber eine Änderung jenes Auskunftsbegehrens, welches dem Auskunftsverweigerungsbescheid gemäß § 4 Auskunftspflichtgesetz zu Grunde liegt, im Beschwerdeverfahren nicht vereinbar. Eine solche Änderung ist daher vom Verwaltungsgericht nicht mehr zu berücksichtigen.

37 2.4.4. Das Verwaltungsgericht hätte daher seiner Entscheidung, die Revisionswerberin habe die beantragte Auskunft zu Unrecht verweigert, das erst im Beschwerdeverfahren geänderte Auskunftsbegehren nicht zu Grunde legen dürfen. Dadurch hat es die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten.

38 2.5. Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen vorrangig wahrzunehmender Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Wien, am 28. Juni 2021

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