VwGH Ro 2020/13/0005

VwGHRo 2020/13/000511.6.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der “Z“ GmbH in E, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Laudongasse 25, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 17. Dezember 2019, Zl. RV/7103868/2017, betreffend u.a. Wiederaufnahme (Umsatzsteuer 2010 und 2012, Körperschaftsteuer 2010 und 2012), Umsatzsteuer 2010, 2012 und 2013, Körperschaftsteuer 2010, 2012, 2013 und 2014, Haftung für Kapitalertragsteuer 2010, 2012 und 2013, sowie Anspruchszinsen 2010 bis 2013, den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §184
BAO §269 Abs2
BAO §280 Abs1 lite
BAO §93 Abs2
BAO §93 Abs3 lita
B-VG Art133 Abs4
EStG 1988 §27 Abs1
EStG 1988 §93 Abs1
EStG 1988 §93 Abs2
EStG 1988 §95
KStG 1988 §8 Abs2
UStG 1994 §12 Abs1 Z1
VerfGG 1953 §82 Abs1
VwGG §25a Abs1
VwGG §26 Abs1
VwGG §34 Abs1a
VwGG §41
VwRallg
62020CO0108 Finanzamt Wilmersdorf VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020130005.J00

 

Spruch:

1. Die Revision wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag, „der revisionswerbenden Partei die Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshof‑Revision und Verfassungsgerichtshofbeschwerde um 6 Wochen zu bewilligen“, wird zurückgewiesen.

3. Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Eingangs ist zu bemerken, dass die revisionswerbende Partei, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, im Rahmen des bisherigen Verfahrens zum Teil als Z BF GmbH bezeichnet wurde (so etwa auch im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung); zum Teil wurde sie aber auch bereits in diesem Bericht (etwa zu Tz 6) mit dem richtigen Namen ‑ „Z“ BF‑Vertriebs GmbH ‑ bezeichnet.

2 Im Bericht über das Ergebnis der u.a. Umsatzsteuer, Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer für die Jahre 2010 bis 2013 umfassenden Außenprüfung vom 15. Jänner 2016 wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Revisionswerberin habe in den Jahren 2010 bis 2013 sieben Subfirmen beauftragt, welche vom Finanzamt als Firmen eingestuft würden, die Schein‑ bzw. Deckungsrechnungen ausstellten. Die Revisionswerberin habe im Prüfungszeitraum über kein eigenes Personal verfügt; für alle ausgeführten Arbeitsleistungen hätten Subunternehmen beauftragt werden müssen. Im Zuge der umfangreichen Ermittlungen sei festgestellt worden, dass es sich bei den von der Revisionswerberin vorgelegten Dienstnehmeranmeldungen der Subfirmen bei der Gebietskrankenkasse um Fälschungen handle. Entweder habe es die angegebenen Personen überhaupt nicht gegeben oder es seien diese Personen nie für die angeführten Subunternehmen tätig gewesen. Es seien ‑ als Stichprobe ‑ fünf Personen, welche als Dienstnehmer der Subunternehmen ausgegeben worden seien, als Zeugen befragt worden. Alle hätten angegeben, dass sie weder die Revisionswerberin, deren Auftraggeber, noch die Subfirmen selbst gekannt hätten. Auch die Arbeitsaufzeichnungen hätten sich als Fälschungen erwiesen. Es seien auch die Auftraggeber der Revisionswerberin kontrolliert worden. Auch dabei habe nicht festgestellt werden können, welche Arbeitnehmer die Tätigkeiten ausgeführt hätten. Es sei von allen Auftraggebern bekannt gegeben worden, dass die Personen nicht überprüft worden seien. Unterschriften auf den Belegen stimmten nicht mit den Musterzeichnungen der Zeichnungsberechtigten überein; der Prokurist der Revisionswerberin habe erklärt, er habe die Unterschriften nicht verglichen. Bei einigen Rechnungen von mehreren Subunternehmern sei dieselbe Bankverbindung angeführt worden, obwohl es sich um voneinander unabhängige Unternehmen handelte.

3 Es sei insgesamt davon auszugehen, dass jeweils nicht das in den Rechnungen ausgewiesene Unternehmen die Leistungen ausgeführt habe. Die insoweit geltend gemachte Vorsteuer sei „zu streichen“, da die Revisionswerberin unter Einhaltung der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmannes hätte wissen müssen, dass es sich um Rechnungen im Zusammenhang mit Umsatzsteuerbetrug gehandelt habe. Überdies seien die Leistungen unrichtig beschrieben. Weiters stimme der jeweilige Rechnungsaussteller nicht mit dem Leistungserbringer überein.

4 Die Revisionswerberin habe bei den sieben Subfirmen niemals den „Firmenort“ aufgesucht. Es seien die gefälschten Dienstnehmeranmeldungen der Subunternehmer vorgelegt worden. Es seien gefälschte Arbeitsaufzeichnungen der Subunternehmer vorgelegt worden. Mehrere Eingangsrechnungen wiesen ein nahezu gleiches Aussehen im Schriftbild auf; fremde Firmen verwendeten teilweise dieselben Kontonummern. Es sei zum überwiegenden Teil bar bezahlt worden, ohne die Identität des Bargeldempfängers zu überprüfen. Die Unterschriften laut Zahlungsbelegen seien nicht kontrolliert worden. Die Häufigkeit der Geschäftsverbindung mit derartigen Scheinunternehmen lasse auf ein wissentliches Mitwirken des Geschäftsführers und des Prokuristen schließen. Die Betriebsprüfung gehe davon aus, dass die Arbeiten nicht von den Subunternehmen laut Eingangsrechnungen, sondern von eigenen, nicht gemeldeten Arbeitern oder von unbekannten Subunternehmen ausgeführt worden seien. Gemäß § 184 Abs. 2 BAO würden lediglich 50% der geltend gemachten Betriebsausgaben im Schätzungswege im Zusammenhang mit den angeführten Subfirmen anerkannt. Die Rechnungen der Subfirmen dienten lediglich zur Geltendmachung überhöhter Betriebsausgaben.

5 Die sich aus der Nichtanerkennung der Betriebsausgaben ergebenden Mehrgewinne, die in den Büchern nicht erfasst worden seien, begründeten eine verdeckte Gewinnausschüttung an den Gesellschafter‑Geschäftsführer PS. Die Kapitalertragsteuer werde der abzugsverpflichteten Revisionswerberin vorgeschrieben.

6 Die Revisionswerberin habe Leistungen an einen Kunden (B GmbH) erbracht. Bei diesen Leistungen handle es sich um solche, bei denen laut Schrott‑Umsatzsteuerverordnung die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergehe. Die in Rechnung gestellte Steuer werde jedoch gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1994 geschuldet.

7 Das Finanzamt nahm mit Bescheiden vom Jänner und Februar 2016 u.a. die Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 2010 und 2012 sowie betreffend Umsatzsteuer 2010 und 2012 gemäß § 303 BAO wieder auf und setzte diese Abgaben neu fest. Weiters setzte das Finanzamt Körperschaftsteuer 2013 und 2014 sowie Umsatzsteuer 2013 fest. Auch wurden Anspruchszinsen betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 2010, 2011, 2012 und 2013 festgesetzt. Schließlich wurde die Revisionswerberin als zum Abzug Verpflichtete zur Haftung für Kapitalertragsteuer für den Zufluss von Kapitalerträgen an PS für die Jahre 2010, 2012 und 2013 herangezogen. Begründend wurde jeweils auf den Bericht vom 15. Jänner 2016 verwiesen. In den Bescheiden wurde die Revisionswerberin jeweils als Z BF GmbH bezeichnet.

8 Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Beschwerden. Darin beantragte sie jeweils, das Bundesfinanzgericht möge über diese Beschwerden eine mündliche Verhandlung durchführen und die Entscheidung durch den Senat fällen.

9 Mit Beschwerdevorentscheidungen vom Februar 2017 und April 2019 ‑ gerichtet an die Z BF GmbH, zum Teil an die Z B GmbH „bzw.“ Z BF‑Vertriebs GmbH ‑ wies das Finanzamt die Beschwerden als unbegründet ab.

10 Die Revisionswerberin beantragte die Entscheidung über die Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht, „jeweils durch den Senat“.

11 Mit Eingabe per Telefax vom 22. November 2019 erklärte die Revisionswerberin, auf die Entscheidung durch den Senat zu verzichten.

12 Mit Verfügung vom 27. November 2019 verlangte die Einzelrichterin die Entscheidung durch den Senat. Der Entscheidung komme, was die Beschwerde gegen die Umsatzsteuer-Bescheide betreffe, nach Ansicht der Richterin grundsätzliche Bedeutung zu, weil zu der aus der Judikatur des EuGH abgeleiteten Rechtsansicht, dass es für die Verweigerung des Vorsteuerabzuges bei Erfüllung der materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges eines Nachweises einer tatsächlich stattgefundenen Abgabenverkürzung in der Leistungskette sowie eines Nachweises der Kenntnis bzw. der „unverschuldeten“ Unkenntnis davon bedürfe, soweit ersichtlich keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gebe. Zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens, insbesondere im Hinblick auf den bereits eingebrachten Fristsetzungsantrag der Revisionswerberin (Fr 2019/13/0002), erscheine die Verbindung der Beschwerde betreffend Umsatzsteuer mit den übrigen Beschwerden als zweckmäßig.

13 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht ‑ nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung ‑ durch einen Senat (§ 272 Abs. 2 BAO) (u.a.) die Beschwerde betreffend Wiederaufnahme der Verfahren (Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer für die Jahre 2010 und 2012), Umsatzsteuer 2010, 2012 und 2013, Körperschaftssteuer 2014 sowie Anspruchszinsen für die Jahre 2010, 2011, 2012 und 2013 als unbegründet ab. Betreffend Körperschaftsteuer 2010, 2012 und 2013 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer 2010, 2012 und 2013 änderte das Bundesfinanzgericht die Bescheide ab und verwies zu den Bemessungsgrundlagen sowie zur Höhe der Abgaben auf der Ausfertigung angeschlossene Berechnungsblätter bzw. die Begründung des Erkenntnisses. Es sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei. Die revisionswerbende Partei wird im Kopf dieser Entscheidung bezeichnet mit „Z“ BF‑Vertriebs GmbH.

14 Nach ausführlicher Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht ‑ nach Darlegung des Verlangens der Einzelrichterin ‑ aus, der Senat sei diesem Verlangen gefolgt und habe den Beschluss gefasst, über die Beschwerdesachen im Senat zu entscheiden.

15 Zur Wiederaufnahme führte das Bundesfinanzgericht zusammengefasst aus, erst im Zuge der Außenprüfung sei hervorgekommen, dass die Revisionswerberin mit den ‑ von ihr selbst als Betrugsunternehmen bezeichneten ‑ Gesellschaften Geschäftsbeziehungen unterhalten habe. Die Außenprüfung sei damit zu Recht davon ausgegangen, dass die rechnungsausstellenden Firmen nicht die wahren Leistungserbringer und die wahren Empfänger der von der Revisionswerberin abgesetzten Beträge gewesen seien. Das Finanzamt habe daher zu Recht die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2010 und 2012 verfügt.

16 Das Bundesfinanzgericht legte sodann im Einzelnen dar, aus welchen Gründen von der Revisionswerberin beantragte Beweismittel nicht aufzunehmen gewesen seien.

17 Nach umfangreicher Schilderung von konkreten Erhebungsergebnissen zu den Subunternehmen führte das Bundesfinanzgericht zusammenfassend aus, die genannten Gesellschaften seien an den angegebenen Firmenadressen unbekannt gewesen, die Geschäftsführer seien nie in Österreich gemeldet gewesen, Unterlagen über die Geschäftsbeziehungen seien nicht vorgelegt worden, die Zahlungsempfänger seien unbekannt geblieben (Unterschriften auf den Barzahlungsbelegen seien unleserlich und stimmten nicht mit den Musterfirmazeichnungen der Geschäftsführer überein). Es sei daher der Schluss zu ziehen, dass es sich bei den angeführten Unternehmen um Scheinunternehmen gehandelt habe, die keinerlei Leistungen erbracht hätten und nur zum Zweck des Abgaben- und Sozialbetruges gegründet worden seien. Es sei daher davon auszugehen, dass die in den Rechnungen angeführten Arbeiten durch eigene Schwarzarbeiter oder durch unbekannte Dritte geleistet worden seien.

18 Zur Verweigerung des Vorsteuerabzuges führte das Bundesfinanzgericht aus, die vom Geschäftsführer und Prokuristen der Revisionswerberin geschilderten Umstände von der Entstehung der Geschäftsbeziehung bis zur Auftragsvergabe und Auftragsabwicklung bzw. Überprüfung hätten bei einem die erforderliche Sorgfalt an den Tag legenden Unternehmer massive Zweifel an der Seriosität der genannten Gesellschaften aufkommen lassen müssen. Ein Ansprechen auf Baustellen oder in einer (vom Prokuristen der Revisionswerberin geführten) Videothek von bis zu diesem Zeitpunkt nicht näher bekannten Unternehmen lasse eine Sorglosigkeit der Revisionswerberin erkennen, wenn diese sich auf derartige Geschäftsbeziehungen einlasse. Bei Anwendung der gebotenen unternehmerischen Sorgfalt hätten der Revisionswerberin zumindest Zweifel an der Seriosität der Auftragnehmer kommen müssen und hätten diese Bedenken Anlass für weitere Überprüfungen sein müssen. Die Revisionswerberin könne sich daher nicht auf ihre Gutgläubigkeit berufen. Im Hinblick auf die allgemein seit Jahrzehnten bekannte Betrugsanfälligkeit im Mehrwertsteuerbereich im Allgemeinen und im Bau‑ und Baunebengewerbe und Personalgestellungsbereich im Besonderen könne sich die Revisionswerberin auch nicht allein auf Firmenbucheintragungen und vergebene Umsatzsteuer‑Identifikationsnummern stützen, sondern hätte sie sich gerade bei nicht langjährig etablierten und allgemein bekannten Unternehmen, die noch dazu eigeninitiativ und unaufgefordert ihre Dienste anböten, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmers zu überzeugen gehabt, dass der Auftragnehmer nicht wie jemand agiere, der auf Grund seiner Vorgangsweise den begründeten Verdacht einer abgabenrechtlichen und einer damit meist verbundenen sozialversicherungs‑ und oft auch arbeitsrechtlichen Unredlichkeit erwecke. Für ein wissentliches Mitwirken an Leistungsbeziehungen mit Sozialbetrugsfirmen spreche im Übrigen auch die Häufigkeit der Geschäftsbeziehungen mit derartigen Unternehmen.

19 Auch das persönliche Überbringen von Rechnungen und das Kassieren von nicht als bloß geringfügig zu bezeichnenden Bargeldbeträgen ‑ die Rechnungssummen hätten sich zwischen 8.000 € und 70.000 € bewegt ‑ an Ort und Stelle könne nicht als branchenüblich bezeichnet werden, sondern runde eine derartige Vorgehensweise das Gesamtbild ab. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sei festzuhalten, dass das Handeln der Revisionswerberin nicht jenem eines sorgfältigen Unternehmers entspreche.

20 Zur Körperschaftsteuer führte das Bundesfinanzgericht aus, nach dem Ergebnis der Beweiswürdigung bestünden keine Zweifel daran, dass es sich bei den betreffenden Rechnungen um Scheinrechnungen handle. Aufgrund der Umstände des Falles könne nicht angenommen werden, dass die von der Revisionswerberin für die Inanspruchnahme von Fremdpersonal entstandenen Aufwendungen den von den diversen Fremdfirmen in Rechnung gestellten Beträgen entsprächen. Das Finanzamt habe angesichts der vorliegenden Sachverhaltskonstellation davon auszugehen gehabt, dass der von der Revisionswerberin tatsächlich verausgabte Aufwand für Fremdpersonal geringer gewesen sei als in den strittigen Rechnungen ausgewiesen. Es habe daher die Berechtigung und Verpflichtung bestanden, die Höhe der als Betriebsausgaben abzugsfähigen Aufwendungen gemäß § 184 BAO zu ermitteln. Das Finanzamt sei dabei zum Ergebnis gelangt, dass 50% der in den Rechnungen ausgewiesenen Kosten als Betriebsausgaben zu berücksichtigen seien. Dieser Prozentsatz entspreche der von Erfahrungswerten gestützten, langjährigen Entscheidungspraxis, welche ihre Begründung im Wesentlichen darin finde, dass der ausbezahlte Nettolohn wegen der darauf entfallenden Lohnsteuer, Sozialversicherungsbeiträge, Dienstgeberbeiträge, Dienstgeberzuschläge etc. regelmäßig nur knapp die Hälfte der insgesamt anfallenden Lohnkosten ausmache, Schwarzarbeitern regelmäßig nicht die Bruttolöhne zuzüglich Nebenkosten ausbezahlt würden und Schein‑ bzw. Deckungsrechnungen üblicherweise überhöht ausgestellt würden.

21 An der tatsächlichen Erbringung der Leistungen bestehe kein Zweifel, zumal die Revisionswerberin die in den strittigen Rechnungen ausgewiesenen Kosten mit einem Gewinnaufschlag von 10% an ihre Auftraggeber weiterverrechnet habe und diese die Erbringung der Leistungen auch bestätigt hätten. Wenn man diesen Aussagen Glauben schenke, wäre der Revisionswerberin bei einem Gewinnaufschlag von 10% und einer Betriebsausgabenkürzung von 50% ein Gewinn von 60% verblieben, was im Hinblick auf die in den Rechnungen ausgewiesenen Regiestundensätze nicht plausibel erscheine, zumal diese keineswegs als überhöht, sondern vielmehr als zu niedrig anzusehen seien. Dies würde allerdings wiederum den Schluss zulassen, dass derartige Stundensätze den gravierenden Verdacht bestätigten, dass diese nur unter Verstoß gegen zwingende abgaben‑ und sozialversicherungsrechtliche Vorschriften sowie zwingende arbeitsrechtliche Vorschriften von einem Unternehmer angeboten werden könnten.

22 Aus den Rechnungen gehe hervor, dass ein Regiestundensatz Facharbeiter von 27,60 € angesetzt worden sei. Die Kollektivvertragsstundenlöhne für Bauindustrie und Baugewerbe für Facharbeiter hätten 12,80 € (2010), 13,73 € (2012) und 14,16 € (2013) betragen. Branchenüblich erfolge eine Schnellberechnung der Regiezuschläge durch Multiplikation des kollektivvertraglichen Lohnes mit dem Faktor 2,5. Ein seriöser Unternehmer hätte daher in den Streitjahren wenigstens mit Regiestundensätzen von 44 € bis 50 € für Facharbeiter kalkulieren müssen. Anzumerken sei allerdings, dass die Arbeitskosten in den Euro-Krisenstaaten besonders niedrig gewesen seien (z.B. Ungarn 2011: 7,60 €). Dies sei hervorzuheben, da nicht aufgeklärt habe werden können, welche Personen tatsächlich auf den Baustellen bzw. Deponien tätig geworden seien.

23 Es erscheine dem Senat sachgerecht, die Schätzung insoweit abzuändern, als mit einer Kürzung der geltend gemachten Betriebsausgaben von 30% das Auslangen gefunden werden könne.

24 Von der Beiziehung des von der Revisionswerberin beantragten Bausachverständigen habe abgesehen werden können, zumal die Normallöhne am Markt für die betroffenen Leistungen in den Streitjahren sowie diesbezügliche Kalkulationstools diversen Internetportalen entnommen werden konnten. Auch ein Bausachverständiger wäre aufgrund des fehlenden Nachweises und der fehlenden Nachvollziehbarkeit der konkret erbrachten Leistungen zu keinen genaueren Ergebnissen gekommen.

25 Die Körperschaftsteuerbescheide 2010, 2012 und 2013 seien daher im Hinblick auf die geänderte Kürzung der Betriebsausgaben ‑ wie näher dargelegt ‑ abzuändern gewesen.

26 Zur Kapitalertragsteuer führte das Bundesfinanzgericht aus, die Beauftragung der genannten Gesellschaften sei nur vorgetäuscht worden; die Arbeiten seien durch eigene nicht angemeldete (und deshalb billigere) Arbeitskräfte bzw. unbekannte Subfirmen ausgeführt worden. Es liege daher ein Mehrgewinn vor, der im Betriebsvermögen der Revisionswerberin keinen Niederschlag gefunden habe. Im Rahmen der Gewinnermittlung einer Kapitalgesellschaft zugerechnete Mehrgewinne seien in der Regel als den Gesellschaftern zugeflossen zu werten. Mit der bloßen Vorlage von Barzahlungsbelegen, aus denen mangels Lesbarkeit der Unterschriften nicht hervorgehe, wer diese Gelder erhalten habe, sei kein Beweis erbracht worden, dass die ausgewiesenen Rechnungsbeträge tatsächlich die Sphäre der Revisionswerberin verlassen hätten und nicht für eine verdeckte Ausschüttung an den Gesellschafter zur Verfügung gestanden wären.

27 Es sei dem Senat nicht erkennbar, warum die Beträge ‑ wie von der Revisionswerberin geltend gemacht ‑ dem Prokuristen zugerechnet werden sollten. Der Geschäftsführer selbst habe keinerlei Zweifel an der Seriosität des Prokuristen gehabt; die angeblichen Zahlungen seien auch nicht über eine betriebliche Kassa oder ein betriebliches Bankkonto, sondern ausschließlich über das Verrechnungskonto des Geschäftsführers abgewickelt worden.

28 Die Kapitalertragsteuer sei im Zeitpunkt des Zufließens von Kapitalerträgen abzuziehen. Die Eingangsrechnungen eines Subunternehmers seien zwar im Wirtschaftsjahr 2010 verbucht worden, die diesen Rechnungen zuordenbaren Barzahlungen seien aber im Jahr 2011 erfolgt. Damit sei hinsichtlich dieser Rechnungen der Zufluss der verdeckten Ausschüttung im Jahr 2011 gelegen, weshalb auch für diese Ausschüttung die Kapitalertragsteuer mit dem Haftungsbescheid für das Jahr 2011 vorzuschreiben gewesen wäre. Entsprechend der Korrektur der Betriebsausgabenkürzung (lediglich 30%) seien auch die Haftungsbescheide betreffend Kapitalertragsteuer abzuändern gewesen.

29 Nach Ansicht der Außenprüfung seien die an die B GmbH erbrachten und fakturierten Leistungen als unter die Schrott-Umsatzsteuerverordnung (BGBl. II Nr. 129/2007 idF BGBl. II Nr. 320/2012) fallend zu beurteilen. Die Steuerschuld gehe folglich auf die Leistungsempfängerin über, die Revisionswerberin schulde die Umsatzsteuer gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1994. Feststellungen darüber, dass die Revisionswerberin diese ‑ laut Ansicht der Außenprüfung ‑ zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt habe, habe die Außenprüfung nicht getroffen. Die Außenprüfung habe hiezu an das für die B GmbH zuständige Finanzamt eine Kontrollmitteilung übermittelt. Im Anschluss an eine dort durchgeführte Betriebsprüfung seien die von der B GmbH von den Eingangsrechnungen der Revisionswerberin geltend gemachten Vorsteuern aberkannt worden.

30 Es sei auf die ständige Rechtsprechung des VwGH und des EuGH hinzuweisen, wonach ohne konkrete Anhaltspunkte und Nachweise zu einer erfolgten Steuerhinterziehung oder Beteiligung an dieser, bei der es zu einer Schädigung des Staatshaushaltes komme, es aufgrund des zu wahrenden „Verhältnisgrundsatzes“ bei Erfüllung der materiellen Voraussetzungen des Mehrwertsteuer‑Vorteiles zu keiner Durchbrechung des Neutralitätsprinzips und zur Versagung des Abzuges der Steuer im Reverse‑Charge‑System kommen könne.

31 Im Ergebnis habe die Außenprüfung die mit 20% zu besteuernden Umsätze gekürzt und die ohnehin unstrittig von der Revisionswerberin abgeführte Umsatzsteuer unter „Umsatzsteuer kraft Rechnungslegung“ ausgewiesen. Vor dem Hintergrund der genannten Rechtsprechung (der Revisionswerberin werde keine missbräuchliche Rechnungsausstellung im Sinne einer Umsatzsteuerbetrugsabsicht unterstellt; es sei auch zu keiner Gefährdung des Steueraufkommens gekommen) könne es dahingestellt bleiben, wie die erbrachten Leistungen konkret einzuordnen gewesen seien, zumal diese Feststellungen der Außenprüfung zu keiner Steuernachforderung geführt hätten.

32 Ein Bescheid über Anspruchszinsen sei an die im Spruch des zur Nachforderung oder Gutschrift führenden Bescheides ausgewiesene Nachforderung beziehungsweise Gutschrift gebunden. Wegen dieser Bindung sei der Anspruchszinsenbescheid nicht mit der Begründung anfechtbar, der maßgebende Körperschaftsteuerbescheid sei inhaltlich rechtswidrig. Erweise sich der genannte Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig und werde er entsprechend abgeändert (oder aufgehoben), so werde diesem Umstand mit einem an den Abänderungsbescheid gebundenen Zinsenbescheid Rechnung getragen. Es erfolge keine Abänderung des ursprünglichen Zinsenbescheides.

33 Zum Einwand der Revisionswerberin, dass sie in den Bescheiden mit einer anderen Firma bezeichnet worden sei und die Bescheide daher nichtig seien, sei zu bemerken, dass eine unrichtige Bezeichnung dann unbeachtlich sei, wenn nach der Verkehrsauffassung keine Zweifel an der Identität des Empfängers bestünden. Dass eine andere Rechtsperson existiere, auf welche die von der Finanzbehörde gewählte Parteibenennung zutreffe, werde von der Revisionswerberin nicht behauptet und ergebe sich auch nicht aus der Aktenlage. Durch die Bezeichnung des Empfängers der Bescheide mit der Firma der Revisionswerberin unter Weglassung der Anführungszeichen bei „Z“ sowie des Wortes „Vertriebs“ habe das Finanzamt nicht zum Ausdruck gebracht, dass eine andere Rechtsperson als die Revisionswerberin angesprochen werden solle. Auch in Anbetracht des Umstandes, dass die Revisionswerberin erst mit Fax des Vertreters vom 22. November 2019 Einwendungen gegen die solcherart an sie adressierten Erledigungen des Finanzamtes erhoben habe, bestehe bei verständiger Würdigung kein Zweifel daran, dass es die Revisionswerberin sei, die vom Finanzamt als Empfängerin benannt worden sei.

34 Zur Zulässigkeit der Revision führte das Bundesfinanzgericht aus, zu der aus der Judikatur des EuGH abgeleiteten Rechtsansicht, dass es für die Verweigerung des Vorsteuerabzuges bei Erfüllung der materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges eines Nachweises einer tatsächlich stattgefundenen Abgabenverkürzung in der Leistungskette sowie eines Nachweises der Kenntnis bzw. der „unverschuldeten“ Unkenntnis davon bedürfe, gebe es ‑ soweit ersichtlich ‑ keine Judikatur. Eine Revision sei daher als zulässig zu erklären gewesen.

35 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 23. Februar 2021, E 406/2020‑7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde ab und wies den Antrag auf Verlängerung der Frist zur Erhebung bzw. Ergänzung der Beschwerde zurück. In der Begründung führte der Verfassungsgerichtshof insbesondere aus, die Beschwerde rüge die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentums. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber nur die Folge einer ‑ allenfalls grob ‑ unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob die Schätzung in jeder Hinsicht dem Gesetz entspreche, sowie der Frage, ob vom Bundesfinanzgericht innerstaatliche einfachgesetzliche Normen oder unionsrechtliche Normen anzuwenden gewesen seien, seien spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht anzustellen. Demgemäß sei beschlossen worden, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen. Der Antrag auf Verlängerung der Frist zur Erhebung bzw. Ergänzung der Beschwerde sei zurückzuweisen, da die Beschwerdefrist in sinngemäßer Anwendung der die Rechtsmittelfristen in der ZPO regelnden Bestimmungen nicht erstreckbar sei.

36 Gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts richtet sich auch die vorliegende (ordentliche) Revision.

37 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

38 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

39 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

40 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

41 Die Revision ist nicht zulässig.

42 Der Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision darzulegen, wenn er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa VwGH 9.9.2019, Ro 2016/08/0009, mwN). Auf eine Rechtsfrage, die das Verwaltungsgericht bei der Zulassung der Revision als grundsätzlich erachtet hat, die in der Revision aber nicht angesprochen wird oder der in der Revision gar die Eignung als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abgesprochen wird, ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht einzugehen (vgl. VwGH 19.12.2018, Ro 2017/15/0014; 15.2.2021, Ro 2019/17/0002).

43 Da der vom Bundesfinanzgericht als grundsätzlich erachteten Rechtsfrage diese Eignung von der revisionswerbenden Partei im Zusammenhang mit der Frage der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts durch einen Senat abgesprochen wird, ist auf diese Rechtsfrage nicht einzugehen.

44 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst geltend gemacht, die revisionswerbende Partei heiße richtig „Z“ BF‑Vertriebs GmbH und nicht Z BF GmbH. Damit werde keine existente Rechtsperson bezeichnet. Die angefochtene Entscheidung stehe daher in Widerspruch zu „VwGH 2005/13/0173 (verstärkter Senat)“. Das zu dieser Zahl ergangene Erkenntnis (eines einfachen Senates) vom 30. März 2011 enthält keine Ausführungen zu diesem Thema.

45 Wie aus dem Zitat in der Revision abgeleitet werden kann, meint die Revision das in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat beschlossene Erkenntnis vom 15. Februar 2006, 2005/13/0179. Dort wurde entschieden, dass mit der Bezeichnung „Wohnungseigentumsgemeinschaft“ allein ein Bescheidadressat (§ 93 Abs. 2 BAO) nicht ausreichend beschrieben ist, woran auch die Anführung des steuerlichen Vertreters nichts ändere. In jenem Erkenntnis wurde aber auch darauf verwiesen, dass ein Deuten eines bloß fehlerhaft bezeichneten Bescheidadressaten zulässig und geboten wäre, wenn die Identifizierung des Adressaten durch die fehlerhafte Bezeichnung nicht in Frage gestellt wäre und kein Zweifel an der Identität des Empfängers bestünde (vgl. dazu auch etwa VwGH 26.6.2014, 2013/15/0062, VwSlg. 8929/F, mit Hinweis insbesondere auf VwGH [verstärkter Senat] 25.5.1992, 91/15/0085, VwSlg. 6675/F).

46 Das Bundesfinanzgericht führte ‑ insoweit unwidersprochen ‑ im angefochtenen Erkenntnis aus, es werde nicht behauptet, dass eine andere Rechtsperson existiere, auf welche die vom Finanzamt gewählte Parteibenennung zutreffe. Durch die Bezeichnung des Empfängers der Bescheide unter Weglassung der Anführungszeichen bei Z sowie des Wortes „Vertriebs“ sei nicht zum Ausdruck gebracht worden, dass eine andere Rechtsperson als die Revisionswerberin angesprochen werden solle. Es bestehe bei verständiger Würdigung kein Zweifel daran, dass es die Revisionswerberin sei, die vom Finanzamt als Empfängerin benannt worden sei. Diesen Darlegungen ist vom Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die soeben zitierte Judikatur („Deuten“ des Bescheidadressaten) nicht entgegenzutreten.

47 Die Revisionswerberin macht weiters geltend, das Verlangen der Einzelrichterin auf Entscheidung durch den Senat sei nicht sachlich begründet; die Entscheidung sei daher mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (Verweis auf VwGH 2005/13/0090).

48 Hiezu ist zu bemerken, dass jenes Erkenntnis (VwGH 29.9.2010, 2005/13/0090, 0091) zur Rechtslage vor dem Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, ergangen ist. Nach der nunmehrigen Rechtslage (§ 272 Abs. 3 BAO) ist ein Verlangen des Einzelrichters auf Entscheidung durch den Senat zulässig, wenn der Entscheidung grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere (u.a.) weil der Bescheid von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts abweicht. Ein solches Verlangen ist weiters zulässig, wenn die Verbindung von Beschwerden, über die der Senat zu entscheiden hat, mit Beschwerden, über die ansonsten der Einzelrichter zu entscheiden hätte, zu einem gemeinsamen Verfahren insbesondere zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens zweckmäßig ist.

49 Zunächst sei zu dieser Frage darauf verwiesen, dass der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde, in welcher auch die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gerügt worden war, abgelehnt hat (vgl. zu den Rechtsfolgen eines unzulässigen Verlangens des Einzelrichters Urtz, ÖStZ 2014/6, 3 ff [6]).

50 Dass die angefochtenen Bescheide des Finanzamts (auch) von Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes abwichen, wird in der Revision umfangreich behauptet („etablierte Spruchpraxis“). Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde den Beschwerden betreffend Körperschaftsteuer 2010, 2012 und 2013 teilweise Folge gegeben und die Bescheide abgeändert; der ‑ nicht mehr im Revisionsverfahren behandelte ‑ Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer 2011 wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis ersatzlos aufgehoben. Vor diesem Hintergrund zeigt aber die Revision nicht auf, dass das Verlangen der Einzelrichterin auf Entscheidung durch den Senat im Ergebnis unzulässig gewesen sei.

51 Die Revision enthält sodann zur Zulässigkeit Ausführungen zur Beweislast, zur Beweiswürdigung und zur Begründungspflicht.

52 Entgegen den Revisionsbehauptungen hat sich das Verwaltungsgericht aber mit den vorliegenden Beweismitteln ausführlich auseinandergesetzt. Einen die Zulässigkeit der Revision begründenden Mangel betreffend die Beweiswürdigung kann die Revision nicht aufzeigen.

53 Ein Begründungsmangel führt nur dann zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, wenn durch diesen Mangel die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentliche Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. VwGH 9.4.2020, Ra 2020/13/0011, mwN). Dass dies hier der Fall wäre, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist die (neuerliche) Rüge nicht zutreffend, dass sich das Bundesfinanzgericht nicht mit den Aussagen der Organe der Revisionswerberin auseinandergesetzt hätte.

54 Wenn sodann in der Revision Ausführungen zur „Anwendung des § 162 BAO“ getätigt werden, so wurden aber weder die Entscheidungen des Finanzamts noch jene des Bundesfinanzgerichts auf eine verweigerte Empfängerbenennung iSd § 162 BAO gestützt. Das Bundesfinanzgericht hat vielmehr ‑ auch abweichend von der Beurteilung des Finanzamts ‑ die insoweit geltend gemachten Betriebsausgaben in einem Ausmaß von 70% anerkannt.

55 Unter der Überschrift „Beweisantizipation“ rügt die Revision ferner die Unterlassung der Aufnahme der beantragten Beweise. Es sei Aufgabe des Bundesfinanzgerichts, die Beweiswürdigung des Finanzamts zu überprüfen, was ohne Beweiswiederholung mit den beantragten Zeugen und Organen der Geschäftsführung nicht stattfinden könne.

56 Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nicht gilt (vgl. VwGH 15.5.2019, Ra 2018/13/0006, mwN). Damit begründete der Umstand, dass die beantragten Beweise nicht neuerlich vor dem Bundesfinanzgericht aufgenommen wurden, keinen Verfahrensmangel. Was den beantragten Sachverständigenbeweis betrifft, so legt die Revision nicht dar, dass dieses Beweismittel notwendig (iSd § 177 Abs. 1 BAO) gewesen wäre (vgl. etwa Ritz, BAO6, § 177 Tz 5; vgl. auch ‑ zu § 52 Abs. 1 AVG ‑ VwGH 27.6.2019, Ra 2019/15/0054, mwN).

57 Die Revision enthält sodann Vorbringen zum „sorgfältigen Unternehmer“; insbesondere zur Frage, ob ein Vertragspartner zu Kontrollzwecken aufzusuchen sei und Unterschriftenproben aus dem Firmenbuch zu holen seien.

58 Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht das Verschulden der Revisionswerberin (das zur Verweigerung des Vorsteuerabzugs führte) nicht darauf stützte, dass die Revisionswerberin den Sitz der (behaupteten) Vertragspartner nicht aufgesucht habe. Das Bundesfinanzgericht nahm auch keine Pflicht der Revisionswerberin an, Unterschriftenproben aus dem Firmenbuch einzuholen; es verwies lediglich darauf, dass die ‑ im vorliegenden Fall weitaus überwiegenden ‑ Barzahlungen nach den vorliegenden Urkunden keinem bestimmten Empfänger zuordenbar seien.

59 Zur Umsatzsteuer (Vorsteuerabzug) macht die Revisionswerberin geltend, das Bundesfinanzgericht gehe von der ständigen Rechtsprechung des EuGH ab, wonach ein Vorsteuerabzugsrecht bestehe, wenn die Leistung tatsächlich erbracht worden sei, auch wenn der Leistungserbringer ein Betrugsunternehmen sei; dies, wenn der Vorsteuerabzugswerber dies weder gewusst habe noch habe wissen können.

60 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Vorsteuerabzug zu verweigern ist, wenn der Steuerpflichtige wusste, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz teilnahm, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, oder er dies hätte wissen müssen (vgl. VwGH 27.1.2021, Ra 2020/13/0068, mwN; vgl. weiters zuletzt EuGH 14.4.2021, Finanzamt Wilmersdorf, C‑108/20 , Rn. 21 ff). Das Bundesfinanzgericht ging von einem wissentlichen Mitwirken der Revisionswerberin an Leistungsbeziehungen mit „Sozialbetrugsfirmen“ (damit meint das Bundesfinanzgericht ‑ wie aus dem unmittelbar vorangehenden Satz der Begründung hervorgeht ‑ Unternehmen, die abgabenrechtlich und damit meist verbunden sozialversicherungs‑ und oft auch arbeitsrechtlich unredlich sind) aus. Die Revision kann keine die Zulässigkeit der Revision begründenden Mängel dieser Beurteilung aufzeigen; daraus folgt aber, dass der Vorsteuerabzug zu Recht verweigert wurde.

61 Unter der Überschrift „Zur KöSt:“ rügt die Revision, es seien fiktive Gewinne zu einer fiktiven verdeckten Ausschüttung qualifiziert worden. Hiezu müsse aber ein „Bereichernwollen“ aus dem Sachverhalt erschließbar sein. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass Mehrgewinne einer Kapitalgesellschaft, die ‑ wie hier ‑ in ihrem Betriebsvermögen keinen Niederschlag gefunden haben, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig als den Gesellschaftern verdeckt zugeflossene Ausschüttungen anzusehen sind (vgl. VwGH 28.5.2015, Ro 2014/15/0046; 31.5.2017, Ro 2014/13/0025, je mwN). Ob der Gesellschafter diese Ausschüttung im Hinblick auf bestehende Guthaben „braucht“, ist insoweit nicht entscheidend.

62 Die Revision rügt weiters, das Finanzamt und das Bundesfinanzgericht hätten die Kapitalertragsteuer auf die fiktive verdeckte Ausschüttung noch einmal aufgeschlagen, ohne zu thematisieren, warum die Revisionswerberin die Kapitalertragsteuer selbst endgültig hätte tragen sollen.

63 Verdeckte Ausschüttungen zählen zu den kapitalertragsteuerpflichtigen Kapitalerträgen (vgl. VwGH 5.2.2021, Ro 2019/13/0027, mwN). Bei verdeckten Ausschüttungen ist zu beachten, ob die ausschüttende Körperschaft auch die auf die Ausschüttung entfallende Kapitalertragsteuer trägt oder ob sie diese auf den begünstigten Gesellschafter überwälzt. Trägt die Körperschaft die Kapitalertragsteuer, dann ist auch darin eine Vorteilszuwendung gelegen, sodass beim Gesellschafter im Rahmen seiner Einnahmen aus der Gewinnausschüttung auch bei der auf Basis der Einnahmen vorzuschreibenden Kapitalertragsteuer dieser Vorteil einzubeziehen ist. Fordert hingegen die Körperschaft die auf die verdeckte Ausschüttung entfallende Kapitalertragsteuer (in angemessener Frist) ein, ist die Ausschüttung als Betrag vor Abzug der Kapitalertragsteuer anzusehen (vgl. VwGH 5.9.2012, 2010/15/0018, mwN). Eine derartige Einforderung der Kapitalertragsteuer vom Gesellschafter wird aber nicht behauptet.

64 Die Revision macht weiters geltend, der Schätzungsvorgang sei nicht nachvollziehbar.

65 Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

66 Ziel einer Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (vgl. VwGH 22.2.2017, Ra 2017/13/0006, mwN).

67 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang rügt, der in den Rechnungen angeführte Stundensatz von 27,60 € sei keinesfalls unterpreisig, ist dem entgegenzuhalten, dass in den Rechnungen ‑ anders als nunmehr in der Revision: Hilfsarbeiterstundensatz ‑ Facharbeiterstunden verrechnet wurden. Die in der Revision (samt Beilage hiezu) dargelegte Ermittlung eines Regiestundensatzes berücksichtigt aber (ohne weitere Begründung) etwa ‑ anders als die Schätzung des Bundesfinanzgerichts ‑ nicht die Nichtleistungsstunden (Urlaub, Krankenstände etc.). Im Übrigen wird aber in der Revision nicht dargelegt, dass die vom Bundesfinanzgericht vorgenommene pauschale Kürzung der Rechnungssummen um 30% mit die Zulässigkeit der Revision begründenden Mängeln behaftet wäre.

68 Schließlich macht die Revision geltend, die Wiederaufnahme sei unzureichend begründet. Soweit sie dazu rügt, es sei die Rechtsgrundlage für die Wiederaufnahme nicht angegeben, ist dies aktenwidrig; in sämtlichen Wiederaufnahmebescheiden wurde jeweils auf § 303 Abs. 1 BAO verwiesen. Im Übrigen erfolgte die Begründung durch Verweis auf den Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom 15. Jänner 2016 (vgl. zur Zulässigkeit eines derartigen Verweises z.B. VwGH 19.10.2016, Ra 2014/15/0058, mwN), der in seiner Textziffer 10 auch jeweils näher darlegte, aus welchen Feststellungen des Berichtes sich die Wiederaufnahme für welche Abgaben welchen Jahres ergebe. Dass dabei ‑ wie die Revision geltend macht ‑ jede Abgabe und jedes Jahr gesondert zu beurteilen ist, ist zutreffend und wurde vom Bundesfinanzgericht auch berücksichtigt. So kam das Bundesfinanzgericht (anders als das Finanzamt) zum Ergebnis, dass betreffend Körperschaftsteuer 2011 eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zu erfolgen hatte.

69 Der Anregung, ein Gesetzesprüfungsverfahren „hinsichtlich von §§ 110, 245 BAO und § 30 VwGG, zu § 245 BAO auch eventualiter wegen der Wortfolge in Abs 2 ‚die Beschwerde‘ und ‚von der Abgabenbehörde‘“ einzuleiten, wird nicht gefolgt. Es ist nicht erkennbar, dass § 110 BAO oder § 245 BAO für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes präjudiziell (vgl. z.B. VfGH 27.11.2020, G 8-9/2020 u.a., Rn. 10) wären; § 245 Abs. 2 BAO enthält überdies nicht die in der Anregung zitierten Wortfolgen. Schließlich bildet auch § 30 VwGG keine Voraussetzung der vorliegenden Entscheidung.

70 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen, was in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat beschlossen wurde.

71 Der Antrag auf (offenbar gemeint) Fristverlängerung um sechs Wochen war zurückzuweisen, da weder die Frist für Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof (vgl. hiezu VfGH 11.3.2021, E 406/2020) ‑ hiefür ist der Verwaltungsgerichtshof überdies nicht zuständig ‑ noch jene für Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof (vgl. z.B. VwGH 13.11.2019, Ra 2019/13/0049) erstreckbar ist.

72 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 11. Juni 2021

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