VwGH Ra 2016/17/0273

VwGHRa 2016/17/027326.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Brandl als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 27. Juni 2016, LVwG-S-674/001-2016, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Baden; mitbeteiligte Partei: MW in H, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016170273.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 10. Februar 2016 wurde der mitbeteiligten Partei als Betreiberin eines näher genannten Lokals in 2560 Berndorf das unternehmerische Zugänglichmachen von zur Teilnahme vom Inland aus verbotenen Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs 4 Glücksspielgesetz (GSpG) durch das Aufstellen von zwei Glücksspielgeräten in ihrem Lokal und damit eine Verwaltungsübertretung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 GSpG zur Last gelegt und über sie eine Geldstrafe in der Höhe von insgesamt EUR 20.000,- (Ersatzfreiheitsstrafe von insgesamt 672 Stunden) verhängt.

2 Mit Erkenntnis vom 27. Juni 2016 gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der von der Mitbeteiligten gegen das Straferkenntnis erhobenen Beschwerde statt, hob den angefochtenen Bescheid auf und stellte das Verfahren unter Einem ein. Weiters sprach es aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die mitbeteiligte Partei habe im gegenständlichen Fall Stellflächen für die entsprechenden Geräte vermietet, wobei für die Vermietung ein fixes Entgelt vereinbart worden sei. Jedoch habe die Mitbeteiligte kein wirtschaftliches Risiko für die angebotenen Spiele getragen und es hätten sich auch keine Hinweise für eine Beteiligung an den Ausspielungen oder für eine gewinn- oder verlustabhängige Verrechnung ergeben, weshalb keine Strafbarkeit im Sinne des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG gegeben sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5 Die mitbeteiligte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung beantragt, die Revision kostenpflichtig als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

 

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 § 52 Abs 1 Z 1 GSpG in der hier anwendbaren Fassung BGBl. I Nr 105/2014 lautet:

"§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro und in den Fällen der Z 2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,

1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt;"

8 In der Revision wird zur Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht, das Landesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des normativen Umfanges und der tatbestandsmäßigen Ausgestaltung des ersten und dritten Tatbildes des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG abgewichen bzw habe diese nicht beachtet (Hinweis VwGH vom 21. Oktober 2013, 2013/17/0138, und vom 26. März 2015, Ra 2014/17/0033). Konkret habe das Landesverwaltungsgericht offensichtlich das erste und dritte Tatbild vermengt und nicht die vom Gesetz und der höchstgerichtlichen Rechtsprechung geforderte, exakte Trennung und vorgegebene Hierarchie der vier Tatbestände des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG berücksichtigt.

9 Die Revision ist zulässig und auch begründet. 10 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits erkannt hat, stellt

§ 52 Abs 1 Z 1 GSpG sowohl das Veranstalten als auch das unternehmerische Zugänglichmachen von zur Teilnahme vom Inland aus verbotenen Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs 4 GSpG unter Strafe. Als Täter, der im Sinne des ersten Tatbildes des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs 4 GspG veranstaltet, kommt in Betracht, wer das Spiel auf seine Rechnung und Gefahr hin ermöglicht, also das Risiko des Gewinns und Verlusts in seiner Vermögenssphäre trägt (VwGH vom 26. März 2015, Ra 2014/17/0033).

11 Dagegen ist mit dem dritten Tatbild des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG des unternehmerischen Zugänglichmachens eine Person gemeint, die das Glücksspielgerät in ihrer Gewahrsame hat und dieses den Spielern zugänglich macht, wie etwa ein Wirt, der sich von der Aufstellung des Gerätes durch den Betreiber lediglich eine Belebung seiner Getränkeumsätze erhofft oder vom Automatenbetreiber eine vom Ertrag des Automaten unabhängige Miete erhält (vgl VwGH vom 12. März 2010, 2010/17/0017 mwN).

12 Im vorliegenden Fall erfolgte die Bestrafung der mitbeteiligten Partei durch die vor dem Landesverwaltungsgericht belangte Behörde aufgrund des unternehmerischen Zugänglichmachens von verbotenen Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs 4 GSpG, also aufgrund des dritten Tatbildes des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG. Demgegenüber gelangte das Landesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis zu dem Schluss, dass der Umstand, dass die Mitbeteiligte den Stellplatz für die verfahrensgegenständlichen Glücksspielgeräte vermietet habe und dafür ein fixes Entgelt vereinbart gewesen sei, noch nicht bedeute, dass die Mitbeteiligte auch unternehmerisch Beteiligte der angebotenen Spiele gewesen sei. Dies begründete es im Wesentlichen damit, dass eine Gewinn- und Verlustbeteiligung der Mitbeteiligten an den einzelnen Spielen nicht habe festgestellt werden können und diese damit auch keinerlei wirtschaftliches Risiko für die auf den gegenständlichen Geräten angebotenen Spielen getragen habe, zumal die Mitbeteiligte auch keine Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen angestrebt habe. Würde man -  so das Landesverwaltungsgericht - zu dem Schluss gelangen, dass schon solche umsatzunabhängigen Tätigkeiten wie jene der Mitbeteiligten zu der Stellung eines Unternehmers im Sinne des § 2 Abs 2 GSpG und in weiterer Folge zu einer Strafbarkeit gemäß § 52 Abs 1 Z 1 GSpG führte, müssten auch sämtliche Versorgungsunternehmen für Strom und Internet vom genannten Straftatbestand umfasst sein. Eine derart weite Auslegung des Begriffes des Unternehmers im Glücksspielgesetz könne dem Gesetzgeber jedoch nicht zugesonnen werden, weil sonst in nahezu allen Fällen unbeteiligte Dritte von den Strafbestimmungen erfasst würden.

13 Mit diesen Ausführungen verkennt das Landesverwaltungsgericht jedoch die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (insbesondere das bereits zitierte hg Erkenntnis vom 12. März 2010), nach welcher das dritte Tatbild des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG des unternehmerischen Zugänglichmachens von zur Teilnahme vom Inland aus verbotenen Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs 4 GSpG, Unternehmer umfasst, die das Glücksspielgerät in ihrer Gewahrsame haben und dieses den Spielern zugänglich machen. Dass die Vermietung des Stellplatzes im Rahmen des Unternehmens der Mitbeteiligten erfolgte, ist unstrittig.

14 Die vom Landesverwaltungsgericht und von der mitbeteiligten Partei befürchtete Ausuferung der Reichweite des Straftatbestandes des unternehmerischen Zugänglichmachens des § 52 Abs 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG , nach welcher infolge der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsauffassung sämtliche Versorgungsunternehmen für Strom und Internet von einer Strafbarkeit im Sinne des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG erfasst sein müssten, ist im Übrigen bei rechtsrichtiger Auslegung der genannten Bestimmungen im Sinne der hg Judikatur nicht zu befürchten, weil diese Unternehmer die Glücksspielgeräte regelmäßig nicht in ihrer Gewahrsame haben.

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 26. April 2017

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