VwGH Ra 2019/09/0084

VwGHRa 2019/09/008429.10.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die außerordentliche Revision des H L in D, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 4. März 2019, Zl. LVwG 30.24-1505/2018-10, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark),

Normen

B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §14 Abs3
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs1 Z6
GSpG 1989 §52 Abs2
VStG §44a Z1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
12010E049 AEUV Art49
12010E056 AEUV Art56
12010E267 AEUV Art267
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47
62009CJ0347 Dickinger und Ömer VORAB
62012CJ0390 Pfleger VORAB
62015CJ0464 Admiral Casinos Entertainment VORAB
62015CJ0685 Online Games VORAB
62017CJ0003 Sporting Odds VORAB
62017CO0079 Gmalieva VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019090084.L00

 

Spruch:

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruches über die Strafe sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 5. April 2018 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der X GmbH der zweifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 2 und 4 sowie § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt und über ihn zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils 20.000,-- Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit zwei Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils fünf Tagen) verhängt, weil die X GmbH verbotene Ausspielungen in einem näher bezeichneten Lokal unternehmerisch zugänglich gemacht habe.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 4. März 2019 wurde die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde unter Ergänzung der Strafsanktionsnorm abgewiesen und dieser verpflichtet, einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 8.000,-- Euro zu leisten. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. 5 Die belangte Behörde verzichtete auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. 7 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2018/09/0204, mwN).

9 Zunächst ist dem Zulässigkeitsvorbringen der

gegenständlichen Revision zu erwidern, dass die für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV aufgeworfenen Fragen klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09 , Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C- 390/12 , Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment, C- 464/15 , Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds, C-3/17 , Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Er hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser - weiterhin maßgeblichen - Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall mit seiner Beurteilung im Ergebnis nicht abgewichen. Das Zulässigkeitsvorbringen zeigt nichts auf, was diesbezüglich zu einer anderen Beurteilung führen könnte. Die angefochtene Entscheidung steht entgegen diesem Vorbringen auch nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.

10 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH ua, C-685/15 , die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. EuGH 28.2.2018, Sporting Odds, C-3/17 , Rn. 55; VwGH 25.4.2018, Ra 2018/09/0039). 11 Soweit das Zulassungsvorbringen in der Revision auf § 14 Abs. 3 GSpG Bezug nimmt, aber sonst keine weiteren Ausführungen zu dieser Thematik vornimmt, genügt es, auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 2018 zu verweisen.

12 Wenn die Revision weiters behauptet, dass im Hinblick auf die Möglichkeit der Durchführung von online-Glücksspielen auf den Geräten eigentlich der Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 6 GSpG zur Anwendung hätte gelangen müssen, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass bei Geräten mit Internetverbindung die Bestrafung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zu erfolgen hat (vgl. VwGH 20.3.2019, Ra 2018/09/0123, 0124, mwN).

13 Der Revisionswerber rügt überdies einen Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG, weil nicht ersichtlich sei, worin das unternehmerische Zugänglichmachen im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG zu sehen sei und zudem ein bloßes Dulden keine unternehmerische Handlung darstelle. 14 Mit dem dritten Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG des unternehmerischen Zugänglichmachens ist eine Person gemeint, die das Glücksspielgerät in ihrer Gewahrsame hat und dieses den Spielern zugänglich macht, wie etwa ein Wirt, der sich von der Aufstellung des Gerätes durch den Betreiber lediglich eine Belebung seiner Getränkeumsätze erhofft oder vom Automatenbetreiber eine vom Ertrag des Automaten unabhängige Miete erhält (vgl. VwGH 26.4.2017, Ra 2016/17/0273, mwN). Die X GmbH ist nach den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes Lokalbetreiberin und daher dem ersten Fall des zitierten Erkenntnisses zuzurechnen (vgl. auch VwGH 10.8.2018, Ra 2017/17/0467).

15 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, sodass sich die Revision in diesem Umfang als unzulässig erweist. 16 Soweit der Revisionswerber in seiner Zulässigkeitsbegründung aber vorbringt, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Doppelverwertungsverbot, erweist sich die Revision als zulässig und begründet:

17 Das Verwaltungsgericht ging im angefochtenen Erkenntnis davon aus, dass im Revisionsfall der zweite Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG heranzuziehen sei und zwei "rechtskräftige

einschlägige Vorstrafen ... wegen verbotener Ausspielungen nach

dem GSpG am 09.03.2015 und am 04.10.2016" vorlägen, die "als erschwerend zu werten" seien. Die Behörde habe zu Recht "nichts als strafmildernd und die beiden rechtskräftigen Vorstrafen als erschwerend" gewertet.

18 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommende Erschwerungs- und Milderungsgründe nur soweit bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen, als sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen. Die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevanten Umstände dürfen also nicht noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden (vgl. VwGH 21.9.2018, Ra 2017/17/0735, mwN; siehe auch VwGH 6.9.2016, Ra 2016/09/0056).

19 Da das Verwaltungsgericht dies verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis im Umfang seines Strafausspruches sowie hinsichtlich der Verfahrenskosten wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

20 Im Übrigen war die Revision zurückzuweisen.

21 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 29. Oktober 2019

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